Читать книгу Butler Parker Box 10 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 9

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Steven Crane war so etwas wie Privatsekretär und Quartiermacher und im Lauf der Zeit hart genug geworden, sich jeder Lage gewachsen zu fühlen. Engster Mitarbeiter von Big Boß Hartley zu sein, nun, das bedeutete schon etwas. Dazu gehörten Intelligenz, Härte, schnelle Reaktionsfähigkeit und eine dicke Haut. Dazu gehörte aber auch, sich niemals aus der Fassung bringen zu lassen.

Doch an diesem späten Nachmittag erlebte er eine Überraschung, von der er sich eigentlich nie wieder richtig erholte.

Steven Crane saß in seinem Mustang und rollte über den Highway in Richtung Las Vegas. Er kam aus Los Angeles und hatte es eilig. Seine Durchschnittsgeschwindigkeit betrug etwa 150 Stundenkilometer, was schließlich bedeutete, daß er hin und wieder wesentlich schärfer aufzudrehen hatte. Crane fuhr in seiner Eigenschaft als Privatsekretär und Quartiermacher. Es galt, eine interne Konferenz vorzubereiten, die Big Boß Hartley veranlaßt hatte.

Crane war nicht allein in dem sportlichen Wagen. Auf dem Beifahrersitz saß eine langbeinige Blondine mit einem relativ ausdruckslosen Puppengesicht. Crane hatte sich diese Gespielin mitgenommen, um nicht so allein zu sein. Sie hoffte übrigens, in einem der vielen Spielsaloons von Las Vegas eine Anstellung zu bekommen. Crane hatte sich dafür freundlicherweise stark gemacht.

Cranes Überraschung hing aber keineswegs mit dieser Blondine zusammen. Sie entwickelte sich aus einem kleinen schwarzen Punkt, der weit hinter ihm auf der breiten, sonst leeren Straße plötzlich zu sehen war.

Crane entdeckte ihn eigentlich zufällig im Rückspiegel seines Mustangs und dachte sich zuerst nichts dabei. Dann jedoch, als dieser Punkt von Sekunde zu Sekunde größer wurde, erwachte sein Interesse.

„Scheint ein schneller Schlitten zu sein“, sagte er zu der Blondine, die zuerst nicht begriff, sich dann aber umdrehte und nach dem näher kommenden Wagen Ausschau hielt, der inzwischen recht gut zu erkennen war.

„Der holt aber auf“, sagte sie mit etwas schriller Stimme, „können wir nicht schneller …?“

„Natürlich können wir“, gab Crane lächelnd zurück. Schließlich wußte er, welche Pferdestärken unter der langen Motorhaube staken, „lassen wir den Wagen aber erst mal ’rankommen.“

Er beobachtete den sich nähernden Wagen im Rückspiegel und wurde in diesen Minuten zu einem großen Jungen, der seine Kräfte messen will. Er verlangsamte sogar absichtlich das Tempo, um sich mit dem Verfolger besser auseinanderzusetzen.

Die langbeinige Blondine sah nur noch nach hinten.

„Nein, so was …!“ meinte sie plötzlich gedehnt und lachte ungläubig, „sehen Sie sich mal diesen ulkigen Wagen an …!“

Crane brauchte sich nicht umzuwenden, denn der bewußte, ulkige Schlitten überholte gerade.

Cranes Unterkiefer fiel leicht herunter. Sein Gesicht nahm den Ausdruck maßloser Verblüffung an. Solch einen Wagen hatte er bisher noch nie gesehen.

Das überholende Gefährt war hochbeinig wie eine alte Kutsche. Es rollte auf Reifen, die an die von mittelgroßen Lastwagen erinnerten. Der Wagenaufbau war kastenförmig, eckig. Und er schien seine besten Jahre längst hinter sich zu haben. Es gab Trittbretter wie bei kleinen Lieferwagen und einen Ersatzreifen, der in einer Mulde rechts vom Motor stand.

Für Bruchteile von Sekunden konnte Crane den Fahrer sehen.

Crane zwinkerte ungläubig mit den Augen. Auch der Fahrer war alles andere als gewöhnlich.

Ein vollkommen schwarz gekleideter Mann saß stocksteif am Steuer. Er trug eine schwarze Melone, einen Eckkragen und eine dunkle Krawatte. Zusammen mit seinem Wagen schien dieser Mann einem Museum für Verkehrskunde entsprungen zu sein.

