Читать книгу Umweg ins Verderben: Berlin Turbo #6 - Glenn Stirling - Страница 6

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„Sauwetter!“, schimpfte Rolf Nerlinger und starrte wie gebannt auf die glänzende Fahrbahn. Regenschleier, Spritzwasser, Lichter mit Strahlenkronen, die durch die Nacht geisterten und sich rasch näherten. Unwahrscheinlicher Verkehr auf dem Autoput.

Himmel und Hölle!, dachte Rolf, während er sich mit der Linken den Schweiß von der Stirn wischte. Das riecht ja geradezu nach einem Unfall.

Und sein Partner Klaus Matschke schlief. Den störten die Blitze nicht, die dieses nächtliche Gewitter zur Erde schleuderte, der schien die unmittelbar darauffolgenden Donnerschläge nicht einmal zu hören.

Und es goss. Es schüttete in Strömen. Dabei dieser Verkehr. Daheim in Deutschland hatten die Nordrhein Westfalen Ferien bekommen. Da rollten sie nun, mit auf dem Dach bepackten Pkws, mit Wohnwagen, mit Booten hinten dran. Und die ebenfalls in Urlaub fahrenden Türken, Griechen und Jugoslawen. Die mit überladenden Wagen, manchmal acht und mehr Leute in diesen Schrottkisten. Heimatland! Nur keinen Unfall bauen!, dachte Rolf.

Wegen des Wassers, das gar nicht so rasch von der Fahrbahn fließen konnte, fuhr er nur noch 40 km/h. Die anderen konnten auch nicht mehr. Fontänen von Spritzwasser gischteten zu beiden Seiten des MAGIRUS-DEUTZ 360 M 19 und auch unter den Rädern des dreiachsigen BLUMHARD-Hängers. Der Hänger sprang, wenn es uneben wurde. Schlechte Stücke gab es auf dem berüchtigten jugoslawischen Autoput genug. Der Hänger war leer, ebenso der Maschinenwagen. Leerfahrt von Wien bis hier herunter. Rolf Nerlinger konnte Leerfahrten nicht ausstehen. Die waren das reine Gift fürs Geschäft.

„Eh, es regnet, was?“, meldete sich Klaus von hinten. „Ganz schöne Scheiße, wie? Wie weit haben wir noch?“

„Du stellst verdammt viele Fragen auf einmal, Cowboy“, erwiderte Rolf mürrisch. „Hast du Regen gesagt? Was da herunterkommt, ist der Niagara Fall, Cowboy. Und dass es ein ganz schöner Schweinkram ist, was hier läuft, kannst du ruhig lauter sagen.“

„Und wie weit noch? Wo kleben wir?“ Klaus reckte sich vor und versuchte etwas durch die Windschutzscheibe zu erkennen. Ein Wagen kam mit viel zu hoch stehendem Abblendlicht entgegen, sodass Rolf geblendet die Augen zusammenkniff und zum Fahrbahnrand spähte. „Dieser Saftarsch! Kann der nicht seine verdammten Lampen einstellen, wohl überladen, was?“, schimpfte Klaus. Er sprach Rolf aus der Seele.

Vorn staute es sich. Bremslichter zuckten blendend auf. Auch Rolf musste abstoppen. Das Zischen der abgeblasenen Luft ging in einem heftigen Donnerschlag unter.

„Alle neune!“, rief Klaus. „Das war direkt neben uns. Hast du den Blitz gesehen, Rolli?“

„Woher denn?“, knurrte Rolf unfreundlich. „Ich bin doch auf beiden Augen blind. – Sieh dir das bloß an! Jetzt rührt sich nichts mehr. Die Schlange ist mindestens zwei Kilometer lang. Rücklichter bis sonst wohin. Und es kommen auch keine mehr entgegen. Vielleicht ein Unfall. Wie spät haben wir?“

Klaus sah auf die Uhr am Armaturenbrett. „Halb eins fast. – Sind wir schon an Brod vorbei?“

„Schon lange, aber seitdem läuft es ja auch nicht mehr. Da hat der Mist mit dem Gewitter angefangen. Wir müssen unmittelbar vor Babina Greda sein. Da vorn die Lichter links, das könnte der Ort sein. – Herrschaftszeiten, geht es denn überhaupt nicht weiter?“

Klaus goss Kaffee aus der Thermosflasche in den Becher. „Kaffee?“, fragte er.

„Ja, aber trink erst, ich habe ja massenhaft Zeit, wie du siehst.“

Die Scheibenwischer tanzten ihr monotones Ballett. Auf das Dach der Kabine trommelte der Regen im Stakkato.

Vor ihnen standen zwei Pkws mit voll beladenem Dachgepäckträger. Ab und zu konnte Rolf im Licht der abgeblendeten Scheinwerfer die hellen Flecke der Gesichter von den Fondfahrgästen sehen. Kinder offenbar.

„Die haben sich ihren Urlaub auch anders vorgestellt. Aber um die Zeit sind hier oft Gewitter. Etwas früh, schon im Juni Ferien zu geben.“ Rolf zuckte die Schultern. „Aber wenigstens kommen nicht alle Deutschen mit einmal.“

„Da, der Kaffee, Rolli, nimm!“, sagte Klaus und reichte Rolf den Becher.

Rolf sah Klaus kurz an und lächelte. „Und du wolltest zum Wochenende in Berlin sein! Da hat uns Sabine aber einen ziemlichen Strich in die Mathematik gemacht, was, Cowboy?“

Klaus nahm es mit Humor und lachte. „Scheiß drauf!“, meinte er.

