Читать книгу Butler Parker Jubiläumsbox 3 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 9

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»Das dort ist sein Grab«, sagte der Angestellte und wischte sich seine groben, verarbeiteten Hände am Overall ab. »Viel ist noch nicht zu sehen. Aber kommen Sie mal in ein paar Wochen vorbei, dann steht die Kuppel. Dann werden Sie Augen machen!«

Parker nickte und wandte sich interessiert um.

Er stand auf dem Friedhof »Schattenhain« in Santa Monica. Ein Park hätte nicht besser gepflegt sein können. Es gab sattgrüne Rasenflächen, Trauerweiden, die eigentlich gar nicht traurig aussahen, Baumgruppen und viele Grabdenkmäler, die sich an pompösem Ausdruck zu übertreffen schienen.

»Wann wurde Mister Glenn Hastings beerdigt?« fragte Josuah Parker den Angestellten.

»Vor vier Wochen«, war die Antwort des biederen Mannes. »War übrigens 'ne miese Beerdigung.«

»Darf ich fragen, wie ich das verstehen soll?«

»Na ja, ich meine man so... Hastings war doch’n bekannter Bursche, oder etwa nicht? Und wer ging mit im Trauerzug? Ganze sechs Leutchen! Da kenn’ ich andere Begräbnisse!«

»War Mister Hastings tatsächlich so bekannt?« fragte Parker höflich.

»Na, hören Sie mal! Das war doch ’n Playboy, wie er im Buch steht. Von dem konnten Sie alle Tage in den Zeitungen lesen. Und dann die vielen Freundinnen, die der gehabt hat. Aber jetzt...!? Na, so enden wir ja alle mal.«

»Eine treffende Bemerkung«, sagte Parker, »und durchaus verständlich, daß Sie enttäuscht gewesen sein müssen. Nur sechs Trauergäste? Das war in der Tat nicht besonders viel.«

»Wo der doch mal die Millionen seines Alten erben sollte«, redete der Angestellte weiter. »Geld in jeder Menge. Und dann plötzlich dieser Sturm. Und schon ist es aus. Wenn Sie mich fragen, Sir, ich würd’ niemals 'raus aufs Meer gehen. Man sieht ja mal wieder, wie leicht man ertrinken kann.«

»Mister Hastings ertrank?«

»Und wie«, sagte der Totengräber fast begeistert, »hat Tage gedauert, bis die Küstenwache ihn gefunden hat. Muß ganz schön ausgesehen haben. Na, jetzt ist alles vorüber!«

»Nahmen Sie an der Beerdigung teil?« erkundigte sich Parker.

»Klar, ich hab doch den Katafalk gezogen! Wir hier vom Schattenhain waren in voller Besetzung dabei, aber dann nur diese sechs miesen Trauergäste. Wissen Sie, da hat die Atmosphäre gefehlt, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Ich glaube, ich habe Sie verstanden«, meinte der Butler gemessen, »haben Sie später hier am Grab irgendwelche Trauernden bemerkt?«

»Doch...!«

»Um wen handelte es sich, wenn ich fragen darf?«

»Warum fragen Sie eigentlich?« kam die mißtrauische Antwort. »Ein Reporter sind Sie doch ganz sicher nicht.«

Während der Totengräber redete, schätzte er den Butler mit seinen Blicken ab. Er konnte sich auf die Erscheinung, die da vor ihm stand, keinen Reim machen. Er sah einen mittelgroßen, schlanken Mann, dessen Alter undefinierbar war. Und dieser Mann trug einen schwarzen zweireihigen Anzug, einen korrekt sitzenden Eckkragen mit schwarzer Krawatte und eine schwarze Melone. Über dem linken Unterarm hing ein altväterlich gebundener Regenschirm, der aus einem Museum zu stammen schien.

»Mich führt ein allgemein menschliches Interesse hierher«, sagte Parker höflich.

»Ach so, jetzt geht mir ein Licht auf«, sagte der Totengräber, »Sie sind vom Beerdigungsinstitut, wie?«

»Ich möchte nicht unbedingt widersprechen«, erwiderte Parker.

»Das ist was anderes«, redete der Angestellte weiter, »um auf Ihre Frage zurückzukommen. Da war tatsächlich ein paar Tage später noch ’n Trauergast hier draußen.«

»Ich lausche mit Interesse«, erklärte Parker höflich.

»ne Frau war’s gewesen«, berichtete der Totengräber, »sah verdammt gut aus! Blond und so, Sie wissen, was ich meine. Die hab’ ich hierher geführt.«

»Wissen Sie zufällig, wie sie hieß?«

»Keine Ahnung. Ich weiß nur, daß sie mir ’n fettes Trinkgeld gegeben hat Geben alle hier, wenn ich sie ’rausbringe!«

»Sie sollen auch von mir nicht enttäuscht werden«, beruhigte Parker den Totengräber. »Das Trinkgeld würde noch höher ausfallen, wenn ich den Namen dieser Frau erfahren könnte.«

»Soll das ’n Wort sein?« erkundigte sich der Totengräber.

»Sie können sich auf mich verlassen!«

»Na ja, wenn ich richtig liege, ist das die Susan Clearborn gewesen.«

»Aha...!« Mehr sagte Parker nicht, denn mit diesem Namen wußte er nichts anzufangen.

»Moment mal, Sie kennen die Clearborn nicht?« wunderte sich der Totengräber.

»Ich bedaure...!«

»Die is doch die Freundin von Hastings gewesen! Konnten Sie doch in jeder Zeitung nachlesen. Aber jetzt muß ich gehen. Wird Zeit für mich. Ich muß noch zwei Gräber ausheben. Bei uns is’ immer ’ne Menge zu tun!«

Parker reichte dem Totengräber das erwartete, fette Trinkgeld. Nachdem der Mann zwischen blühenden Sträuchern und Büschen verschwunden war, wandte sich auch der Butler ab und schritt würdevoll zurück zum Ausgang.

Sensationen hatte er sich von seinem Besuch hier auf dem Friedhof gewiß nicht versprochen. Dazu wußte er zu wenig. Er war jedoch froh, wenigstens von dieser Miß Susan Clearborn erfahren zu haben.

Parker kam an dichten Sträuchern vorbei, die den Blick hinüber zum Office des Friedhofes versperrten Er hatte diese Buschgruppe fast passiert, als er plötzlich knapp hinter sich das Geräusch von knirschendem Kies hörte.

Bevor Parker etwas unternehmen konnte, traf ihn ein heimtückischer, harter Schlag auf den Kopf, der ihm die Melone tief in die Stirn trieb. Parker sah sich genötigt, erst einmal in die Knie zu gehen. Dann rollte er seitlich ab und fiel auf den sattgrünen Rasen.

Er war natürlich nicht ohnmächtig. Nicht umsonst hatte er seine schwarze Melone mit Stahlblech ausfüttern lassen. Sie hatte die Wirkung des Schlages genommen und Parker vor Schaden bewahrt.

Parker blieb also mit geschlossenen Augen auf dem sattgrünen Rasen liegen und wartete erst einmal ab. Er wußte nicht, weshalb man ihn so plötzlich niedergeschlagen hatte. Er wußte nicht, was der Schläger von ihm wollte.

Parker spürte Hände auf seinem Jackett.

Die Finger tasteten sich schnell und geschickt an seine Brieftasche heran und zogen sie heraus.

Wenig später öffnete der Butler vorsichtig seine Augen. Er wollte schließlich wissen, mit wem er es zu tun hatte.

Nun, vor ihm stand ein sehr clever und hart aussehender Bursche von etwa dreißig Jahren, der einen hellen Sommeranzug trug. An seinem Handgelenk baumelte ein Totschläger an einer Lederschlaufe.

Dieser junge Mann hielt Parkers Brieftasche in der Hand und grinste versonnen vor sich hin. Er freute sich wohl noch nachträglich über den gelungenen Niederschlag.

Parker blieb regungslos liegen. Ihm kam es darauf an herauszufinden, ob der clevere junge Mann sich nun mit der Brieftasche davonmachte oder nicht. Schon daraus ließen sich ja bestimmte Schlüsse ziehen.

Der junge Mann blieb.

Er faltete die Brieftasche auseinander und - schrie plötzlich entsetzt auf.

Er ließ die Brieftasche fallen und tanzte auf dem linken Bein im Kreis herum. Er schlug die Hände vor sein Gesicht und bemühte sich, die tränenden Augen auszureiben. Damit machte er gewisse Dinge nur noch schlimmer. Er rieb sich mit Erfolg die Pfefferladung tiefer in die Augenhöhlen hinein. Er hatte ja nicht wissen können, daß Parkers Brieftasche mit einer gehörigen Portion Pfeffer gegen unbefugtes Öffnen gesichert war.

Parker erhob sich würdevoll und klopfte sich mit leichter Hand einige Gräser von seinem schwarzen Anzug herunter. Dann hob er die Brieftasche auf und wartete darauf, daß der junge Mann sich von seinem Schock erholte.

Der junge Mann hatte Pech.

Während seines Rundtanzes geriet er in die gefährliche Nähe eines recht dornigen Strauches. Bevor Parker warnend einschreiten konnte, steppte der Schläger zielsicher in diesen Strauch hinein.

Keuchendes Brüllen war die Reaktion.

Der junge Mann, der immer noch vor lauter Tränen nichts sehen konnte, arbeitete sich mühsam aus dem Strauch hervor und blieb dann japsend und nach Luft schnappend stehen. Er getraute sich nicht mehr, auch nur noch einen einzigen Schritt zu tun.

»Sie sollten das unnötige Reiben der Augen auf jeden Fall aufgeben und einstellen«, meinte Parker schließlich, »meiner bescheidenen Schätzung nach müßten Sie jetzt wieder sehen können. Ich würde es an Ihrer Stelle auf einen ersten, schüchternen Versuch ankommen lassen.«

Der junge Schläger hielt sich an den Ratschlag.

Zuerst öffnete er das linke, dann das rechte Auge. Aus rot entzündeten Augen starrte er den Butler an, der steif und würdevoll vor ihm stand und zustimmend nickte.

»Lassen Sie sich das eine kleine Lehre sein«, meinte Parker, »es gehört sich einfach nicht, Brieftaschen ohne Erlaubnis aus fremden Taschen zu ziehen.«

»Mann, was war das?« stöhnte der Schläger. Dicke Krokodilstränen rollten über seine Wangen.

»Ordinärer schwarzer Küchenpfeffer«, erläuterte der Butler, »übrigens eine ausgesuchte Qualität, wie Sie vielleicht inzwischen festgestellt haben.«

»Verdammter Gauner...!« brüllte der junge Mann. Dann griff er den Butler übergangslos an. Er hatte die feste Absicht, noch einmal mit seinem Totschläger zuzulangen. Er holte weit aus und schlug dann zu, zumal Parker sich nicht vom Fleck weggerührt hatte.

Der junge Mann erlebte seine zweite Niederlage.

Bevor der Totschläger sein Ziel erreichen konnte, schob der Butler den bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms unter das Armgelenk des jungen Mannes.

Der Schläger brüllte auf.

Er hatte das Gefühl, als sei sein Arm in Stücke zerbrochen worden. Er fiel auf die Knie und ließ einen zweiten Weinkrampf über sich ergehen.

»Ich muß feststellen, daß Ihre Erziehung große Lücken aufweist«, tadelte der Butler, »wie ein Taschendieb sehen Sie nicht aus. Ein durchschnittlicher Wegelagerer sind Sie gewiß auch nicht. Wer gab Ihnen den Auftrag, meine Brieftasche zu durchsuchen? Sollte man Sie beauftragt haben, meine Identität festzustellen?«

Der junge Mann stöhnte und rieb sich vorsichtig den schmerzenden Arm.

»Einige kühle Umschläge werden genügen, um Sie wieder in Form zu bringen«, sagte Parker, »richten Sie Ihrem Auftraggeber aus, daß ich Überfälle nicht sonderlich schätzen.«

»Dir zahlen wir’s noch heim!« drohte der heulende junge Mann. »Dich nehmen wir noch auseinander.«

Parker, an Drohungen dieser und ähnlicher Art hinreichend gewöhnt, kümmerte sich nicht weiter um den Burschen. Er legte den Griff seines Universal-Regenschirms über den linken Unterarm und schritt von dannen.