„Wie ein richtiger Butler“, hauchte die Blondine andächtig, die sich an einen englischen Gesellschaftsfilm erinnerte, in dem ein Butler mitgespielt hatte.

„Und verdammt flott“, sagte Crane und schüttelte verwirrt den Kopf, „ich möchte bloß wissen, woher er die Schnelligkeit nimmt …!“

Inzwischen hatte das hochbeinige Monstrum sich vor den Mustang gesetzt und fraß die breite Straße förmlich in sich hinein. Crane gab seinem Mustang die Sporen und versuchte aufzuholen. Er warf einen schnellen Blick auf den Drehzahlmesser und wunderte sich, wie hoch die Nadel kletterte.

„Der ist aber schnell“, kommentierte die Blondine, „können wir den nicht einholen …?“

„Natürlich können wir“, antwortete Crane. Um seinen Mund bildete sich ein etwas verbissener Zug, „werden wir gleich haben!“

Er gab noch mehr Gas und machte sich zum Überholen bereit. Er spürte, wie der Motor des Mustangs willig das Gas annahm und beschleunigte.

Doch aus dem Überholen wurde nichts.

Das hochbeinige Monstrum fuhr unbeeindruckt weiter, wurde schneller, ließ es sich aber kaum anmerken. Der kastenförmige Aufbau lag satt und fest auf dem Chassis und schluckte die steigende Geschwindigkeit.

„Der wird ja immer schneller“, sagte die Blondine und beugte sich vor.

„Na, und …?“ gab Crane gereizt zurück, „wir jetzt auch!“

Nun wollte der Privatsekretär und Quartiermacher des Big Boß Hartley es wissen. Er trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch und duckte sich dabei unbewußt ab. Er und seine Begleiterin wurden förmlich in die Rücklehnen gepreßt, soviel hatte der Mustang noch an Kraft zuzusetzen.

Das hochbeinige Monstrum nahm dieses gesteigerte Tempo gelassen hin.

Es wurde schneller und ließ in Crane erst gar nicht den Gedanken aufkommen, jetzt überholen zu können. Crane schielte nach dem Tachometer. Er schluckte trocken, denn die Nadel pendelte um 190 Stundenkilometer.

Der Mustang, keineswegs ein schlechter Wagen, wurde etwas schwammig in den Federn und ließ sich nicht mehr so gelassen steuern wie eben noch. Er tänzelte nervös und zeigte damit ah, daß er keineswegs ein reiner, hochklassiger Sportwagen war.

„Jetzt aber!“ stieß die Blondine aus, „jetzt schaffen wir ihn!“

Sie konnte recht behalten.

Das hochbeinige Monstrum schien etwas müde zu werden. Aus dem dicken Auspuff quollen leicht dunkle Wolken.

„Er wird sauer“, stellte Crane zufrieden fest, „mußte dieser Trottel auch den Motor überziehen?“

Crane scherte nach links aus. Nun wollte er das hochbeinige Monstrum endgültig packen. Er merkte nichts von den kleinen Schweißperlen auf seiner Stirn. Das Steuern des tänzelnden Mustangs nahm ihn mehr mit, als er dachte.

In diesem Moment passierte es.

Das Monstrum tat plötzlich einen wahren Panthersatz nach vorn, wurde schneller und schien erst jetzt wach zu werden. Aus dem mächtigen Auspuff drangen dunkle Rauchwolken.

Crane traute seinen Augen nicht. Er hechelte unwillkürlich vor Aufregung. Die langbeinige Blondine keuchte und glaubte an einen bösen Traum.

Das hochbeinige Monstrum auf seinen Lastwagenrädern hatte sich in eine Art

Düsenjäger auf Rädern verwandelt. Innerhalb weniger Sekunden schmolzen die Ausmaße dieses seltsamen Wagens zu einem Medizinball zusammen, der blitzschnell zu einem dunklen Punkt am Horizont wurde. Dann war der Wagen in der sirrenden Hitze des Nachmittags verschwunden.

Crane war entnervt.

Er bremste den Mustang ab, fuhr an den Straßenrand und starrte in dumpfer Trauer auf die jetzt leere Straße. Er wußte nicht, ob er nur geträumt hatte. Ihm erging es dabei wie seiner blonden Beifahrerin, die unentwegt und monoton den Kopf schüttelte.