Rolf stimmte in dieses Lachen ein. In diesem Augenblick wurde etwas von dieser Verschworenheit, der Kameradschaft und Freundschaft der beiden sichtbar, bei Rolf, dem achtunddreißigjährigen untersetzten, kräftigen und mit allen Wassern gewaschenen Fernfahrer. Aber auch bei Klaus, obgleich der zehn Jahre jünger war und auch so aussah. Ein drahtiger Bursche war er, noch nicht so abgekocht wie Rolf, aber das würde noch werden. Daran hatte besonders Rolf keine Zweifel.

„Ich bin nur gespannt, ob es wirklich Sperrholzplatten sind“, meinte Klaus. „Und wieso wir extra von Wien aus hinfahren, um die Ladung zu übernehmen, das möchte ich auch mal wissen.“

Rolf zuckte die Schultern und stellte jetzt den Motor ab. Der Stau schien sich vorerst nicht aufzulösen, aber wenigstens zog das Gewitter weiter. Der heftige Regen ließ etwas nach.

„Weißt du“, sagte er, „ich kenne ja die Leute nicht, die da Pech gehabt haben. Weiß nur, dass es kein Zug von uns ist. Aber könnte ja sein, dass es eine Firma ist, mit der wir gutstehen. Dann begreife ich schon, dass uns Sabine hinschickt, die Ladung zu übernehmen. Was soll sonst sein?“

Klaus beugte sich vor und sah Rolf bedeutsam an. „Bei Sabine weiß man nie. Der haben wir schon manche miese Fracht zu verdanken, die keiner gewollt hat. Sie übernimmt doch jeden Mist. Darf ich da mal ganz bescheiden an unseren kleinen Ausflug hinter den Ural erinnern?“

„Es geht weiter!“, rief Rolf, ohne auf die Bemerkung von Klaus zu antworten. Er ließ den Motor an. Aber es verging noch einige Zeit, bis sich die Fahrzeuge vor ihm in Bewegung setzten.

Der Verkehr setzte sich schneller in Bewegung, und als es auch noch aufhörte zu regnen, löste sich die Schlange rasch auf. Dennoch war es unmöglich allzu viel Tempo zuzulegen. Doch es rollte. Und damit waren Rolf und Klaus schon sehr zufrieden.

Der MAGIRUS und sein Anhänger rauschten durch die Nacht über die jugoslawische Staatsstraße 1, den Autoput. Die Nacht wurde klarer, die Sicht besser, die Straße war nun schon lange wieder trocken. Als die Baustelle hinter der Abzweigung nach Vinkovci kam, sagte Klaus, der sich inzwischen auf den Beifahrersitz gesetzt hatte:

„Diese mistige Baustelle war schon letztes Jahr, den Winter über und ist jetzt noch. Wann werden die bloß fertig?“

Rolf erwiderte nichts, steuerte langsam über die holprige Umleitung und hatte alle Hände voll damit zu tun, den Zug nicht an einer sehr schrägen Stelle umzuschmeißen. Aber dann ging es endlich wieder auf die Chaussee zurück, und wenig später tauchte die Beschilderung Lipovac auf, ein kurzes Stück vom Autoput über eine nicht gerade gute Straße. Schlaglöcher zu Hauf, dann hatten sie noch einen ohne Licht fahrenden Traktor vor sich, ehe sie Lipovac erreichten. Eine dorfartige Gemeinde – nichts Besonderes, und die Schmiede, wo der bei einem Unfall beschädigte Sattelschlepper stand, befand sich gleich am Ortseingang. Der orangerote Sattelschlepper, ein 320er Mercedes stand davor. Die ganze Vorderseite vom Fahrerhaus war schwer eingedrückt, die Sattelkupplung beschädigt. Der Auflieger saß nur lose drauf. Das sahen Rolf und Klaus schon, als sie angehalten hatten und mit Fernlicht den havarierten Sattelzug anstrahlten.

„Ganz schön im Eimer“, meinte Rolf. „Aber wie es heißt, hat der Kutscher nichts abbekommen. Fast ein Wunder.“

Das fand auch Klaus. „Wenn er einen auf dem Beifahrersitz gehabt hätte, wäre der aber mindestens auf der Intensivstation. Da ist ja bis hinter den Sitz alles weg.“

„Sieht aus, als hätte es die Zugmaschine umgeschmissen. Sieh dir die Sattelkupplung an. Alles im Arsch.“ Rolf schaltete Standlicht an und öffnete die Tür. „Nimm die Taschenlampe mit, Cowboy! Vor Tagesanbruch läuft hier nichts. Wir sehen uns den Zinnober an und legen uns dann für eine Runde pennen. Der Kollege wird uns schon wecken, wenn er sieht, dass es uns gibt.“

Was sie dann sahen und mit der Taschenlampe anstrahlten, war so, dass Rolf es in dem Satz zusammenfasste: „Der kommt hier nicht einmal mehr weg, am besten verschrotten.“

„Versicherungsfall“, stimmte Klaus zu. „Ja ja, die Ladung scheint ja okay zu sein. Warten wir’s einfach ab. – Wenn du mich fragst, ich habe sagenhaften Kohldampf.“ Er atmete die frische Luft tief ein. Es war hier auch nicht mehr so kalt wie weiter nördlich. Und es roch nach Kuhmist. Irgendwo bellte ein Hund. Dann krähte sogar bei den ersten Häusern ein Hahn. „Es wird sicher bald hell“, meinte Klaus. „Wir haben drei Uhr.“

„Trotzdem haue ich mich aufs Ohr. Iss, wenn du willst, ich habe keinen Hunger.“ Rolf ging zum MAGIRUS zurück. Klaus, der sich nicht so müde fühlte, machte noch einen Rundgang um den eigenen Zug, leuchtete da und dorthin mit der Lampe, aber alles war in Ordnung. Als er dann über die Tiefebene nach Osten blickte, hatte sich am Horizont schon ein Silberstreif gebildet.

