Читать книгу Butler Parker 132 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 3

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Butler Parker befand sich im Stadium leichter Unruhe, doch er ließ sich das natürlich nicht anmerken.

Er stand in einem Beobachtungsbunker der Armee und versuchte den Gefechtslärm zu ignorieren, der seit knapp einer Stunde seine Ohren beleidigte. Durch einen schmalen Sehschlitz sah er hinunter auf das weite Manöverfeld, wo Krieg gespielt wurde. Dinge dieser Art hatten ihn noch nie interessiert.

Auf dem Kampffeld kurvten gepanzerte, mobile Einheiten der Armee, Mannschaften saßen auf und dann wieder ab, Hubschrauber quirlten die Luft, Tiefflieger warfen Rauchbomben ab, und Panzerwagen pflügten den Boden. Es wurde eine Unmenge von Platzpatronen verschossen, und die Herren im Beobachtungsbunker freuten sich offensichtlich. Im Gegensatz zu Josuah Parker schien ihnen dieses Spektakel sehr zu gefallen.

Eine illustre Gesellschaft hatte sich versammelt. Es gab Uniformierte und Zivilisten, die sich sach- und fachkundig unverständliche Chiffren und Bemerkungen zuriefen. Die Armee hatte hohe Herren des Ministeriums eingeladen und wollte sich von anderen, die zur Industrie gehörten, neue Entwicklungen vorführen lassen.

Das alles aber hatte die leichte Unruhe in Parker nicht ausgelöst Seine sich steigernde Nervosität hing mit der Tatsache zusammen, daß Lady Agatha Simpson diesen Bunker vor einer halben Stunde verlassen hatte. Ein Mann wie Parker nahm so etwas nicht auf die leichte Schulter. Ihm war die Unternehmungslust seiner Herrin nur zu bekannt. Und er wußte, wie sehr sie sich für technische Dinge interessierte.

»Gleich ist es soweit«, sagte General Cummings, ein kleiner, drahtiger Mann von etwa fünfundfünfzig Jahren. Er hatte sich zu seinen Gästen umgewandt und strahlte. »Sie werden die Uraufführung einer echten Sensation erleben. Ashford, geben Sie die Stichworte!«

Was Ashford prompt tat, denn er war nur Oberst und hatte zu gehorchen. Ashford war etwa vierzig Jahre alt, groß, schlank und erinnerte in seinem Aussehen an einen James-Bond-Darsteller.

»Die Armee wird Ihnen, meine Herren, den XAR III im Einsatz zeigen«, begann Ashford militärisch knapp. »Im internen Sprachgebrauch wurde dieses neue Panzermodell ›Meteor‹ getauft. Es zeichnet sich durch eine niedrige Silhouette aus, ist schneller als vergleichbare und bisher bekannte Panzermodelle und verfügt über einen Aktionsradius, der etwa um zwanzig Prozent über dem bisher üblichen liegt. Seine Feuerkraft ist schon fast bestürzend und übersteigt alle uns bekannten Normen. Hindernisse dürften für den ›Meteor‹ kaum existieren, obwohl er fast fünfzig Tonnen schwer ist. Der ›Meteor‹ kommt mit drei Mann Besatzung aus. Was heute getestet werden soll, ist natürlich der neu entwickelte Motor, der eine echte Sensation darstellt.«

Oberst Ashford verbeugte sich und sah in die Richtung eines seriös aussehenden Mannes, der eine Brille trug und Autorität ausstrahlte.

»Wir werden Ihnen unseren neuen Abgasturboauflader unter härtesten Bedingungen zeigen«, begann Lorne Shuffle, »Einzelheiten dieser Konstruktion sind selbstverständlich streng geheim, dennoch einige pauschale Angaben, damit Sie eine ungefähre Vorstellung haben. Das Trockengewicht dieser Neuentwicklung beträgt rund 2 400 Kilogramm, die Brennstoffe sind Diesel, Otto-Kraftstoff, Düsentreibstoffe und ...«

... wenn es sein muß, sogar Olivenöl«, schaltete sich ein mittelgroßer, ein wenig dicklich aussehender Mann ein, der über eine beachtliche Glatze verfügte. »Wir haben es mit einem sogenannten Allesfresser zu tun. Im Fall eines Falles lassen sich auch Haarwasser, Rasierwasser und Whisky als Treibstoff verwenden, vom letzteren Treibstoff würde ich allerdings abraten.«

Die im Beobachtungsbunker versammelten Militärs und Zivilisten lachten gedämpft.

»Mister Finnegan, mein Chefkonstrukteur«, stellte Lorne Shuffle sicherheitshalber noch mal vor. Lorne Shuffle war der Chef der Firmengruppe, die den Panzer, vor allen Dingen aber diesen neuen Motor entwickelt hatte.

»Ich übertreibe keineswegs«, versicherte der humorige Peter Finnegan. »Die genannten Stoffe werden von unserem Turbomotor ohne weiteres verkraftet, was mit dem neuartigen Vorkammerverfahren zusammenhängt. Nebenbei gesagt, es handelt sich um einen 40-Liter-Motor, Viertakt-Diesel.«

Butler Parker hörte nur mit halben Ohr zu, denn seine Unruhe verstärkte sich von Minute zu Minute. Er vermißte immer noch Lady Agatha.

»Sir, darf ich mir erlauben, eine Frage zu stellen?« Parker hatte sich an General Cummings gewandt, der ihn streng und auch ein wenig herablassend anschaute. Ein General und ein Butler, nun, das paßte seiner Ansicht nach nicht recht zusammen.

»Fragen Sie«, knurrte Cummings.

»Darf ich mich nach Lady Simpson erkundigen?«

»Lady Simpson ist ins Fahrzeugdepot gebracht worden«, erwiderte Oberst Ashford, die vollendete James-Bond-Kopie. »Die Lady möchte zu gern mal mit einem Panzer fahren, das heißt natürlich, sie möchte mitgenommen werden.«

»Sie sehen mich bestürzt, Sir«, erwiderte Parker.