*

Josuah Parker hatte die Vorgänge um und in dem überholten Mustang überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Er hatte nach seiner Auffassung völlig normal einen Wagen überholt und war dann schnell weitergefahren. Da sein junger Herr nicht neben ihm saß, brauchte er sich hinsichtlich der Schnelligkeit und seines Fahrstils keine Beschränkungen aufzuerlegen. Ihm ging es darum, in vertretbarer Schnelligkeit nach Las Vegas zu kommen, wo Mike Rander auf ihn wartete. Sein junger Herr beriet dort den Besitzer einiger Motels, der sein Eigentum an eine Firmengruppe verkaufen wollte. Mike Rander war mit einer kleinen Reisemaschine vorausgeflogen. In Las Vegas wollte er in Parkers Monstrum übersteigen. Die Fahrt — so war es geplant — sollte dann hinauf nach Nordosten gehen.

Irgendwelche Kriminalfälle standen nicht zur Debatte. Sie zeichneten sich auch keineswegs ab. Parker hatte das Gefühl, daß auf diesem Gebiet sich so etwas wie eine Flaute abzeichnete. Was ihm natürlich auf keinen Fall paßte. Er haßte Untätigkeit auf diesem speziellen Gebiet, war ihm doch stets klar und bewußt, daß die großen und kleinen Gauner und Verbrecher niemals die Hände in den Schoß legten.

Nach etwa einstündiger Fahrt verspürte der Butler das Verlangen nach einer Tasse Tee. Als original englischer Butler bevorzugte er dieses Getränk, obwohl er sich stets immer wieder mit jenem abscheulichen Gebräu auseinanderzusetzen hatte, das die Amerikaner in Verkennung ihrer Sachlage Tee nannten.

Parker bog also von der breiten und schnurgeraden Straße ab und hielt vor einem Schnellimbiß, der ihm vertrauenswürdig vorkam. Würdevoll und gemessen stieg er aus seinem hochbeinigen Monstrum und schritt auf den Eingang zu.

Vorn am Tresen saßen auf hohen Barstühlen Lastwagenfahrer, die sich stärkten. Sie schauten hoch in den Spiegel über dem Gläserschrank und grinsten wie auf ein geheimes Kommando. Solch einen komisch und seltsam aussehenden Mann hatten sie lange oder nie gesehen. Sie ließen ihre Stühle herumwirbeln und starrten den Butler ungeniert an.

Genauso ungeniert wurde Parker auch von den übrigen Gästen beobachtet, die an kleinen, viereckigen Tischen saßen. Es handelte sich um nette Leute, die einen Trip nach Las Vegas unternahmen, um dort Bargeld mit tödlicher Sicherheit loszuwerden.

„Ich erlaube mir, einen guten Tag zu wünschen“, sagte Parker mit vertraut wohlklingender Stimme, lüftete seine schwarze Melone und nahm an einem freien Tisch in der Nähe des Fensters Platz.

Die Gäste des Schnellimbiß wußten nicht, was sie sagen sollten. Daher verzichteten sie darauf, Parkers Gruß zu beantworten. Sie grinsten sich belustigt an und widmeten sich dann wieder ihren Getränken und Abendessen.

„Kochend heißes Wasser, wenn ich höflichst bitten darf“, sagte Parker zu dem Barkeeper, der sich herabgelassen hatte, zu ihm an den Tisch zu kommen, um sich diesen seltsamen Gast einmal aus der Nähe anzusehen. „Ein Kännchen, wie ich hinzufügen möchte …!“

„Is’ das alles …?“ erkundigte sich der Barkeeper.

„In der Tat“, erwiderte der Butler achtunggebietend, „ich werde Ihnen die entstandenen Unkosten selbstverständlich vergüten!“

Parker sah bereits gelangweilt zum Fenster hinaus und schien den verdutzten Barkeeper vergessen zu haben. Anschließend befragte er seine unförmig aussehende Zwiebeluhr, die an einer soliden Nickelkette hing. Er erfuhr, daß er bis zum vereinbarten Zeitpunkt noch drei Stunden Zeit hatte.