Er stieg ein. Rolf schlief schon.

Klaus streckte und reckte sich, holte sich etwas zu essen aus dem Fach, köpfte eine Flasche Bier und lehnte sich entspannt zurück. Draußen kroch allmählich die Dämmerung übers Land. Durchs offene Fenster drang frische Luft herein, und wieder hörte er den Hahn krähen.

Plötzlich erkannte er durch die Windschutzscheibe eine Gestalt, die langsam näher kam und genau auf den MAGIRUS zuhielt. Je näher dieser Mann dem Lastzug war, umso deutlicher konnte ihn Klaus erkennen. Ein mittelgroßer Typ mit Lederjacke, Jeans und auf dem Kopf einen Lederhut. Der Mann hatte dunkles Haar und einen Kinnbart.

Als der Fremde neben dem Fahrerhaus des MAGIRUS stand und zum Fenster hochsah, beugte sich Klaus nach draußen. „Hallo!“

„Hallo“, erwiderte der andere. „Ich habe doch richtig gehört. Gut, dass ihr da seid. Die Warterei geht einem unwahrscheinlich auf den Keks. Ich heiße Warstein, Helmut Warstein. Ich fahre für Ringer in Bonn. Nehmt ihr das ganze Zeug?“

Das ganze „Zeug“, wie es Helmut Warstein nannte, waren 17,5 Tonnen Sperrholzplatten. So viel wusste Klaus auch schon. Aber er ahnte Schlimmes. Es sah ganz danach aus, als würden sie die Ladung selbst umpacken müssen. Und da standen ihnen ein paar schweißtreibende Stunden bevor.

„Wir nehmen alles“, sagte Klaus als Antwort auf die Bemerkung von Helmut Warstein. Dabei überlegte er, wie alt Warstein sein mochte. Bestimmt noch älter als Rolli. „Hast du wenigstens einen, der uns noch beim Umladen hilft? Oder sollen das nur wir drei machen.“

„Ich habe einen aufgetrieben. Er kann uns helfen. Aber es wird trotzdem eine unverschämte Schinderei. Ihr müsst dicht an meinen Auflieger heranfahren.“

„Was wird aus diesem Schrott?“

„Sperrmüll, was sonst“, meinte Warstein mit schiefem Grinsen. „Du bist doch nicht etwa allein?“

„Nein, nein. Mein Kumpel pennt.“

„Also gut. Ich trommle jetzt den Jungen heraus, der uns helfen soll. Fahrt schon mal ran! Wir können gleich anfangen. Ich bin nämlich froh, wenn ich von hier wegkomme.“

„Willst du mit uns mit?“, erkundigte sich Klaus.

Helmut Warstein schüttelte den Kopf. „Nein, nein. Ich miete mir auf Kosten von meinem Boss einen Leihwagen. Einen Pkw natürlich. Ich bin noch vor euch in Bonn. Darauf verlasst euch.“

„Wie? Kommt dieser Mist nach Bonn? Ich denke, das Zeug ist für Italien bestimmt.“

„Wer hat euch das denn erzählt? Ihr wisst zu viel, Jungs. Haltet bloß die Schnauze, wenn ihr das Zeug rausbringt. Die Ladung ist für Bonn bestimmt, sonst gar nichts. Aber natürlich geht es anschließend nach Italien“, fuhr er leiser sprechend fort. „Das darf bloß keiner wissen. Der Zug wird neu verplombt, und dann ab die Post. Aber vielleicht müsst ihr auch in Bonn abladen. Ich kann es mir nur nicht denken. Die Papiere sind ja schon für euch ausgestellt worden. Die liegen an der Grenze bereit. Unsere Firma hat einen Deklaranten bestellt, der das alles erledigt hat. Ihr müsst nur mit dem ganzen Krempel über Tarvisio fahren. Und natürlich Arnoldstein bei den Österreichern.“

„Gut. Und weiter?“'

„Dann kurvt ihr nach Bonn. Was weiter? Ihr bekommt neue Plomben, und ab geht die Post nach Italien.“

„Und wohin in Italien?“

„Rom. Feine Fahrt.“

„Idiotisch“, stellte Klaus fest. „Wir könnten das Zeug doch direkt von hier, über Triest und Venedig nach Rom schaffen. Wieso dieser Umweg über Bonn? Das grenzt doch an Schwachsinn.“

„Trick 17, mein Junge!“, meinte Helmut Warstein und grinste wieder schief.

„Italien ist ein EG-Staat, die Bundesrepublik ist es. Jugoslawien nicht. Also schaffen wir das Zeug erst zu uns und dann, als käme es von uns, zu den Italienern.“

„Warum dann nach Bonn, zum Teufel? Da könnten wir doch ebenso gut gerade eben über die deutsche Grenze zischen. Garmisch oder was immer. Das würde doch genügen. Wieso bis hinüber nach Bonn? Am Ende noch nach Hamburg, oder?“

Warstein schüttelte den Kopf. „Das sind Sachen, die versteht unsereiner nicht. Die Herren am Schreibtisch haben sich das ausgedacht, und sie fahren offenbar gut dabei. Die bezahlen ja schließlich den Sprit und unsere Löhne. Also zerbrich dir nicht den Kopf von denen! Die wissen schon, was sie tun.“

Klaus gab sich damit nicht zufrieden, aber zunächst schwieg er und beschloss erst einmal, Rolli zu wecken.