Ungehindert erreichte er den Ausgang des Friedhofes und wechselte hinüber zu seinem hochbeinigen Monstrum, das auf dem Parkplatz stand. Er setzte sich ans Steuer seines recht ungewöhnlichen Privatwagens und fuhr davon.

Doch er bog schon in die erste Querstraße ein, wendete und beobachtete dann die Zufahrtsstraße zum Friedhof »Schattenhain«. Er wollte herausbekommen, wer ihn hatte niederschlagen und berauben wollen.

Lange brauchte er nicht zu warten.

Ein Ford tauchte auf und rollte langsam über die Hauptstraße. Am Steuer erkannte Parker den jungen Schläger, der sich während der Fahrt immer wieder die Augen wischte und sie mit einem Taschentuch austrocknete. Der ordinäre schwarze Küchenpfeffer schien noch immer zu wirken.

Der Butler prägte sich das Kennzeichen des Wagens genau ein. Es beruhigte ihn zu sehen, daß der Ford hier in Los Angeles registriert war. Das vereinfachte die weiteren Ermittlungen.

Minuten später, als er sicher sein konnte, daß der Ford auf der großen Durchgangsstraße war, verließ Parker die Seitenstraße und rollte würdevoll zurück zu seinem Hotel, ohne sich dabei um die teils entsetzten, teils amüsierten Blicke zu kümmern, die seinem Privatwagen galten.

*

»Wo haben Sie so lange gesteckt?« erkundigte sich Mike Rander, nachdem der Butler das geräumige Hotelzimmer betreten hatte. »Es wird langsam Zeit für uns. Die Maschine geht in einer guten Stunde. Sie wollen ja schließlich noch Ihr Monstrum verladen lassen, oder?«

»Ich habe mir die Freiheit genommen, Sir, den Friedhof Schattenhain zu besuchen.«

Mike Rander, der hinter dem Schreibtisch stand und einige Akten sortierte, sah ruckartig hoch.

»Sie waren auf einem Friedhof?« fragte er dann überrascht.

»In der Tat, Sir. Ich besuchte das Grab von Mister Glenn Hastings.«

»Ich begreife!« Mike Rander sah seinen Butler kopfschüttelnd an. »Sie rechnen also immer noch damit, daß ich diesen Fall übernehme, wie?«

»Noch ist es kein Fall, Sir, wenn ich mir diesen bescheidenen Hinweis erlauben darf.«

»Stimmt haargenau, Parker. Und darum werden wir Los Angeles auch verlassen. Richard Hastings muß sich damit abfinden, daß sein Sohn nicht mehr lebt. Sinnlos, nach Rätseln zu suchen. Ich habe mir die Geschichte von ihm genau erzählen lassen.«

»Glenn Richard ertrank auf See, wenn ich recht verstanden habe, Sir.«

»Richtig, Parker. Er geriet mit seiner Motorjacht in einen plötzlichen Sturm. Das Boot kenterte, und Glenn Hastings ertrank. Er wurde nach Tagen erst gefunden und dann beigesetzt Was soll daran schon sensationell oder rätselhaft sein?«

»Mister Richard Hastings vermutet jedoch ein Verbrechen, Sir.«

»Ein Hirngespinst, weiter nichts...! Glenn Hastings war der typische Playboy, der auf Kosten seines Vaters lebte. Und das noch nicht einmal schlecht. Wieso sollte dieser Playboy einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein? Und das ausgerechnet auf hoher See? Nein, nein, Parker, die Sache ist klar für mich. Ein Vater will und kann sich mit dem Tod seines einzigen Sohnes einfach nicht abfinden. Das ist der einzige Grund, warum Richard Hastings ein Verbrechen vermutet Die Natur kann er schlecht anklagen, also sucht er nach einem Schuldigen, der für ihn greifbar ist.«

»Darf ich Ihnen ein kleines Erlebnis erzählen, Sir?«

»Erlebnis? Soll das heißen, daß Sie schon wieder was erlebt haben, Parker?«

Der Butler nickte und nahm sich die Freiheit, von dem Zwischenfall auf dem Friedhof zu berichten.

Mike Rander hörte schweigend und fast desinteressiert zu. Er nahm sich noch nicht einmal die Mühe, dieses Desinteresse zu verbergen. Er wollte einfach nicht in einen neuen Kriminalfall hineingezogen werden. Schließlich war er Anwalt und Strafverteidiger in Chikago. Dort gab es genug für ihn zu tun.

Es war ein reiner Zufall, daß er mit Richard Hastings, dem Vater des ertrunkenen Glenn Hastings, zusammengetroffen war. Mike Rander hatte im Rahmen einer juristischen Beratung für einen Ölaufsichtsrat seinen alten Klienten Richard Hastings wiedergetroffen. Und war dann gleich mit der wirklich tragischen Geschichte von und um Glenn Hastings’ Tod konfrontiert worden.

»Ich würde also zu behaupten wagen, Sir, daß dieser junge Schläger nur den Auftrag hatte, meine Identität festzustellen«, schloß der Butler in diesem Moment seine Geschichte.

»Ihrer Ansicht nach stand der Bursche also seit Tagen auf dem Friedhof und wartete darauf, daß sich irgendein Besucher das Grab von Glenn Hastings zeigen ließ«, spottete Mike Rander und schüttelte ungläubig den Kopf. »Wenn Sie mich fragen, Parker, dann sind Sie an einen Ganoven geraten, der sich auf Friedhöfe spezialisiert hat. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!«

»Darf ich fragen, Sir, warum der junge Mann nach dem Diebstahl der Brieftasche nicht sofort die Flucht ergriffen hat, wie es normalerweise der Fall gewesen wäre?«

»Sie hatten doch Zeit und Gelegenheit, den jungen Mann danach zu fragen«, gab der Anwalt ironisch zurück. »Es bleibt dabei, Parker, wir fliegen in einer Stunde. Sorgen Sie für Ihr Gepäck! Diesmal lasse ich mich nicht umstimmen!«

Parker verbeugte sich und verließ das Zimmer seines jungen Herrn. Mike Rander sah seinem Butler wieder einmal kopfschüttelnd nach. Es war schon ein Kreuz mit diesem Parker! Überall witterte sein Butler Kriminalfälle. Und erstaunlicherweise trog ihn kaum sein Gefühl. Parker schien die Kriminalfälle magnetisch an sich zu ziehen. Sie schienen nur darauf zu warten, von ihm geklärt zu werden.

Mike Rander wollte sich gerade wieder seinem Aktenkoffer widmen, als sich das Telefon auf dem Schreibtisch meldete. Er hob ab und meldete sich.

»Verschwinde, Junge«, sagte eine gedämpfte und verzerrte Stimme, die weder drohend noch verbindlich klang, »stochere nicht in alten Geschichten herum, verschwinde! Und zwar auf dem schnellsten Weg, sonst wird es dir leid tun, Los Angeles je gesehen zu haben!«

»Hallo, mit wem spreche ich?« fragte Mike Rander.

Statt einer Antwort hörte er nur ein feines Klicken in der Leitung, ein Zeichen dafür, daß die Gegenseite bereits aufgelegt hatte.

Rander legte auf.

Dann, nach kurzem Nachdenken, ging er auf Zehenspitzen zur Badezimmertür und öffnete sie. Er schlich sich an die nächste Tür heran und drückte sie vorsichtig auf. Das Badezimmer trennte die beiden Räume von Mike Rander und Josuah Parker.

Josuah Parker stand neben dem kleinen Schreibtisch in seinem Hotelzimmer und wandte ihm den Rücken zu. Er konnte nicht sehen, daß sein junger Herr ihn beobachtete.

»Würden Sie die Güte haben, mir zu sagen, mit wem ich spreche?« äußerte der Butler gerade würdevoll in die Sprechmuschel. »Sie werden verstehen, daß ich Ihre Drohungen ignorieren muß...!«

Die Gegenseite schien aufgelegt zu haben, denn Parker schüttelte den Hörer, um ihn dann zurück in die Gabel zu legen. Dann drehte er sich langsam um und... blieb stocksteif stehen, als er sich seinem jungen Herrn gegenüber sah.

»Sie müssen mein Klopfen überhört haben«, entschuldigte sich Mike Rander.

»Ich erhielt gerade einen ungewöhnlichen und zugleich auch anonymen Anruf«, sagte Josuah Parker. »Ein Unbekannter drohte massiv und riet meiner bescheidenen Wenigkeit, Los Angeles auf dem schnellsten Weg zu verlassen. Er verbat sich überdies das Herumstochern in fremden Angelegenheiten, wie er sich auszudrücken beliebte.«

»Wie sich die Bilder gleichen«, meinte Anwalt Rander verdutzt, »diesen Anruf habe ich eben auch bekommen!«

Worüber Parker sich auf keinen Fall wunderte, war er doch der Anrufer gewesen. Und die Komödie, die er seinem jungen Herrn gerade vorgespielt hatte, diente auch nur dem einen Zweck, Mike Rander für den neuen Kriminalfall zu interessieren.

Parker stellte sein hochbeiniges Monstrum vor dem verkommen aussehenden Hotel ab und sah sich interessiert in der Runde um.

Er befand sich im Stadtteil Venice, einstmals ein riesiger Vergnügungspark, der jetzt dem Verfall preisgegeben war. In früheren Jahren hatte hier einmal ein Millionär riesige Gelder investiert und eine Art zweites Venedig am Pazifik erbauen lassen. Davon zeugten noch kleine Kanäle, Seufzerbrücken und Dogenpaläste, die jetzt in Apartmenthäuser oder Hotels umgewandelt worden waren. Hier in Venice hatte sich die protestierende Jugend aller Altersklassen zurückgezogen und schrieb flammende Verse gegen alles. Hier hatte sich aber auch das Verbrechen in reinster Form eingenistet. Eine Tatsache, die Parker bald am eigenen Leib erfahren sollte.

Der Butler hatte sich auf dem Umweg über die Zulassungsstelle für Kraftwagen die Adresse des jungen Schlägers besorgt. Für ihn eine Kleinigkeit. Anhand des Nummernschildes wußte er jetzt, wo dieser Schläger zu finden war.

Parker betrat die Reception des kleinen Hotels und erkundigte sich bei dem gerissen aussehenden Portier nach einem gewissen Mark Evans.

»Evans...?« fragte der Portier zurück, »soll der hier bei uns wohnen?«

»Können Sie das möglicherweise nicht besser beurteilen als ich?« gab der Butler zurück.

»Mal nachsehen!« brummte der Portier, »ich bin noch neu hier! Kennen Sie ihn?«

»Ich warte auf die Zimmernummer«, sagte Parker würdevoll. Gleichzeitig maß er den Mann hinter der Theke mit einem unterkühlten Blick. Dann fügte er hinzu: »Mister Evans wird es nicht sonderlich schätzen, wenn man mich warten läßt.«

»Moment mal, sind Sie vielleicht Steve Morgan?«

»Keine Namen, wenn ich sehr bitten darf«, antwortete Parker, ohne auf diese direkte Frage einzugehen, er prägte sich den Namen Steve Morgan allerdings sehr nachdrücklich ein.

»Zimmer sechsunddreißig«, beeilte sich der Portier zu sagen, »er wartet schon, Sir!«

Parker nickte gnädig und schritt würdevoll zum Lift hinüber. Dann fuhr er hinauf in die erste Etage des Hotels und wandelte über den Korridor, der mit einem ausgetretenen Teppich belegt war. Vor der Zimmertür sechsunddreißig blieb er stehen und klopfte mit dem Griff seines Universal-Regenschirms an.

»Steve...?« hörte er die Stimme des jungen Mannes hinter der Tür fragen. Gleichzeitig wurde die Tür spaltbreit geöffnet?

»Sie...?« staunte der junge Mann, der sich Mark Evans nannte. Er war für einen kurzen Moment fassungslos Und als er sich wieder faßte, stand der Butler bereits im Zimmer und schloß die Tür hinter sich.

