Читать книгу Butler Parker 153 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 3

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»Seien Sie nicht albern, Robert«, mokierte sich Lady Agatha und lachte geringschätzig, »Hexenkunst und Zauberei sind doch Ammenmärchen. Sie wollen mir doch nicht einreden, daß Sie daran glauben, oder?« Die ältere Dame, groß und kräftig wie eine Walküre, lehnte sich im Sessel zurück und sah sich in der riesigen Wohnhalle des Schlosses um. Sie hielt einen Kognakschwenker in der Hand und fühlte sich außerordentlich wohl. Sie musterte die großen Wandteppiche an den Steinwänden, die alten Waffen und das massive Mobiliar. Sie ließ sich überhaupt nicht vom Regen beeindrucken, der heftig gegen die Scheiben der romanischen Fensterbogen trommelte. Und sie fuhr auch keineswegs zusammen, als einem zuckenden Blitz heftiges Donnergrollen folgte.

Sir Robert Pundham, ein großer, hagerer Sechziger, weißhaarig und dennoch sportlich aussehend, zog unwillkürlich den Kopf ein und rutschte tiefer in seinen Sessel.

»Hexenkunst, nicht wahr?« Lady Agatha deutete zu den Fenstern und lachte. Sie nahm einen nicht gerade kleinen Schluck aus dem Glas und fühlte sich ihrem Gastgeber auf der ganzen Linie überlegen.

Sie war keine ängstliche Frau, ja, der Begriff Gefahr schien ihr völlig fremd zu sein. Aus einer gewissen Selbstüberschätzung heraus fühlte sie sich unangreifbar. Außerdem hielt sich Agatha Simpson für eine Kriminalistin von einmaligem Format.

»Vor einer halben Stunde gab’s immerhin noch keine Wolke am Himmel«, meinte Sir Robert, »halten Sie mich meinetwegen für abergläubisch, Agatha, aber ich weiß, was ich gesehen habe.«

»Nämlich?« Die Detektivin beugte sich vor und zuckte mit keiner Wimper, als plötzlich ein Fenster aufgedrückt wurde und ein Windstoß in die Halle fuhr. Das Feuer im Kamin loderte auf, Funken sprühten. Die schweren, langen Vorhänge knatterten wie Fahnen im Wind.

»Sehen Sie doch, Agatha«, flüsterte Sir Robert und sprang auf, »das kann kein Zufall sein.«

»Die Fensterriegel sind uralt und wohl durchgerostet, Robert«, deutete die ältere Dame diesen Zwischenfall, »läuten Sie einem Angestellten und lassen sie das Fenster schließen. Ich möchte nicht, daß Sie sich einen Schnupfen holen.«

»Würden Mylady möglicherweise mit meiner Wenigkeit vorlieb nehmen?« war in diesem Moment Butler Parkers Stimme zu vernehmen. Er stand wie durch Zauberei seitlich hinter dem Sessel seiner Herrin und präsentierte sich in seiner ganzen Würde. Josuah Parker war etwas über mittelgroß, fast schlank und trug einen schwarzen Zweireiher. Zum schneeweißen Eckkragen hatte er einen schwarzen Binder angelegt. Er war das Urbild des hochherrschaftlichen englischen Butlers.

»Was sagen Sie zu diesem Wetter?« fragte Lady Agatha.

»Ein überraschendes Tief, Mylady, das die hiesige Grafschaft geradezu überfallen hat.« Parker deutete eine knappe, überaus höfliche Verbeugung an. »Wenn Mylady gestatten, wird man sich jetzt mit dem defekten Fenster befassen.«

Sir Robert Pundham beobachtete Parker, der einige Schritte in die halbdunkle Halle zurückging und eine Leiter hob. Er stellte sie hoch und stieg würdevoll nach oben, bis er das Fenstersims erreichte. Mit wenigen Handgriffen reparierte er den Schaden.

»Die Riegel waren verrostet, nicht wahr?« fragte die ältere Dame. »Ich wußte es doch im voraus.

»Die Fensterriegel, Mylady, befinden sich in einem Zustand, den man nur als ausgezeichnet bezeichnen kann.«

»Weshalb flog dann das Fenster auf?« wunderte sich Lady Agatha.

»Beide Riegel waren geöffnet, Mylady, der leiseste Luftzug mußte sie aufdrücken.«

»Was ich gesagt habe, Robert!« Sie nickte beifällig, war sich des Widerspruchs gar nicht bewußt und lächelte ihren Gastgeber beruhigend an.

»Die Frage erhebt sich, wer die Riegel geöffnet haben könnte«, redete Josuah Parker weiter.

»Klären Sie das, Mr. Parker«, bat die Detektivin, »Schlampereien soll man immer sofort auf den Grund gehen.«

Parker verbeugte sich wieder andeutungsweise und verschwand mit der Leiter in der Tiefe der riesigen Wohnhalle. Blitze zuckten, Donner grollte. Alle Zutaten eines Horrorfilms schienen sich ein Stelldichein zu geben. Sir Robert rutschte noch tiefer in seinen Sessel.

»Seit wann ist der Butler in Ihren Diensten?« fragte der Mann dann.

»Seit einer Ewigkeit«, antwortete sie, »er ist recht anstellig und begabt und lernt immer noch dazu. Im Lauf der Zeit werde ich einen brauchbaren Kriminalisten aus ihm machen.«

»Ich bin froh, daß Sie hier sind«, stellte Sir Robert Pundham fest, »irgendwie fühle ich mich plötzlich sicherer.«

»Als ich von dieser Erscheinung hörte, Robert, hielt mich nichts mehr in London«, erwiderte Lady Agatha, »ich bin dafür berühmt, paranormale Erscheinungen zu entlarven.«

»Darum dachte ich auch sofort an Sie, Agatha, als die Sichel zum ersten Mal auftauchte«, meinte der Gastgeber.

»Womit wir bei dieser albernen Erscheinung sind«, stellte die ältere Dame fest, »was stelle ich mir unter dieser Sichel eigentlich vor?«

Sir Robert wollte antworten, doch er brachte keinen Ton heraus und starrte wie hypnotisiert auf den Gegenstand, der dicht an seinem Sessel vorbeigeflogen war. Dieser Gegenstand hatte sich in einen Balken des Fachwerks gebohrt.

»Aha«, meinte Agatha Simpson, die einen durchaus erfreuten Eindruck machte, »das also ist die Sichel! Wie auf Bestellung, mein lieber Robert...«

Die Lady stand auf und begab sich hinüber zum Längsbalken. Dann nahm sie Ihre Lorgnette hoch, die an einer soliden Kette am Hals hing. Sie klappte die altmodische Stielbrille auseinander und musterte die antik aussehende Sichel, deren Spitze tief im Holz steckte.