Als Rolf wach war und verschlafen Warstein begrüßte, war Klaus schon draußen. Er sah sich an, wie sie am besten an den Sattelschlepper heranfuhren und machte dazu ein paar Vorschläge.

Rolf schwieg, ließ sich knurrig hinter dem Lenkrad nieder, während Helmut Warstein zum Dorf hin davonging, um den Jungen zu holen, der ihnen helfen sollte.

„Was mir stinkt“, schimpfte Rolf so laut, dass es Klaus draußen hörte, „ist diese verdammte Umladerei. Haben die keinen Stapellader in diesem Kaff? Verdammte Hacke! Und jetzt umladen. Sperrholzplatten! Da weiß man wenigstens, was man getan hat, zum Teufel. Möchte nicht wissen, wie viel Tausende es sind. Das grenzt ja an Wahnsinn!“

Klaus hatte schon die Bracken heruntergeklappt, auch die des Sattelschleppers, und sie wollten zunächst einmal den Hänger beladen. Der Boden war ja fest, wenn auch holprig, und so konnten sie das riskieren.

Als sie mit dem Umladen begannen, kamen auch Warstein und ein vielleicht siebzehnjähriger Slavone. Der Junge wirkte auf den ersten Blick hin etwas einfältig, aber da hatte sich Rolf, der ihn skeptisch betrachtete, getäuscht.

„Hört mal Jungs, der Knabe hier hat eine wunderbare Idee gehabt. Er kann ein bisschen Deutsch“, sagte Warstein. „Er kann uns einen Stapellader beschaffen. Ihr müsst dann noch einmal neu rangieren. Und wir sollten hier unten etwas hinschmeißen. Ein paar Bretter oder so etwas, damit man mit dem Stapellader fahren kann.“ '

„Wie ist es, wenn wir deine Kiste an eine andere Stelle schleppen?“

„Nein, nein. Die muss hier stehenbleiben. Die könnt ihr gar nicht fahren. Die hat am Kran gehangen“, sagte Warstein. „Der ganze Mist bricht noch zusammen. Laddt das mal! Wir schütten hier etwas hin, legen ein paar Bretter drüber, und dann kann der Stapellader umladen.“ Mittlerweile kamen immer mehr Leute, die zusehen wollten. Der Junge lief weg und holte den Stapellader. Es war ein ziemlich vorsintflutliches Monstrum, aber dann bewies dieses Ding, das es funktionierte. Es hatte auch die Räder groß genug, um trotz der Bretter nicht doch noch einzusinken. Das Umladen klappte. Ein Mann um die Dreißig fuhr den Stapellader, während ihn der junge Bursche dirigierte, herumschrie und sich ungemein wichtig vorkam, zumal mittlerweile das halbe Dorf herumstand und zuschaute.

„Fehlt bloß noch, die holen eine Musikkapelle“, meinte Klaus.

„Lass mal. Mir ist wichtiger, das Zeug kommt rüber“, erwiderte Rolf.

Aber die Leute erwiesen sich als ungemein nett. Noch während umgeladen wurde, lud eine Frau um die Vierzig, die etwas Deutsch sprach, alle drei Fahrer zum Essen ein.

„Mann o Mann“, erwiderte Rolf. „Zu Mittag wollen wir hier längst weg sein.“

„Nimm die Einladung an! Wir kommen früh genug weg“, riet Helmut Warstein. „Und sie kochen gut hier. Ich habe das schon ausprobiert. Außerdem sind sie beleidigt, wenn ihr es abschlagt.“

Es kamen noch ein paar Einladungen. Und gegen neun Uhr tauchten zwei Frauen mit einem großen Brett auf, das mit Hartwurst, Brot und Käse bepackt war. Ihm folgte ein älterer Mann mit einem Krug voller Wein.

Auch der Schmied hatte Wein gebracht. Und Rolf meinte:

„Der schmeckt prima. Aber wenn ich noch zwei Gläser trinke, bin ich breit. Wir müssen aufhören, Klaus. Für dich, Helmut, gilt das nicht. Du bist ja noch eine Weile hier.“

„Fehlanzeige“, meinte Warstein. „Den Wagen, mit dem ich wegfahren will, haben sie mir schon gebracht. Und ich habe deinem Kumpel schon gesagt, dass ich vor euch in Bonn sein muss.“

Sie blieben tatsächlich noch bis Mittag. Es war einfach unmöglich, die Einladungen abzulehnen, ohne die Leute zu beleidigen. Diese südländische Gastfreundschaft war einfach wunderbar, und sie bedankten sich herzlich, bevor sie losfuhren. Sie verabschiedeten sich von Helmut Warstein, aber er prophezeite ihnen, sie in Bonn wiederzutreffen.

Als der MAGIRUS mit seinem Hänger losfuhr, winkten einige Dutzend Arme ihnen zum Lebewohl.

Klaus drückte zum Abschied das Lufthorn, Rolf winkte zum Beifahrerfenster hinaus, und dann waren sie schon auf der Straße und donnerten davon.

Siebzehneinhalb Tonnen Ladung waren für den MAGIRUS ein Pappenstiel. Damit ging er ab wie die Feuerwehr.

