Читать книгу Butler Parker 171 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 3
Оглавление»Ich erlaube mir, einen besonders schönen Abend zu wünschen«, sagte Josuah Parker und lüftete höflich grüßend seine schwarze Melone. Er blinzelte ein wenig in das grelle Licht der Scheinwerfer und sah zu der jungen Frau hinüber, die malerisch drapiert vor der Hasselblad lag, die auf einem festen Stativ montiert war.
Die junge Frau trug einen äußerst knapp sitzenden Sarong, der gerade noch mühsam von den Hüftknochen gehalten wurde. Dieser Sarong hatte sich verschoben und gab lange, schlanke Beine fast bis zum Ansatz frei.
Verschoben hingegen hatte sich nicht das knappe Brusttuch. Es fehlte, was den Butler irgendwie stutzig werden ließ. Die junge Frau tat nichts, um ihre Blöße zu verdecken. Sie lag nach wie vor ruhig vor der Hasselblad und rührte sich nicht.
Parker räusperte sich diskret, aber unüberhörbar.
»Ich möchte auf keinen Fall stören«, entschuldigte Parker sich mit leicht erhobener Stimme.
Sie reagierte wieder nicht. Was kein Wunder war, wie der Butler Sekunden später feststellte. Die junge Dame war tot und konnte den Butler daher nicht mehr zur Kenntnis nehmen. Die große, scharlachrote Blume oberhalb vom linken Ohr entpuppte sich leider als eine Wunde, die diesen Tod herbeigeführt haben mußte.
Josuah Parker war peinlich berührt. Eine Tote hatte er hier im Fotoatelier auf keinen Fall erwartet. Und mit einem Mord hatte er schon gar nicht gerechnet. Daß hier ein Mord begangen worden war, stand für ihn fest. Von einem bedauerlichen Unfall konnte überhaupt keine Rede sein.
Er sah sich in dem mittelgroßen, sehr modern eingerichteten Atelier ein wenig um. Hinter der Toten war ein Prospekt ausgerollt worden. Er zeigte die Idylle einer Südseelandschaft. Im Atelier hing, das hatte Parker sofort bemerkt, noch warmer Zigarettenrauch.
Hatte er den Mörder überrascht? Befand er sich noch im Atelier oder in einem der Nebenräume? Josuah Parker verzichtete darauf, in das Licht der Scheinwerfer zu treten. Er blieb im Halbschatten hinter dem gleißenden Licht und horchte auf seine innere Alarmanlage.
Sie schrillte unhörbar, aber für den Butler überdeutlich.
Parker wußte, daß er tatsächlich nicht allein im Atelier war. Augen belauerten ihn aus dem Hinterhalt. Und vielleicht wurde gerade in diesem Augenblick bereits die Mündung einer Waffe auf ihn gerichtet.
Da Josuah Parker es gar nicht schätzte, wenn auf ihn geschossen wurde, wandte er sich ab und begab sich aus dem Atelier. Dabei passierte ihm das Pech, sich mit dem Fuß im Gewirr der Lichtkabel zu verheddern.
Die Wirkung trat daraufhin prompt ein, zumal der Butler sich ausgesprochen nachdrücklich verheddert hatte.
Schlagartig verlosch das Licht. Tiefe Dunkelheit breitete sich aus. Das war genau das, was Parker vorgeplant hatte. Er verließ eine mögliche Schußrichtung und schritt würdevoll und gemessen auf den Ausgang zu.
Nachdem er das Atelier hinter sich gelassen hatte, schloß er die Tür und begab sich laut und deutlich die steile Treppe hinunter. Nur er allein wußte, daß er während seines Abstiegs einen seiner Patentkugelschreiber in der Hand hielt, dessen Inhalt er sorgfältig auf die Treppenstufen sprühte ...
*
Anwalt Mike Rander saß im Studio seiner Dachgartenwohnung und befaßte sich mit dem Inhalt einer Klageschrift.
Unwillig sah der junge Anwalt hoch, als sich das Telefon meldete. Er griff nach dem Hörer, hob ab und meldete sich.
»Hier spricht die ›Schwarze Hexe‹«, meldete sich eine Frauenstimme, die nach verrostetem Blech klang.
»Außerordentlich witzig«, sagte Rander.
»Ich scherze nicht«, warnte die Stimme, »und das werden Sie und Ihr Butler erfahren! Wer mich entzaubern will, der wird sehr schnell sterben!«
»Können Sie sich nicht etwas deutlicher ausdrücken?« Rander hatte bereits das Tonbandgerät eingeschaltet und schnitt das Gespräch mit. Ihm kam es darüber hinaus darauf an, diese skurrile Unterhaltung auszudehnen.
»Es geht aber nicht nur um Sie oder um Ihren Butler«, redete das angerostete Blech weiter, »es geht um junge Mädchen, die wohl noch gar nicht wissen, in welch tödlicher Gefahr sie sich befinden. Ich werde sie der Reihe nach zum Teufel schicken, wenn sie nicht meinen Befehlen nachkommen werden. Habe ich mich jetzt deutlich genug ausgedrückt?«
»Wann waren Sie zuletzt beim zuständigen Psychiater?« erkundigte der Anwalt sich gereizt.
»Das werden Sie mir büßen«, fauchte die Frauenstimme wütend zurück, »Sie werden es büßen wie Ihr Butler, der sich in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen ...«
»Ich werde es ihm ausrichten, wenn Sie einverstanden sind. Wie war noch Ihr Name?«
»Ich bin die ›Schwarze Hexe‹«, lautete die verblüffende Antwort, »aber Sie werden mich noch kennenlernen!«
Bevor Mike Rander weitere Fragen stellen konnte, hatte die »Schwarze Hexe« bereits aufgelegt. Rander warf den Hörer in die Gabel, spulte das Tonband zurück und spielte sich die Unterhaltung noch einmal vor.