*

»Wie finde ich denn das, Mr. Parker?« erkundigte sich Lady Agatha zehn Minuten später, nachdem Josuah Parker die Sichel in Augenschein genommen hatte.

»Ein erstaunliches Gerät aus der Gruppe der Schneidwaren«, urteilte der Butler höflich, »nach Art und Form scheint es sich um eine Gerätschaft zu handeln, die bereits auf ein ehrwürdiges Alter zurückblicken kann.«

»Eine Sichel, nicht wahr?« Agatha Simpson musterte sie erneut. Der Holzgriff war nur noch in Andeutungen zu sehen, der Rest des Holzes mit Sicherheit steinalt. Die Messerseite der Sichel war schartig, die Klinge verrostet.

»Wer erfrecht sich, mit solchen Dingen herumzuwerfen?« Die Detektivin schüttelte entrüstet den Kopf. »Sir Robert wäre um ein Haar getroffen worden, von mir mal ganz zu schweigen.«

»Darf man sich nach dem werten Befinden Sir Roberts erkundigen?«

»Sir Robert hat sich zurückgezogen«, meinte sie etwas abfällig, »dieser junge Fant scheint keine guten Nerven zu haben.«

Es war schon etwas gewagt, Sir Robert einen jungen Fant zu nennen, zumal Lady Agatha höchstens einige Jahre älter war als der Gastgeber.

»War dies ein erster Anschlag, Mylady? Konnten Mylady in diesem Sinn noch eine entsprechende Frage stellen?«

»Sir Robert war überhaupt nicht mehr ansprechbar«, erwiderte die ältere Dame, »ich hatte ihm Kognak angeboten, doch er verzichtete. Ich denke, er wird sich in seinem Zimmer eingeschlossen haben.«

»Diese Sichel scheint eine Art Symbol darzustellen, Mylady.«

»Natürlich, darum bat er mich ja, nach Schloß Plain zu kommen. Mr. Parker. Hier in der Gegend soll sich ein Druide herumtreiben und mit seiner Sichel drohen.«

»Gewiß, Mylady. Nach meinen bescheidenen Ermittlungen dürfte aber Sir Robert nicht der einzige sein, der diesen Druiden gesehen haben will.«

»Hirngespinste, Mr. Parker. Es gibt keine Geister und Gespenster. Denken Sie doch an ähnliche Fälle, die ich bereits gelöst habe! Lächerlich! Es gibt keine Spukschlösser. Und wenn es gespukt hat, dann konnte ich später immer Gauner und Gangster aus Fleisch und Blut ins Gefängnis bringen.«

»Mylady waren gerade auf diesem Gebiet stets erfolgreich«, stellte der Butler höflich fest und verschwieg diskret, daß er in allen Fällen die Lösungen gefunden hatte.

»Also treibt sich auch hier ein Schwindler herum, der handfeste Geschäfte betreibt«, redete Agatha Simpson inzwischen weiter, »und ich glaube, daß ich mir bereits eine erste Theorie gebildet habe.«

»Mylady werden meine Wenigkeit sicher wieder mal verblüffen«, prophezeite Parker.

»Natürlich«, sagte sie mit fester Stimme und nickte nachdrücklich, »ich denke, ich werde jetzt erst mal das gesamte Personal verhören.«

»Ein begrüßenswertes Vorhaben, Mylady, zumal sich nur drei Angestellte im Schloß befinden.«

»Mehr nicht?« Sie zog erstaunt eine Augenbraue hoch.

»Sir Robert hat vor einigen Wochen fast das gesamte Personal beurlaubt, Mylady. Übrigens bei voller Weiterzahlung der Bezüge. Fünf Personen kamen so in den Genuß einer Arbeitspause.«

»Was für eine Geldverschwendung!« Lady Agatha seufzte. »Und wer befindet sich noch hier im Schloß?«

»Der Koch, der Verwalter und eine Art Kammerdiener, Mylady, der allerdings keineswegs ein Butler ist.«

»Sind diese Leute vertrauenswürdig, Mr. Parker?«

»Eine Äußerung dazu, Mylady, wäre noch zu verfrüht. Fest dürfte stehen, daß alle drei Personen Angst haben.«

»Einer dieser drei Burschen ist natürlich der Druide, Mr. Parker.« Lady Agatha wußte es wieder mal ganz genau und legte sich fest.

»Wie Mylady wünschen und befehlen.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Mylady wünschen sicher festzustellen, aus welchen Motiven heraus einer dieser drei Angestellten als Druide auf tritt.«

»Mit solchen Kleinigkeiten befasse ich mich grundsätzlich nicht, Mr. Parker. Finden Sie das heraus.« Sie winkte huldvoll und deutete dann auf die breite Freitreppe. »Geleiten Sie mich in mein Apartment. Es gibt doch Fernsehen im Zimmer, oder?«

»Selbstverständlich, Mylady.« Parker nickte.

»Ich möchte den Kriminalfilm um Mitternacht nicht versäumen«, redete sie weiter, »sie sind zwar durch die Bank weg sehr albern, aber wer möchte sich nicht hin und wieder amüsieren!«

Parker folgte seiner Herrin in respektvollem Abstand. Man hatte die erste Stufe der Treppe noch nicht ganz erreicht, als plötzlich ein markerschütternder Schrei zu hören war.

»Sehr hübsch«, sagte Lady Agatha unbeeindruckt und lächelte fast verklärt, »man will eine Lady Simpson erschrecken! Albern, Mr. Parker, sehr albern!«

Sie hatte den Satz kaum beendet, als ein zweiter Schrei erfolgte, der in ein dunkles, ersticktes Röcheln überging.

»Sehr eindrucksvoll«, kommentierte die alte Dame, »Mr. Parker, ich kann nur hoffen, daß Ihre Nerven intakt sind!«

*

Parkers Nerven waren intakt, denn er blickte ruhig und gelassen auf einen untersetzten Mann, der etwa vierzig Jahre zählte. Dieser Mann, der eine Art Livree trug, wankte die Treppe herunter und hielt sich den linken Arm. Deutlich war der blutgetränkte Ärmel der Jacke zu erkennen.

»Sollten Sie sich verletzt haben, Mr. Madlon?« fragte Parker.

»Der Druide«, keuchte der Mann, rutschte in sich zusammen, fing sich aber in letzter Sekunde ab und setzte sich auf die steinerne Treppe.

»Sie haben Druiden gesehen?« Agatha Simpson machte einen animierten Eindruck.