Als der immer noch verdutzte Barkeeper mit dem kochenden Wasser erschien, öffnete der Butler eine kleine Schachtel, die er aus einer seiner vielen unergründlichen Taschen hervorgezogen hatte und entnahm ihr einen kleinen Teebeutel.

Beobachtet von allen Gästen, die wie fasziniert zu ihm hinüberstarrten, bereitete Parker sich seinen Tee und genoß ihn anschließend Schluck für Schluck.

Er wußte zu diesem Zeitpunkt keineswegs, daß es bei diesem ungestörten Genuß nicht bleiben würde.

*

Vor dem Schnellimbiß hielt ein Lincoln, aus dem vier durstige Männer fielen.

Sie waren unterwegs, kurz vor dem Schnellimbiß, von Parkers hochbeinigem Monstrum überholt worden und hatten alles versucht, sich an ihn zu hängen. Es war bei diesem Versuch geblieben, und sie hatten sich darüber ausgiebig geärgert.

Jetzt sahen sie den eckigen, altertümlichen Wagen vor sich und blieben andächtig stehen. Es handelte sich um vier mittelgroße, schlanke, durchtrainierte Männer, die wie seriöse Handelsvertreter aussahen.

Wenigstens auf den ersten Blick.

Auf den zweiten, dritten und vierten Blick hin verwandelten sich diese Männer allerdings in handfeste Typen, denen man mit viel Nachdruck wohl einige Manieren beigebracht hatte.

Sie kamen zu dem Schluß, daß es sich um einen mehr als komischen Schlitten handelte und waren versessen darauf, sich mit dem Fahrer zu unterhalten. Darüber vergaßen sie eindeutige Instruktionen, die man ihnen mit auf den Weg gegeben hatte. Darüber vergaßen sie einen gewissen Steven Crane, zu dem sie gehörten und der sie vorausgeschickt hatte.

Sie gingen eilig hinüber zum Schnellimbiß und sahen sich in dem Lokal prüfend um.

Der Barkeeper, der in jungen Jahren in einschlägigen Nachtlokalen gearbeitet hatte, wußte sofort Bescheid. Er sah nur einmal kurz hinüber und erkannte in den vier Männern harte Schläger, Profis, denen man besser aus dem Weg ging.

„Wem gehört der komische Wagen da draußen?“ fragte Freddy, der Wortführer der vier Männer. Er sah sich dabei ironisch in der Runde um, doch in den Augen war ein gefährliches Funkeln, wie es sich für solche Typen gehört.

Bevor Parker überhaupt antworten konnte, deutete der Barkeeper verstohlen in seine Richtung und suchte sich nach einer passenden Deckung um.

Freddy zwinkerte seinen drei Freunden zu und stakste wichtigtuerisch auf den kleinen Fenstertisch zu, an dem der Butler saß und seinen Tee trank.

„Gehört Ihnen der komische Schlitten da draußen?“ fragte Freddy und baute sich breitbeinig vor Parker auf.

„Ich möchte als fast sicher annehmen, daß Sie mit mir zu sprechen wünschen“, sagte Parker gemessen. „Parker mein Name, Josuah Parker …“

„Reden Sie keinen Quatsch! Ich will wissen, ob Ihnen die Mühle da draußen gehört?!“

„Welche Mühle meinen Sie?“

„Diesen eckigen, alten Schrottschlitten … Hören Sie mal, wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“

„Sie überschätzen Ihre Wichtigkeit“, gab der Butler zurück. „Was den dunklen Wagen allerdings angeht, den Sie ja offensichtlich meinen, möchte ich mich entschieden zu ihm bekennen!“

Freddy brauchte ein paar Sekunden, bis er diesen Satz zerlegt und verstanden hatte. Dann pumpte er sich auf.

„Sie haben uns geschnitten“, behauptete er gereizt, „um ein Haar wären wir im Graben gelandet.“

„Sollte dies wirklich der Fall gewesen sein, so bitte ich in aller Form um Entschuldigung“, gab Parker höflich, aber sehr distanziert zurück. Er hatte längst herausgefunden, daß dieser Mann Streit suchte.

„Auf Ihre Entschuldigung pfeife ich“, sagte Freddy und dämpfte seine Stimme gefährlich. Seine Augen nahmen einen lauernden Ausdruck an. Er glaubte zu wissen, wen er da vor sich hatte. Dieser komische Bursche undefinierbaren Alters bedeutete keine Gefahr. An ihm konnte er seinen drei Freunden mal richtig zeigen, wie hart er noch zuschlug.