Kopfschüttelnd hörte er sich die Worte der Frau an. Und es war klar für ihn, daß er es keineswegs mit einer Witzboldin, sondern sehr wahrscheinlich mit einer Irren zu tun hatte.
Worauf hatte die Frau mit der Roststimme angespielt? Welche jungen Mädchen befanden sich in Lebensgefahr, falls sie bestimmten Befehlen nicht nachkamen?
Ausgerechnet jetzt war Josuah Parker nicht erreichbar. Er hatte sich vor gut einer Stunde entschuldigt und die Dachgartenwohnung verlassen, um sich ein wenig die Füße zu vertreten.
Wußte Parker bereits von dieser »Schwarzen Hexe«? Stand sein abendlicher Ausflug schon in Verbindung mit dieser unheimlichen Frau, deren Stimme wie rostiges Blech klang?
*
Am Fuß der Treppe blieb Josuah Parker stehen und harrte der Dinge, die seiner bescheidenen Ansicht nach unbedingt noch kommen mußten.
Nicht umsonst hatte ihm seine innere Alarmanlage gemeldet, daß er im Atelier nicht allein gewesen war. Und nicht umsonst hatte er nach dem Abschalten der Scheinwerfer das Atelier verlassen. Er hoffte, nicht allzulange warten zu müssen.
Was tatsächlich auch der Fall war.
Schon nach knapp zwei Minuten war oben an der Treppe ein feines, scharrendes Geräusch zu vernehmen. Die Tür wurde wahrscheinlich vorsichtig aufgedrückt. Danach erklangen schnelle, aber dennoch leise, ungemein vorsichtige Schritte. Der Besucher des Ateliers schickte sich an, die Treppe herabzusteigen. Ob dieser Besucher identisch mit dem Mörder war, mußte sich herausstellen.
Parker vertraute auf sein Sprühmittel.
Und wurde wieder einmal nicht enttäuscht.
Plötzlich war ein erstickter Aufschrei zu hören. Und dieser Aufschrei leitete einen Sturzflug ein, der es in sich hatte. Parker, der das Licht im Treppenhaus eingeschaltet hatte, sah einen menschlichen Körper, der sich in eine Art Sturzkampfbomber verwandelt hatte.
Mit ausgestreckten Armen und angezogenem Kopf schoß der Mann unter Mißachtung der Treppenstufen nach unten. Seine Beine hingen gekrümmt in der Luft und versuchten das Gleichgewicht zu halten, was aber in Anbetracht der stetig steigenden Geschwindigkeit nicht so recht klappen wollte.
Parker trat zur Seite, um die Landung nicht zu behindern.
Der Mann segelte knapp an ihm vorbei und ... produzierte eine durchaus gekonnte Bauchlandung, die es allerdings in sich hatte. Nach dem Bodenkontakt blieb der menschliche Sturzkampfbomber erschöpft knapp vor der Tür liegen und war offensichtlich nicht ansprechbar.
Parker kontrollierte das Allgemeinbefinden des Mannes und durfte zufrieden sein. Dauerschäden trug dieser Mann sicher nicht davon. Im Moment war er allerdings etwas angeschlagen und zudem bewußtlos.
Josuah Parker kontrollierte den Tascheninhalt des Schlafenden und zupfte unter anderem einen handlichen 38er aus der Hosentasche des Bewußtlosen.
Aus dieser Waffe war einwandfrei nicht geschossen worden, wie die Schnüffelprobe bewies. Was allerdings nichts zu besagen hatte. Dieser Mann konnte die Tatwaffe oben im Atelier zurückgelassen haben.
Um einen späteren Kontakt herstellen zu können, durchsuchte der Butler die Brieftasche und merkte sich einige wichtige Details aus den Papieren. Anschließend schob er die Brieftasche zurück in das Jackett und verließ den Ort der Bruchlandung. Er hielt es für richtig, diesem Mann vorerst keine Fragen zu stellen. Er brauchte nicht zu wissen, wem er diese Bruchlandung zu verdanken hatte. Der Besitzer der 38er sollte vorerst glauben, er sei rein zufällig die Treppe hinuntergesegelt.
Parker hatte das Haus gerade verlassen und wollte hinüber auf die andere Straßenseite gehen, als er zwei junge, äußerst attraktive Damen sah, die auf den Eingang zum Atelier zuhielten. Sie erschienen völlig ahnungslos und würden sehr wahrscheinlich bald sehr laut schreien und die zuständigen Behörden informieren. Josuah Parker erreichte die andere Straßenseite und wurde nicht enttäuscht.
Nach genau vierdreiviertel Sekunden war ein schriller Doppelschrei zu vernehmen, der die Geräusche des Straßenverkehrs deutlich übertönte.
Und nach genau sechseinviertel Sekunden preschte der Bruchlander aus der Tür und rannte im Schweinsgalopp davon, wobei er sein linkes Bein nachzog, offensichtlich eine Folge der verunglückten Landung. Dieser Mann warf sich förmlich in einen Chrysler, der am Straßenrand stand und raste derart hastig los, daß die Hinterräder wütend durchtourten ...
Parker verließ sein hochbeiniges Monstrum am Anfang der Beguin Street und lustwandelte zu Fuß weiter. Er befand sich in einem östlichen Stadtteil, der von der Stadtplanung noch nicht saniert worden war. Hier gab es graue Mietskasernen, schäbige kleine Hotels und eine Unzahl von Bars und Kneipen, die erstaunlicherweise gut gefüllt waren.
Parker interessierte sich für ein kleines Hotel, das schmalbrüstig zwischen zwei Mietskasernen lag. Es nannte sich »Fishermans Hotel« und schrie wahrscheinlich schon seit etwa zehn Jahren verzweifelt und vergeblich nach einem neuen Anstrich. Vor diesem Hotel erschien ein Chrysler, dem ein leicht hinkender Mann entstieg, der etwa fünfunddreißig Jahre alt sein mochte.