»Vor der Zimmertür von Sir Robert, Mylady«, lautete die Antwort des Kammerdieners. Er nahm ängstlich den Kopf herum und schaute hinauf zur Galerie. Der Mann zitterte vor Angst, Schmerz und Nervosität. »Als der Druide mich sah, warf er eine Sichel nach mir und traf mich ... Hier am Arm! Sehen Sie doch!«

»Ich habe schließlich Augen im Kopf«, herrschte Lady Agatha den Unglücklichen an. »Nun reißen Sie sich mal zusammen! Wahrscheinlich handelt es sich nur um eine harmlose Fleischwunde. Ja, ich möchte wetten, daß es so ist. Wie sah der Druide aus? Ich wünsche augenblicklich eine genaue Beschreibung.«

»Mir wird schlecht, Mylady«, keuchte der Kammerdiener und hüstelte.

»Das verbitte ich mir.« Sie blitzte ihn an.

»Vielleicht könnte man erst mal den Tatort in Augenschein nehmen, Mylady«, schlug Parker vor.

»Genau das wollte ich gerade sagen.« Sie nickte und setzte sich in Bewegung. »Und das, Mr. Parker, werde ich übernehmen. Verarzten Sie diesen Mann. Sie können dann ja später nachkommen.«

»Mylady wollen allein hinaufgehen?«

»Selbstverständlich, Mr. Parker. Dieser Druide soll es wagen, mit Sicheln nach mir zu werfen!« Der Pompadour an Myladys linkem Handgelenk geriet prompt in gefährliches Pendeln. In diesem perlenbestickten Handbeutel befand sich der sogenannte Glücksbringer der älteren Dame. Dabei handelte es sich um ein echtes Pferdehufeisen, das nur oberflächlich in Schaumstoff gehüllt war.

»Warten Sie hier«, sagte Parker, der seine Herrin auf keinen Fall allein gehen lassen wollte. Er drückte den Kammerdiener gegen das Geländer aus Sandstein und folgte Agatha Simpson, die erstaunlich behend nach oben eilte.

»Sie haben wohl Angst, allein in der Halle zu bleiben, wie?« Die Lady hatte Parkers Schritte gehört, blieb kurz stehen und sah ihren Butler amüsiert an.

»Eine gewisse Besorgnis soll keineswegs ausgeschlossen werden«, läutete Parkers vieldeutige Antwort. Er dachte an die Unternehmungslust seiner Herrin, die sich stets kopfüber ins Getümmel stürzte.

»Nun, dann kommen Sie«, sagte sie großzügig, »aber ich fürchte, dieser Flegel von einem Druiden wird sich längst in Sicherheit gebracht haben.«

Was sich als richtig erwies ...

Der lange, verwinkelte Korridor war leer. Parker hielt Ausschau nach einer Sichel, konnte die Tatwaffe jedoch nicht finden. Lady Agatha stand inzwischen vor der Tür zu Sir Roberts Zimmer und pochte mit ihrer nicht gerade kleinen Faust machtvoll gegen die schweren Eichenbohlen.

»Öffnen Sie, Robert«, rief sie dazu mit dröhnender Stimme, »hier spricht Lady Agatha. Öffnen Sie sofort, sonst breche ich das Schloß auf!«

»Sir Robert scheint ein wenig indisponiert zu sein, Mylady«, gab Josuah Parker zu bedenken, als keine Antwort erfolgte.

»Brechen Sie das Schloß oder auch die ganze Tür auf«, verlangte die energische Frau und deutete auf eine Ritterrüstung, die in einer nahen Nische stand, »benutzen Sie die Hellebarde, Mr. Parker.«

»Wie Mylady wünschen.« Parker blieb jedoch stehen und drückte die schwere Eisenklinke, worauf die Tür sich öffnen ließ. Er sorgte dafür, daß die ältere Dame sich nicht vor ihm ins Zimmer schieben konnte und betrat als erster den großen, kahl wirkenden Raum.

»Was ist denn nun?« fragte die Detektivin ungeduldig und schob Parker zur Seite.

»Mylady dürften sich in der Wahl der Tür ein wenig geirrt haben«, sagte Parker höflich, »dies hier ist lediglich eine Abstellkammer.«

»Unsinn«, erwiderte sie, »das ist Sir Roberts Schlafzimmer. Er selbst hat mir ja alle Räume gezeigt. Oder sollte dort hinten sein Schlafzimmer sein?« Sie deutete auf eine andere Tür.

»Mylady erlauben, daß man sich vergewissert?« Josuah Parker ging zu der bezeichneten Tür und pochte höflich an. Dann drückte er die Klinke und zog die Tür an. Sie ließ sich nicht öffnen, dafür hörte man hinter dem Türblatt einen Schuß!

*

»Klingt ja alles sehr spannend, Parker«, sagte Mike Rander, »und wer hatte diesen Schuß abgefeuert?«

»Sir Robert, Sir«, antwortete der Butler, »er sagte später aus, er habe den bereits zitierten Druiden gesehen.«

»Lächerlich, Parker. Glauben Sie etwa an diese Erscheinung?«

»Mylady erklärte bereits, bei dem Druiden müsse es sich um eine Person aus Fleisch und Blut handeln. Dieser Ansicht schloß meine Wenigkeit spontan sich an.«

»Und ich werde es selbstverständlich auch tun, Parker«, sagte der Anwalt. Der Vierzigjährige hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Darsteller der James-Bond-Figur. Mike Rander genoß vor Jahren schon den Vorzug, von Parker als Butler betreut zu werden. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in den USA war Rander nach London zurückgekommen und von Lady Simpson wie selbstverständlich in Anspruch genommen worden. Der Anwalt hatte kaum die Möglichkeit zur Gegenwehr und widmete sich hauptsächlich der Verwaltung des riesigen Vermögens der Lady Simpson. Darüber hinaus hatte er das Vergnügen, von Parker wieder umsorgt zu werden.

Am Morgen war Mike Rander mit Kathy Porter aus London angereist, um im Fall des Druiden tätig zu werden. Kathy Porter, die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady, befand sich auf dem Schloß, um weitere Aktivitäten der älteren Dame diskret zu überwachen, die beiden Männer aber waren unterwegs, um in der nahen Ortschaft Plain Kontakt mit der Bevölkerung aufzunehmen.

»Wie beliebt ist eigentlich dieser Sir Robert Pundham?« fragte Mike Rander, der neben Parker Platz genommen hatte.

»Zu diesem Thema gab es bisher keine Hinweise, Sir«, beantwortete der Butler die Frage, »meiner bescheidenen Ansicht nach ist Sir Robert ein durchaus verträglicher Mensch, wobei man allerdings betonen sollte, daß der äußere Anschein selbstverständlich täuschen kann.«

»Vielleicht erfahren wir im Dorf mehr darüber.« Rander schaute interessiert ins Gelände. Es war eine bemerkenswert hübsche Gegend, durch die man fuhr. Sanfte Hügel, sattgrüne Weiden und Baumgruppen schufen den Eindruck einer perfekten Parklandschaft.