»Wieso, Mann, glauben Sie, daß die Dame das gesundheitlich nicht schafft?« fragte Oberst Ashford.

»Genau das Gegenteil, Sir, dürfte der Fall sein«, antwortete der Butler und fürchtete Schreckliches.

*

»Sehr eigenwillige Schlachtordnung«, konstatierte General Cummings bereits wenig später und schüttelte irritiert den Kopf. »Sagen Sie, Ashford, war das so geplant?«

»Nicht direkt, Sir«, gab die James-Bond-Kopie zurück und zeigte sich nicht weniger irritiert. »Der XAR III sollte eigentlich erst später erscheinen.«

»Die Besatzung da unten im Prototyp scheint besoffen zu sein«, vermutete General Cummings. Seine Feststellung war zwar hart, aber sie entsprach durchaus dem, was man sah. Der neue Panzertyp kurvte auf die Manöverformation der regulären Panzerwagen zu und schien sie unbedingt rammen zu wollen. Er entwickelte dabei eine Schnelligkeit, die beachtenswert war.

»An Tempo nicht zu überbieten«, freute sich Manager Lorne Shuffle und nickte seinem Chefkonstrukteur anerkennend zu.

»Auch die Kurventechnik ist hinreißend«, sagte Peter Finnegan, der sich geschmeichelt fühlende Konstrukteur. »Der Fahrer ist Sonderklasse, würde ich sagen.«

Die beiden Zivilisten und ihre Begleiter waren an einer Schlachtordnung nicht interessiert. Sie wollten nur sehen, wie schnell und handlich der neue Panzerwagen war.

Die im Beobachtungsbunker versammelten Militärs hingegen bewerteten das anders. Der mühevoll und bis ins Detail ausgearbeitete Manöverplan war bereits völlig in Unordnung geraten. Die Fahrer der übrigen Panzer schienen in Panik geraten zu sein und versuchten, den Rammangriffen des Prototyps zu entgehen.

Josuah Parker enthielt sich jeder Stellungnahme.

Ihm kam eine schreckliche Vermutung. Er kannte den verwegenen Fahrstil der Lady. Was der neue Panzer da unten zeigte, entsprach ihrem Temperament. Darüber hinaus aber schien Agatha Simpson ein wenig die Kontrolle über das Kettenfahrzeug verloren zu haben. Dem Prototyp war es gerade gelungen, einen regulären Panzerwagen seitlich voll zu rammen.

Der Vorgänger der Neuentwicklung blieb dabei auf der Strecke. Auch der Motor schien einiges abgekriegt zu haben. Eine dunkle Rauchwolke wallte hoch, die den Panzer einnebelte. Wenig später hüpften und sprangen vier Männer, die offensichtlich in dem rauchenden Ungetüm gesessen hatten, aus dem Qualm hervor und verschwanden in nahen Löchern.

»Wer führt denn da Privatkrieg?« brauste General Cummings auf. Er blitzte Oberst Ashford an, der sich, wie es sich gehörte, prompt schuldig fühlte.

»Ich werde das sofort feststellen lassen«, versprach die James-Bond-Kopie und eilte in den hinteren Raum des Bunkers, um dem Funker spezielle Befehle zu erteilen.

Der neue Panzer rollte inzwischen weiter.

Er walzte eine Baumgruppe nieder, verschwand in einem Bachbett, arbeitete sich wieder heraus und ließ dabei seine Kuppel ununterbrochen rotieren.

Parker beobachtete das mit einigem Mißtrauen, denn ihm entging keineswegs, daß die Kanone, gesteuert von einer feinnervigen Elektronik, immer genau auf den Bunker zielte, in dem auch er sich befand.

»Sir, eine Meldung«, rief Oberst Ashford inzwischen. »Die Besatzung im Prototyp antwortet nicht.«

»Ich werde sie vor ein Kriegsgericht stellen lassen«, brüllte General Cummings, dem im Moment keine bessere Antwort einfiel. »Das ist glatte Sabotage!«

»Gleich wird das Scharfschießen beginnen«, sorgte sich Oberst Ashford. Er lenkte seinen Vorgesetzten ab.

»Sie werden sich wundern, wie präzise die Zielelektronik ist«, versprach Lorne Shuffle, der Chef der Firmengruppe, die den Wunderpanzer gebaut hatte. »Beachten Sie bitte das Ziel, meine Herren: Das Objekt ist der alte Panzer dort drüben vor der Geländekuppe.«

»Schon der erste Schuß wird ein Volltreffer sein«, fügte Chefkonstrukteur Peter Finnegan hinzu und strahlte im voraus.

Parker hingegen strahlte nicht.

Es war schließlich nicht zu übersehen, daß die Kanone nach wie vor auf den Beobachtungsbunker gerichtet war.

Und dann war es soweit!

Der erste Schuß verließ das Rohr, röhrte heran und ... landete rechts von den Beobachtungsschlitzen des Panzers auf dem harten Stahlbeton.

Der Bunker vibrierte nicht nur, er schaukelte und dröhnte. Die gelernten Militärs warfen sich flach auf den staubigen Boden, während die Zivilisten irritiert waren.

Josuah Parker schob sich in eine Ecke des Bunkers und schickte insgeheim ein kleines Stoßgebet zum Himmel. Seiner Vermutung nach war mit weiteren Schüssen zu rechnen. Und er irrte sich nicht! Der neue Wunderpanzer feuerte Schuß auf Schuß auf den Bunker und schien ihn einebnen zu wollen.

»Welche Idioten sitzen denn da in dem Kasten?« donnerte General Cummings während einer kurzen Feuerpause. Parker wußte es inzwischen mit letzter Sicherheit, doch er sagte nichts. Er war ein diskreter Mensch.