»Wie... wie kommen Sie denn hierher?« fauchte der Schläger. »Los, scheren Sie sich zum Teufel! Oder muß ich Sie erst an die Luft setzen?«

»Ich bin gekommen, um mich bei Ihnen wegen meines vielleicht verunglückten Benehmens zu entschuldigen«, sagte Parker und lüftete seine schwarze Melone.

»Mann hauen Sie ab«, reagierte der Schläger gereizt. »Wie sind Sie überhaupt an meine Adresse gekommen?«

»Ich furchte, ich habe Sie enttäuscht«, entgegnete der Butler höflich. »Haben Sie vielleicht Mister Steve Morgan erwartet?«

»Steve Morgan? Woher kennen Sie denn den?« Mark Evans riß den Mund weit auf.

»Ich stieß auf seinen Namen, und zwar im Zusammenhang mit dem rätselhaften Tod des Mister Glenn Hastings«, bluffte der Parker in einer Art, daß man niemals einen Bluff hätte vermuten können. »Ersparen Sie mir Einzelheiten!«

»Hastings.« Mark Evans schluckte und war einen Augenblick lang ratlos.

»Ich interessiere mich für Mister Glenn Hastings«, redete der Butler höflich weiter, »offen gestanden, Mister Evans, es gibt da einige Dinge, die noch einer Klärung bedürfen. Um noch deutlicher zu werden, ich glaube einfach nicht daran, daß Glenn Hastings nur so einfach ertrunken sein soll. Falls er das überhaupt ist!«

»Wer, zum Teufel, sind Sie eigentlich?« fragte Mike Evans.

»Stellte ich mich nicht bereits vor? Parker ist mein Name, Josuah Parker. In meiner bescheidenen Freizeit beschäftige ich mich mit der Lösung rätselhafter Kriminalfälle.«

»Dabei können Sie sich aber die Finger verbrennen, Parker.«

»Bleiben wir doch beim Grundthema«, schlug der Butler vor, »ich möchte gern erfahren, in welchem Auftrag Sie mich auf dem Friedhof niederzuschlagen versuchten.«

»Sie sind ja verrückt. Wer soll Sie niedergeschlagen haben? Ich weiß von nichts!«

Bevor Josuah Parker antworten konnte, wurde vom Korridor aus gegen die Zimmertür gepocht.

Mark Evans nahm ruckartig den Kopf herum.

»Warten Sie«, sagte er dann. »Sie sollen Ihren Tip bekommen.«

Dann lief Evans zur Tür, öffnete sie und ließ einen untersetzten, breitschultrigen und stämmigen Mann eintreten, der schon vom Aussehen her in jedem Kriminalfilm als Gangster hätte auftreten können, so typisch war er.

Er schien bereits unten an der Reception erfahren zu haben, daß Mark Evans Besuch hatte. Der Breitschultrige mit dem häßlichen Gesicht hielt bereits einen 38er in der Hand, dessen Mündung auf den Butler gerichtet war.

Die Szene hatte sich gründlich gewandelt.

Josuah Parker saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und kutschierte seine beiden Gäste durch die Straßen von Santa Monica. Neben und hinter ihm saßen Mark Evans und Steve Morgan. Die beiden Gangster hatten ihn gezwungen, sie zu seinem Wagen zu führen. Sie waren nun zusammen mit ihm unterwegs und wollten zu einem kleinen Strandhaus hinausfahren, dessen genaue Lage Parker aber noch nicht kannte. Er hielt sich an die genauen Anweisungen, die ihm der neben ihm sitzende Mark Evans von Fall zu Fall erteilte.

Parker befand sich in der Gewalt dieser beiden Gangster, doch das scherte ihn kaum. Situationen dieser Art waren ihm nicht fremd. Es kam immer wieder vor, daß Gangster sich die Mühe machten, ihn an einen unbekannten Ort zu transportieren, um ihn dort in aller Ruhe auszufragen. Und um ihn dann möglicherweise gleich auch umzubringen.

Mark Evans und Steve Morgan fühlten sich vollkommen sicher. Sie hatten Parker noch im Hotelzimmer gründlich durchsucht und ihm einen alten, vorsintflutlich aussehenden Colt abgenommen. Ihrer Ansicht nach war Parker damit waffenlos. Sie konnten nicht wissen, daß sie sehr viele Kleinigkeiten glatt übersehen hatten. Ein verzeihlicher Irrtum Übrigens, denn sie wußten ja nicht, wen sie vor sich hatten.

Nachdem Parker den Highway verlassen hatte, ging es über eine schmale Straße hinunter zum felsigen Strand. Von der Straße aus war sein hochbeiniges Monstrum längst nicht mehr*zu sehen, denn die Ausfallstraße lag viel zu hoch.

Am Strand standen kleine Bungalows, die einen unbewohnten Eindruck machten. Vor einem dieser Bungalows, der wie ein Schwalbennest am Felsen klebte, mußte der Butler anhalten.

»Aussteigen«, kommandierte Steve Morgan.

Josuah Parker gehorchte augenblicklich, vergaß aber nicht seinen Universal-Regenschirm, von dem er sich nur ungern trennte. Er ließ sich anschließend von den beiden Gangstern auf den Bungalow zu dirigieren. Mark Evans schloß auf, und Parker stand wenige Minuten später in einem großen Raum, durch dessen breites Fenster man einen wunderschönen Blick hinaus auf das Meer hatte.

»Nun zu Ihnen, Parker«, sagte Morgan und ließ sich samt dem 38er in einen der tiefen, bequemen Sessel fallen. »Sie ersparen sich verdammt viel Ärger, wenn Sie sich an die Wahrheit halten. Weshalb kümmern Sie sich um Glenn Hastings?«

»Mister Hastings Vater glaubt nicht an einen normalen Unfall und Tod«, gab der Butler zurück. »Er rechnet mit einem geplanten Verbrechen.«

»Na und? Was haben Sie damit zu tun?« Morgan gab sich gelassen und ruhig.

»Ich habe die Ehre, der Butler von Mister Rander zu sein, der seinerseits mit Mister Hastings geschäftlich befreundet ist.«

»Na und?« wiederholte Steve Morgan seine Frage.

»Mister Rander ist Anwalt und besitzt gleichzeitig die Lizenz als Privatdetektiv. Meine bescheidene Wenigkeit übrigens auch!«

»Sie...? Sie wollen Privatdetektiv sein? Das ist doch ein Witz, oder?«

»Ich erlaube mir, diese erteilte Lizenz sehr ernst zu nehmen«, antwortete der Butler. »Und ich werde der freundlichen Bitte Mister Hastings’ unbedingt nachkommen und mich um den rätselhaften Tod Glenn Hastings’ kümmern.«

»Wenn Sie sich nur nicht getäuscht haben, Parker!« Steve Morgan stand auf und sah nachdenklich auf die Schußwaffe in seiner Hand.

»Ihre Reaktionen und Handlungen beweisen mir eindeutig, daß es tatsächlich ein Rätsel gibt«, redete der Butler gemessen und würdevoll weiter.

»Kann schon stimmen«, sagte Morgan auflachend und zwinkerte seinem Begleiter Evans amüsiert zu, »aber Sie werden nichts davon haben, Parker. Wissen Sie eigentlich, wo Sie sind?«

»In einem Bungalow, wenn mich nicht alles täuscht.«

»In Glenn Hastings’ Bungalow«, korrigierte Steve Morgan. »Und hier werden Sie auch verunglücken. Sehen Sie sich draußen mal den kleinen Balkon an.«

»Darf ich unterstellen, daß ich von diesem Balkon abstürzen soll?«

»Begreifen tun Sie verdammt schnell«, meinte Evans und lachte auf. »Genau das wird Ihnen passieren. Für die Polizei sieht’s dann so aus, daß Sie hier neugierig herumgeschnüffelt haben und dann abstürzten. Sehr einfach, wie?«

»Ich mochte doch sehr hoffen, daß Sie sich nur einen kleinen Spaß mit einem alten, müden und verbrauchten Mann machen wollen«, entgegnete der Butler bescheiden.

»Lassen Sie sich überraschen«, schaltete Steve Morgan sich ein.

»Ist es mir gestattet, einige Fragen zu stellen?« wollte der Butler wissen.

»Von uns aus!« Morgan und Evans sahen sich wieder kurz an.

»Warum soll ich verunglücken? Warum verhindern Sie um jeden Preis die geplanten Nachforschungen? Ist Mister Hastings demnach doch nicht nur verunglückt?«

»Los, 'raus auf den Balkon«, kommandierte Morgan. »Was haben Sie davon, wenn wir antworten?«

»Sie... Sie wollen mich tatsächlich umbringen?« fragte Parker peinlich berührt.

»Na und... Wer zu neugierig herumschnüffelt, der ist geliefert! Hätten Sie früher dran denken sollen, Parker!«

Morgan und Evans blufften auf keinen Fall, wie Parker merkte. Sie richteten die Mündungen ihrer Waffen auf den Butler und grinsten kalt. Es waren Routiniers, die so etwas nicht zum erstenmal taten. Sie kannten sich in dieser mörderischen Branche aus.

»Erlauben Sie mir einen letzten Wunsch«, bat Parker gemessen.

»Der wäre?« Morgan kniff leicht die Augen zusammen.

»Darf ich mir eine meiner Zigarren anzünden?«

»Wenn s weiter nichts ist. Los, machen Sie schon! Aber keine Dummheiten, sonst knallen wir Sie hier im Bungalow zusammen.«

»Ich werde mich an Ihre Ratschläge halten«, sagte Parker. »Darf ich das Zigarrenetui aus meiner Innentasche hervorholen?«

Parker durfte und zog das abgegriffen aussehende Lederetui hervor. Er wählte mit Bedacht und entschied sich für eine Zigarre, die einen leicht lädierten Eindruck machte.

»Würden Sie mir freundlicherweise mit etwas Feuer aushelfen?« fragte der Butler dann.

»Los, Mark, helf ihm aus«, sagte Morgan und grinste.

Mark Evans war und blieb ahnungslos, als er ein Streichholzbriefchen hervorzog und eines der Streichhölzer anriß.

»Bitte sehr, darf ich helfen?« sagte er ironisch und beugte sich mit der Flamme zu Parkers Zigarre hinunter.

Bruchteile von Sekunden später passierte es.

Plötzlich, ohne jede Vorwarnung, spuckte die schwarze Zigarre einen blendendweißen Feuerstrahl aus, der wenigstens dreißig Zentimeter lang war.

Es schien sich um Magnesium zu handeln. Knatternd und spuckend züngelte diese Feuerzunge durch den Raum.

Mark Evans brüllte überrascht auf. Und da er von dem Feuerstrahl nicht getroffen werden wollte, warf er sich zurück.

Steve Morgan, der schräg hinter ihm stand, feuerte automatisch seinen 38er ab.

Er traf nicht den Butler, sondern den zurücktaumelnden Mark Evans, der noch einmal aufschrie und dann wie vom Blitz getroffen in sich zusammenrutschte.

Bevor Steve Morgan einen zweiten Schuß anbringen konnte, hatte der Butler bereits mit seinem Universal-Regenschirm zugelangt. Steve Morgan stöhnte auf, als der bleigefütterte Bambusgriff sein Handgelenk traf. Gegen seinen Willen ließ er den 38er fallen. Dann rieb er sich seine getroffene Hand.

Parker schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. Dann legte er die ausgebrannte Feuerwerkszigarre behutsam in einen nahen Aschenbecher.

»Wie sehr ich doch nackte Gewalt hasse«, meinte er dann ganz gemessen. »Seien Sie versichert, daß ich es ganz ungemein bedaure, so handeln zu müssen. Ich hoffe wirklich sehr, Sie haben sich nicht sonderlich verletzt.«

*

Steve Morgan stöhnte.

Er schien nichts gehört zu haben.

Dann aber, gereizt wie ein angeschossener Tiger, sprang er den Butler an.

Er errang einen Erfolg.

Parker wich zurück und stolperte dabei über den am Boden liegenden Mark Evans.

Steve Morgan nutzte seine Chance.