„Ich möchte Sie an Ihrer musikalischen Unterhaltung keineswegs hindern“, beantwortete Parker den Hinweis des Schlägers.

„Wohl noch frech werden, wie?“

„Dies liegt keineswegs in meiner Absicht“, stellte der Butler richtig, „haben Sie sonst noch Wünsche?“

Statt zu antworten, wollte Freddy nach der schwarzen Krawatte des Butlers greifen und ihn daran vom Stuhl hochziehen. Bruchteile von Sekunden später brüllte er überrascht auf, was keineswegs unverständlich war.

Parker hatte sich erlaubt, den brühheißen Teebeutel auf den Handrücken des Schlägers zu legen.

Freddy schüttelte ihn ab und starrte auf seine schmerzende Hand.

„Das werden Sie mir büßen“, sagte er und trat nach Parker, was an sich bereits mehr als unfein war.

Seine drei Partner hatten sich halbkreisförmig aufgebaut und warteten darauf, daß Parker nach diesem Fußtritt erschüttert wurde. Doch es kam anders.

Parker hatte plötzlich wie durch Zauberei seinen Universal-Regenschirm in der Hand, den er aus dem Wagen mitgenommen hatte. Wie er sich ja nur äußerst selten von ihm trennte, zumal er wußte, wie umfassend er zu gebrauchen war.

Der bleigefüllte Bambusgriff schoß wie eine Viper vor und … legte sich wie ein Lasso um das Fußgelenk des Schlägers. Dann ein kurzer Ruck, und Freddy schlug einen halben Salto. Krachend landete er zwischen auseinanderspritzenden Stühlen.

Der Barkeeper ging halb in Deckung. Die Lastwagenfahrer, die ebenfalls wußten, was die Glocke geschlagen hatte, setzten sich in Richtung Waschraum ab. Die übrigen Touristen drängten sich in einer Ecke des Lokals zusammen und erinnerten an eine Herde verdrängter Schafe.

„No, der ist für mich reserviert“, sagte Freddy verbissen. Er hatte sich erhoben und rieb sich den leicht schmerzenden Hinterkopf, „jetzt kann der Gauner was erleben … Harmlose Menschen anzugreifen. Das haben wir gern …!“

Er schleuderte ein paar hindernde Stühle zur Seite und ballte die Hände zu kräftigen Fäusten. Dann nahm er die Schultern hoch, schnaufte einige Male und griff überraschend an.

Sein Vormarsch wurde allerdings entscheidend gestoppt.

Der bleigefüllte Bambusgriff legte sich auf seine ausgeprägte Stirn. Freddy schielte etwas benommen, seufzte innig und begab sich zu Boden, als hätte er dort plötzlich etwas Wichtiges zu suchen. Dann rutschte er in sich zusammen, zog die Beine an und schlief ein.

Die drei Partner wollten die Ehre ihrer Crew retten.

Nach einer Blitzverständigung durch Blicke rückten sie zum konzentrierten Angriff vor. Der Barkeeper, der die Nase etwas höher genommen hatte, gab dem Butler keine Chance. Die Lastwagenfahrer waren sich klar darüber, daß diesem schwarz gekleideten Mann nun sämtliche Knochen im Leibe gebrochen wurden, und die Touristen rechneten bereits mit einem Mord.

Parker hingegen nicht.

„Einen Moment, meine Herren“, sagte er zu den drei Angreifern, „sie haben etwas vergessen …!?“

Die drei Schläger stoppten und sahen den Butler verdutzt an. So waren sie noch nie angeredet worden.

„Sehen Sie doch bitte einmal hinauf zur Zimmerdecke“, redete der Butler weiter und deutete mit dem bleigefüllten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms nach oben.

Die drei Schläger gehorchten und schauten hinauf zur Zimmerdecke. Sie sahen nichts. Es war verständlich, denn dort gab es wirklich nichts zu sehen, wenn man von einem Spinnennetz einmal absah.

Wenig später hingegen fühlten sie etwas.

Nämlich nacheinander und sehr ausführlich dien Bambusgriff, der sich auf ihre Köpfe senkte. Parker erledigte das mit einer geradezu selbstverständlichen Leichtigkeit.