*

»Sie sehen sehr erfrischt aus«, meinte Kathy Porter. »Sie hatten einen anregenden Morgen, Mylady?«

»Sehr, Kindchen.« Die ältere Dame, groß, stattlich, seit Jahren sechzig Jahre alt, nickte erfreut. Sie trug ihr obligates, ausgebeultes Tweed-Kostüm und ausgetretene Schuhe, die an Landungsboote der Armee erinnerten. Lady Agatha Simpson, mit dem Blut- und Geldadel Englands eng verschwistert und verschwägert, war Witwe seit vielen Jahren, immens reich und Amateur-Detektivin aus Leidenschaft.

Kathy Porter war eine schlanke, junge Dame, die auf den ersten Blick wie ein scheues, ängstliches Reh wirkte. Sie arbeitete für Lady Agatha als Sekretärin und Gesellschafterin und paßte darüber hinaus im Verein mit Butler Parker darauf auf, daß die aktive Dame sich nicht von einem nervenden Abenteuer ins andere stürzte.

Kathy Porter war Meisterin in der Kunst der Verwandlung und erfahren in allen gängigen Arten westlicher und fernöstlicher Selbstverteidigung. Sie wurde von Lady Simpson wie eine Tochter gehalten und sah in ihr so etwas wie eine Ersatzmutter. Die beiden Frauen sprachen darüber selbstverständlich nicht.

»Gab es einen Unfall?« fragte Kathy und musterte den Butler. Er trug seinen schwarzen Zweireiher, die schwarze Melone und Eckkragen mit schwarzem Binder. An seinem angewinkelten Unterarm hing der Universal-Regenschirm, von dem gewisse Gangster sich wahre Wunderdinge erzählten. Parker besaß ein glattes, höfliches und zeitloses Gesicht. Er war die Würde in Person, der eigentlich nie die Selbstkontrolle verlor.

Dieser sonst stets so korrekt aussehende Mann war über und über mit feinem grauen Staub bedeckt. Und in seinen Augen nistete noch immer so etwas wie Besorgnis.

»Nur ein kleiner Zwischenfall«, erwiderte Josuah Parker. »Mylady testeten ein neues Panzermodell.«

»Reiner Zufall, daß ich in dieses Ding eingestiegen bin«, schaltete die resolute Dame sich ein. »Aber es hat sich gelohnt.«

»Mylady testeten darüber hinaus eine neue Zielelektronik«, zählte Josuah Parker weiter auf.

»Mit Ladeautomatik«, präzisierte Lady Agatha.

»Mylady waren so freundlich, die Statik eines Betonbeobachtungsbunkers zu erproben«, sagte Parker. »Erwähnte Statik bestand diesen Test nur unvollkommen.«

»Du lieber Himmel!« Kathy Porter ahnte, was sich draußen auf dem Manövergelände ereignet haben mußte. Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln.

»Mylady nahmen den Bunker unter Dauerbeschuß, um ihn schließlich noch zu rammen.« Parker schaute an sich hinunter. »Die Flucht der Insassen des Beobachtungsbunkers verlief geschlossen, äußerst schnell und geriet später in eine gewisse Unordnung.«

»Die Steuerautomatik dieses neuen Panzers muß noch geändert werden«, stellte Agatha Simpson fest. »Das habe ich Chefkonstrukteur Finnegan sehr deutlich gesagt.«

»Mister Peter Finnegan wurde erst nach längerer Suche in einem alten Einmannloch aufgespürt«, berichtete Parker gemessen. »Er war dort zusammen mit Sir Lorne Shuffle in volle Deckung gegangen.«

»Und wie reagierten die Militärs?« wollte Kathy Porter wissen.

»Hysterisch, Kindchen, hysterisch«, warf die Detektivin verächtlich ein. »Sie kennen doch die Männer!«

»General Cummings leidet wahrscheinlich zur Zeit noch unter einem Nervenzusammenbruch«, vermutete Butler Parker. »Oberst Ashford beabsichtigt, seinen Dienst zu quittieren.«

»Diese Männer haben keine Nerven«, grollte die ältere Dame.

»Und wo waren Sie, Mister Parker?« erkundigte sich Kathy Porter und sah den Butler lächelnd an.

»Meine bescheidene Person hatte das Glück, einen noch fahrbereiten Jeep zu finden«, schloß Parker seinen Bericht. »Unter Mitnahme weiterer Zivilisten und Militärs konnte der Fluchtversuch glücklich beendet werden.«

*

Am Abend dieses denkwürdigen Tages hatte Josuah Parker einen altehrwürdigen Pub aufgesucht, was wirklich nur selten geschah. Die Ereignisse auf dem Manöverfeld wirkten noch in ihm nach, und er brauchte etwas Ablenkung.

Parker hatte sich ein starkes, dunkles Stout geben lassen und entspannte sich. Er war froh, daß die Dinge noch so relativ glimpflich verlaufen waren. Wegen der Kosten, die auf Lady Simpson zukamen, machte er sich keine Gedanken, zumal die Firmengruppe, die Motor und Panzer neu entwickelt hatten, sich zu einem guten Teil in Myladys Verwaltung und Hand befanden.

Josuah Parker genoß also sein Bier und bemerkte, daß er seit einiger Zeit von einem Mann beobachtet wurde, der ebenfalls Butler zu sein schien, wie die Kleidung verriet. Parker fühlte, daß dieser Mann nur nach einer Gelegenheit suchte, um mit ihm ins Gespräch zu kommen. Aus Langeweile wollte dieser Mann sich gewiß nicht mit ihm unterhalten. Er mußte etwas auf dem Herzen haben.