Es handelte sich selbstverständlich um jenen Mann, der die Treppe souverän übersehen und mißachtet hatte. Er hieß übrigens Joel Crane, wie Parker anhand einiger Papiere in der Brieftasche festgestellt hatte.
Joel Crane hinkte in das schäbige Hotel und ging wie selbstverständlich am Nachtportier vorbei, der ihm nur zunickte. Dies alles war durch die fast blinde, dreckige Türscheibe gerade noch zu erkennen.
Nach etwa zehn Minuten erschien Crane wieder auf der Bildfläche. Er trug eine Reisetasche in der Hand, warf sie auf den Rücksitz seines Wagens, setzte sich ans Steuer und fuhr davon.
Parkers hochbeiniges Monstrum folgte diskret.
Nach einer Fahrt von etwa zehn Minuten hielt der Chrysler vor einem bungalowähnlichen Holzhaus, das am Rande einer neuen Siedlung stand. Der Holzbungalow gehörte noch zu den alten Häusern und sah dementsprechend aus.
Crane nahm seine Reisetasche, trug sie ins Haus und setzte den Wagen dann in eine baufällig wirkende Garage. Als er sie verließ, kam eine üppig aussehende Blondine aus dem Haus und wartete auf Crane. Wenig später gingen sie zusammen ins Haus.
Parker begnügte sich mit dieser Beobachtung.
Das hochbeinige Monstrum brachte ihn zurück in die City und lieferte den Butler vor einem Nachtclub ab, der sich »Bambus Garden« nannte.
Der Kleiderschrank von einem Portier zuckte förmlich zusammen, als Josuah Parker auf den Eingang der Bar zuschritt. Ein äußerst betretenes verlegenes Grinsen umspielte die wulstigen Lippen dieses Mannes. Er grüßte militärisch stramm und übertrieben korrekt.
»Guten Abend, Sir«, sagte er dann respektvoll und unsicher zugleich.
»Ich stelle mit Freude und Genugtuung fest«, erwiderte Josuah Parker, »daß Sie sich inzwischen einem Beruf zugewandt haben, Mister Pelbom!«
»Klar, Sir!« sagte Pelbom.
»Hoffentlich haben Sie sich den richtigen Arbeitgeber ausgesucht«, redete Parker gemessen und würdevoll weiter.
»Bestimmt, Mister Parker!«
»Wie erreiche ich Mister Hale Stage?« fragte Parker, »nach meinen Informationen müßte er um diese Zeit bereits in seinem Privatbüro sein.«
»Ich... ich werde nachfragen«, stammelte Pelbom, der vor einigen Jahren die Kühnheit besessen hatte, sich mit dem Butler anzulegen. Zwei Jahre Gefängnis waren dabei für ihn herausgesprungen. Von einem angebrochenen Arm und einer ausgerenkten Schulter einmal ganz zu schweigen.
»Tun Sie dies möglichst nicht«, meinte Parker in seiner zwar freundlichen, aber ungemein unterkühlten Art, »ich könnte dies als einen unfreundlichen Akt auslegen. Und Mißverständnisse dieser Art sollte man doch möglichst nicht aufkommen lassen. Zudem, Mister Pelbom, kenne ich den Weg!«
Ohne sich weiter um den Kleiderschrank von einem Portier zu kümmern, betrat der Butler die Nachtbar, passierte die Garderobe und hielt auf eine unscheinbar aussehende Tür zu, die von einem Garderobenständer fast völlig verdeckt wurde.
Er war gespannt, wie Hale Stage ihn empfangen würde.
*
Pelbom hatte sich an Parkers unzweideutigen Rat gehalten und darauf verzichtet, seinen Arbeitgeber zu warnen.
Als Josuah Parker nach Überwinden einer Treppe einen kleinen Vorraum erreichte, sprangen zwei offensichtliche Schläger überrascht von ihren Sitzen hoch und starrten den Butler an.
»Ich möchte keineswegs stören«, sagte Parker würdevoll, »läßt es sich einrichten, Mister Stage zu sprechen?«
»Wie ... wie kommen Sie denn hier rauf?« fragte der erste Schläger, ein Mann mit tückischen Augen. Während er seine Frage stellte, griff er ungeniert nach einem Schlagstock, der vor ihm auf einem Rauchtisch lag.
»Ja, wen haben wir denn da?« fragte der zweite Schläger, der sich durch das ausgeprägte Kinn eines Eiszeitmenschen auszeichnete.
»Ich erlaube mir, Ihnen einen guten Abend zu wünschen«, erwiderte Josuah Parker und lüftete höflich seine schwarze Melone, »läßt es sich einrichten, Mister Stage zu sprechen?«
»Wie sind Sie denn überhaupt raufgekommen?« wollte der Mann mit den tückischen Augen wissen.
»Ich benutzte die Treppe, um präzise zu antworten.«
»Ein kleiner Scherzbold, wie?« Der Eiszeitmensch grinste seinen Partner an und griff ebenfalls nach einem handlichen Schlagstock.
Dann, ohne jeden Übergang, wollte er diesen Stock auf den Kopf des Butlers legen.
Josuah Parker war unangenehm berührt.
Er haßte Brutalitäten jeder Art. Um aber dem Schlag zuvorzukommen, blockte er ihn mit seinem Universal-Regenschirm ab. Der Eiszeitmensch starrte verblüfft auf seine leere Hand und spürte erst dann den stechenden Schmerz in seinem Unterarm.