Während Parker taumelte und sich verzweifelt an einer Sessellehne festzuhalten versuchte, rannte Steve Morgan zur Tür, riß sie auf und verschwand nach draußen. Parker fand sein Gleichgewicht wieder, schritt zur Tür und öffnete sie, da Morgan sie gekonnt hinter sich ins Schloß geschmettert hatte.

Er sah Morgan, der hurtig wie eine Gemse hinauf zur Hauptstraße rannte und dann oben auf dem Highway verschwand.

Parker, der unnötige Bewegungen verabscheute, dachte nicht im Traum daran; den flüchtenden Gangster zu verfolgen. Er ging zurück zu Mark Evans, der stöhnend auf dem Boden lag.

Eine flüchtige Untersuchung ergab, daß Mark Evans nicht lebensgefährlich verletzt worden war. Der Schuß hatte ihn im linken Schultergelenk getroffen.

»Meine Schulter... Ah, meine Schulter«, stöhnte Evans und wollte sich erheben.

»Es ist angebracht, liegen zu bleiben«, sagte Parker, »Sie haben es gleich überstanden, Mister Evans! Ich bedaure ungemein, daß Ihr Partner Sie angeschossen hat.«

»Was... was ist gleich überstanden?« stöhnte Mark Evans, dessen Gesicht sich verfärbte.

»Sie... Sie müssen mich falsch verstanden haben«, korrigierte der Butler schnell, »vielleicht habe ich mich auch nur falsch ausgedrückt. Ich werde Ihnen einen Notverband anlegen.«

»Was ist gleich überstanden?« stöhnte Evans und ließ den Kopf zurück auf den Boden sinken.

»Nicht sprechen«, bat der Butler sanft. »Strengen Sie sich nicht unnötig an! Vielleicht reicht die Zeit doch noch, Sie in ein Krankenhaus zu bringen.«

»Schnell, rufen Sie an!« Mark Evans mißverstand den Butler gründlich. Vielleicht lag es aber wirklich nur daran, daß Parker sich mißverständlich ausdrückte, kurz, Evans glaubte, seine letzte Viertelstunde habe geschlagen.

»Soll ich wirklich?« fragte Parker, »vielleicht wäre ein Notverband erst einmal besser!«

»Tun Sie doch was, bevor ich abkratze!« Evans schrie jetzt vor Angst.

Parker fand im angrenzenden Baderaum ein Wandschränkchen, in dem sich Verbandsmaterial befand. Er kniete damit neben Evans nieder und beschäftigte sich mit dem gewünschten Notverband.

»Finden Sie es richtig, daß Ihr Partner Morgan Sie so einfach verließ?« fragte Parker, während er sich als Sanitäter betätigte. »Hätte er sich nicht um Sie kümmern müssen?«

Mark Evans stöhnte nur.

»Und das alles wegen eines Mannes, der nur ertrunken sein soll«, redete der Butler gezielt weiter, »warum wollten Sie die geplanten Nachforschungen selbst um den Preis eines weiteren Mordes verhindern?«

»Ich... ich weiß nichts«, stöhnte Mark Evans. »Ich weiß nur, daß Morgan dafür bezahlt wird! Fragen Sie doch nicht, machen Sie weiter, sonst komm’ ich nicht durch.«

»Von wem wird Steve Morgan bezahlt?«

»Keine Ahnung!« gab der Schläger knirschend zurück, da seine Wunde schmerzte.

»Haben Sie Glenn Hastings gekannt?« forschte der Butler weiter.

»Nein!« stöhnte Mark Evans, »nie gesehen!«

»Kannte Steve Morgan ihn?«

»Auch nicht«, ächzte Mark Evans, »glauben Sie, daß ich durchkommen werde?«

»Man wird sehen!« Parker verlor nichts von seiner gelassenen Würde. Zeitdruck gab es für ihn nicht. »Wieso fanden Sie mich auf dem Friedhof? Hatten Sie dort auf mich gewartet?«

»Ist doch egal!« wimmerte Mark Evans.

»Für Sie vielleicht, aber für mich keineswegs«, gab der Butler zurück.

»Ich... ich bin Ihnen nachgefahren«, erklärte Mark Evans, »ich hab’ Sie vom Hotel aus beschattet!«

»In wessen Auftrag, wenn ich höflichst fragen darf?«

»Morgan hat mich angesetzt«, war die gequälte Antwort. »Mehr weiß ich auch nicht.«

»Wo kann ich Mister Morgen erreichen?« erkundigte sich Parker und schloß seine Arbeit an dem Notverband ab. »Ich möchte ihm gern einen Höflichkeitsbesuch abstatten?«

»Er ist Vormann in ’ner Reinigungsfirma«, stöhnte Mark Evans hervor.

»Nur noch den Namen dieser Firma«, bat Parker und richtete sich auf.

»Cleaning-Brothers«, war die Antwort. »Hören Sie doch endlich mit der verdammten Fragerei auf! Warum rufen Sie keinen Krankenwagen?«

»Wozu dieser Umstand?« meinte Parker erstaunt, »wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich Sie mittels meines Wagens dorthin bringen. Sie sind durchaus das, was man transportfähig nennen würde.«

»Wie... wie war das?«

»Sie können durchaus aufstehen und sich Ihren Beinen anvertrauen«, führte der Butler weiter aus, »Sie haben nur einen relativ harmlosen Schulterschuß davongetragen! Sie werden ihn mit größter Wahrscheinlichkeit überstehen!«

»Ich... ich muß gar nicht... sterben?« fragte Mark Evans fassungslos und richtete sich überraschend schnell auf.

»Das habe ich nun auf keinen Fall gesagt«, gab der Butler zurück. »Sie werden eines Tages sterben müssen. Wie meine bescheidene Person auch. Sie werden nur nicht an dieser ziemlich harmlosen Schulterwunde sterben...!«

»Sie verdammter Hund! Dann haben Sie mir die ganze Zeit was vorgemacht?«

»Sie werden mich mißverstanden haben«, gab der Butler zurück. »Darf ich Sie jetzt zu einer Fahrt in das nächstbeste Hospital einladen?«

Mark Evans hätte den Butler am liebsten auf der Stelle umgebracht. Da ihm aber die Möglichkeiten fehlten, entschloß er sich, dem Butler zu folgen.

Sie verließen den Bungalow. Mark Evans konnte erstaunlich gut gehen. Er war selbst überrascht, wenn er auch noch etwas wacklig auf den Beinen war.

Sekunden später passierte es.

Parker wollte gerade die Wagentür öffnen und Mark Evans hineinhelfen, als der Schuß lospeitschte.

Parker hielt es für richtig und angebracht, hinter seinem hochbeinigen Monstrum in Deckung zu gehen, zumal das Geschoß dicht vor dem eckigen Kühler des Wagens eine kleine Staubwolke aufwirbelte.

»Bleiben Sie stehen«, rief er Mark Evans zu, der diesen Schuß für das Signal hielt, sich von Parker abzusetzen. Er lief zum Kühler hinüber und wollte flüchten.

Da fiel der zweite Schuß!

Mark Evans blieb für einen ganz kurzen Moment wie angewurzelt stehen. Dann drehte er sich um seine Längsachse und rutschte langsam, fast im Zeitlupentempo, in sich zusammen.

Parker wußte im vorhinein, daß Mark Evans erschossen worden war. Steve Morgan hatte von der Hauptstraße aus seinen Partner umgebracht, um ihn an etwaigen Aussagen zu hindern. Von einem Zufallstreffer konnte keine Rede sein.

Vielleicht begriff Parker genau in diesem Augenblick, auf welch ein tödliches Abenteuer er sich da eingelassen hatte!

*

»Eine einfache Geschichte«, sagte Sergeant Odgen und nickte nachdenklich. »Eine einfache Geschichte, falls sie stimmt, Mister Parker.«

»Ich habe mich ehrlich bemüht, Sir, Ihnen die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen«, antwortete Josuah Parker.

»Man wird ja sehen«, erwiderte der Sergeant, ein etwa fünfundvierzigjähriger großer, schlanker Mann mit einem gutmütigen Gesicht, in dem sich allerdings ein graues, mißtrauisches Augenpaar befand. Dann nahm er die ausgebrannte Feuerwerkszigarre von Parker hoch, die auf dem Schreibtisch des Bungalows lag. Er drehte und wendete sie mehrfach um. Dann sagte er: »Ganz nette Einfälle, die Sie da haben, Mister Parker. Haben Sie davon noch mehr auf Lager?«

»Ich pflege stets nur eine Zigarre dieser Bauart mit mir herumzutragen«, erklärte der Butler würdevoll. Er befand sich nach der Ermordung von Mark Evans in dem Strandbungalow und ließ die Fragen der von ihm alarmierten Kriminalpolizei geduldig und würdevoll über sich ergehen. Er wußte, was sein mußte.

»Sie wurden also nur deshalb verschleppt, weil Sie sich Mister Glenn Hastings’ Grab ansahen, oder?« faßte Sergeant Odgen noch einmal zusammen.

»Das entspricht durchaus den Tatsachen, Sir.«

»Und Sie sollten hier im Strandbungalow über den Balkon hinunter auf die Felsen gestürzt werden?«

»Ich bin ehrlich froh und glücklich, Sir, daß es dazu nicht kam.«

»Kann ich mir fast vorstellen«, murmelte Sergeant Odgen. Dann wurde seine Stimme schräger: »Sie wollen mir doch nicht aufbinden, daß Sie nur ein Butler sind?«

»Ich setzte Ihnen bereits auseinander, Sir, warum ich diese Stadt besuchte«, entgegnete der Butler, »es steht Ihnen frei, sich bei meinem jungen Herrn zu vergewissern. Bei dieser Gelegenheit werden Sie dann auch erfahren, daß Mister Richard Hastings meinen jungen Herrn und meine bescheidene Wenigkeit gebeten hat, die Rätsel um den Tod von Mister Glenn Hastings zu klären.«

»Sagenhaft, einfach sagenhaft, daß Sie mit Evans und diesem anderen Gangster klargekommen sind.«

»Sie kennen Mister Evans?«

»Ein ganz gefährlicher Schläger! Sie wissen nicht, wie der andere Mann hieß?«

»Ich werde mich zu erinnern versuchen«, antwortete Parker ausweichend.

»Tun Sie’s möglich schnell, Parker. Zu Ihrer eigenen Sicherheit. Wo Mark Evans seine Hände im Spiel hatte, da hat’s bisher immer blutigen Ärger gegeben.«

»Wozu raten Sie einem alten Mann?« erkundigte sich der Butler in seiner üblichen Übertreibung.

»Sie wollen einen Rat von mir, Parker? Schön, den sollen Sie bekommen: Halten Sie sich aus dieser privaten Detektivarbeit heraus! Überlassen Sie das uns! Wir sind schließlich darauf trainiert.«

»Sie kennen also den Fall Glenn Hastings?«

»Wieso Fall Hastings? Es handelte sich um einen völlig normalen Unfall. Er ertrank. Nicht mehr und nicht weniger. Seine Leiche wurde angeschwemmt, identifiziert und dann beerdigt. Wieso glaubt Mister Richard Hastings an ein Verbrechen?«

»Ich hatte noch nicht die Ehre, ihn ausführlich zu sprechen, Sir. Ich werde nicht versäumen, es schleunigst nachzuholen.«

»Halten Sie sich da raus«, warnte Sergeant Odgen. »Ich werde mit Ihrem Boß sprechen. Sie machen sonst nur die Pferde scheu.«

»Es gibt in diesem Fall also Pferde, die scheu zu machen sind, Sir?«

»Mann, drehen Sie mir nicht jedes Wort im Mund herum«, schnaubte der Sergeant. »Sie können übrigens zurück ins Hotel fahren.«

»Meinen verbindlichsten Dank«, erwiderte der Butler.