Im Pub, in dem Parker hin und wieder sein Bier trank, verkehrten in der Regel fast nur hochherrschaftliche Angestellte. Man war hier unter sich, tauschte Tips aus, besprach Möglichkeiten neuer Arbeitsstellen und erging sich in mildem Spott über die Herrschaften, für die man arbeitete. Hier konnten sich Seelen öffnen, die sonst vielleicht unter Druck standen.

»Ich... Ich habe Sie hier noch nie gesehen«, eröffnete der Mann unvermittelt die Unterhaltung. Mit dem Glas in der Hand, war er auf Parker zugekommen und lächelte neutral.

»Meine Freizeit ist leider knapp bemessen«, erwiderte Josuah Parker.

»Ich höre, Sie arbeiten für Lady Simpson?«

»In der Tat«, lautete die reservierte Antwort des Butlers. Es war ihm sofort klar, daß dieser Mann kein echter Butler war. Fragen dieser Art, derart direkt gestellt, gehörten sich nicht. Parker spürte weiter, daß dieser Mann nur den Butler spielte. Und er schien dafür einen besonderen Grund zu haben.

»Zufrieden mit dem Job?« Diese Frage war ein weiterer Fehler. Ein echter Butler ging keinem Job nach, er diente aus Berufung und Neigung.

»Man sollte nie unnötig klagen«, entgegnete Parker würdevoll. »Manchmal möchte man sich natürlich verbessern, doch das dürfte eine Frage der Mittel sein.«

»Ich habe es in ein paar Jahren geschafft«, sagte der Gesprächspartner, der ein vorzügliches Englisch sprach, wie der Butler längst festgestellt hatte. Es war so vorzüglich, daß es fast aus einer Sprachretorte stammte. Engländer konnte der Mann wohl nicht sein.

Dies unterstrich auch seine Vertraulichkeit, die er an den Abend legte.

Ein wirklicher Inselbewohner hätte sich einem Unbekannten nie derart intim offenbart und von seinen privaten Dingen und Verhältnissen gesprochen. So etwas tat man einfach nicht.

»Ich werde irgendwo ein kleines Hotel übernehmen«, redete der Unbekannte inzwischen munter weiter. »Dann lasse ich andere für mich arbeiten, verstehen Sie?«

»Eine interessante Vorstellung, von der ich nur zu träumen wage«, gab Josuah Parker zurück. Nun stand es mit letzter Sicherheit fest: Dieser Mann wollte etwas von ihm. Irgendwann würde er mit einem Angebot herausrücken und die sprichwörtliche Katze aus dem Sack lassen.

Parker kam zu dem Entschluß, seine Abneigung zu überwinden und auf das Spiel einzugehen. Wahrscheinlich plante man etwas gegen Lady Agatha. In solch einem Zusammenhang war es immer wichtig, die Absichten etwaiger Gegner kennenzulernen.

Parker ließ sich zu einem Stout einladen und dann zu einem weiteren. Er opferte sich wieder mal für eine Dame, die nur zu gern gefährlich lebte.

*

Als Parker erwachte, hatte er einen pelzigen Geschmack im Mund. Sein Kopf schmerzte. Er entdeckte, daß er auf einem dicken Fell lag, was ihn verständlicherweise stutzig machte. Er richtete sich auf und nahm zur Kenntnis, daß das Eisbärenfell vor einem offenen Kamin ausgelegt war.

Sekunden später genierte der Butler sich ein wenig.

Er trug nur seine diskret gestreifte Unterhose, die fast bis zu den Knien reichte. Sonst fehlte jede Bekleidung. Er konnte sich nicht erinnern, wie es zu dieser Situation gekommen war. Er stützte sich mit der linken Hand auf, drehte sich zur Seite und stutzte erneut. Neben ihm auf dem Eisbärenfell lag eine Frau, die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Sie war fast entkleidet, seiner Schätzung nach etwa vierzig Jahre alt und sah noch recht ansehnlich aus.

Butler Parker räusperte sich diskret, doch sie reagierte nicht darauf. Sie hätte es auch gar nicht mehr gekonnt, denn sie war verblichen, wie Parker es umschrieben hätte. Im Schein des flackernden Kaminfeuers entdeckte Parker einige deutliche Würgemale, darüber hinaus aber auch ein blutbeflecktes Messer, das wohl jene Stichwunde verursacht hatte, die unterhalb der linken Brust der Dame deutlich zu sehen war.

Parker stand auf, fühlte sich noch schlechter und suchte erst mal nach seinen Kleidungsstücken. Er taumelte etwas, als er auf den Sessel zuging, über dessen Lehne sie lagen und hatte Mühe, auf das Geräusch zu reagieren, das plötzlich zu hören war.

»Mensch, was haben Sie denn angerichtet?« fragte eine Stimme entsetzt. »Mann, Parker, sind Sie wahnsinnig? Wie konnten Sie das nur tun?«

Der Butler hatte sich umgewandt und sah den Mann, mit dem er einige Gläser Stout getrunken hatte. Er kam mit schnellen Schritten auf den Kamin zu, beugte sich über die Entseelte und richtete sich dann auf. Er schüttelte immer nur den Kopf und war nicht fähig, jetzt etwas zu sagen.

»Sie sehen mich überrascht«, sagte Parker, während er sich ankleidete und zusah, wie sein Gastgeber sich mit zitternden Händen eine Zigarette anzündete.

»Überrascht? Mann, das ist Mord! Das wird Sie für den Rest des Lebens ins Zuchthaus bringen.«

»Eine unerfreuliche Vorstellung«, antwortete Josuah Parker.