»Stonehenge kann doch gar nicht weit sein, oder?« fragte der Anwalt.

»Dies entspricht durchaus den Tatsachen, Sir.«

»Und dort sollen sich doch in grauer Vorzeit Druiden herumgetrieben haben.«

»Auch dies erwähnt die Geschichte, Sir.«

»Hatten Sie nicht schon mal mit Stonehenge zu tun, Parker?«

»Verschiedentlich, Sir. Der berühmte Steinkreis scheint immer wieder Menschen anzuziehen, die sich der Magie verschrieben haben.«

»Ich wette, Sie könnten mir eine Menge über Stonehenge erzählen.«

»Meine bescheidene Wenigkeit verfügt in der Tat über einige Kenntnisse, Sir, was diesen Steinkreis betrifft. Möchten Sie jetzt und hier mehr darüber hören?«

»Verschieben wir’s, Parker«, schlug der Anwalt vor, »ist die Angst Sir Roberts gespielt oder echt?«

»Sie dürfte durchaus echt sein, Sir. Und auch die Wunde, die man dem Kammerdiener zufügte, kann nicht als oberflächlich bezeichnet werden.«

»Also ein Druide, der mit Sicheln um sich wirft«, faßte Mike Rander zusammen, »wer will warum diese Angst ausbeuten? Das ist doch die Frage, Parker, oder?«

»Nur so sollte man sie stellen, Sir.«

»Hat Sir Robert bereits die Polizei verständigt?«

»Er bat dringend darum, sie vorerst auszuschließen, Sir.«

»Hat er etwa Angst, sich lächerlich zu machen?«

»Dies dürfte der wahre Beweggrund sein, Sir.«

»Hallo, was ist denn das, Parker?« Während er diese Frage stellte, beugte er sich vor, um besser durch die Windschutzscheibe sehen zu können. Josuah Parker hatte bereits das Tempo seines hochbeinigen Monstrums gemindert und hielt. Sein Interesse galt einem dicken Bündel von Mistelzweigen, die genau über der Straßenmitte hingen. Wenn dies schon mehr als ungewöhnlich war, so war noch ein zusätzlicher Effekt zu beobachten: Aus diesem Bündel von Mistelzweigen tropfte deutlich sichtbar Blut!

*

»Ein ziemlich makabrer Scherz«, sagte Rander und schickte sich an, die Wagentür zu öffnen.

»Dürfte ich darauf verweisen, daß der Wagen schußfest ist, Sir?«

»Moment mal, Sie glauben, daß geschossen werden könnte?« Rander zog die Wagentür prompt wieder zurück ins Schloß.

»Die nahen Sträucher und das dichte Unterholz beiderseits der Straße lädt zu einem Hinterhalt förmlich ein, Sir.«

Parker hatte nicht übertrieben, was die Schußfestigkeit seines hochbeinigen Monstrums betraf, wie sein Wagen von Freund und Feind genannt wurde. Das ehemalige Londoner Taxi war nach den recht eigenwilligen Plänen des Butlers umgestaltet worden und hielt in der Tat einem normalen Geschoß durchaus stand. Unter der eckigen Motorhaube war ein Motor eingebaut worden, der jedem Rennwagen zur Ehre gereicht hätte.

»Und jetzt?« wollte der Anwalt wissen. Er musterte die Sträucher und das dichte Unterholz. »Wir stehen hier wie auf dem Präsentierteller.«

»Man könnte den Druiden, falls er die Mistelzweige aufgehängt hat, vielleicht ein wenig irritieren, Sir.«

»Aha, Sie wollen also wieder mal in Ihre Trickkiste greifen, wie?« Der Anwalt lachte leise. »Ich habe nichts dagegen, ich lasse mich von Ihnen immer wieder gern überraschen, Parker.«

Der Butler griff bereits mit der schwarz behandschuhten, linken Hand nach einem der vielen Kipphebel, die auf dem reichhaltig bestückten Armaturenbrett zu sehen waren. Wenige Augenblicke später quollen unter den Trittbrettern des Wagens dichte Nebelwolken hervor, die sich mit großer Geschwindigkeit ausbreiteten. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Parkers hochbeiniges Monstrum nicht mehr zu sehen war. Der Butler legte den Rückwärtsgang ein und stieß den Wagen zurück, sorgte jedoch dafür, daß er im wallenden Nebel blieb.

»Prächtiger Nachrichtendienst, Parker«, sagte der Anwalt, »wer hat gewußt, daß wir nach Plain fahren wollen?«

»Nur Mylady und Miß Porter, Sir.«

»Und die werden das ja nicht gerade hinausposaunt haben. Was sollte dieser Mistelstrauch über der Straße?«

»Er sollte wohl einen Autostop herbeiführen, Sir.«

»Das Zeug hing wohl an dünnen Fäden, wie?«

»Dies, Sir, sollte man unterstellen«, erwiderte der Butler, »falls Sie einverstanden sind, könnten wir jetzt den Wagen verlassen und nach dem sogenannten Druiden Ausschau halten.«

»Nichts lieber als das, Parker.« Mike Rander stieg aus und wartete, bis Josuah Parker neben ihm stand. Der Butler hatte den Universal-Regenschirm korrekt über den angewinkelten linken Unterarm gelegt und rückte dann die schwarze Melone zurecht. Danach erst fühlte er sich in der Verfassung, nach dem Druiden zu suchen, der für den Strauß aus Mistelzweigen verantwortlich zeichnete.

Es war übrigens erstaunlich, wie schnell der dichte Nebel sich wieder auflöste. Das milchige Weiß wich feinem Dunst, der dann durchsichtig wurde. Der Butler und Mike Rander befanden sich inzwischen in Deckung. Dank Parker konnten sie vom dichten Unterholz aus die Straße beobachten. Der Strauß aus Mistelzweigen hing noch immer über der Straßenmitte.

»Was soll das Zeug da bedeuten?« fragte Rander.

»Im Volksmund pflegt man dazu Hexen- und Donnerbesen zu sagen«, erwiderte der Butler höflich, aber auch leise, »den Mistelzweigen spricht man geheimnisvoll-magische Kräfte zu, wenn man so sagen darf. Zur Zeit der Kelten, Sir, so schreibt Plinius, pflegten die Druiden dieses Gewächs mit heiligen Sicheln von den Bäumen zu schneiden.«

»Sie sind wieder mal bestens informiert, Parker.« Rander lächelte. »Die Zweige dort drüben sollen uns also bannen, wie?«

»Der Mistelstrauß, Sir, hängt so tief, daß er das Dach eines Autos mit Sicherheit berühren würde.«

»Ja, würde auch ich sagen.« Der Anwalt nickte zustimmend.