»Und wenn Sie nichts dagegen haben, Parker, komme ich gleich mit. Ich möchte nämlich mit Ihrem Boß sprechen.«

»Sie sind herzlichst eingeladen«, freute sich der Butler. »Sie werden allerdings mit meinem eigenen Wagen vorliebnehmen müssen.«

»Ist das die komische Kutsche draußen vor dem Bungalow?«

»In der Tat, Sir.«

»Auf welchem Schrottplatz haben Sie die denn aufgetrieben? So etwas gehört doch ins Museum.«

Sergeant Odgen grinste anzüglich. Er wechselte noch einige Sätze mit den übrigen Mitgliedern der Mordkommission und folgte dann Parker, der einladend die hohe, eckige Wagentür öffnete.

»Hoffentlich fällt das Ding unterwegs nicht auseinander«, frotzelte Odgen weiter.

»Hoffentlich nicht, Sir«, gab der Butler gemessen und würdevoll zurück. Dann ließ er den Motor anspringen und fuhr hinauf zur Ausfallstraße.

Es ging steil hinauf.

Parkers hochbeiniges Monstrum nahm diese Strecke mit der geballten Kraft einer gerade gezündeten Rakete. Sergeant Odgen wurde mit unwiderstehlicher Gewalt in seinen Sitz zurückgepreßt. Er schnappte mühsam nach Luft.

»Sind... sind... Sie wahnsinnig?« fauchte er, als der obere Highway erreicht war.

»Achtung, Sir, eine kleine Kurve«, kündete Parker ungerührt an. Er saß stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, am Steuer seines Wagens, der vor vielen Jahrzehnten einmal als Londoner Taxi gedient hatte.

Sergeant Odgen dachte an eine normale Kurve.

Er sollte sich sehr täuschen.

Parker nahm diese Kurve mit einem Können, das einen versierten Rennfahrer vor Neid hätte erblassen lassen. Das hochbeinige Monstrum legte sich auf zwei Räder über und sirrte mit kreischenden Pneus hinaus auf den Highway. Dann fädelte Parker sich in den dort herrschenden Verkehr ein.

Odgen war kreidebleich, als das geschehen war.

Er ließ den Haltegriff los und wischte sich dicke Schweißperlen von der Stirn.

»Mann«, sagte er dann mit versagender Stimme, »Mann, haben Sie mal als Steilwandfahrer gearbeitet?«

»Bisher nicht, Sir«, gestand Parker, »aber ich muß gestehen, daß mich dieser Beruf kurzfristig reizen könnte!«

*

»Warum haben Sie den Namen von diesem Steve Morgan unterschlagen?« fragte Mike Rander, nachdem Sergeant Odgen das Hotelzimmer verlassen hatte und Parker ihm die zusätzlichen Einzelheiten seiner Erlebnisse gebeichtet hatte.

»Ich fürchte, Sir, mein Gedächtnis ließ mich im entscheidenden Moment im Stich.«

»Ich kann Ihnen das Gegenteil nicht nachweisen«, meinte Anwalt Mike Rander und lächelte amüsiert, »mit anderen Worten, Sie wollen diesen Steve Morgan umgehend aufsuchen, oder?«

»Ich hoffe, Sir, Sie billigen meinen Entschluß.«

»Nur dann, wenn ich mitkommen kann«, sagte Mike Rander. »Steve Morgan ist immerhin der mutmaßliche Mörder dieses Mark Evans. Ein gefährlicher Bursche also.«

»Sir, ich wagte es nicht, Sie zu diesem Besuch einzuladen«, antwortete der Butler. »Darf ich bei dieser Gelegenheit fragen, wie Ihre Unterhaltung mit Mister Richard Hastings verlief?«

»Nun ja, Hastings ist froh, daß wir bleiben und nachforschen. Er ist nach wie vor überzeugt, daß sein Sohn ermordet worden ist. Mit Beweisen oder Verdachtsmomenten konnte er allerdings nicht aufwarten. Er verläßt sich auf sein Gefühl.«

»War Mister Hastings bekannt, warum nur so verzweifelt wenige Trauergäste den Sarg begleiteten, Sir?«

»Das hat Hastings kaum überrascht. Er ist der Ansicht, daß sein Junge nur so lange interessant war, wie er zahlte und mit dem Geld nur so um sich warf. Nach Glenns Tod blieben die angeblichen Freunde einfach weg. Für sie gab’s nichts mehr zu holen.«

»Konnten Sie feststellen, Sir, welche Personen dem Trauerzug folgten?«

»Natürlich... Es handelte sich ja schließlich nur um sechs Personen. Da war erst einmal Richard Hastings, dann seine Frau, übrigens die zweite nach der Scheidung von der ersten, dann Hastings Sekretär und dann drei Herren seiner Ölgesellschaft. Das war schon alles.«

»Überraschend, nicht wahr, Sir?«

»Stimmt haargenau, Parker. Aber ich muß hier einschalten, daß Mister Hastings keinen Wert darauf legte, möglichst viele Trauergäste einzuladen. Er wollte die Beerdigungszeremonie bewußt klein halten.«

»Recht ungewöhnlich, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf, Sir.«

»Stimmt schon, Parker, immerhin war er sein einziger Sohn. Na ja, vielleicht bekommen wir noch andere Erklärungen geliefert. Im Augenblick interessiert mich nur, warum man hinter Ihnen her ist. Sie scheinen da in einem Wespennest herumgestochert zu haben.«

»Die Aktionen gegen meine bescheidene Wenigkeit, Sir, deuten einwandfrei darauf hin, daß der Verdacht Mister Hastings begründet ist. Warum würde man sonst versuchen, Ermittlungen hinsichtlich Glenn Hastings derart nachdrücklich zu stören.«

»Vielleicht bekommen wir das aus diesem Steve Morgan noch heraus«, erwiderte der Anwalt. »Ich denke, wir sollten die Abendstunden nutzen und ihn dann mal in seinem Betrieb besuchen.«

»Wenn Sie erlauben, Sir, treffe ich die entsprechenden Vorbereitungen«, antwortete der Butler, »es empfiehlt sich nämlich, einige Abwehrwaffen mitzunehmen.«

Mike Rander kam zu keiner Antwort, denn in diesem Augenblick pochte es an der Tür zu seinem Hotelapartment. Auf das »Herein« von Rander erschien ein Boy und überreichte dem jungen Anwalt ein gut verschnürtes Päckchen in der Größe einer Zigarrenkiste.

»Von wem stammt denn das?« erkundigte sich Mike Rander, während er dem Boy ein reichliches Trinkgeld gab.

»Von Mister Hastings, Sir«, antwortete der Boy, um dann das Zimmer zu verlassen.

»Von Hasting?« fragte Rander und drehte und wendete das Päckchen in der Hand. »Was mag er mir da geschickt haben, Parker?«

»Vielleicht eine handlich verpackte Sprengladung, Sir«, erwiderte der Butler.

»Ich weiß, Parker, Ihr Sinn für skurrile Witze ist ausgeprägt«, meinte Anwalt Rander. Er legte das Päckchen auf den Schreibtisch und wollte sich daran machen, die Verschnürung aufzuschneiden.

»Ich wollte keineswegs scherzen, Sir«, gab der Butler zurück. »Wenn Sie erlauben, werde ich Ihnen die Arbeit des Aufschnürens abnehmen.«

»Sie trauen dem Braten wirklich nicht?« fragte Rander und lächelte nun nicht mehr amüsiert.

»Nein, Sir... Aber Sie könnten doch Mister Hastings anrufen und sich nach diesem Päckchen erkundigen.«

»Das werde ich tun, Parker. Jetzt will ich es wissen...!«

Mike Rander schielte nun besorgt auf das Päckchen, das sich in Parkers Hand befand. Nun spürte auch er die tödliche Bedrohung, die von diesem Geschenk ausging.

»Wenn Sie erlauben, Sir, werde ich mich hinüber ins Badezimmer begeben«, sagte Josuah Parker, »im Falle einer Explosion dürfte die Katastrophe dann auf ein erträgliches Maß gehalten werden können...!«

»Nun?« fragte Mike Rander eine knappe Viertelstunde später, als sein Butler wieder im Apartment erschien. Er merkte sofort, daß Parkers gleichgültige Gelassenheit diesmal nur gespielt war. Was höchst selten war, war jetzt zu sehen. Auf Parkers Stirn standen kleine, diskrete Schweißtröpfchen, ein Zeichen, daß Parker im wahrsten Sinne des Wortes mit einem Höllenfeuer gespielt hatte.

»Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, Sir, daß ich den Zünder unschädlich machen konnte«, sagte Parker. »Es handelte sich tatsächlich um eine Sprengladung. Meiner bescheidenen Ansicht nach hätte sie ausgereicht, einige zusätzliche Apartments dieser Hoteletage in die Luft fliegen zu lassen.«

Mike Rander zündete sich eine Zigarette an und sah immer wieder hinüber auf das Päckchen, das Parker jetzt auf den Schreibtisch stellte. Es sah wieder gut verschnürt und völlig neuwertig aus. Es war einfach nicht zu sehen, daß es geöffnet worden war.

»War’s schwer?« fragte Rander und tat einen tiefen, erleichterten Zug.

»Es handelte sich um einen Kombinationszünder«, erläuterte Josuah Parker, »es gab einen Säurezünder und einen Druckzünder, der beim Aufschnüren des Päckchens tödlich gewirkt hätte.«

»Verdammte Schweinerei«, schimpfte Rander, »jetzt werden wir der Polizei mal ein Licht aufstecken. Jetzt steht doch einwandfrei fest, daß mit dem Unfall von Glenn Hastings einiges nicht in Ordnung gegangen ist. Warum würde man sonst versuchen, uns in die Luft zu sprengen?«

»Darf ich eine kleine, bescheidene Bitte äußern, Sir?«

»Was haben Sie auf Lager, Parker?«

»Könnte man dieses Gespräch mit der Polizei nicht noch etwas hinauszögern?«

»Was versprechen Sie sich davon?«

»Einen zeitlichen Vorsprung«, erläuterte der Butler. »Vorher würde ich gern die Firma ›Cleaning-Brothers‹ aufsuchen, in der Steve Morgan als Vormann angestellt ist.«

»Das kann aber die Höhle des Löwen sein.«

»Nur möglicherweise, Sir. Ich denke, daß ich hinlänglich geschützt bin.«

»Wieso nur Sie?«

»Darf ich Ihnen vorschlagen, Sir, einer gewissen Miß Susan Clearborn einen Besuch abzustatten?«

»Die Freundin von Glenn Hastings?«

»In der Tat, Sir, jene blonde junge Dame, die erst nach der Beerdigung ihres Freundes auf dem Friedhof zu sehen war.«

»Gut, aber wollen Sie allein zu dieser Reinigungsfirma?«

»Allein, Sir, aber in Begleitung dieses handlichen Päckchens.«

»Sie glauben, daß das Sicherheit genug bedeutet?«

»Ich bin dessen fest überzeugt, Sir!«

»Die Firma Cleaning-Brothers war nördlich von Venice in einer ehemaligen Spinnstoff-Färberei untergebracht, was sich an dem verwaschenen Firmenschild neben dem Eingang noch deutlich ablesen ließ. Es handelte sich um ein flachgedecktes, zweistöckiges Fabrikgebäude, an dem der sprichwörtliche Zahn der Zeit schon beträchtlich herumgeknappert hatte.

Die Werksfenster blitzten hingegen in der untergehenden Sonne. Als Reinigungsfirma mußte man schließlich auf Sauberkeit halten. Der langgestreckte Bau war der Teil einer Kette kleiner und mittlerer Betriebe, die zu, beiden Seiten die enge und düster wirkende Straße säumten.

Parker stellte sein hochbeiniges Monstrum vor den Bürofenstern der Reinigungsfirma ab und schritt würdevoll auf den Eingang zu. Der Universal- Regenschirm hing korrekt am linken Unterarm. In der linken Hand hielt Parker das kleine, zigarrenkistchengroße Päckchen, das man Mike Rander und ihm ins Hotel geschickt hatte.

Er konnte kaum hoffen, um diese Zeit noch irgendeinen Angestellten zu finden Büroschluß war längst vorüber. Wie gesagt, die Sonne sank bereits rapide. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis es dunkel wurde.