Als sie auf dem Autoput waren, wurden sie von Helmut Warstein in einem ziegelroten 124er Fiat überholt. Nur weil er winkte, erkannten sie ihn. Und dann brauste er rasch davon.

In der Süd-Nord-Richtung war die Strecke ziemlich frei. Der Gegenverkehr kam dicht. Immer noch Urlauber und noch mal Urlauber. Die meisten solo, manche im Wohnwagengespann; auch viele Reisemobile. Und dazwischen immer wieder Lastzüge, die im Strom der Urlauber mitfahren mussten, ob sie wollten oder nicht.

Klaus drückte auf die Tube. Wer wusste schon, was noch auf sie wartete. Nur rasch voran.

Direkt hinter der Kreuzung nach Banja Luka war der Autoput wieder mehrspurig wie eine Autobahn. Das Stück war ganz neu bis in Höhe von Banova Jaruga.

Klaus drehte auf. Auf ihrer Seite war nicht viel los.

„Denk an die Bullen! So kannst du hier nicht fahren wie auf dem Nürburgring“, meinte Rolf warnend und streckte sich im Sitz aus. „Mensch, hab ich die Wampe voll. Die haben da aufgetischt wie bei einer Hochzeit. Bloß gut, dass wir nicht mehr getrunken haben. Wenn es nach denen gegangen wäre, lägen wir unter dem Tisch. Aber nett sind die Leute, unwahrscheinlich nett. Kannst du dir vorstellen, dass das jemand in Deutschland tut, in irgendeinem Dorf, wo ein ausländischer Lastwagen auftaucht, um die Ladung von einem anderen, der Pech hatte, umzuladen, dass die dem auftischen? Kann ich mir in Deutschland nicht denken. Kann ich mir eigentlich in ganz Nordeuropa nicht vorstellen. Aber da unten im Süden, da sind sie so. Und bei uns zu Hause tut man, als wären das die letzten Indianer. Aber morgen stinken wir beide nach Knoblauch, das kann ich dir sicher verraten.“

„Ich stinke jetzt schon danach“, meinte Klaus und lachte. „Wenn wir alle beide danach stinken, macht es nichts. Das ist eben bei Knoblauch so. Den müssen immer alle essen.“

Sie kamen gut voran. Keine besonderen Vorkommnisse. Über Zagreb und Laibach, das heutige Ljubljana, kamen sie an die italienische Grenze, von da ging es nach Tarvisio. Als Transitzug hatten sie keine Probleme. Sie wurden verplombt, und fuhren in Tarvisio auf den Zollhof. Der Deklarant hatte alles erledigt. Sie konnten bereits nach einer Stunde weiter zur Grenze in Richtung Arnoldstein.

Auch bei den Österreichern ging es rasch. Der Deklarant hatte gute Arbeit geleistet.

Es war inzwischen wieder Nacht, als sie von dem kurzen Autobahnstück auf der österreichischen Seite wieder auf die Landstraße kamen, die Abkürzung an Villach vorbei nahmen und dann auf die österreichische Staatsstraße 100, zwischen Villach und Spittal, gelangten.

Normalerweise war hier immer der Teufel los. Kriechverkehr. Aber jetzt um diese Zeit hatte es schon erheblich nachgelassen. Sie konnten wenigstens zwischen fünfzig und sechzig fahren, brauchten selten abzustoppen und kamen dann vor Spittal auf die dort beginnende Tauern-Autobahn.

Und hier zogen sie ab. Aber erst einmal kam die Steigung. Immerzu bergauf. Vor dem Katschbergtunnel wurde es noch steiler. Hier ging es nicht mehr schnell. Hier dröhnte der Motor und musste schwer arbeiten. Der jugoslawische Sprit, den sie noch im Tank hatten, röhrte kohlrabenschwarz aus dem Auspuff.

An der Mautstelle vor dem Tunnel war schon nicht mehr viel los. Sie kamen rasch weiter. Sonst staute sich hier der Verkehr ziemlich. Es ging weiter durch den Tunnel. Über fünf Kilometer war der lang.

Die Autobahn leerte sich zusehends. Zeitweise waren sie auf ihrer Seite in Nordrichtung allein und kamen rasch zum zweiten großen Tunnel dieser Strecke, dem eigentlichen Tauerntunnel. Er war über sechs Kilometer lang. Der MAGIRUS röhrte hindurch, und von den Tunnelwänden hallte es wider.

Danach ging es weitgehend bergab. Kurz nach ein Uhr nachts rasten sie in Höhe von Salzburg auf die Grenze in Bad Reichenhall zu.

Es war so gut wie nichts los. Und trotzdem verloren sie drei Stunden, bis alles mit den Papieren in Ordnung war. Zum Glück brauchten sie nicht bis zum Morgen zu warten. Doch es wurde schon hell, als sie weiterfuhren.

Über München, Nürnberg, Würzburg, Frankfurt kamen sie dann am Nachmittag in Bonn an. An der Autobahnabfahrt der A3 in Bonn/Siegburg erwartete sie bereits ein gelber Firmen-Pkw der Spedition Ringer. Sie hatten von unterwegs angerufen und von der Spedition erfahren, dass dieser Renault R4 sie direkt zur Spedition lotsen würde.

So kamen sie durch den starken Feierabendverkehr relativ schnell bis zum Speditionshof in einem nördlichen Bonner Stadtteil.