»Dies, Sir, muß einen bestimmten Grund haben.«

»Den Sie natürlich bereits erahnt haben, wie?«

»Ihr Einverständnis voraussetzend, Sir, könnte man einen im Grund recht einfachen Test vornehmen.«

»Ich bitte sogar darum, Parker.« Mike Rander nickte und schaute zu, wie der Butler einen faustgroßen Stein aufhob und ihn sorgfältig in der Hand wog. Nachdem er sich über Form und Gewicht des Steines klar geworden war, holte er gemessen aus und ... warf ihn zielsicher auf den Mistelstrauch.

Der Steinbrocken landete genau auf dem Hexenbesen und ... löste unmittelbar darauf eine heftige Detonation aus. Nach einem grellroten Feuerblitz wurden Rander und Parker von heftigem Luftdruck erfaßt, dann war ein reißendes Krachen zu vernehmen.

»Jetzt weiß ich auch, warum diese Sträuße Donnerbesen genannt werden«, sagte Mike Rander lakonisch und stäubte mit den Händen Erdstaub vom Anzug.

»Der Druide, Sir, scheint sich in irdischen Sprengstoffen gut auszukennen«, bemerkte der Butler und zauberte aus einer seiner vielen Taschen eine kleine Kleiderbürste, »darf ich mir erlauben, Sir, Ihre Kleidung wieder in würdigen Zustand zu versetzen?«

»Mann, Parker, Sie haben vielleicht Sorgen«, wehrte Mike Rander ab, »stellen Sie sich doch mal vor, Sie wären weitergefahren und hätten den Besen über das Autodach streifen lassen.«

»Dies, Sir, wäre für sie und meine Wenigkeit ungemein peinlich gewesen«, versicherte Parker höflich wie immer.

*

Das Dorf Plain schien im Mittelalter stehengeblieben zu sein.

Die noch durchweg im Fachwerkstil errichteten, windschiefen und viel Romantik ausstrahlenden Häuser standen entlang einer schmalen Straße und scharten sich um eine Art Dorfplatz. Im Mittelpunkt stand eine Steinsäule, die mit seltsamen Mustern bedeckt war. Allerdings konnte man sie nur bei einem ganz bestimmten Sonnenstand erkennen. Erst gegen Mittag vermochte man diese Zeichen und runenartigen Gebilde auszumachen.

Josuah Parker stoppte sein hochbeiniges Monstrum vor einer Steinmauer, hinter der sich ein alter Friedhof befand. Hohe, mit Mistelpflanzen bedeckte Eichenbäume verliehen dieser Begräbnisstätte ein fremdes, abweisendes Aussehen. Jenseits der hinteren Begrenzungsmauer waren einige alte Fachwerkhäuser auszumachen, die allerdings unbewohnt schienen.

»Dort drüben muß ein Gasthaus sein«, meinte der Anwalt, »werfen wir einen Blick rein, Parker. Vielleicht gibt’s schon etwas Trinkbares.«

»Mehr als nur einige Gäste dürften sich dort bereits eingefunden haben, Sir.«

»Eine ganz hübsche Ansammlung von Wagen, Parker.« Mike Rander musterte die Autos, die durchweg keinen neuen Eindruck machten. Es waren einfache Fahrzeuge, durchweg älteren Datums.

Parker parkte sein hochbeiniges Monstrum seitlich neben dem Gasthof und stieg feierlich-gemessen aus. Es war für ihn eine selbstverständliche Pflicht, die Wagentür auf der Seite des Anwalts zu öffnen, doch Mike Rander war schneller.

»Bemühen Sie sich nicht, Parker, ich bin schließlich kein alter Mann«, sagte er gelassen, »hören Sie, sollten wir nicht die Polizei informieren? Immerhin hat man doch versucht, uns in die Luft zu sprengen.«

»Dieser Anschlag, Sir, könnte möglicherweise auch einer anderen Person gegolten haben«, antwortete Parker, »aber gegen eine Benachrichtigung ist grundsätzlich nichts einzuwenden.«

Die beiden Männer gingen zum Eingang des Gasthofes und trafen hier einen Zivilisten, der sie mißtrauisch-prüfend anschaute.

»Darf man fragen, wer Sie sind?« erkundigte er sich knapp.

»Natürlich, Sie dürfen«, erwiderte Rander und ging weiter.

»Moment mal, Sir, das war mehr als eine Frage«, sagte der Zivilist, »ich hätte es gern, wenn Sie sich ausweisen würden.«

»Ich ebenfalls.« Rander lächelte unbefangen den schlanken, ein wenig aggressiv wirkenden Mann an.

»Detective-Sergeant Mulligan.« Der Mann zeigte seinen Dienstausweis.

»Mike Rander, Anwalt, Mr. Parker, Butler«, stellt der Anwalt vor, »weitere Fragen reichen Sie besser schriftlich ein.«

»Entschuldigen Sie, Sir«, lenkte der Sergeant ein, »ich fürchte, ich habe mich bereits von einer gewissen Stimmung anstecken lassen.«

»Sie sprechen mit einiger Sicherheit von einem gewissen Druiden, nicht wahr, Sir?« schaltete Parker sich ein und lüftete die schwarze Melone.

»Sie wissen von dieser seltsamen Erscheinung?« Der Detective-Sergeant trat einen halben Schritt zurück und musterte Rander und Parker.

»Wissen ist gut, Sergeant«, meinte Rander, »ich hatte den Eindruck, daß wir in die Luft gejagt werden sollten.«

»Wie war das?« Sergeant Mulligan runzelte die Stirn, und Parker lieferte eine erstaunlich knappe Schilderung dessen, was Rander und er erlebt hatten.

»Das ist ja ungeheuerlich«, urteilte Mulligan und schnappte nach Luft, »eine Sprengladung, versteckt in einem Strauß von Mistelzweigen?«

»Eine hübsche Kombination, wie?« Rander lächelte.

»Das wäre ja ein richtiger Mordanschlag gewesen!«

»Der nicht unbedingt Mr. Rander und meiner Wenigkeit gegolten haben muß«, schränkte der Butler ein.