»Mann!« stieß er hervor. »Mann... was war’n das!«
»Wahrscheinlich ein Mißverständnis Ihrerseits«, gab der Butler gemessen zurück, »ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie meine bescheidene Wenigkeit tatsächlich schlagen wollten.«
Der Schläger mit den tückischen Augen war gegen Ende dieses Satzes etwas hinter den Butler getreten und wollte nun seinen Schlagstock spielen lassen.
Er kickste betroffen auf, als der bleigefütterte Bambusgriff des Universal-Regenschirms sein Handgelenk traf. Parker hatte dabei seinen Regenschirm wie einen Golfschläger verwendet.
Polternd landete nun auch der zweite Schlagstock auf dem Boden. Und der Schläger mit den tückischen Augen massierte sich die mehr als nur leicht schmerzende Hand.
»Nachdem diese Präliminarien nun erledigt sind, dürfte einem Gespräch mit Mister Stage wohl kaum etwas im Wege stehen!« Während Parker noch sprach, ging er hinüber zur wattierten Tür und wollte sie öffnen.
Der Heimtücker und der Eiszeitmensch warfen sich dem Butler in den Weg. Es ging um ihr Ansehen. Unangemeldet kam kein Mensch zu ihrem Boß. Und wenn der Mond vom Himmel heruntergefallen wäre.
Dieser sprichwörtliche Mond fiel herunter!
Parker hantierte möglicherweise ein wenig ungeschickt mit seinem Regenschirm, kurz, die beiden Schläger sahen sich daraufhin groß an, schluckten und wurden von einer Müdigkeit erfaßt, die man nur als lähmend bezeichnen konnte. Das Ergebnis dieser plötzlichen lähmenden Müdigkeit bestand darin, daß sie sich beeilten, um sich zu einem kleinen Schläfchen auf dem Teppich niederzulegen.
Parker kümmerte sich ein wenig um ihre Schußwaffen, die sie bisher aus Zeitgründen noch nicht gezogen hatten, manipulierte an diesen Schußwaffen etwas herum und öffnete die Tür zum Privatbüro des Mister Hale Stage.
Er hatte das Gefühl, genau im richtigen Moment gekommen zu sein!
*
Hale Stage, ein großer, sportlicher Typ von schätzungsweise vierzig Jahren, war gerade damit beschäftigt, eine junge Dame zielsicher und konzentriert zu ohrfeigen.
Womit der Butler selbstverständlich nicht einverstanden war!
Er nahm zwar grüßend seine schwarze Melone vom Kopf, behielt sie aber keineswegs in der Hand. Aus dem Handgelenk heraus brachte er sie in rotierende Bewegung und schickte sie auf eine kurze Luftreise. Sie landete auf dem Hinterkopf des Prügelnden und ließ ihn in die Knie sacken.
»Ich habe das Gefühl, daß Sie sich dieser Dame gegenüber nicht ganz kommentgemäß benehmen«, stellte der Butler dazu mißbilligend fest.
Hale Stage zog sich an seinem Schreibtisch hoch und sah den Butler mehr als verwirrt an. Da er noch unter einer leichten Betäubung litt, hielt er die Erscheinung des Butlers für eine Halluzination.
Die junge Dame, langbeinig, schlank und attraktiv aussehend, starrte den Butler ebenfalls an. Mit dieser prompten Rettungsaktion hatte sie ganz sicher nicht gerechnet. Auf ihren Wangen zeichneten sich übrigens die Finger des Gangsterbosses nachdrücklich ab.
»Vielen ... vielen Dank«, sagte sie mit belegter, gepreßter Stimme.
»Es war mir in diesem Fall ein ausgesprochen ehrliches Vergnügen«, erwiderte der Butler und deutete eine leichte Verbeugung an, »kann ich sonst noch etwas für Sie tun, Madam?«
»Ich glaube, ich gehe lieber«, sagte sie mit einem schnellen Blick hinüber zu Stage.
Stage hatte sich inzwischen von seiner Betäubung erholt und griff den Butler an. Das heißt, er hatte diese Absicht, doch sie reichte überhaupt nicht aus. Als er sich auf den Butler warf, trat Josuah Parker höflich-diskret einen halben Schritt zur Seite, vergaß aber, sein rechtes Bein mitzunehmen.
Über dieses rechte Bein stolperte Stage. Mit dem Kopf voran schoß er auf eine kleine Vitrine zu, die er mit seiner Stirn gründlich zertrümmerte. Beeindruckt von diesem Werk der Zerstörung nahm Stage daraufhin auf dem Boden Platz und haderte mit sich und der Umwelt.
»Sollten Sie in naher oder ferner Zukunft Sorgen irgendwelcher Art haben, Madam«, sagte Parker, sich an die junge Dame wendend, »so stelle ich Ihnen anheim, mich anzurufen. Ich werde mich bemühen, Ihnen dann selbstlos behilflich zu sein.«
Parker hatte sich diskrete Visitenkarten drucken lassen. Eines dieser Kärtchen überreichte er der jungen Frau, die ihn in einer Mischung aus Bewunderung, Überraschung und Anerkennung ansah.
Parker führte sie zur Tür, öffnete sie und nickte den beiden Schlägern zu, die sich gerade anschickten, wieder auf ihre Beine zu gelangen. Was ihnen nicht sonderlich leichtfiel. Die Bleifütterung im Bambusgriff des Regenschirms hatte es eben in sich.
»Oh, Ihre Tasche!« Parker ging schnell zurück in das Privatbüro des Gangsterbosses und brachte das Täschchen zurück ins Vorzimmer. Die junge Dame griff hastig danach, lächelte den Butler irritiert an und verschwand hinter der Vorzimmertür.
»Falls es Sie interessiert, Mister Stage, könnte ich Ihnen die Adresse eines anerkannten Instituts verschaffen, das sich mit der Vermittlung feiner Lebensart befaßt«, sagte Parker zu Stage, der nun wieder auf seinen Beinen stand, und sich den Kopf rieb.