Die drei Schläger gingen wortlos zu Boden und suchten nun ihrerseits dort nach Gegenständen, die nicht vorhanden waren.

„Die Rechnung, wenn ich bitten darf“, sagte Parker laut und deutlich. Er erhob sich und nickte dem zögernd herankommenden Barkeeper höflich zu.

„Sie … Sie brauchen nichts zu bezahlen“, stotterte der Barkeeper und schielte verstohlen nach dien vier schlafenden Schlägern. „Aber geben Sie …! Hauen Sie ab, bevor die Burschen wieder Zu sich kommen …! Die machen Hackfleisch aus Ihnen …!“

„Nehmen Sie diesen Dollar“, meinte Parker großzügig, „machen Sie sich einen netten Tag, wenn es sich eben einrichten läßt …!“

Er lüftete höflich seine Melone, legte den Griff des Regenschirms über den angewinkelten, linken Unterarm und schritt davon. Er strahlte solch eine Würde und Autorität aus, daß die Lokalgäste für Augenblicke das Luftholen vergaßen.

Parker hatte gerade den Parkplatz erreicht, als ein Mustang vom Highway aus einbog.

Steven Crane war wesentlich friedlicher als die vier Männer, mit denen er sich hier treffen wollte.

„Sagen Sie, was ist bloß mit Ihrem Wagen los?“ fragte er, nachdem er zusammen mit seiner Bekannten ausgestiegen war, „so was Heißes hab’ ich noch nie gesehen.“

„Dieser Wagen wurde, um genau zu sein, nach meinen speziellen Wünschen umgebaut“, erwiderte der Butler höflich, „habe ich übrigens das Vergnügen, Sie zu kennen?“

„Steven Crane“, stellte der Quartiermeister und Privatsekretär sich lächelnd und arglos vor.

„Steven Crane, Sir?“ Parker schien zu überlegen. „Sind Sie möglicherweise mit jenem Mann identisch, der als Privatsekretär eines gewissen Big Boß Hartley fungiert?“

„Stimmt …!“ Crane wurde sofort vorsichtig, „sagt Ihnen der Name Hartley etwas?“

„Aber gewiß doch“, gab der Butler gemessen zurück, „in meinen Augen handelt es sich bei Mr. Hartley um einen der ganz großen Gangsterbosse, die die USA kennen. Oder sollte ich mich irren?“

„Und wer sind Sie?“ fragte Crane, ohne auf diese Frage einzugehen.

„Parker mein Name, Josuah Parker“, stellte der Butler sich vor, „ich darf Ihnen versichern, daß ich mich jetzt auf Las Vegas freue, darf ich doch hoffen, daß unsere Wege sich dort kreuzen werden. Meine Empfehlungen an Mr. Hartley. Weiß er übrigens, daß seine Zeit abgelaufen ist? Sie sollten ihm diesen diskreten Hinweis zukommen lassen, finde ich …!“

„Wieso sollte seine Zeit abgelaufen sein?“ Crane erinnerte sich dumpf, den Namen Josuah Parker schon einmal gehört zu haben. Er wußte im Moment nur nicht, wo er ihn unterbringen sollte.

„Ich bin der sehr subjektiven Meinung, daß Mr. Hartley schon längst hinter Schloß und Riegel sitzen müßte … Aber was noch nicht ist, kann ja sehr schnell werden.“

Parker lüftete seine schwarze Melone und schritt fast feierlich hinüber zu seinem Wägen.

Crane starrte dem Butler nach und knabberte gedankenverloren, an seiner Unterlippe. Normalerweise hätte er sich solch einen Ton bestimmt nicht gefallen, lassen. In diesem Fall aber spürte er instinktiv, daß Vorsicht geboten war. Und zudem grübelte er darüber nach, in welch einem Zusammenhang er den Namen Josuah Parker schon einmal gehört haben könnte.

„Was wollte denn dieser ulkige Kerl?“ fragte die Blondine, die überhaupt nichts verstanden hatte, „eigentlich ein netter Bursche, wie?“

Crane sah die Blondine finster an, wandte sich wütend ab und beeilte sich, in den Schnellimbiß zu kommen. Er wußte nicht, daß er dort auf vier leicht lädierte Mitarbeiter stoßen würde …!