»Das ist stark untertrieben, Parker. Warum nur haben Sie sie umgebracht?«

»Wer ist die Dame, wenn man fragen darf?«

»Unsere Hausbesorgerin. Können Sie sich denn nicht mehr erinnern? Sie haben sie umgebracht.«

»Das erwähnten Sie bereits«, sagte der Butler. »Die Tatsachen reden leider eine nur zu deutliche Sprache.«

»Die arme Rose Floyden«, trauerte der Mann. »Das hat sie bestimmt nicht erwartet, als Sie mit ihr hierher in die Bibliothek gingen, Parker.«

»Davon sollte man wohl ausgehen. Wie war doch noch Ihr Name? Ich bitte zu entschuldigen, daß ich unter einer momentanen Gedächtnislücke zu leiden scheine.«

»Wie ich heiße? Mensch, Parker, ich bin doch Rodney, Rodney Bottning. Können Sie sich tatsächlich nicht mehr erinnern?«

»Und wo befinde ich mich?«

»In Sir Richard Bromleys Haus. Was machen wir jetzt? Wir müssen die Polizei verständigen, das ist doch klar, oder?«

»Wo befindet sich Sir Richard?« fragte Parker und warf einen schnellen, aber auch scheuen Blick auf die Tote vor dem Kamin.

»Der macht Urlaub«, erwiderte der Mann, der sich als Rodney Bottning vorgestellt hatte. »Parker, Sie werden doch hoffentlich nicht auf den Gedanken kommen, etwa mich ...?«

Während der Butler des Hauses Bromley noch redete, wich er vorsichtig in Richtung Tür zurück.

»Ich bin kein Doppelmörder«, antwortete Josuah Parker.

»Vielleicht gibt’s einen Weg, die Sache hier unter den Teppich zu kehren«, sagte Rodney Bottning.

»Wie darf ich Ihre Anmerkung interpretieren?« fragte Butler Parker.

»Na ja, von dieser Geschichte wissen nur Sie und ich«, sprach Rodney Bottning weiter. »Und dazu sind wir Kollegen, verstehen Sie?«

»Momentan bin ich nicht in der Lage, einen einigermaßen klaren Gedanken zu fassen«, gestand der Butler.

»Von mir haben Sie nichts zu befürchten, Mister Parker. Ich meine … Sollte man nicht ... Also, wenn wir Mistreß Floyden ...«

»Ich sollte mich zu meiner schrecklichen Tat bekennen.« Parker streckte sich und schaute hinüber zum Telefon. »Ja, das sollte ich. Ich habe schließlich einen Menschen umgebracht, wenn ich die Dinge richtig beurteile.«

Parker ging zum Wandtisch und griff zum Telefonhörer. Plötzlich aber tauchte sein Berufskollege Rodney Bottning neben ihm auf und drückte den Hörer zurück auf die Gabel. Dazu schüttelte er den Kopf.

»Tun Sie’s nicht«, sagte er eindringlich. »Ein Leben lang in einem Zuchthaus. Sie können sich das wahrscheinlich überhaupt nicht vorstellen.«

»Und was schlagen Sie vor, Mister Bottning?«

»Wir schaffen die Leiche, äh, ich meine, ich werde die Tote aus dem Haus schaffen.«

»Wobei ich Ihnen behilflich sein könnte.«

»Ausgeschlossen, Mister Parker! Sie fahren sofort zurück nach Hause. Verstehen Sie, Ihr Alibi muß fugendicht sein.«

»Und wohin gedenken Sie die Bedauernswerte zu bringen?« erkundigte Parker sich interessiert.

»Ich setze sie irgendwo ab. Mir wird schon was einfallen. Wir haben da draußen im Park einen verschlammten Teich. Ersparen Sie mir die Einzelheiten, aber ich schaffe das schon.«

»Warum, Mister Bottning, wollen Sie das für mich tun?«

»Berufssolidarität, Mister Parker. Und ich fühle mich halt auch ein wenig schuldig, ich habe Sie schließlich in diese verrückte Situation gebracht. Also, sind Sie einverstanden?«

»Ich werde tief in Ihrer Schuld stehen, Mister Bottning.«

»Dafür helfen Sie mir mal aus der Patsche, einverstanden? Aber jetzt sollten Sie gehen. Benutzen Sie möglichst den Bus und die Untergrundbahn. Ich erkläre Ihnen, wie Sie zurück in die City kommen.«

Butler Parker ließ sich aus dem Raum drängen und stand nach wie vor unter einem Schock. Dennoch sorgte er für den korrekten Sitz seiner schwarzen Melone und legte sich den Bambusgriff seines Universal-Regenschirms über den angewinkelten linken Unterarm. Dann schritt er hinaus in den Morgen, der sich gerade erst ankündigte.

*

»Da sind Sie ja endlich«, begrüßte Lady Agatha Simpson ihren Butler.

Sie sah ihn vorwurfsvoll an und erhob sich aus dem tiefen Ledersessel des Salons. Sie trug einen bis zu den Knöcheln reichenden Morgenmantel, der sich durch Solidität und Wetterfestigkeit auszeichnete. Mit diesem Kleidungsstück hätte die ältere Dame sich ohne weiteres in die Arktis trauen können, dem Wetter hätte sie damit durchaus getrotzt.

»Mylady warteten auf meine bescheidene Wenigkeit?« Parker legte Melone und Regenschirm ab. »Mylady haben Wünsche? Darf ich einen Tee servieren?«

»Ich habe bereits etwas für meinen Kreislauf getan«, sagte sie abwehrend. »Kathy Porter ist noch nicht nach Hause gekommen. Können Sie das verstehen?«

»Miß Porter übernachtet möglicherweise bei einer Freundin, Mylady.«

»Dann hätte sie angerufen und mich unterrichtet, Mister Parker. Ich will Ihnen sagen, was passiert ist.«

»Mylady erregen meine bescheidene Neugier.«

»Dem Kind ist etwas passiert, Mister Parker.«

»Mylady sollten sich nicht unnötig sorgen«, gab der Butler zurück. »Miß Porter ist eine junge Dame, die nicht so leicht zu verblüffen sein dürfte.«

»Wo haben Sie denn gesteckt, Mister Parker? Ich will ja nicht neugierig sein, aber so lange sind Sie nur selten ausgeblieben.«

»Ich erlaube mir, gerade von einem Tatort zu kommen«, erwiderte Josuah Parker steif und gemessen.