»So oder so. Ich muß sofort die erforderlichen Schritte in die Wege leiten. Wo kann ich Sie erreichen?«

»Erst mal hier im Gasthof, dann später auf Schloß Plaine«, meinte Anwalt Rander, »sagen Sie, Sergeant, seit wann treibt der Druide sich in dieser Gegend herum?«

»Wir wissen davon amtlich erst seit drei Wochen, Sir, aber die Leute hier sagen, der Druide sei bereits seit fünf Wochen unterwegs. Sie sind zufällig hierher nach Plain gekommen?«

»Wir wollen uns den Druiden zur Brust nehmen, Sergeant, aber sagen Sie’s nur nicht weiter.«

»Sie wollen den Druiden stellen?« Detective-Sergeant Mulligan sah Rander und Parker erstaunt und zugleich auch ein wenig belustigt an. »Sie kommen wahrscheinlich aus einer Großstadt, oder? Sie werden nie verstehen, wie diese Menschen hier über Geister und Erscheinungen denken. Für sie sind das reale Erscheinungen.«

»Womit die Leute wohl auch recht haben werden, Sergeant«, gab Mike Rander zurück, »der Druide ist ein Zweibeiner wie Sie und ich. Aber daran werden ja gerade Sie bestimmt nicht zweifeln, nicht wahr?«

»Ich weiß nicht recht«, entgegnete der Sergeant zögernd, »es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die man mit dem Verstand allein nicht begreifen wird.«

»Das hätte von Ihnen stammen können, Parker«, frotzelte Mike Rander. »Und darauf sollten wir einen Schluck nehmen, falls der Ausschank schon geöffnet ist.«

Bevor Butler Parker darauf antworten konnte, strichen plötzlich einige Krähen flatternd um die Ecke des. Gasthofes. Sie gewannen nur mühsam an Höhe und stießen kreischende Schreie aus.

Der Detective-Sergeant zog unwillkürlich den Kopf ein, Mike Rander runzelte die Stirn und Butler Parker löste sich wortlos aus der Gruppe und schritt überraschend schnell auf die Hausecke zu. Er hatte sie noch nicht ganz erreicht, als er das Getrappel von Pferdehufen hörte, das von einem Wiehern übertönt wurde. Parker bog um die Hausecke und sah gerade noch, daß ein Pferd in einer schmalen Gasse verschwand. Auf diesem Pferd saß eine Gestalt, die nicht gerade sonderlich zivilisiert aussah.

»Haben Sie was gesehen?« hörte er hinter sich die Stimme von Sergeant Mulligan.«

»Nichts«, gab Parker zurück, die Wahrheit ein wenig korrigierend, »meine Wenigkeit hatte allerdings den Eindruck, daß ein Pferd sich zu entfernen beliebte, wenn ich es mal so ausdrücken darf.«

*

»Hier rennt man gegen eine Wand des Schweigens«, sagte Sergeant Mulligan später, »die Leute auf dem Land sind mißtrauisch und verschlossen. Ja, und sie haben natürlich Angst vor diesem Druiden und seiner Sichel.«

»Der seit fünf Wochen sein Unwesen treibt, Sir«, stellte Josuah Parker noch mal fest, »Sie sind zur Aufklärung dieser mehr als seltsamen Vorfälle nach Plain geschickt worden, wie man annehmen darf?«

»Richtig«, bestätigte der Detective-Sergeant, »normalerweise sitze ich in Andover.«

»Sie bleiben länger?« Rander beugte sich vor und deutete durch die Windschutzscheibe nach vorn, »hinter der nächsten Kurve hingen die Mistelzweige quer über der Straße.«

»Ich werde solange bleiben, bis der ganze Unsinn aufgeklärt ist«, entgegnete Mulligan, »aber das kann dauern, ich weiß das aus Erfahrung. Ermittlungen auf dem Land sind immer schwierig.«

Parker hatte den Bogen hinter sich gebracht und stoppte sein hochbeiniges Monstrum. Die drei Männer stiegen aus und nahmen die bewußte Stelle in Augenschein. Mulligan war beeindruckt. Solch eine Explosion hatte er sich nicht vorgestellt. Zu beiden Seiten der schmalen Straße war das Gesträuch förmlich weggefetzt worden. In der Straße war eine flache Mulde zu sehen.

»Sie können von Glück reden, daß Sie noch leben«, sagte der Sergeant, »wieso wurden Sie eigentlich mißtrauisch?«

»Fragen Sie Mr. Parker«, erwiderte der Anwalt, »ich hätte das wahrscheinlich für einen Scherz gehalten und wäre weitergefahren.«

»Sie taten es eben nicht, Mr. Parker.« Der Detective-Sergeant sah Parker prüfend-abwartend an.

»Meine bescheidene Wenigkeit handelte instinktiv«, erklärte Parker, »es sollte allerdings nicht verschwiegen werden, daß gewisse persönliche Erfahrungswerte ihren Niederschlag fanden, was meine Handlungsweise betrifft.«

»Sie sind nicht sicher, daß dieser Anschlag Ihnen gegolten hat, oder?«

»Eine Frage, Sir, die sich einer Beantwortung entzieht«, antwortete der Butler.

»Wer hat von Ihrer Fahrt nach Plain gewußt?« Der Detective-Sergeant ließ nicht locker.

»Lady Simpson und Miß Porter«, schaltete der Anwalt sich ein, »aber man sollte davon ausgehen, daß Mr. Parker und ich vielleicht beobachtet wurden, als wir über die Landstraße fuhren.«

»Die Zeit hätte nie gereicht, den Sprengstoff anzubringen«, meinte Sergeant Mulligan, »sind Sie vielleicht abgehört worden?«

»Solch eine Erklärung bietet sich förmlich an, Sir«, pflichtete Parker dem Sergeant bei, »nach der Rückkehr ins Schloß wird man sich nach etwa vorhandenen elektronischen Wanzen Umsehen.«

»Die dann sicher kein Druide angebracht haben kann«, meinte Mulligan ironisch.

»Was will dieser Druide mit seiner Sichel eigentlich?« fragte der Anwalt gezielt. »Aus Schabernack treibt er bestimmt nicht sein Unwesen.«

»Könnte man unter Umständen erfahren, Sir, in welcher Hinsicht dieser geheimnisvolle Druide bereits tätig wurde?« wollte Josuah Parker wissen.

»Er wirft in erster Linie diese verdammten Sicheln durch die Gegend«, antwortete Detective-Sergeant Mulligan, »er hat bereits einige Leute verletzt und auch Pferde getötet. Er erscheint in den Abend- und Nachtstunden und läßt Krähen flattern. Er pinselt geheimnisvolle Runen an Häuserwände und scheint es auf Autoreifen abgesehen zu haben. Die werden nämlich immer wieder durchschnitten, offensichtlich mit einer rasiermesserscharfen Sichel.«

»Gibt es einen bestimmten Personenkreis, der von den Aktivitäten dieses Druiden besonders betroffen wurde und wird?«

»Eine bestimmte Linie ist bisher nicht zu erkennen, Mr. Parker. Ich habe auch nicht die geringste Ahnung, wer hinter der verrückten Erscheinung stecken könnte.«

»Herrliche Aussichten«, meinte der Anwalt, »den Ausdruck Schabernack möchte ich übrigens zurücknehmen und streichen, Sergeant. Immerhin war hier quer über die Straße eine tödliche Sprengladung angebracht worden.«

»Sie sind nicht zufällig Gast auf Schloß Plain?« fragte der Sergeant gespielt beiläufig.