»Irgendwann, Parker! Eines Tages! Also, Parker, dann werde ich’s Ihnen mal gründlich heimzahlen«, schnaufte Stage und ließ sich in einen Sessel fallen.
»Dies steht Ihnen selbstverständlich frei, Mister Stage!« Parker blieb in der Nähe der Tür stehen und betrachtete Stage, den er kannte. Es lag einige Zeit zurück, da hatte Josuah Parker diesem Gangsterboß einige Kreise gestört. Sehr gründlich sogar. Seitdem kannte man sich, seitdem aber haßte Stage den Butler wie die Pest.
»Was wollen Sie überhaupt hier?« fragte Stage und schleppte sich um seinen Schreibtisch herum. Hier ließ er sich in einen feudalen Ledersessel fallen.
»Ich möchte Ihnen von einem Mord berichten«, erwiderte Parker höflich und zurückhaltend zugleich.
»Mord? An wem?« Hale Stage sah den Butler aus zusammengekniffenen Augen an. Und gleichzeitig schielte er zur Tür, in der seine beiden Schläger erschienen, die sich inzwischen mit ihren Handfeuerwaffen ausgerüstet hatten.
»Mord«, bestätigte der Butler, »er wurde begangen im Fotoatelier ›Modern Arts‹ an einem Mannequin. Aber dies sind möglicherweise Nachrichten, die für Sie bereits überholt sind.«
»Wollen Sie mir einen Mord in die Schuhe schieben?« Hale Stage wollte wütend aufspringen, doch sein Kopf dröhnte zu sehr. Er ließ sich müde zurück in den feudalen Ledersessel fallen.
»Ich wollte ihnen nur von diesem Mord berichten«, sagte Parker, »Und von einer gewissen ›Schwarzen Hexe‹.«
»Worauf wartet ihr noch?« brüllte Stage in diesem Moment seine beiden Mitarbeiter an.
Der Heimtückische und der Eiszeitmensch sprangen förmlich in das Privatbüro des Gangsterbosses und richteten ihre Waffen auf den Butler.
»Flossen hoch«, sagte der Heimtückische.
»Jetzt biste reif«, verkündete der Eiszeitmensch.
»Ich habe mir erlaubt, die Waffen zu entladen«, sagte Parker höflich.
Die beiden Mitarbeiter sahen sich zuerst betreten an, dann betrachteten sie ihre Waffen und blickten anschließend zu Hale Stage hinüber.
»Los, schießt doch!« brüllte Stage aufgebracht, »macht diesen Schnüffler fertig!«
Heimtücker und Eiszeitmensch rissen die Stecher ihrer Waffen durch und warteten gleichzeitig auf die vertrauten Detonationen der Abschüsse.
Die zu ihrer Enttäuschung aber wirklich ausblieben, wie der Butler es ihnen verheißen hatte. Bevor sie sich umorientieren konnten, hatte Josuah Parker bereits einen seiner Patent-Kugelschreiber in der Hand.
Ein leichter Druck auf den Clip, und schon wirbelte den beiden Schlägern eine Spezialladung ins Gesicht. Würgendes Husten, leichtes Röcheln und abschließende Tränenfluten waren das Ergebnis dieser Spezialbehandlung.
Die beiden Schläger wandten sich ab und interessierten sich ab sofort nicht mehr für ihre Arbeit. Sie hatten im wahrsten Sinne des Wortes ihre Nasen gründlich voll.
Nicht so Stage.
Er witterte in Verkennung der Sachlage eine Chance, das Blatt noch einmal wenden zu können. Und leichtsinnigerweise zerrte er die Schublade seines Schreibtisches auf und griff fast gierig nach dem 45er, den er darin deponiert hatte.
Parker langte mit dem Bambusgriff seines Regenschirms über die Schreibtischplatte hinweg und hakte ihn hinter die Lade. Ein kurzer, schneller Ruck, und schon glitt die Lade wieder zu.
Bedauerlicherweise vergaß Stage dabei, seine Finger aus der Lade zu nehmen.
Was ihnen auf keinen Fall zuträglich war!
*
»Irgendwann werde ich mal am Drücker sein«, schnaufte Stage und blies anschließend seine schmerzenden Finger an, »sagen Sie endlich, was mit dieser Hexe los ist! Wovon reden Sie eigentlich? Wer soll denn das sein?«
»Ich pflege stets mit offenen Karten zu spielen«, erwiderte der Butler gemessen, »so soll es auch in diesem Fall sein, Mister Stage. Besagte ›Schwarze Hexe‹, die ich eben bereits andeutungsweise erwähnte, befaßt sich offensichtlich mit Mannequins und läßt sich von diesen Damen Erpressungsgelder zahlen. Ich hoffe, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt.«
»Einen Dreck haben Sie ...!«
»Nun, so werde ich einige Details erwähnen, die Ihnen möglicherweise noch nicht einmal fremd sind, Mister Stage. Die ›Schwarze Hexe‹ bedroht jene Mannequins, die Zahlungen ablehnen. Nach meinen Informationen hat sie vor etwa einer Stunde ein Mannequin ermordet. Ich fürchte, es muß ihr zu Ohren gekommen sein, daß sich besagte junge Dame hilfesuchend an meine bescheidene Wenigkeit wenden wollte.«
»Soll das heißen, daß Sie mich für diese komische ›Schwarze Hexe‹ halten?« Stage sah den Butler entgeistert an und lachte anschließend lauthals. Darüber vergaß der Gangsterboß für einige Sekunden sogar seine schmerzenden Finger.
»Mir ist immerhin bekannt, Mister Stage, daß Sie sich unter anderem mit üblen Erpressungen beschäftigen.«
»Die müssen Sie mir aber erst mal beweisen«, gab Stage wütend zurück.