»Tatort? Das klingt gut. Was ist passiert?«

»Es handelt sich um einen Mord, Mylady.«

»Und davon erfahre ich erst jetzt? Ein neuer Fall?« Myladys Augen funkelten. »Wer ist ermordet worden?«

»Eine gewisse Rose Floyden, Mylady, die Hausdame eines Sir Richard Bromley.«

»Bromley, Bromley?« Lady Agatha schüttelte den Kopf. »Mir nicht bekannt. Und wer hat sie warum umgebracht?«

»Die Tatmotive, Mylady, sind mir nicht bekannt«, entgegnete Josuah Parker, »der Täter hingegen bin ich!«

»Ach so ...« Agatha Simpson hatte diese Selbstbezichtigung eindeutig noch nicht ganz verkraftet. Dann jedoch, mit erheblicher zeitlicher Verschiebung, nahm sie ruckartig den Kopf hoch und starrte den Butler an. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«

»Die Begleitumstände, Mylady, reden eine ungemein deutliche Sprache«, ergänzte Parker. »Ich erwachte neben erwähnter Leiche, die Würgemale am Hals und eine erhebliche Stichwunde aufwies, wie ich mich aus einiger Nähe überzeugen konnte.«

»Sie wollen eine Frau umgebracht haben?« Agatha Simpson schnappte betont nach Luft. »Einen Kreislaufbeschleuniger, Mister Parker, ich fühle mich sehr elend.«

Josuah Parker versorgte seine Herrin mit einem Kognak.

»Es interessiert mich nicht, warum Sie es getan haben«, sagte Lady Agatha nach der Stärkung, »aber wir werden selbstverständlich die besten Anwälte nehmen. Weiß die Polizei schon Bescheid? Natürlich nicht, sonst wären Sie ja wohl bereits verhaftet worden.«

»Mister Rodney Bottning will die erwähnte Leiche verschwinden lassen, Mylady«, berichtete Parker weiter. »Mister Rodney Bottning wird den Behörden gegenüber schweigen.«

»Wer ist dieser Rodney Bottning, zum Teufel? Wo hat sich das alles abgespielt? Ich möchte endlich Einzelheiten wissen, Mister Parker. Nehmen Sie sich auch einen Kognak, dann redet es sich besser.«

Parker verzichtete auf den Alkohol, berichtete aber in allen Einzelheiten von den Dingen, die ihm widerfuhren.

»Da stimmt doch einiges nicht«, lautete der Kommentar der Detektivin, als Parker geendet hatte. »Da ist doch etwas oberfaul, Mister Parker.«

»Ich möchte mich erkühnen, Mylady beizupflichten«, antwortete der Butler gemessen. »Ich möchte außerdem hinzufügen, daß die Dame auf dem Eisbärenfell vor dem Kamin keineswegs ermordet wurde. Sie dürfte sich meines Erachtens bester Gesundheit erfreuen.«

»Der Mord wurde nur vorgetäuscht?«

»So könnte man es auch ausdrücken, Mylady.«

»Und warum dieses Theater?«

»Man wird sich meiner bescheidenen Dienste versichern wollen und in naher Zukunft erpressen, Mylady«, antwortete Butler Parker. »Bei dieser Gelegenheit könnte man dann auch mehr über die Absichten in Erfahrung bringen.«

*

Sie machte einen völlig verkaterten Eindruck.

Kathy Porter kam eine Stunde nach Parkers Heimkehr zurück in Myladys Haus, das an einem kleinen Platz im Stadtteil Shepherd’s Market stand. Hier gab es noch altehrwürdige Fachwerkhäuser, die inmitten der hektischen Millionenstadt London eine Oase der Stille und Harmonie bildeten.

»Haben Sie etwa auch einen Mord begangen?« fragte Lady Agatha ihre Gesellschafterin.

»Einen Mord?« Kathy Porter verstand nicht recht.

»Mehr darüber später«, sagte die Hausherrin. »Ich sehe es Ihnen an der Nasenspitze an, Kindchen, daß auch Sie ein tolles Erlebnis hinter sich haben, oder?«

»Ich weiß noch immer nicht, wie das alles passieren konnte.« Kathy strich sich über die Stirn.

»Könnten Tee oder Kaffee helfen?« erkundigte Parker sich höflich.

»Wenn schon, Mister Parker, dann bitte einen sehr starken Kaffee«, bat Kathy Porter. Sie ließ sich in einem Ledersessel nieder und lehnte sich zurück. Parker war hinüber zur Anrichte gegangen, und servierte Kathy Porter den gewünschten Kaffee, den sie schluckweise trank.

»Nun kommen Sie endlich zur Sache«, mahnte Lady Agatha ungeduldig. »Was ist passiert, Kindchen? Ich wette, man hat auch Sie in eine Falle gelockt, wie?«

»Woher wissen Sie das?« Kathy Porter wunderte sich.

»Ich habe eben Phantasie«, lobte die ältere Dame sich.

»Sie erwachten irgendwo aus einer Betäubung und können sich selbst jetzt noch nicht erklären, wie Sie in eine gewisse Situation gerieten, Miß Porter?« Parker stand steif und würdevoll vor der Anrichte.