*

„Okay, Parker, Sie haben Crane gesehen und gesprochen … Und Big Boß Hartley hält sich möglicherweise in Las Vegas auf … uns soll das nicht kratzen, um es mal sehr deutlich zu sagen … Heute noch schließe ich für Harris den Kauf ab, dann fahren wir auf dem schnellsten Weg zurück an die Ostküste. Ärger mit Gangstern will ich diesmal nicht haben. Ich hoffe, Sie haben mich genau verstanden.“

„Sehr wohl, Sir …!“ Parkers Gesicht blieb maskenhaft starr.

„Und keine Tricks, Parker …! Provozieren Sie nichts … Aber auch gar nichts! Ich will hier meine Ruhe haben. Für Gangsterbekämpfung gibt es schließlich die einschlägigen Behörden.“

„Sehr wohl, Sir“, lautete Parkers nächste Antwort.

„Und noch einmal, Parker, keine Tricks!“

„Sie können sich fest auf meine Loyalität verlassen, Sir.“

„Hoffentlich …“, seufzte Mike Rander, der seinen Butler schließlich nur zu gut kannte. Er hielt sich mit ihm in seinem Kleinstbungalow des Motels auf und war irgendwie nervös geworden. Parkers diskreter Hinweis auf Gangster hatte den jungen Anwalt alarmiert. Er wußte aus Erfahrung, was das zu bedeuten hatte. Sein Butler war förmlich versessen darauf, Gangster zu bekämpfen. Und leider waren dann gewisse Auseinandersetzungen unvermeidlich.

Rander schüttete sich gerade eine Zigarette aus der Packung, als angeklopft wurde. Parker versorgte seinen jungen Herrn mit Feuer, dann erst schritt er langsam und feierlich hinüber in den kleinen Korridor und öffnete die Tür des Bungalows.

Ein mittelgroßer, etwas vollschlanker Mann von etwa 50 Jahren sah den Butler verblüfft an.

„Hier wohnt doch Mr. Rander, oder?“ fragte er mit nervöser, etwas heiserer Stimme.

„Wen darf ich melden, Sir?“

„Walt Harris“, antwortete der vollschlanke Mann mit dem runden Gesicht und dem schütteren Haar, der einen teuren, grauen Anzug trug, „ich muß unbedingt Anwalt Rander sprechen …!“

„Was ist denn, Harris?“ fragte Rander, der in den kleinen Korridor gekommen war, „herein mit Ihnen … Moment mal, ist was?“

Mike Rander sah Walt Harris prüfend an. Seine Frage war nicht unangebracht. Harris machte einen fahrigen, ängstlichen und nervösen Eindruck. Er ging an Mike Rander vorbei und ließ sich im Salon in einen der Sessel fallen. Dann tupfte er sich mit einem Ziertuch den Schweiß von der Stirn.

„Aus meinem Verkauf wird nichts … Sie müssen alles abblasen … Sagen Sie dem Käufer Bescheid …! Ich weiß, Kendall wird toben und mich unter Druck setzen, aber es hilft alles nichts … Ich kann nicht an ihn verkaufen.“

„Nun mal hübsch der Reihe nach“, sagte Rander und nahm neben Harris Platz, „was ist denn passiert?“

„Darf ich Ihnen einen Drink servieren?“ schaltete Josuah Parker sich höflich ein.

„Scotch … No, lieber ein Glas Milch. Mein Magen spielt nicht mehr mit!“ Walt Harris starrte zu Boden und war einem mittleren Nervenzusammenbruch äußerst nahe.

„Was ist passiert?“ wiederholte Mike Rander seine Frage, während Parker die verlangte Milch besorgte.

„Ich … ich kann nicht an Kendall verkaufen“, antwortete Harris, „fragen Sie mich nicht nach den Gründen …! Ich möchte verkaufen, aber ich kann nicht. Das muß Ihnen genügen, Rander!“

„Das genügt mir aber nicht …! Hat man Sie von irgendeiner Seite aus unter Druck gesetzt?“

„Wenn ich darauf antworten würde, wäre es schon zuviel“, gab Harris zurück, „stellen Sie keine weiteren Fragen, Rander, bitte …! Ich habe keine Lust, irgendwo in der Wüste zu verenden!“

„Ich verstehe kein Wort.“

Butler Parker Box 10 – Kriminalroman

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