»Dazu wird es eines Tages mit Sicherheit kommen.«
»Reden Sie doch keinen Unsinn, Parker! Mit Mannequins habe ich mich noch niemals befaßt. Kleine Fische für mich. Was sollte bei diesen Typen schon für mich herausspringen. Nee, nee, suchen Sie die ›Schwarze Hexe‹ wo Sie wollen, ich habe mit dieser komischen Nudel nicht die Bohne zu tun.«
»Sie sind vollkommen sicher?«
»Klar... Und jetzt verschwinden Sie, Parker, sonst werde ich ungemütlich! Äh, ich meine, ich habe ... Mißverstehen Sie mich nicht! Ich meinte ja nur ...«
Stage hatte gemerkt, daß er zu sehr aufgedreht hatte. Er war etwas verlegen geworden und dachte an die Trickkiste, die dem Butler zur Verfügung stand. Stage hatte keine Lust, sich weiteren Ärger zuzuziehen.
»Eine letzte Frage, Mister Stage: Ist Ihnen eine Miß Sue Bornson bekannt?«
»Nie von gehört! Wer soll denn das sein?«
»Es handelt sich um jene Tote, die ich im Fotoatelier ›Modern Arts‹ vorfand, wenn mich nicht alles täuscht.«
»Sie werden es nicht schaffen, mir einen Mord in die Schuhe zu schieben«, entrüstete sich Stage, »Sie sind auf dem falschen Dampfer, Parker! Wieso soll ausgerechnet ich... ich meine, hier in der Stadt gibt’s ja noch andere Leute, die sich mit Erpressungen beschäftigen, oder?«
»Sagt Ihnen der Name Joel Crane etwas?«
»Joel? Natürlich ... Äh, ich meine ... Also der hat früher mal für mich gearbeitet, bis ich ihn feuerte. Der Bursche faulenzte herum und ging mir auf die Nerven. Was ist mit Joel?«
»Er hielt sich ausgerechnet zu der Zeit im Fotoatelier auf, als ich die Tote fand.«
»Wie bitte? Joel soll... Ausgeschlossen! Sie wollen mich nur bluffen, aber darauf fall ich nicht rein, Parker.«
Es war Stage gelungen, den Knopf seiner privaten Alarmanlage zu drücken, der sich unter dem Schreibtisch befand. Hingegen war es ihm entgangen, daß Parker die Bewegung des Knies durchaus mitbekommen hatte.
Der Butler, geschult im Umgang mit Gangsterbossen aller Art, wußte also Bescheid. Und er konnte sich ausrechnen, wann diese alarmierte Verstärkung eintreffen mußte.
»Ich möchte nicht länger stören«, verabschiedete er sich also und lüftete höflich grüßend seine schwarze Melone, »ich wünsche auch Ihnen noch einen recht erholsamen Abend. Sollten Ihre Finger leichte Lädierungen davongetragen haben, so empfehle ich in solchen Fällen stets essigsaure Tonerde. Sie werden überrascht sein, wie lindernd solche Umschläge sein können.«
Parker verließ das Privatbüro und ging hinüber zur Treppe. Dabei passierte er die beiden Schläger, die im Vorzimmer saßen und wie Schloßhunde heulten.
Sie achteten nicht weiter auf ihn.
Unten auf der Treppe erschien inzwischen die Verstärkung. Es handelte sich um Rausschmeißertypen, die massiert auftraten. Es waren handfeste Männer, die die Treppe hinaufstürmten, um ihrem Boß zu Hilfe zu kommen.
Parker, an Auseinandersetzungen niemals interessiert, trat diskret hinter die Tür und ließ die vier herankeuchenden Männer passieren. Sie jagten an ihm vorbei und stürmten das Privatbüro.
Josuah Parker verließ fast würdevoll und gemessen sein Versteck, schloß die dicke, wattierte Tür hinter der Verstärkung und begab sich zur Treppe, die er hinunterschritt. Dabei versprühte er den Rest jenes Gleitmittels, das er bereits so erfolgreich auf der Treppe des Fotoateliers angewandt hatte.
Als er die Tür zur Garderobe erreicht hatte, erschienen oben auf der Treppe die vier Männer, die Jagd auf ihn machen wollten. Sie hatten es ungemein eilig, weil sie von lautstarken und wirklich unschönen Redensarten ihres Bosses angetrieben wurden.
Die vier Männer waren schneller unten in der Garderoben, als sie es sich gewünscht hatten. Während ihrer Flüge durch die Luft – sie rutschten prompt auf dem Gleitmittel aus – zeigten sie dem interessiert zuschauenden Butler einige Kunstflugfiguren, die fast weltmeisterschaftsreif zu nennen waren. Die anschließenden Bauchlandungen hingegen entsprachen der üblichen und bereits bekannten Norm.
Benommen und angestaucht blieben die vier Männer knapp vor der Garderobe liegen.
Parker spendierte der angejahrten Garderobenfrau eine Banknote und deutete auf die vier Männer.
»Verwahren Sie sie gut«, sagte er dann höflich, »ich bin sicher, daß man sie früher oder später hier an der Garderobe wieder abholen wird!«
*
»Sie hören, auch mir ist diese ›Schwarze Hexe‹ bereits über den Weg gelaufen«, sagte Mike Rander eine halbe Stunde später in seinem Studio zu Parker, »zwar nur akustisch, aber die Stimme reichte mir. Was wird nun eigentlich gespielt? Seit wann beschäftigen Sie sich mit dieser Hexe, Parker?«
»Erst seit heute, Sir.«
»Einzelheiten, wenn ich bitten darf!« Rander griff nach dem gefüllten Glas, das sein Butler gerade servierte, und lehnte sich dann erwartungsvoll in seinem Arbeitssessel zurück.