»Genau, Mister Parker, genau so ist es gewesen!« Kathy nickte vorsichtig und griff an ihre Schläfen. »Ich soll, ich geniere mich fast, es zu sagen, ich soll einen Mann bestohlen haben, der mich mit in seine Wohnung genommen hat.«

»Das hört sich gut an, Kindchen.« Agatha Simpson freute sich. »Und was hatten Sie angeblich gestohlen? Und von wem wurden Sie erwischt?«

»Ich weiß überhaupt nicht, wie ich anfangen soll.«

»Erzählen Sie der Reihe nach, Kindchen!«

»Ich war in einem Warenhaus und wollte mir ein paar Kleider ansehen«, berichtete Kathy Porter. »Ich ging hinauf in die Snack-Bar und trank eine Tasse Kaffee. Dabei passierte einem Gast ein Mißgeschick. Er schüttete mir seinen Drink übers Kleid, entschuldigte sich und bot mir Schadenersatz an. Wir kamen ins Gespräch, tranken zusammen Kaffee – und dann wurde mir übel. Er brachte mich runter zum Parkplatz und wollte mich nach Hause bringen.«

»Und da haben Sie nicht Lunte gerochen?« wunderte sich Lady Agatha.

»Das schon, Mylady.« Kathy Porter nickte. »In meinem Unterbewußtsein warnte mich etwas, aber ich kam dagegen einfach nicht an. Im Wagen dieses Mannes muß ich dann eingeschlafen sein. Als ich wieder zu mir kam, lag ich in einem Bett.«

»Wahrscheinlich ziemlich nackt, Kindchen, oder?«

»Eigentlich völlig, Mylady.« Kathy Porter senkte den Kopf und errötete sanft. »Ich wußte nicht, wo ich war. Ich zog mich an und wollte das Haus so schnell wie möglich wieder verlassen, doch dann war da plötzlich ein Mann, der mich aufhielt und meine Handtasche durchsuchte.«

»Ist das nicht wunderbar, Mister Parker?« Mylady sah ihren Butler zufrieden an.

»In meiner Handtasche hatte ich eine schwere Golduhr, Bargeld, ein paar fremde Kreditkarten, Brillantringe und einige goldene Armbanduhren.«

»Die Sie angeblich gestohlen hatten.« Mylady machte einen angeregten Eindruck.

»Das sagte man mir auf den Kopf zu, Mylady. Ich sollte diesen Diebstahl zugeben und schriftlich bestätigen.«

»Sahen Sie den Mann, den Sie angeblich bestohlen haben?«

»Nein, der schlief noch, Mister Parker. Ich hatte nur mit seinem Butler zu tun.«

»Wissen Sie zufällig, wie er hieß?«

»Er nannte sich Perkins, Mister Parker.«

»Und der Bestohlene?«

»Das muß ein Mister Derek Beils sein, Mister Parker, aber wie gesagt, ich habe ihn überhaupt nicht zu Gesicht bekommen. Die schriftliche Bestätigung verlangte der Butler von mir.«

»Also ein Schuldeingeständnis«, stellte Mylady fest. »Sehr schön, Kindchen. Das ist ein herrlicher Morgen.«

»Sie unterschrieben, Miß Porter?« wollte Parker wissen.

»Allerdings, Mister Parker.« Kathy Porter war inzwischen wieder voll bei der Sache. »Diese ganze haarsträubende Geschichte kam mir nämlich verdächtig vor. Ich weiß, daß ich nicht stehle. Und ich weiß auch, daß ich ganz sicher nicht freiwillig mit diesem Mann weggefahren bin. Ich möchte schwören, daß man mich unter Drogen gesetzt hat.«

»Bestimmt, Kindchen.« Mylady war wie elektrisiert. »Man hat Ihnen eine Falle gestellt, um Sie später zu erpressen.«

»Das dachte ich mir auch, Mylady. Darum habe ich das Schuldeingeständnis auch unterschrieben. Ich habe natürlich geweint und meine Unschuld beteuert, aber dann doch unterschrieben. Ich möchte nämlich herausbekommen, warum man mir diese Falle gestellt hat. Richtig, ich habe vergessen zu sagen, daß man nur dann die Polizei nicht verständigen würde, wenn ich das Schriftstück unterzeichne.«

»Was sagen Sie jetzt, Mister Parker?« Mylady wandte sich an ihren Butler. »Hat sie sich nicht wunderbar verhalten?«

»Bemerkenswert geistesgegenwärtig«, urteilte Butler Parker. »Nach Lage der Dinge und nach meiner bescheidenen Einschätzung dürfte es sich um Vorbereitungen handeln, die das Ziel verfolgen, Mylady, wenn auch auf Umwegen, zu Handlungen zu bringen, die man nur als ungesetzlich bezeichnen kann.«

»Wie war das?« Die ältere Dame schluckte, denn Parker hatte sich wieder mal sehr barock ausgedrückt. »Übersetzen Sie das mal bei Gelegenheit, Mister Parker. Ich möchte nämlich wissen, was Sie da gerade sagen wollten.«

*

»Ich habe gute Nachrichten für Sie«, sagte Rodney Bottning zwei Tage später. Er hatte Butler Parker im Pub erwartet, wohin er ihn per Telefon bestellt hatte.

»An gute Nachrichten vermag ich kaum zu glauben«, antwortete der Butler.

»Setzen Sie sich erst mal! Warten Sie, ich werde uns ein Bier holen.« Der angebliche Butler nahmes Bottning ging zum Tresen und kam bald darauf mit zwei Gläsern Bier zurück. Die Männer hatten eine kleine Nische für sich allein und konnten sich ungestört unterhalten.

»Ich habe Rose Floyden zu ihren Eltern nach Südfrankreich geschickt«, meinte Bottning, nachdem er einen Schluck genommen hatte.

»Rose Floyden?« Parker schien nicht zu wissen, von wem sein Gegenüber sprach.