Zu seiner freudigen Überraschung war die Eingangstür noch geöffnet. Parker stieß sie auf und betrat die kleine Vorhalle, in der sich auch der Schalter zur Portiersloge befand. Diese Loge war leer. Parker blieb stehen und sah sich suchend um.

Dabei fiel sein Blick hinaus auf den kleinen Vorplatz der Reinigungsfirma. Er sah einen Kleinlieferwagen, der gerade mit Schwung und Tempo herankam und dann neben seinem hochbeinigen Monstrum parkte.

Zwei Männer in Overalls stiegen aus dem Wagen und kamen auf den Eingang zu.

Parker stellte sich hinter eine Säule und wartete ab.

Die beiden in Overalls gekleideten Männer traten ein. Sie blieben ebenfalls stehen und sahen sich um.

»Wo ist der Bursche?« fragte der größere der beiden Männer. Er wirkte ungemein fleischig und massig. Er war einer jener Typen, die sich, um beim Volksmund zu bleiben, glatt ein Klavier an die Uhrkette hätte binden können.

»Keine Ahnung Butch«, sagte der zweite Mann. Er war schlank und sah durchschnittlich aus. Hervorstechend war nur seine mehr als hohe Stirnglatze, auf der eine lange Narbe zu sehen war.

»Weit kann er noch nicht sein, Red«, meinte Butch, der nervös und aufgedreht wirkte. »Los, sehen wir nach...!«

Butch und Red verschwanden in dem Korridor, der sich an die kleine Vorhalle anschloß. Ihre Schritte verliefen sich irgendwo im Gebäude.

Parker verließ die Deckung und ging hinaus auf den Vorplatz. Er sah sich den Lieferwagen etwas genauer an. Der Aufschrift nach mußte es sich um ein Fahrzeug der Reinigungsfirma handeln. Und es war offensichtlich, daß der fette Butch und der magere Red ihn gemeint hatten, als sie von einem Burschen gesprochen hatten. Parker mußte sich eingestehen, daß er die ganze Zeit während der Fahrt beschattet worden war, ohne daß er es bemerkt hatte....

Wahrscheinlich stand das Hotel, in dem er zusammen mit Mike Rander wohnte, unter Dauerbeobachtung gewisser Gangster um Steve Morgan.

Um eine zweite, mögliche Verfolgung im Anschluß an diesen Besuch zu verhindern, beugte der Butler sich zum rechten Zwillingsreifen des Schnellasters hinunter und spielte an den Ventilen der Pneus. Zufrieden richtete er sich auf, als die unter Druck stehende Luft mit scharfem Zischen entwich. Dann schritt der Butler zurück in die Vorhalle der Reinigungsfirma und nahm in einem der Besuchersessel neben einer mittelgroßen Zimmerpalme Platz.

Er wollte warten, bis die beiden Reinigungsmänner dann zurückkamen.

Parker hatte kaum Platz genommen, als draußen auf dem Vorplatz ein weiterer Wagen herankam.

Parker nahm interessiert zur Kenntnis, daß diesem Wagen ein gewisser Steve Morgan entstieg...!

*

Selbstverständlich blieb der Butler in seinem Sessel sitzen. Für unnötige Bewegung war er noch niemals gewesen. Er ließ die Dinge immer gern an sich herankommen.

Steve Morgan riß die Tür zur Vorhalle auf und übersah den Butler, der dank seiner schwarzen Berufskleidung in der fast dunklen Besucherecke kaum zu erkennen war. Steve Morgan blieb stehen und lauschte offensichtlich in das Haus hinein.

Wenig später waren schnelle Schritte zu hören. Fleischkloß Butch und Glatzennarbe Red kamen zurück. Sie waren leicht außer Atem.

»Habt ihr ihn?« fragte Steve Morgan nervös.

»Wie vom Erdboden verschwunden«, meldete Butch. »Er muß sich irgendwo oben verkrochen haben.«

»Verdammter Mist«, schimpfte Morgan, »so ’ne Type kann doch nicht einfach verschwinden. Irgendwo muß er doch sein!«

»Eine durchaus zutreffende Bemerkung«, meldete Josuah Parker sich in diesem Augenblick von seinem Sessel her zu Wort. »Wenn mich nicht alles täuscht, suchen Sie Kontakt mit mir, nicht wahr?«

Wahrend er redete, stand er schon auf und ging gemessen auf die drei völlig verdutzten Männer zu, die ihn irritiert ansahen.

»Parker...?!« stieß Steve Morgan schließlich gepreßt hervor. »Wie... wie kommen Sie denn hierher?«

»Auf dem Weg, den Sie vermutet haben«, gab der Butler zurück, »Mark Evans war vor seinem Tod so frei, mir von Ihnen zu erzählen. Unter anderem übrigens...! Er setzte mir noch mehr auseinander, aber darüber an anderer Stelle mehr und ausführlicher.«

Butch und Red sahen Steve Morgan in gespannter Aufmerksamkeit an. Sie warteten wohl auf ein ganz bestimmtes Kommando. Es ließ nicht lange auf sich warten.

»Los, Jungens!« kommandierte Steve Morgan und grinste. »Jetzt seid ihr an der Reihe...!«

Butch grinste im Vorgefühl tiefer Freude. Er gierte danach, den Butler zwischen seine behaarten Pranken zu bekommen. Red hechelte vor Lust wie ein Jagdhund. Beide Schläger freuten sich darauf, endlich einmal wieder richtig zulangen zu dürfen.

Langsam marschierten sie auf Parker zu, der steif und würdevoll wie ein fleischgewordener Protest stehen blieb. Steve Morgan zündete sich eine Zigarette an. Für ihn war dieser Fall bereits so gut wie gelaufen.

»Würden Sie mal bitte halten?« fragte Parker, ließ das gut verschnürte Päckchen sehen, das bisher vom Regenschirm verdeckt gewesen war.

Steve Morgan, der die Zigarette gerade zum Mund hochführen wollte, hielt mitten in dieser Bewegung ein.

Seine Augen quollen fast aus den Höhlen. Sein häßliches Gesicht verfärbte sich.

»Bleibt... bleibt stehen, Jungens!« sagte er dann leise und mit plötzlich heiserer Stimme.

Butch und Red verstanden sofort.

»Bleibt stehen, Jungens!« Steve Morgans Stimme wurde zu einem gepreßten Flüstern. »Dieser Idiot hat das Päckchen bei sich...!«

»Meinen Sie diese Geschenksendung?« erkundigte sich Parker und hielt das zigarrenkistengroße Päckchen freundlich hoch, »darf ich mich dieser Last entledigen?«

Und bevor Steve Morgan wußte, was ihm blühte, warf Parker ihm das gut verschnürte Päckchen geschickt zu.

Gegen seinen Willen, oder auch sehr bewußt, genau ließ sich das nicht feststellen, schnappten Morgans Hände nach der kleinen Luftfracht.

Er fing es nicht ganz korrekt auf.

Das Päckchen entglitt seinen Händen, drohte zu Boden zu fallen.

Steve Morgan stöhnte auf. Gleichzeitig ging er in die Knie und griff erneut nach dem Päckchen. Es gelang ihm, es kurz vor dem Auftreffen auf den Boden gerade noch in die Hände zu bekommen.

Vorsichtig richtete Morgan sich wieder auf. Aus ängstlichen Augen schielte er auf die Geschenksendung in seiner Hand.

»Stimmt etwas nicht?« erkundigte sich Parker mit erstaunter Stimme.

»Wo... wo... woher haben Sie das Ding?« fragte Morgan leise.

»Es wurde im Hotel für Mister Rander abgegeben«, antwortete der Butler. »Da mein junger Herr im Augenblick nicht zu erreichen war, habe ich es an mich genommen.«

»Mann«, flüsterte Steve Morgan nur, »Mann...!«

»Was is’ denn, Chef?« erkundigte sich Butch, der sich um seine Aktionen gebracht sah. »Nehmen wir die Type nun hoch oder nicht?«

»Stehenbleiben!« befahl heiser Steve Morgan und hielt das Päckchen so weit von sich, wie es gerade noch ging, »keine falschen Bewegungen, Jungens, sonst geht das Ding hoch!«

»Welches Ding?« erkundigte sich Red ahnungslos. Er wußte genauso wie sein Partner Butch offensichtlich nicht, was dieses Päckchen enthielt.

»Das hier«, keuchte Steve Morgan, auf dessen Stirn sich dicke Schweißtropfen gebildet hatten. »Sprengstoff... Und dann noch ’n Säurezünder. Das Ding kann jeden Moment hochgehen! Da muß sich was verklemmt haben.«

Butch und Red sahen sich schnell' an.

Dann handelten sie völlig normal.

Sie ließen ihren Vormann stehen. Auf Zehenspitzen machten sie sich schleunigst davon. Sie hatten es so eilig, daß sie zusammen und gleichzeitig durch die Tür nach draußen wollten.

Es kam zu einer kleinen Stauung. Jeder der beiden Männer wollte als erster nach draußen. Sie knufften und drängelten sich gegenseitig ab, bis sie es endlich geschafft hatten. Kaum draußen, rannten sie auf ihren Wagen zu und gingen hinter ihm in Deckung.

»Sprachen Sie gerade von Sprengstoff und von einem Säurezünder?« fragte Parker, sich an Steve Morgan wendend, der wie angewurzelt stehengeblieben war. »Darf ich fragen, woher Sie dieses Wissen nehmen? Sollten Sie etwa dieses Päckchen angefertigt und übersandt haben?«

»Das Ding kann jeden Moment losgehen«, keuchte Morgan.

»Dann wäre ich an Ihrer Stelle aber ungemein vorsichtig«, sagte der Butler, »Sie werden verstehen, daß ich unter diesen Umständen eine angemessene Distanz zwischen Ihnen und meiner bescheidenen Wenigkeit legen werde. Seien Sie vorsichtig!«

Parker lüftete grüßend seine schwarze Melone und ließ Steve Morgan stehen.

»Parker... Parker...!« heulte Steve Morgan, der sich nicht zu rühren wagte.

»Denken Sie daran, daß der Schlagbolzen des Säurezünders sich verklemmt haben könnte«, sagte Parker warnend von der Tür her, »an Ihrer Stelle, Mister Morgan, würde ich keine unnötige Bewegung machen. Sie könnte sonst sehr leicht schlimme Folgen haben...!«

Parker ließ die Eingangstür hinter sich zuschnappen und ging würdevoll auf seinen Wagen zu..

»Nee, so nicht, Parker«, redete Butch ihn da an, der kurzfristig hinter dem Lieferwagen hervortrat. »Abhauen wollen, was? Aber nicht bei uns! Los, Flossen hoch!«

»Ich muß ehrlich gestehen, daß mir Ihre Tonart nicht sonderlich gefällt«, sagte Parker und schüttelte leicht verweisend den Kopf, »Sie sollten sich selbst in diesen Situationen an die Grundregeln der allgemeinen Höflichkeit halten!«

»Red, filz’ ihn nach Waffen ab!« kommandierte Butch und nickte seinem glatzköpfigen Partner zu, der schüchtern und scheu, immer wieder zum Eingang hinüberschielend, vorsichtig hinter dem Lieferwagen hervortrat.

Während Parker gehorsam die Arme hochhob, entdeckte Red die Schußwaffe des Butlers. Es handelte sich um einen vorsintflutlich aussehenden, alten 45er Colt, der schon zu Zeiten Buffalo Bills nur in einem Antiquariat zu finden gewesen wäre.

Leichtsinnig, wie Gangster es nun meist sind, wenn sie sich in der Überzahl befinden, nahm Red diese Waffe an sich und grinste verächtlich.« Komisches Ding, nur noch als Totschläger zu verwenden, wie?«

»Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß der Hahn gespannt ist?« sagte Parker, »ich möchte nicht, daß Sie schaden nehmen.«

Red stutzte, sah den gespannten Hahn und sicherte die Waffe.

»Blöder Leichtsinn«, schimpfte er dann, um den 45er umgehend in seine Hosentasche zu stecken. Er ahnte nicht, was er angestellt hatte. Was nicht weiter verwunderlich war, denn er kannte den Butler ja nicht. Er wäre sonst mißtrauisch gewesen und hätte Parkers Warnung gründlicher überdacht.