Bis auf eine abgestellte Sattelzugmaschine der Firma und zwei Stapellader war der Hof leer von Fahrzeugen. Die Angestellten der Büros hatten offensichtlich schon Feierabend. Und von Helmut Warstein war auch nichts zu sehen. Später erfuhren sie, dass der in Gaggenau eine funkelnagelneue MERCEDES-Sattelzugmaschine abholen sollte.

Der Fahrer des gelben R4 hielt mitten im Hof an, und auch Rolf, der jetzt fuhr, stoppte ab.

Der Fahrer war ein junger Mann, der nun neben die Kabine trat und zu Rolf emporsprach:

„Lass den Zug einfach hier stehen. Das Grundstück ist bewacht. Vor morgen läuft hier nichts mehr. Die vom Zoll kommen nicht vor neun.“

„Und wir sollen die ganze Nacht hier herumsitzen? Wir könnten schon wieder los“, meinte Rolf bissig.

Der junge Mann zuckte die Schultern. „Aber es läuft nichts vor morgen. Tut mir leid.“ Er griff in seine Jackentasche und holte einen Zettel heraus, hielt ihn nach oben und sagte: „Das hat der Chef für euch aufgeschrieben. Ich soll euch mit dem Wagen hinbringen. Eine kleine Pension. Das ist in Ordnung. Die Fahrer, die da geschlafen haben, sagen alle, das wäre okay. Und der Chef meinte, ihr sollt euch einmal richtig ausschlafen.“ Rolf warf einen Blick hinüber zu Klaus. „Da wird sich Sabine freuen. Steht der Bock die ganze Nacht hier herum und verdient keine müde Mark. Mir soll’s recht sein.“

„Mir schon lange“, meinte Klaus.

Sie verbrachten wirklich eine ausnahmsweise sehr ruhige Nacht. Und dass sie sehr gut schliefen, dazu hatten ihnen am Abend noch einige Gläser Kölsch verholfen.

Aber kurz nach sieben waren die beiden wieder auf den Beinen.

Nach dem Frühstück wartete bereits der junge Mann mit seinem R4 auf sie, fuhr sie in dem kleinen Wagen zurück zur Spedition, und kurz nach ihrem Eintreffen kamen dann auch zwei Leute vom Zoll.

Die Ladung wurde inspiziert, die Verschlussschnur der Plane plombiert, und im Büro bekam Rolf die Papiere für Rom.

Irgendetwas, vielleicht nur ein Gefühl, machte Rolf stutzig. Vielleicht das Grinsen des glatzköpfigen korpulenten Chefs der Firma, des Herrn Ringer, dessen Äußeres seinem Namen alle Ehre machte. Er sah wirklich wie ein Catcher oder Ringer aus. Vielleicht war es aber auch das Getuschel zweier Angestellter im Büro. Aber Rolf konnte sich beim besten Willen nicht denken, was an der Ladung nicht in Ordnung sein könnte. Und doch wurde er dieses Gefühl nicht los.

Am liebsten hätte er noch einmal die gesamte Ladung angesehen; sie einer eingehenden Prüfung unterzogen.

Ich Narr, dachte er, ich hätte das da unten in Jugoslawien tun sollen. Aber wir sind ja froh gewesen, dass wir das Zeug rasch auf den Wagen bekamen. Aber was soll auch sein? Ich bilde mir das am Ende nur ein.

Als sie aber losfuhren, äußerte er Klaus gegenüber seinen Verdacht.

„Was soll damit los sein?“, fragte Klaus.

„Sperrholzplatten. Was denn sonst?“

„Ich weiß nicht. Es kann Einbildung sein, aber irgendwie habe ich das im Urin, dass hier was nicht stimmt. Weißt du, im Laufe der Jahre bekommt man eine Nase für solche Sachen.“ Rolf schüttelte den Kopf. „Wenn ich nur wüsste, was es ist!“

„Es sind Sperrholzplatten. Weiter nichts. Was soll denn noch sein?“

„Ich weiß nicht. Und dann ist mir noch etwas aufgefallen. Dieser eine vom Zoll, der ist endlos lange bei diesem Dicken gewesen, bei diesem Ringer. Die haben auch so miteinander getuschelt. Das haben die Brüder vom Zoll doch gar nicht nötig. Irgendetwas ist hier faul. Ich weiß nur nicht was. Am liebsten würde ich diesen ganzen Mist einem anderen auf die Karre schmeißen oder ...“

„Du hast doch mit Sabine telefoniert? Ich weiß noch gar nicht, was sie gesagt hat.“

„Was soll sie sagen? Die hat auch so komisch getan. Ich wollte von ihr wissen“, sagte Rolf, „wieso wir den Mist erst nach Bonn schaffen mussten. Da hat sie gemeint, ich soll mir keine Gedanken machen. Die Fracht wäre sehr gut bezahlt. Weit über Tarif. Und wir sollten uns beeilen. Wenn die Sache gut liefe, können wir die Tour noch mindestens ein Jahr lang machen. Die haben so viel, dass sie es gar nicht alleine packen bei Ringer. Hat der Dicke mir übrigens auch erzählt.“

„Also ein bisschen verrückt ist das schon. Das Zeug kommt ja aus Bulgarien. Wir schaffen das nach Bonn und fahren von Bonn wieder nach Rom. Menschenskind, die vom Zoll, die müssen doch da auch was kapieren?“

„Ich weiß nicht. Ich hatte den Eindruck, dass sie schon kapiert haben, zumindest der eine. Aber ich wollte auch nicht mit ihm reden.“

„Ich weiß, du kannst die Burschen nicht besonders gut leiden.“

„Welcher Kutscher mag schon Zöllner. Die müssen erst noch erfunden werden, die ich mag.“

„Und die Bullen auf der Autobahn, nicht wahr?“ Klaus lachte. „Die habe ich auch gefressen wie grüne Seife.“

Den ganzen Tag über lief es gut. Trotz starken Urlaubsverkehrs kamen sie relativ gut voran. Wieder ging es dieselbe Strecke zurück: Frankfurt, Würzburg, Nürnberg, München, aber auf der Salzburger Bahn bloß bis zum Inntaldreieck. Und nun ging es Richtung Kiefersfelden, der Schrecken aller Fernfahrer.