»Genau um 18.46 Uhr wurde ich von einer gewissen Sue Bornson angerufen«, berichtete Parker. »Miß Bornson stellte sich als Mannequin vor und bat um meine bescheidene Hilfe.«
»Wie kam sie ausgerechnet auf Sie, Parker?«
»Ich fürchte, Sir, daß ich bereits über eine gewisse Reklame verfüge, die ich so gar nicht schätze. Miß Bornson ließ sich über dieses Thema zudem nicht aus, möglicherweise, weil ich sie danach nicht fragte.«
»Diese Sue hatte also Schwierigkeiten?«
»In der Tat, Sir! Sie erzählte mir in Stichworten von besagter ›Schwarzer Hexe‹, von der sie und ihre Kolleginnen erpreßt wird.«
»Wie spielt sich das ab?«
»Eine Reihe prominenter Mannequins ist teils telefonisch, teils brieflich aufgefordert worden, pro Monat gewisse Dollarbeträge zu zahlen. Falls die Damen darauf nicht eingingen, erlitten sie Verkehrsunfälle und mußten gewisse Verdienstausfälle in Kauf nehmen.«
»Verdienstausfälle?«
»Die betreffenden jungen Damen verbrachten mehr oder weniger längere Fristen in Krankenhäusern und waren so nicht in der Lage, ihrem Beruf nachzugehen.«
»Nicht zu glauben. Haben Sie bereits so etwas wie eine Statistik darüber zusammengestellt?«
»Damit werde ich erst morgen dienen können, Sir, da die Ereignisse meine bescheidene Wenigkeit quasi überrollten.«
»Schön, erzählen Sie weiter! Miß Sue Bornson war also ein Mannequin, das auspackte.«
»Auspackten wollte, Sir ... Bevor sie in der Lage war, Details zu nennen, wurde sie ja leider getötet.«
»Sie wollten sich mit ihr im Atelier ›Modern Arts‹ treffen?«
»Gewiß, Sir. Leider kam ich zu spät. Die ›Schwarze Hexe‹ war schneller.«
»Glauben Sie an diese Hexe?« Rander lächelte ironisch-nachdenklich.
»Ich möchte betonen, Sir, daß Miß Sue von besagter Hexe am Telefon sprach. Demnach dürfte die Erpresserin unter diesem Namen arbeiten.«
»Haben Sie eine Ahnung, auf welche Art und Weise die Erpressungsgelder gezahlt werden?«
»Dies entzieht sich zur Zeit noch meiner Kenntnis, Sir, ich muß sehr bedauern.«
»Was halten Sie von Stage? Wieso gerieten Sie an ihn?«
Parker setzte es ihm auseinander.
»Warum kaufen wir uns nicht diesen Joel Crane?« fragte Mike Rander unternehmungslustig, »Sie haben doch herausgefunden, daß er zu dieser Blondine in den Bungalow gegangen ist?«
»Darf ich Ihrem Vorschlag entnehmen, Sir, daß Sie an diesem Fall interessiert sind?«
»Ich wollte ja eigentlich nicht mehr mitmachen«, gab Mike Rander zurück, »aber Prinzipien sind dazu da, über Bord geworfen zu werden. Und dann diese ›Schwarze Hexe‹! Glauben Sie, die ließe ich mir entgehen? Nee, Parker, selbst wenn Sie wollten, mich werden Sie nicht los!«
»Ich möchte meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, Sir, daß Sie ...«
»Tun Sie das später, Parker! Beeilen wir uns, damit wir diesen Joel Crane erwischen. Wäre doch verdammt unangenehm, wenn die ›Schwarze Hexe‹ schneller wäre als wir.«
Die beiden Männer verließen nach zehn Minuten die Dachgartenwohnung und begaben sich damit auf den Kriegspfad.
*
Joel Crane sah Mike Rander und Josuah Parker aus großen, irgendwie fragenden Augen an, aber er reagierte auf seine beiden Besucher leider nicht mehr.
Möglicherweise hätte er dies gern getan, doch er war dazu nicht mehr in der Lage. Ein glatter Herzschuß hinderte ihn daran. Und dieser Schuß mußte vor etwa einer halben Stunde auf ihn abgefeuert worden sein, wie Butler Parker festgestellt hatte.
»So etwas hatte ich schon fast vermutet«, meinte der Anwalt, »die ›Schwarze Hexe‹ scheint schneller gewesen zu sein.«
»Falls sie für diesen Mord in Betracht kommt, Sir.«
»Lassen wir uns überraschen, Parker. Aber vergessen wir nicht, die Polizei zu informieren. Ich möchte mit Lieutenant Madford nicht schon wieder Ärger bekommen.«
»Ließe es sich einrichten, Sir, Lieutenant Madford noch ein wenig warten zu lassen?«
»Warum? Was haben Sie vor?«
»Ich möchte vorher jene Blondine sprechen, die Mister Crane Gastrecht gewährte. «
»Na schön Parker, inzwischen können wir uns ja etwas umsehen. Sagten Sie nicht, Crane habe eine Reisetasche mit sich herumgeschleppt? Nirgendwo zu sehen.«
»Dies fiel mir bereits auf, Sir. Vielleicht hat sie der Mörder an sich genommen.«
Bevor Mike Rander darauf antworten konnte, war draußen vor dem Bungalow das Knirschen und feine Quietschen einer Autobremse zu hören. Wenig später waren schnelle Schritte zu vernehmen, die sich der Tür näherten. Sekunden später betrat die Blondine arg- und ahnungslos den Wohnraum, stutzte, als sie die beiden Besucher sah und zog dann ein ängstliches Gesicht.
»Miß Urgent?« fragte Rander, der sich anhand einiger Papier in der Wohnung orientiert hatte.
Die Blondine, recht üppig und bereits etwas aus der Form, vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt, nickte und sah irritiert zu Parker hinüber.