»Wo bleibt der Chef?« fragte Butch nervös.

»Keine Ahnung, ist schließlich sein Problem...!« Red grinste, zumal er aus der Reich- und Sprengweite des Päckchens war, »tut Morgan mal ganz gut, Blut und Wasser zu schwitzen!«

»Los, Parker, steigen Sie schon in den Lieferwagen ein«, kommandierte Butch und fuchtelte mit seiner Handfeuerwaffe herum. »Hochgehen werden Sie so oder so, wetten? Wenn nicht mit dem Sprengstoff, dann eben durch uns!«

»Ich will und kann mich Ihrer freundlichen Einladung nicht verschließen«, sagte Parker. »Mit anderen Worten, ich beuge mich der Gewalt.«

»Und ob!« sagte Butch drohend »Uns legen Sie nicht aufs Kreuz...!«

Er schien mit seinem Satz das sprichwörtliche Stichwort gegeben zu haben.

Red, der Parkers 45er eingesteckt hatte, brüllte plötzlich auf, als sei er von einer Tarantel gebissen worden. Er sprang aus dem Stand etwa 12 bis 15 Zentimeter senkrecht in die Luft und fuchtelte gleichzeitig mit den Armen herum.

Was durchaus verständlich war, denn aus seiner Hosentasche quoll eine Rauchwolke hervor, die nach Feuer und angesengtem Stoff roch.

Nachdem Red wieder fest den Boden unter seinen Füßen hatte, riß und zerrte er die Wunderwaffe des Butlers aus seiner Hosentasche. Er schmetterte sie zu Boden, rieb sich den Oberschenkel, klopfte sich einen kleinflächigen Brand am Hosenbein aus und jagte dann im wilden Zick-Zack auf dem Vorplatz umher eine dichte Rauchwolke hinter sich lassend.

Butch sah seinem Partner entsetzt nach.

Er konnte sich diese plötzliche Aktivität überhaupt nicht erklären. Ihm war und blieb unverständlich, wieso und warum Red diesen verzweifelten Spurt aufs Pflaster legte.

Er konnte ja nicht wissen, daß der Griffkolben von Parkers 45er einen handlichkleinen Brandsatz enthielt, der nach dem Schließen des Abzughahns nach genau 30 Sekunden automatisch gezündet wurde, um dann Feuer zu sprühen.

Red kurvte gerade an Butch und Parker vorbei.

Parker beobachtete Butch, der seinem wieder enteilenden Partner irritiert nachschaute.

Dann langte der Butler mit dem bleigefütterten Griff seines Regenschirms zu und sorgte dafür, daß Butch sich nicht mehr mit seiner Handfeuerwaffe abzuschleppen hatte...

*

Butch starrte auf die am Boden liegende Waffe. Dann warf er sich ohne jede Voranmeldung auf den Butler und hatte die feste Absicht, ihn mit einigen gewaltigen Schwingern zu Boden zu schlagen.

Er schlug auch tatsächlich zu, doch er traf nicht.

Parker war geschickt zur Seite ausgewichen und ließ die Schwinger als Nieten durch die Luft zischen. Da er es aber verabscheute, sich mit anderen Leuten zu prügeln, kürzte er das Verfahren dieser Meinungsverschiedenheit erheblich ab.

Ohne daß Butch es sah, klappte er seinen Siegelring auf, den er am Ringfinger der linken Hand trug und blies sanft in die freigewordene Aushöhlung hinein.

Butch wurde von einem feinen, grauweißen Puder getroffen und eingestäubt. Es waren vor allen Dingen seine Augen, die eine nicht zu unterschätzende Prise mit abbekamen.

Das Resultat war verblüffend.

Butch, ein bärenstarker Mann, brutal und rücksichtslos, begann ohne jeden Übergang zu weinen. Dicke Tränen quollen aus seinen Äugen. Sie rollten über die ziemlich unrasierten Wangen und vertropften auf seiner Hemdbrust.

Butch riß die Hände hoch. Er hatte das verständliche Bestreben, sich die tränenden und angereizten Augen zu reiben. Dadurch verschlimmerte er den Reizeffekt nur noch. Hilflos, mit den Händen herumfuchtelnd, tappte er im Kreis herum.

Währenddessen steuerte Red mit brennender Hose einer respektablen Wasserpfütze zu, die er rechts vom Eingang auf dem kleinen Parkplatz entdeckt hatte.

Er warf sich hechtend in diese Pfütze hinein.

Zischend erlosch der Brand. Eine letzte Rauchwolke kräuselte sich zum Abendhimmel hoch. Dann blieb Red sitzen und genoß nur noch die wohltuende Kühle. Den Butler hatte er vollkommen vergessen.

In diesem Augenblick stürzte Steve Morgan aus der Halle hervor. Sein Gesicht war wutverzerrt und noch häßlicher als sonst. Er schäumte vor Rache. In der Hand hielt er das Päckchen.

»Sie... Sie verdammter Schwindler«, brüllte er und warf Parker das Päckchen vor die Füße. »Das Ding war ja leer...«

»Da muß ich aber nachdrücklich widersprechen«, gab der Butler würdevoll zurück. »Soweit ich mich erinnern kann, war das Päckchen mit Toilettenseife und Badesalz hinreichend gefüllt. Sie nehmen es mir bitte nicht übel, daß ich den ursprünglich im Päckchen befindlichen Sprengstoff dagegen austauschte. Wie leicht hätte sonst etwas passieren können...!«

*

»Ich denke, wir unterhalten uns in aller Form und Ruhe«, schlug der Butler weiter vor, »ich hoffe, Sie sind mit meinem bescheidenen Vorschlag einverstanden, Mister Morgan.«

Steve Morgans Kiefer mahlten. Dicke Muskelstränge zeichneten sich oberhalb der Backenknochen ab. Mißtrauisch glitten seine Augen über den Butler, der ganz steif und würdevoll vor ihm stand. Morgan wollte es ganz einfach nicht in den Kopf hinein, daß dieser skurril aussehende Mann nach wie vor immer noch Herr der Situation war.

Anschließend sah Morgan sich in der Runde um. Er wollte sehen, was aus seinen Hilfstruppen geworden war.

Er hatte keinen Grund, begeistert zu sein.

Der Gangster Red saß nach wie vor in der Wasserpfütze. Auf seinem Gesicht spiegelte sich der Genuß wider, der ihm das kühle Naß bereitete. Red war offensichtlich nicht daran interessiert, noch einmal in die Auseinandersetzung einzugreifen.

Butch aber, dieser mächtige Fleischkloß, heulte immer noch wie ein Schloßhund. Das Reizpulver aus Parkers Siegelring brannte in seinen Augen. Auch Butch schien nichts von einer Fortsetzung der Kampfhandlungen zu halten. Und selbst wenn er das gewollt oder gewünscht hätte, so hätten die tränenden Augen ihn mit Sicherheit daran gehindert.

»Darf ich mein Angebot noch einmal wiederholen?« erkundigte sich der Butler.

»Wovon reden Sie eigentlich?« fuhr Steve Morgan ihn wütend an. »Ich weiß überhaupt nicht, was Sie wollen. Wer sind Sie eigentlich? Ich habe Sie noch nie gesehen?«

»Ich verstehe Ihre Taktik«, antwortete Parker würdevoll, »Sie leugnen sowohl den Mord an Ihrem Mitarbeiter Mark Evans als auch die Übersendung der Sprengstoffpackung, nicht wahr?«

»Eine Gegenfrage, Parker, wie wollen Sie mir das alles beweisen?« Steve Morgan grinste. »Falls Sie es wirklich mit einer Anzeige versuchen, steht Behauptung gegen Behauptung. Das ist Ihnen doch klar, oder?«

»Ich werde Mittel und Wege finden, Sie zur Verantwortung zu ziehen«, antwortete der Butler gelassen.

»Wenn Sie sich nur, nicht täuschen, Parker«, warnte Steve Morgan, »ab sofort weiß ich genau, wen ich im Visier behalten muß. Sie haben nur noch eine einzige Chance! Hauen Sie schleunigst ab! Oder Sie können Evans bald in der Hölle besuchen!«

»Haben Sie solche Angst, meine bescheidene Wenigkeit könnte hinter das Geheimnis kommen, das den Tod des Mister Glenn Hastings umgibt?«

»Wer ist eigentlich Glenn Hastings?« tat Steve Morgan ahnungslos.

»Jener junge Mann, der im Sturm ertrank.«

»Nie von gehört«, meinte Steve Morgan und schüttelte grinsend den Kopf. »Wo soll denn das passiert sein?«

»Lassen wir das«, antwortete der Butler. »Ich werde mir erlauben, mich an die Worte Ihres früheren Mitarbeiters Mark Evans zu halten.«

»Evans hat niemals gewußt, wo es längsgeht«, erklärte Steve Morgan aufgebracht.

»Hoffentlich wissen Sie es wenigstens.«

»Wieso? Worauf spielen Sie an, Parker?«

»Auf die Tatsache, daß ich mir nicht vorstellen kann, daß ein mehr oder weniger hirnloser Gangster und Schläger wie Sie aus einem rein persönlichen Interesse heraus die Nachforschungen um den Tod Glenn Hastings’ verhindern will. Mit anderen Worten und für Sie vielleicht verständlicher, auch Sie, Mister Morgan, sind nur ein kleiner, unbedeutender Handlanger, der sich allerdings nicht scheut, einen Mord zu begehen. Was muß für Ihren Hintermann also auf dem Spiel stehen?! Eine reizvolle Aufgabe, eine Antwort auf diese Frage zu finden.«

Ohne sich weiter um den völlig verdutzten Gangster zu kümmern, wandte der Butler sich ab und schritt gemessen auf seinen Wagen zu. Er schien total vergessen zu haben, daß er einem Mörder seinen Rücken zukehrte.

Steve Morgan sah dem Butler aus zusammengekniffenen Augen nach. Wut und Haß wallten in ihm hoch. Er spielte mit dem Gedanken, seine Schußwaffe zu ziehen und einfach auf den davonschreitenden Butler zu schießen.

Ein unerklärlicher Respekt hinderte ihn daran. Und auch so etwas wie Angst, ein Gefühl, das Steve Morgan bisher fremd gewesen war. Er wußte mit diesem Butler einfach nichts anzufangen. Solch ein Mensch war ihm in seinem Leben noch nie über den Weg gelaufen.

Steve Morgan verzichtete deshalb darauf, seine Waffe zu ziehen. Aber er schwor blutige Rache. Er wollte den Butler bei nächstbester Gelegenheit umbringen. Und je früher desto besser!

*

Als Parker ins Hotel zurückkehrte, warteten zwei Männer auf ihn. Sie trugen dunkelgraue Anzüge und hatten ausdruckslose, glatte Gesichter. Sie fingen ihn bereits dicht hinter der Reception ab.

»Mister Parker?« fragte der kleinere der beiden Männer. Er war etwa vierzig Jahre alt, schlank und hatte dichtes, kurzes, festes Haar.

»Das ist in der Tat mein Name«, gab der Butler zurück. »Und mit wem habe ich die Ehre?«

»Ich bin Roger Barrings«, gab der Mann zurück. Dann wies er auf seinen Begleiter und stellte weiter vor: »Das ist Norman Localli.«

»Sehr erfreut, Sie zu sehen, Mister Localli«, sagte Parker und nickte dem zweiten Mann zu, der südländisch wie sein Name aussah.

»Können wir Sie sprechen?« fragte Localli höflich.

»Ich stehe zu Ihrer Verfügung«, antwortete Parker. »Ich darf wohl unterstellen, daß Sie irgendeiner staatlichen Behörde angehören, nicht wahr?«

»Wir sind vom FBI«, kam die kaum überraschende Antwort für den Butler.

»Ich nehme sicher an, daß Sie sich ausweisen können, nicht wahr?« fragte Parker.

Barrings und Localli zeigten Parker die Ausweise, die der Butler erst einmal gründlich studierte. Dann nickte er zustimmend und reichte die Ausweise zurück.

»Sie kommen in Sachen Glenn Hastings, wenn mich nicht alles täuscht?« erkundigte er sich dann.