Doch wieder hatte der Deklarant gut vorgearbeitet. Immerhin verloren sie sechs Stunden, bis sie weiter durch Österreich donnern konnten.

Nun ging es die Brennerstrecke hinauf. Die Steigung an der Europabrücke machte der 360 PS-starke MAGIRUS mit links. Siebzehneinhalb Tonnen Ladung waren für ihn nicht viel. Da hatte der Motor noch eine Menge Luft nach oben.

Es war Nacht, als sie diese Strecke hinaufschmetterten, und dennoch herrschte am Brenner-Grenzübergang lebhafter Betrieb. Es gab keinen großen Aufenthalt. Mit der Ladung mussten sie zur Zollabfertigung in Verona fahren.

Nach der Grenzpassage rollte der MAGIRUS bergab. In Bozen tankten sie auf. Der Sprit war hier erheblich billiger als zu Hause. Alle Tanks waren randvoll. Dann ging es weiter. Nicht mehr ganz so sehr bergab, aber doch so, dass sie die Höchstgeschwindigkeit leicht herausholen konnten, wenn sich die Gelegenheit ergab. Die Autobahn war hier zwar teuer wegen der Gebühren, aber doch längst nicht mehr so voll wie in Deutschland. Aufenthalte gab es nur an den Mautstellen.

Auf der Zollabfertigung in Verona ging es ebenfalls relativ schnell. Rolf kam aus dem Wundern nicht heraus. Als der Beamte am Schalter die Papiere gelesen hatte, nahm er sie, ging vom Schalter weg und gab sie nicht wie üblich auf dem Rollband weiter in Richtung zu seinem nächsten Kollegen, der die Bearbeitung übernahm. Stattdessen brachte er die Papiere in ein Zimmer. Schon nach wenigen Minuten kam er von dort wieder, reichte sie Rolf zurück und sagte in holprigem Deutsch: „Alles gut. Sie können fahren.“

Das war Rolf in seiner langen Laufbahn als Fernfahrer auf keiner Auslandstour passiert. Und schon gar nicht in Verona. Als er bei Klaus auftauchte, meinte der:

„Irgendwas falsch?“

„Du irrst dich. Wir können abhauen.“

„Sag bloß!“, meinte Klaus verblüfft. „Das darf doch nicht wahr sein. Willst du damit sagen, du hast alles ...“

Rolf nickte nur. „Komische Geschichte.“

„Nun fang bloß wieder an mit deinen Gefühlen und deinem Verdacht“, meinte Klaus. „Ich bin froh, dass es weitergeht. Sonst haben wir hier schon halbe Tage verbracht.“

„Eben drum.“

„Na, du bist gut. Wenn man dir mal was Gutes tut, hast du gleich was herumzumotzen. Und wenn du lange warten musst, motzt du auch. Eigentlich motzt du immer.“

„Du sagst es“, knurrte Rolf nur, ließ an und fuhr los.

Alles schien in Ordnung. Als sie wieder auf der Autobahn waren und südwärts donnerten, überholten sie einen auf der Standspur stehenden dunkelblauen Alfa Romeo. Kaum, dass sie vorbeifuhren, setzte sich der Alfa Romeo in Bewegung und blieb hinter ihnen.

Klaus hatte das im Rückspiegel verfolgt. Er saß rechts. Er beugte sich auch nach vorn, um besser sehen zu können.

„Wieso überholt der nicht?“, sagte Klaus, als er sich wieder hinsetzte. „Wer?“

„Der Alfa Romeo, der hinter uns fährt. Er hat vorhin gestanden. Als wir vorbei waren, fuhr er los. Jetzt ist er hinter uns.“

„Vielleicht ist es ein Opa. Der kann nicht schneller.“

Klaus lachte böse. „Vielleicht ist es ein Bulle, der uns nachher zur Kasse bittet. Du hast immerhin 105 drauf, mein lieber Rolli.“

„Da wird es langsam Zeit, dass er vorkommt und mir das sagt“, meinte Rolf nur.

„Rolli, Rolli. Die Preise sind ganz schön hoch hier unten. Die sind froh, wenn sie Devisen bekommen.“

Der Alfa Romeo war immer noch hinter ihnen.

Die Dämmerung wich der Sonne, und der Verkehr nahm zu. Als sie die Abfahrt Mantua passiert hatten, entdeckte Klaus einen zweiten ebenso dunkelblauen Alfa Romeo, der auf die Autobahn fuhr, kurze Zeit hinter dem anderen Alfa Romeo blieb, der ihnen folgte, dann aber überholte, rasch am Lastzug vorbeifuhr, wobei Klaus erkennen konnte, dass drei Mann im Wagen saßen. Und er sah mehr als das. Sie trugen alle drei Uniformen. Nur ihre Mützen hatten sie nicht auf.

Sie fuhren vorbei, wurden dann aber langsamer und hielten so etwa gleichen Abstand zum MAGIRUS und seinem Hänger.