»Na, Sie wissen doch, die Hausdame Sir Richards«, meinte Bottning und zwinkerte Parker zu. »Wenn Rose dort nicht ankommt, dann ist das nicht unsere Sache, verstehen Sie?«

»Sie haben die besagte Dame ...?«

»Die findet kein Mensch mehr«, behauptete Bottning. »Sie sind aus dem Schneider, Parker.«

»Vielleicht materiell gesehen«, antwortete Parker. »Aber Sie ahnen ja nicht, wie es in meinem Innern aussieht, wenn ich es so banal ausdrücken darf. Ich kann kaum sagen, wie dankbar ich Ihnen bin.«

»Ich habe Ihnen das Zuchthaus erspart«, erklärte Bottning.

»Das sehe ich in aller Klarheit.«

»Eine Hand wäscht eben die andere.«

»Darf und muß ich daraus schließen, daß ich mich Ihnen in irgendeiner Weise erkenntlich zeigen kann?«

»Vielleicht, Mister Parker. Sie wissen, daß ich mich selbständig machen will. Ich hatte Ihnen ja davon erzählt.«

»Sie beschäftigen sich mit der Übernahme eines kleinen Hotels?«

»Eben – und dazu gehört ’ne Menge Geld.«

»Eine treffende Feststellung, Mister Bottning.«

»Je schneller man’s hat, desto schneller kann man zulangen.«

»Eine weise Bemerkung.«

»Ich wüßte, wie man ganz schnell an das große Geld kommt.«

»Sie machen mich ein wenig neugierig, Mister Bottning.«

»Sie arbeiten doch für Lady Simpson, nicht wahr?«

»Eine anstrengende Tätigkeit, wenn ich es so andeuten darf.«

»Diese Frau ist doch steinreich, oder?«

»In der Tat, Mister Bottning.«

»Ihr gehören doch auch die ›Motor-Enterprises‹, nicht wahr?«

»Mylady besitzt die Aktienmajorität, wenn ich richtig orientiert bin, Mister Bottning.«

»Sie gehören ihr.« Bottning wußte es. »Diese Firmengruppe hat einen neuen Panzermotor entwickelt, wie in den Zeitungen stand.«

»Ein sogenannter ›Allesfresser‹, wie man ihn nennt.« Parker nickte und wußte jetzt Bescheid. »Mylady interessiert sich gerade für diese Entwicklung. Sie hält sich sehr häufig in dem betreffenden Werk auf, wie ich versichern darf.«

»Für diesen Motor würde man zweihundertfünfzigtausend Pfund zahlen.« Bottning lehnte sich zurück und lächelte überlegen.

»Würden Sie die Güte haben, diese Summe noch mal zu nennen?«

»Zweihundertfünfzigtausend Pfund, Parker.«

»Für die Pläne?«

»Nein, für den kompletten Motor.«

»Die Pläne würden nicht reichen?«

»Nein.« Bottning schüttelte den Kopf. »Es geht gewissen Leuten um die Metallegierungen, verstehen Sie? Die müssen analysiert werden, aber dazu braucht man eben den Motor.«

»Den man nicht gerade in einer Einkaufstasche transportieren kann, wenn ich das ein wenig scherzhaft so sagen darf, Mister Bottning.«

»Der Transport ist kein Problem, das eigentliche Problem liegt woanders. Der neue Panzer müßte samt dem neuen ›Allesfresser‹, wie Sie sagen, an die richtige Stelle geschafft werden.«

»Sollte ich annehmen, daß Sie dabei an mich denken, Mister Bottning?«

»Nicht direkt, Mister Parker.«

»Zu solch einer Handlungsweise würde ich mich niemals hinreißen lassen«, erklärte Parker steif. »In meinen Augen wäre das Landesverrat!«

»Verrat an einem Land, das Sie ins Zuchthaus steckt, wenn gewisse Dinge bekannt werden. Haben Sie daran schon mal gedacht?«

»Wie soll ein einfacher Butler, wie meine bescheidene Wenigkeit, an den Motor herankommen, Mister Bottning? Da sehe ich leider keine Möglichkeit.«

»Wie das zu machen ist, werde ich Ihnen schon noch rechtzeitig sagen.«

»Sie scheinen davon auszugehen, daß ich mitspielen werde, Mister Bottning.«

»Sie haben überhaupt keine andere Möglichkeit, Parker. Denken Sie ans Zuchthaus!«

»Nun ja, Mylady betätigt sich gern als Testfahrerin«, räumte Parker ein.

»Genau das ist es. Sie haben bereits begriffen, Parker. Sie werden Mylady bei solch einer Testfahrt begleiten und dafür sorgen, daß sie, sagen wir mal, für ein paar Stunden außer Gefecht gesetzt wird. Alles Weitere übernehmen meine Interessenten.«

»Sie sind kein Butler, wie ich inzwischen richtig vermute.«

»Stimmt.« Bottning lächelte unergründlich.

»Sie haben den Mord provoziert, um mich erpressen zu können?«

»Natürlich, anders war nicht an Sie heranzukommen. Aber mißverstehen wir uns nicht, diese tote Rosy Floyden gibt es tatsächlich! Und die taucht auf, wenn wir es für richtig halten! Daß Sie dann reif sind, ist Ihnen hoffentlich klar!«

»Sie haben dafür gesorgt, daß sämtliche Indizien gegen meine Person sprechen werden?«

»Sämtliche.« Bottning nickte.

»Daher vermisse ich auch einige persönliche Gegenstände.«

»Bei der Toten würde man Dinge finden, die die Spur schnell auf Sie lenkt.«

»Sie sind also demnach der Vertreter einer ausländischen Macht?«

»Wenn Sie weiterhin so schnell schalten, Parker, werden wir gut zusammenarbeiten. Übrigens, ich habe vergessen, Ihnen noch etwas zu sagen: Sie werden an diesem Geschäft natürlich verdienen.«

»Ein Lichtblick, wenn ich so sagen darf.«

»Fünfzigtausend Pfund, eingezahlt auf ein Schweizer Bankkonto. Sie können sich also zur Ruhe setzen, sobald das Geschäft gelaufen ist.«

Butler Parker 132 – Kriminalroman

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