»Im Grund schon«, meinte Anwalt Mike Rander.

»Sir Robert hat Sie vielleicht eingeladen, ihm gegen den Druiden beizustehen?«

»Danach sollten Sie Lady Simpson fragen«, wich der Anwalt aus. »Ist Sir Robert denn schon von dem Druiden besucht oder belästigt worden?«

»Er hat Ihnen nicht davon erzählt?« wunderte sich der Sergeant.

»Andeutungsweise, aber mehr amüsiert«, lautete Randers Antwort.

»Sollte es bereits Anschläge des Druiden auf Schloß Plain gegeben haben?« schaltete der Butler sich ein.

»Da müssen Sie schon Sir Robert fragen«, wich Mulligan einer konkreten Antwort aus, »wenn Sie so freundlich wären, könnten Sie mich jetzt zurück in den Ort bringen. Ich habe noch vielen Menschen Fragen zu stellen und weiß schon jetzt, daß dabei nichts herauskommen wird. Man läßt mich förmlich ins Leere laufen.«

Er hatte seinen Satz noch nicht ganz beendet, als plötzlich eine Sichel heranschwirrte, die haarscharf über den Köpfen der drei Männer zu sehen war und dann im Gesträuch auf der anderen Straßenseite verschwand!

*

Detective-Sergeant Mulligan reagierte augenblicklich.

Er spurtete aus dem Stand und lief in die Richtung, aus der die Sichel gekommen war. Es zeigte sich, daß er erstaunlich schnell war. Mike Rander nickte anerkennend.

»Wir dürften uns ziemlich unbeliebt gemacht haben, Parker«, sagte er dann. »Hat der Druide hier etwa die ganze Zeit auf uns gewartet, Parker?«

»Man ist in der Tat versucht, Sir, dies zu unterstellen«, erwiderte Josuah Parker, der Mulligan beobachtete, wie er gerade im dichten Unterholz verschwand.

»Der Knabe hat viel Mut«, fand Rander, »er könnte doch glatt in die nächste Sichel laufen, oder?«

»Mit solch einem Zwischenfall ist durchaus zu rechnen, Sir«, gab der Butler zurück, ohne Anstalten zu treffen, um seinerseits nach dem Sichelwerfer zu suchen.

»Glauben Sie, daß der Druide sich inzwischen auf ein Pferd geschwungen hat?« Rander lehnte sich gegen den Wagen.

»Er könnte durchaus solch ein Fortbewegungsmittel gewählt haben, Sir. Ihr Einverständnis voraussetzend, Sir, sollte man vielleicht ein Stück des weiteren Weges hinter sich bringen. Hinter dem Wald dürfte der Blick auf die parkähnlichen Wiesen eindrucksvoll und zugleich auch erhellend sein.«

»Dann wollen wir uns aber beeilen, Parker.« Mike Rander stieg in den Fond des Wagens, während Parker am Steuer Platz nahm. Wenig später rollte das hochbeinige Monstrum davon. Parker verzichtete diesmal auf ein gemessenes Tempo, gab Gas und ließ seinen Privatwagen förmlich nach vorn fliegen. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis das Waldstück mit dem dichten Unterholz hinter ihnen lag.

»Nichts«, meinte der Anwalt nach schnellem Rundblick, »weit und breit nichts zu sehen, Parker.«

»Wenn Sie erlauben Sir, könnte man nach Hufspuren Ausschau halten«, schlug Josuah Parker vor. »Auch Spuren anderer Fortbewegungsmittel könnten natürlich von Interesse sein.«

»Ich bin gespannt, ob wir fündig werden, Parker.« Mike Rander stieg aus und machte sich daran, wie der Butler nach Spuren zu suchen. Die Sichel des Druiden mußte ja schließlich von einem Wesen aus Fleisch und Blut geworfen worden sein.

*

»Sie haben natürlich nichts gefunden, Mr. Parker«, stellte Lady Agatha anderthalb Stunden später fest. Mike Rander und der Butler waren nach Schloß Plain zurückgekehrt und hatten von den Zwischenfällen berichtet.

»Spuren eines Fahrrads haben wir entdeckt«, sagte der Anwalt, »aber diesen Radfahrer hätten wir nach dem Sichelanschlag eigentlich noch sehen müssen.«

»Und was war mit dem Detective-Sergeant?« forschte die ältere Dame weiter.

»Auch er konnte nichts finden«, bedauerte Mike Rander, »und ich denke, er hat jeden Zentimeter abgesucht.«

»Und den Druiden natürlich völlig übersehen«, faßte Lady Agatha zusammen, »er hat sich natürlich im Unterholz versteckt.«

»Dann muß es sich um ein in der Tat ausgezeichnetes Versteck gehandelt haben, Mylady«, schaltete Josuah Parker sich ein.

»Und solch ein Versteck hätte ich selbstverständlich gefunden«, behauptete die energische Dame mit letzter Sicherheit. »Wenn man nicht alles selbst macht...«

»Mr. Mulligan wird die Suche nach dem sogenannten Druiden erneut aufnehmen«, meinte Josuah Parker, »er hat einige Suchhunde angefordert.«

»Hat sich hier inzwischen einiges getan?« Rander wechselte das Thema und sah Kathy Porter an.

»Ich habe die drei Angestellten verhört«, antwortete Agatha Simpson, bevor ihre Gesellschafterin etwas sagen konnte, »und ich weiß jetzt, wer in diesem schrecklichen Gemäuer die Sichel geworfen hat. Für mich gibt es da überhaupt keinen Zweifel.«

»Mylady werden sicher wieder mal mit einer frappierenden Entdeckung auf warten können«, meinte Parker, in dessen Gesicht sich kein Muskel rührte.

»Der Kammerdiener ist der Täter«, redete sie energisch weiter, »und ich wußte es gleich, als dieses Subjekt in der Halle erschien.«

»Der Mann wurde immerhin getroffen und verwundet, Mylady«, erinnerte der Anwalt und tauschte mit Parker und Kathy Porter einen schnellen Blick.