„Jetzt wird der Hund in der Pfanne verrückt“, sagte Klaus. „Einer hinter uns, einer vor uns.“

„Wie denn, hinter uns? Das ist doch der, der hinter uns gefahren ist“, meinte Rolf.

„Du hast nicht aufgepasst. Der ist eben hier auf die Autobahn gekommen. Sie sind zu zweit. Mach doch mal einen Schwenker! Dann siehst du den, der hinter uns ist. Er ist ganz dicht dran. Wenn du scharf bremst, hängt er drin.“

„Dann bremse ich eben mal scharf“, meinte Rolf. Er machte es aber nicht. Stattdessen fuhr er etwas mehr nach rechts und konnte im Spiegel den Alfa Romeo erkennen, der nicht schnell genug zur Seite fuhr, um im Sichtschatten des Anhängers zu bleiben.

„Verdammt, du hast recht, Cowboy. Der eine hundert Meter vor uns, der andere zehn Meter hinter uns.“

„Und hast du gesehen, was in dem einen gesessen hat, der da vorne fährt? Drei Bullen Carabinieri. Die fahren immer Alfa Romeo. Das sind Dienstfahrzeuge.“

„Aber die Nummer ist zivil“, meinte Rolf.

„Können wir uns etwas dafür kaufen, Rolli, wenn die Zivilnummern haben? Mir gefällt das nicht. Da vorne ist ein Parkplatz. 500 Meter. Halt doch mal an! Mal sehen, was passiert. Da stehen auch noch andere Trucks, deutsche.“

„Davon verspreche ich mir nichts.“

„Doch. Mach es doch!“, riet Klaus. „Da sehen wir gleich, ob der, der hinter uns ist, nachfährt.“

„Vielleicht hast du recht“, erwiderte Rolf nachdenklich, stoppte ab, machte den Blinker raus und fuhr dann rechts auf den Parkplatz.

Der Alfa Romeo, der hinter ihnen gewesen war, fuhr weiter. Im gleichen Tempo wie es schien. Und Klaus sah auch nur einen Mann. Den hinter dem Steuer.

„Siehst du“, meinte Rolf, „Fehlanzeige.“

Sie hielten ein paar Minuten, nutzten die Zeit, um Kartoffelwasser abzugießen, machten die Runde um den Zug, dann ging es weiter.

Von den beiden Alfa Romeos keine Spur.

Rolf ließ Klaus nicht merken, dass er gar nicht so arglos war, wie Klaus annahm. Und sein Verdacht wurde noch erhärtet, als sie auf der rechten Standspur wieder einen Alfa Romeo sahen. Genau den einen, der hinter ihnen gewesen war. Mittlerweile hatte sich Rolf die Nummer gemerkt.

„Da ist er wieder, unser Freund“, sagte Klaus.

„Eben. Und nicht lange, und der andere wird auftauchen.“

Genauso war es.

Es kam noch anders. Kurz vor der Abfahrt Carpi tauchten zwei Streifenwagen der Carabinieri auf. Sie kamen rasch von hinten heran, überholten, wurden dann aber langsamer. Und auf einmal fuhr an ihnen genau die Limousine vorbei, die vorhin im 100-Meter-Abstand vor ihnen gewesen war.

Als die Rast- und Tankanlage Modena in Sicht kam, wurden die Polizeifahrzeuge langsam. Einer so langsam, dass Rolf das Gas wegnehmen musste, denn er konnte nicht überholen. Dann hatte er die Bahn zum Überholen frei, machte den linken Blinker an ... Da kam die Kelle heraus. Der Polizist im Streifenwagen winkte nach rechts.

„Da ist es! Genau darauf habe ich die ganze Zeit gelauert. Von wegen Einbildung“, meinte Klaus. „Nichts ist Einbildung. Die Brüder haben uns regelrecht an die Leine gelegt. Und jetzt wollen sie wissen, was läuft. Du mit deinen 105.“

„So viel Aufwand wegen einer Geschwindigkeitsübertretung?“, meinte Rolf geringschätzig. „Das glaubst du doch selber nicht.“

„Natürlich. Was denn sonst?“, erwiderte Klaus.

„Abwarten, Tee trinken!“ Sie fuhren jetzt hinter dem Polizeiwagen auf das Gelände der Tankanlage. Der zweite Streifenwagen der Carabinieri hatte auf der Standspur hinter der Abzweigung angehalten. Vielleicht hatten sie Angst, Rolf könnte weiterfahren. Aber er fuhr gehorsam hinter dem Streifenwagen her. Auf dem Gelände standen bereits der eine Alfa Romeo, der sie überholt hatte, und der zweite, der hinter ihnen war, ebenfalls auf dem Parkplatz der Tankanlage.

Jetzt kam auch der zweite Streifenwagen an. Die eine Alfa-Limousine fuhr rechts, der zweite Streifenwagen links neben ihnen, und der andere Streifenwagen fuhr voraus. Wie ein Geleitzug sah es aus. Und dieser Geleitzug ging dann auf den hinteren Teil der Tankanlage, wo sich normalerweise nichts weiter abspielte. Dann musste Rolf halten.

Kaum stand der Lastzug, sprangen aus allen drei Fahrzeugen Männer heraus. Uniformierte. Die einen, die aus dem zivilen Alfa kamen, stülpten sich noch rasch ihre Mützen auf. Dann hielten auch sie, wie die anderen, ihre Maschinenpistolen im Anschlag. Und die Mündungen waren auf das Fahrerhaus des MAGIRUS gerichtet...

Umweg ins Verderben: Berlin Turbo #6

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