»Wo ist Joel?« fragte sie, »hat er sie reingelassen?«
»Dazu war er leider nicht mehr in der Lage!«
»Was soll das heißen?« Sie starrte den Butler an, der zu seinen Worten die schwarze Melone abgenommen hatte.
»Ich fürchte, Mister Joel Crane ist ermordet worden«, antwortete Parker.
»Ermordet?« Mary Urgent schluckte, ging mit schleppenden, staksigen Schritten tiefer in den Wohnraum hinein und bleib dann regungslos vor Joel Crane stehen, der hinter einer einfachen Couch auf dem Boden lag.
»Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?« fragte Parker mit leiser Stimme.
Sie schüttelte den Kopf, zündete sich eine Zigarette an und setzte sich dann in einen Sessel. Tief inhalierte sie den Rauch. Dann wandte sie sich Rander und Parker zu.
»Wer hat das getan?« fragte sie mit fast ruhiger Stimme.
»Der oder die Mörder sind uns leider unbekannt«, sagte Rander und breitete bedauernd die Hände aus. »Haben Sie eine Ahnung, wer es getan haben könnte?«
»Vielleicht die Mitarbeiter eines gewissen Hale Stage?« fügte der Butler hinzu.
»Hale Stage? Warum sollte er es getan haben? Joel hat doch für ihn gearbeitet.«
»Aber warum verließ Ihr Bekannter seine Hotelwohnung und logierte sich bei Ihnen ein?«
»Joel hatte Angst... Er hat nicht darüber gesprochen, aber er hatte Angst.« Sie stand auf und wanderte vor der Couch auf und ab. »Joel muß irgend etwas gesehen oder mitbekommen haben. Er sagte mir, er sei da auf eine ganz tolle Sache gestoßen, und aus dieser Sache wollte er Geld machen.«
»Drückte er sich genauso aus?«
»Genauso! Er sagte, er würde sich ’ne goldene Nase verdienen, wenn er nur etwas auf Draht sei.« Mary Urgent schluchzte plötzlich. Jetzt erst ging ihr auf, daß Joel Crane nicht mehr lebte. Rander und Parker ließen sie einen Moment in Ruhe und warteten schweigend, bis sie sich wieder etwas erholt hatte.
»Wer... Wer sind Sie!« wollte sie dann wissen. Josuah Parker stellte seinen jungen Herrn und sich vor. Und er verschwieg keineswegs, daß sie diesen Mord aufzuklären gedachten.
»Vielleicht können Sie Mister Rander und meiner bescheidenen Wenigkeit helfen«, meinte Parker, »Hat Mister Crane in irgendeinem Zusammenhang den Namen ›Schwarze Hexe‹ erwähnt?«
Mary Urgent hob den Kopf und starrte den Butler an.
»Joel hat etwas von einer raffinierten Hexe gesagt«, erwiderte sie und hob nichtverstehend die Schultern, »was er damit gemeint hatte, weiß ich nicht. Er sprach von einer raffinierten Hexe.«
Rander und Parker sahen sich kurz und schweigend an.
»Wenden wir uns noch einmal Mister Hale Stage zu«, redete der Butler dann weiter, »ist Ihnen bekannt, Miß Urgent, ob Mister Stage, Kontakte zu Mannequins unterhält? Hat Mister Crane möglicherweise mit Damen dieses Berufes zu tun gehabt?«
»Mannequins?!« Mary Urgent nickte. »Wissen Sie denn nicht, daß Stage ein Werbeatelier gekauft hat? Vor knapp einem Jahr?«
»Er beschäftigt demnach Mannequins?«
»Klar! Aber er selbst nicht. Das Werbeatelier wird von Melvin Haskee geleitet. Ein Schwein, wenn Sie mich fragen!«
»Und warum, wenn man sich höflichst erkundigen darf?«
»Fragen Sie doch Haskee selbst! Ich verbrenne mir nicht die Zunge ...«
»Wäre es möglich, daß Ihr Bekannter und Freund Joel für diesen Haskee gearbeitet hat?«
»Joel arbeitete für ihn als Aufnahmeleiter. Und ich früher mal als Mannequin. So lernten wir uns kennen. Wenn ich einem einen Mord zutraue, dann diesem Haskee.«
»Warum hätte er Joel Crane ermorden sollen?, Hätte er Gründe dafür gehabt?«
»Ich weiß es nicht.« Sie senkte den Kopf und weinte wieder. Mike Rander sah ein, daß weitere Fragen im Augenblick sinnlos waren. Er ging zum Telefon und verständigte die Mordabteilung.
*
Das heißt, Mike Rander hatte die Absicht, diesen Telefonanruf hinter sich zu bringen. Leider traten genau in dem Augenblick, als er die Sammelnummer wählen wollte, gewisse Umstände ein, die ihn daran hinderten.
Diese Umstände zeigten sich in der Gestalt von zwei Männern, die schallgedämpfte Waffen mit sich herumtrugen und sie auch freigiebig zeigten.
Der Schläger mit den heimtückischen Augen und der Eiszeitmensch bauten sich vor Rander und Parker auf. Hinter ihnen erschien Hale Stage, der gereizt und grimmig aussah.
»Wie klein ist doch die Welt«, stellte der Butler fest, »je später der Abend, desto interessanter die Gäste ...«
»Bring sie raus in den Wagen«, befahl Stage seinen beiden Mitarbeitern. Rander und Parker mußten sich zur Wand umdrehen und wurden nach Waffen durchsucht, eine Arbeit, die wenig hervorbrachte. Mike Rander verlor seinen 38er, Josuah Parker einige Kugelschreiber, für die sich die beiden Schläger besonders interessierten. Auf den Universal-Regenschirm achteten sie nicht weiter, was sie später noch bereuen sollten.