»Schnickschnack, mein lieber Mike«, sagte sie abfällig, »er hat sich diese Wunde natürlich selbst beigebracht, um mich an der Nase herumzuführen. Aber damit wird dieser Mister Maddon nicht weiterkommen. Kathy hat sich die Wunde näher angesehen. Sagen sie schon, Kindchen, was Sie gesehen haben...«

»Nun ja, die Wunde ist eigentlich recht oberflächlich«, antwortete die Sekretärin und Gesellschafterin der älteren Dame, »theoretisch könnte Mister Maddon sie sich selbst beigebracht haben.«

»Ein billiges Ablenkungsmanöver«, urteilte die Detektivin und nickte bekräftigend, »so etwas durchschaue ich immer sofort.«

»Mylady konnten ein Tatmotiv herausfiltern?« erkundigte sich der Butler in seiner höflichen Art.

»Er wird Rache üben wollen. Das liegt doch auf der Hand.« Agatha Simpson lachte wissend.

»Rache!?« Mike Rander war verblüfft.

»Ein Motiv, das mich immer wieder entzückt«, freute sich Lady Agatha, »dieser Paul Maddon hatte eine Schwester, die sich vor fast einem Jahr das Leben nahm. Was sagen Sie jetzt?«

»Eigentlich noch gar nichts«, erwiderte der Anwalt, »oder weiß man, warum sie Selbstmord beging?«

»Liebeskummer, mein lieber Mike«, redete Agatha Simpson weiter, »sie hatte ein Verhältnis mit Sir Robert. Dieses Wissen habe ich dem Koch entlockt. Der Selbstmord kann natürlich auch ein Mord gewesen sein ...«

»Begangen etwa von Sir Robert?« Mike Rander sprach das aus, was die ältere Dame gerade angedeutet hatte.

»Warum denn nicht?« Lady Agatha verzog ihr Gesicht. »Auch innerhalb des Adels gibt es schwarze Schafe, ich bin da völlig vorurteilslos.«

»Darf man erfahren, Mylady, wie Miß Maddon sich ums Leben brachte?« erkundigte sich der Butler gemessen.

»Sie soll sich vom Turm gestürzt haben«, erwiderte die Detektivin geradezu genußvoll, »aber sie kann natürlich auch über die Zinnen gedrückt worden sein, nicht wahr?«

»Trauen Sie Sir Robert denn solch eine Tat zu, Mylady?« Mike Rander schüttelte den Kopf.

»Ich traue keinem Menschen über den Weg«, erwiderte die ältere Dame, »ich mache mir keine Illusionen, mein lieber Mike.«

»Myladys Worten darf man demnach entnehmen, daß der Koch und der ebenfalls noch im Schloß wohnende Verwalter schuldlos sind?« fragte der Butler.

»Aber keineswegs, Mr. Parker.« Sie sah ihn streng an. »Möglicherweise habe ich es mit einem raffinierten Komplott zu tun. Aber auch dies werde ich noch auf decken.«

»Mit letzter Sicherheit, Mylady«, erklärte Parker und deutete eine knappe Verbeugung an, »darf man sich in diesem Zusammenhang nach Sir Roberts Befinden erkundigen?«

»Er hat sich eingeschlossen, dieser Angsthase«, meinte sie verächtlich und lachte amüsiert, »so hofft er, der Sichel des Druiden zu entkommen. Das ist selbstverständlich ein Trugschluß. Ich rechne mit seinem Tod, um ganz ehrlich zu sein.«

*

»Meine Wenigkeit möchte auf keinen Fall aufdringlich erscheinen«, schickte Josuah Parker voraus, nachdem Sir Robert die Tür zu seinen Räumen spaltweit geöffnet hatte und ihn mit einem mehr als nur mißtrauischen Blick bedachte, »Mylady sind der sicher richtigen Ansicht, daß eine Tasse Tee in diesen Stunden innerer Anspannung wohl angebracht ist.«

»Scheren Sie sich zum Teufel, Mr. Parker«, fuhr Sir Robert den Butler an. Parker merkte sofort, daß der Schloßherr leicht angetrunken war.

»Ihrem Wunsch, Sir, würde ich umgehend nachkommen, falls die Aussicht besteht, dort den sogenannten Druiden antreffen zu können«, gab Josuah Parker zurück. Während er dies erklärte, drückte er die schwere Holztür, die mit Eisennägeln übersät war, höflich, aber kraftvoll auf. Sir Robert wurde gegen seinen Willen zurückgedrückt und gab dann plötzlich die Tür frei.

Parker blickte in die weite Mündung einer altertümlich aussehenden Pistole, die eindeutig ein Vorderlader war. Sie zitterte in der Hand Sir Roberts.

»Nehmen Sie den Tee mit Sahne und Zucker?« fragte der Butler, der die Waffe ignorierte. Er kümmerte sich nicht weiter um den Schloßherrn, sondern schritt zielsicher zu einem Tisch, der unter einem romanischen Bogenfenster stand. Parker registrierte, daß auf diesem Tisch einige angebrochene Whiskyflaschen standen.

»Ich will keinen Tee«, herrschte Sir Robert den Butler an, um dann die Tür zuzuriegeln.

»Einem alten chinesischen Sprichwort zufolge, Sir, soll Tee die Gleichmut der Gefühle fördern«, meinte Parker, »man sagt diesem Getränk ebenfalls nach, daß es die Angst mindert.«

»Angst? Ich habe keine Angst.« Sir Robert sah zur Tür hinüber und schien sich vergewissern zu wollen, daß er die Tür auch wirklich verriegelt hatte.

»Könnte es sein, Sir, daß die Vergangenheit sich anschickt, Sie einzuholen?«

»Was soll diese Unverschämtheit?« Sir Robert ging hinüber zum Tisch und griff nach einem halb gefüllten Whiskyglas.

»Aus gegebenem Anlaß, Sir, sollte von einer gewissen Miß Maddon gesprochen werden.«

»Melissa Maddon? Wie kommen Sie dazu, diesen Namen zu erwähnen?«

»Miß Melissa Maddon soll dem Vernehmen nach hier auf dem Schloß zu Tode gekommen sein, Sir.«

»Selbstmord? Und was habe ich damit zu tun?« Sir Robert Pundhams Gesicht färbte sich intensiv rot.

»Wäre es unter Umständen möglich und wahrscheinlich, Sir, daß der erwähnte Druide diesen Tod rächen will?«

»Nonsens, Mr. Parker. Was habe ich mit diesem Selbstmord zu schaffen?«

»Diese Frage stellten Sie bereits, Sir, wenn auch in einer leicht abgeänderten Form. Sie fühlen sich für diesen Selbstmord nicht verantwortlich?«

»Jetzt aber raus!« Sir Robert riß die altertümliche Handfeuerwaffe hoch und ... verlor sie augenblicklich. Parker, der kein unnötiges Risiko eingehen wollte, schlug mit dem Serviertablett unter den Lauf der Waffe. Es sah nach einer Ungeschicklichkeit aus, für die Parker sich umgehend zutiefst entschuldigte.

Butler Parker 153 – Kriminalroman

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