Barrings und Localli warfen sich einen schnellen Blick zu. Dann lächelte Barrings.

»Sie sind ein Fuchs«, meinte er konsequent, »setzen wir uns rüber in die Bar, Mister Parker?«

»Gegen einen guten französischen Cognac hätte ich in der Tat nichts einzuwenden«, erklärte der Butler. »Zudem haben Sie einen alten, müden und hinreichend verbrauchten Mann neugierig werden lassen.«

Die drei Männer nahmen in der Bar Platz. Sie fanden eine abseits gelegene Nische, in der sie sich ungestört unterhalten konnten. Nachdem Parker die erforderlichen Getränke bestellt hatte, sah er die beiden FBI-Beamten Barrings und Localli ruhig und geduldig an.

»Es handelt sich tatsächlich um Glenn Hastings«, begann Barrings. »Wir haben auf dem Umweg über die Kriminalpolizei davon gehört, daß Sie sich für den Tod von Glenn Hastings interessieren.«

»Ich möchte das auf keinen Fall abstreiten«, sagte Parker.

»Sergeant Odgen hat uns berichtet, daß Sie bereits massiven Ärger hatten. Man hat versucht, Sie umzubringen, ja?«

»Wenn Sie erlauben, wiederhole ich meine an sich unwichtige Geschichte gern noch einmal«, antwortete der Butler. Er setzte sich zurück, prüfte den gerade servierten Cognac, nickte zufrieden und begann mit seiner Geschichte. Er hielt sich genau an das, was er Sergeant Odgen bereits erzählt hatte.

Parker überging allerdings Details, die einen gewissen Steve Morgan und dessen beide Mitarbeiter Butch und Red anbetraf. Diese Namen behielt er erst einmal für sich.

»Genau das hat Odgen uns auch schon erzählt«, meinte Localli, als Parker geendet hatte. »Hat sich inzwischen sonst noch was ereignet? Haben die Gangster versucht, Fühlung mit Ihnen aufzunehmen?«

»Richtig, ich vergaß die Geschenksendung«, erinnerte sich Parker. »Es handelte sich um Sprengstoff brisantester Art, der mittels eines kombinierten Zeit-Säurezünders gezündet werden sollte.«

»Wie bitte?« Barrings und Localli sahen den Butler überrascht an. Dann fügte Barrings hinzu: »Wo ist das Höllenpaket jetzt, Mister Parker?«

»Oben, in meinem bescheidenen Hotelzimmer«, erklärte der Butler. »Sie brauchen nichts zu befürchten. Mit Zündern dieser Bauart kenne ich mich genau aus, wenn ich das bescheiden sagen darf. Ich hatte seinerzeit einmal die hohe und große Ehre, für den Earl of Dukesberry Dienst zu tun. Der Earl war in seiner Freizeit begeisterter Feuerwerker. Ich lernte auf diesem Spezialgebiet sehr viel von ihm.«

»Hoffentlich«, sagte Localli. »Aber weshalb wir hier sind, Parker. Um es kurz und bündig zu machen. Halten Sie sich aus dem Fall Glenn Hastings heraus, klar?«

»Wie darf ich diesen Hinweis auslegen?« wollte der Butler wissen.

»Geheim!« antwortete Barrings. »Wir können soviel mitteilen, daß das FBI selbst an diesem Fall arbeitet. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.«

»Es gibt also einen Fall Glenn Hastings, Sir?«

»Es gibt ihn... Und deshalb werden Sie sich heraushalten. Laien und zu eifrige Privatdetektive können wir nicht brauchen, sie würden unsere Ermittlungen nur stören und gewisse Leute unnötig warnen oder kopfscheu werden lassen. Haben wir uns deutlich genug ausgedrückt?«

»Ich denke doch, Sir«, gab Parker zurück, »ich muß aber gestehen, daß Sie meine Neugier geweckt haben. Sollte Mister Glenn Hastings in Staatsaffären verwickelt gewesen sein? Sollte er doch ermordet worden sein?«

»Darauf werden wir nicht antworten, Parker«, schaltete Localli sich ein. »Hauptsache, Sie halten sich an unsere Warnung. Ab sofort existiert für Sie kein Glenn Hastings mehr! Ist das klar?«

»Wir werden darüber auch noch mit Ihrem Arbeitgeber, Mike Rander, ausführlich reden«, sagte Localli. »Jede Einmischung in unsere Ermittlungen kann sehr viel Ärger machen. Denken Sie daran!«

»Darf ich mir wenigstens eine Frage erlauben?« erkundigte der Butler sich.

»Fragen Sie«, war die knappe Antwort von Barrings.

»Haben Sie schon gegen Mister Hastings ermittelt, als er noch lebte?«

»Richtig, Parker. Und nun werden Sie auch verstehen, warum wir jede laienhafte Einmischung vermeiden müssen. Sollten Sie es dennoch versuchen oder gar tun, werden wir Sie zur Verantwortung ziehen!«

»Sie können sich fest auf mich verlassen, Sir«, erwiderte der Butler in seiner üblichen, doppelsinnigen Art, »noch eine allerletzte Frage.«

»Machen Sie schnell, wir haben noch viel zu tun.« Localli erhob sich bereits.

»Weiß oder wußte Mister Richard Hastings von diesen FBI-Ermittlungen, Sir?«

»Nicht direkt«, erwiderte Barrings und stand ebenfalls auf. »Und er braucht es auch nicht zu wissen, klar? Haben wir uns verstanden?«

Parker erhob sich nun ebenfalls.

»Seien Sie doch so freundlich und nehmen Sie gleich den Sprengstoff samt Zünder mit«, sagte er, als er die beiden FBI-Beamten hinüber in die Lounge begleitete, »vielleicht ergeben sich aus diesen wichtige Hinweise für Sie. Vielleicht finden Sie sogar heraus, wer diesen Sprengstoff hinauf ins Hotelzimmer geschickt hat. Meine bescheidenen Kenntnisse reichen leider nicht aus, um solche Details zu klären!«

*

»Eine klassische Zwickmühle«, meinte Anwalt Rander eine knappe Stunde später, nachdem auch er sich mit den beiden FBI-Beamten Barrings und Localli unterhalten hatte. »Fettnäpfchen, wohin man schaut. Die Gangster um diesen Steve Morgan sind sauer auf uns, hinzu kommen die beiden FBI-Beamten, die uns ausschalten wollen.«

»Eine äußerst delikate Situation«, räumte Josuah Parker freundlich ein. »ich darf meiner bescheidenen Freude darüber Ausdruck verleihen, daß ich den Namen Steve Morgan vergaß zu erwähnen.«

Josuah Parker und sein junger Herr hielten sich in einem kleinen Feinschmeckerlokal hart an der Küste auf und hatten ihr Dinner gerade hinter sich gebracht. Parker hatte Mokka kommen lassen und schob seinem jungen Herrn die Tasse in Griffnähe zu.

»Fragt sich, weshalb das FBI gegen Glenn Hastings ermittelt hat«, redete Mike Rander weiter, »es muß sich schon um eine verflixt dicke Sache gehandelt haben.«

»Die Herren Barrings und Localli, Sir, konnten und wollten noch nicht einmal mit einer Andeutung dienen. Hat Ihre Unterhaltung mit Miß Clearborn einen greifbaren Erfolg gezeitigt?«

»Susan Clearborn!« Randers Stimme bekam einen leicht verträumten Unterton, »eine rassige Blondine, Parker. Sehr attraktiv, sehr clever, wenn Sie mich fragen.«

»Sie war mit Glenn Hastings befreundet, nicht wahr?«

»Das streitet sie erst gar nicht ab, Parker. Warum sollte sie auch?! Susan Clearborn arbeitet als Sängerin in einem Nachtklub in Hollywood. Nach Glenn Hastings Tod hat sie alle Verpflichtungen abgesagt.«

»Der Tod ihres Freundes hat sie demnach sehr getroffen, nicht wahr?«

»Sieht so aus! Sie erfuhr davon, als sie in Las Vegas wegen eines Engagements verhandelte. Deshalb auch ihre Verspätung auf dem Friedhof. Sie wäre ohnehin nicht zur Beerdigung gekommen, denn Glenns Vater war gegen sie.«

»Gab es einen bestimmten Grund dafür, Sir?«

»Glenn und Susan wollten heiraten. Richard Hastings war strikt dagegen. Er ließ seinem Jungen ja sonst freie Hand und hatte nichts dagegen, daß Glenn sein Leben genoß, aber heiraten sollte er die Tochter eines seiner Geschäftsfreunde.«

Parker wollte gerade seine nächste Frage stellen, als er aufmerksam hochschaute.

»Ich fürchte, Sir«, sagte er dann, »Sie und meine bescheidene Wenigkeit bekommen ungebetenen und recht unfreundlichen Besuch.«

Mike Rander folgte Parkers Blickrichtung. Er sah - zwei gutgekleidete Männer, die schnell und zielsicher auf ihren Tisch zukamen.

»Wenn ich vorstellen darf?« Parker wandte sich den beiden Gästen zu, um dann fortzufahren: »Die Herren Butch und Red. Die weiteren Namen sind mir leider unbekannt.«

Red sah etwas leidend aus. Er schien das Abenteuer mit Parkers Colt noch nicht ganz vergessen zu haben. Die Augen von Butch waren noch immer gerötet. Sie hatten das Reizpulver aus dem Siegelring ebenfalls noch nicht ganz überstanden.

»Los, Leute«, knurrte Butch, dessen rechte Hand verdächtig in der Hosentasche ruhte, »der Boß wartet. Wenn Ihr Ärger macht, knallen wir euch hier im Laden restlos zusammen.«

»Worauf ihr Gift nehmen könnt«, fügte Red giftig hinzu. Auch seine rechte Hand stak bezeichnenderweise in der Hosentasche.

»Mister Steve Morgans Mitarbeiter«, erläuterte der Butler und erhob sich langsam.

»Ja, wenn wir derart liebenswürdig eingeladen werden, wollen wir uns auch beeilen«, meinte Anwalt Rander, der durchaus begriffen hatte, mit wem er es zu tun hatte.

»Beeilung, Leute«, redete Butch weiter. »Und keine Mätzchen wie gehabt. Diesmal legt man uns nicht aufs Kreuz!«

Der Oberkellner dienerte heran. Er fühlte instinktiv, daß etwas nicht stimmte. Fragend schaute er Mike Rander und dessen Butler an.

»Sie sind so nett und begleichen die Rechnung«, meinte Anwalt Rander, sich lächelnd an Butch wendend. Dann nickte er seinem Butler zu und marschierte los. Red blieb ihnen dicht auf den Fersen.

Butch bekam vor Wut einen hochroten Kopf. Doch er wollte jeden unnötigen Skandal vermeiden. So blieb ihm nichts anderes übrig, als tief in die Tasche zu greifen. Die Rechnung war nicht gerade mäßig zu nennen, denn Mike Rander und Josuah Parker hatten es sich schmecken lassen.

»Leider kann ich Ihnen nur mit meinem Wagen dienen«, sagte Parker, als sie draußen vor dem Restaurant standen.

»Wenn schon!« Red grinste verächtlich, »Hauptsache ist, die Kutsche hält noch eine halbe Stunde durch!«

»Wenn Sie erlauben, übernehme ich das Steuer«, schlug der Butler vor.

»Und ich bleibe neben Ihnen sitzen«, erwiderte Butch grimmig, »noch einmal, Parker, Mätzchen sind nicht drin, klar? Sonst kracht es aus allen Nähten!«

Während Parker und Butch auf den Vordersitzen Platz nahmen, verschwanden Mike Rander und sein Bewacher Red im Fond des hochbeinigen Monstrums.

Unter Knattern und Ächzen setzte das Fahrzeug sich in Bewegung. Parker saß stocksteif am Steuer und widmete sich voll und ganz dem nächtlichen Verkehr, der um diese Zeit ganz erheblich war. Erst weit nach Sonnenuntergang schienen sich die Strandviertel gefüllt zu haben.

»Sie sprachen eben von einem gewissen Boß«, fragte Parker seinen Bewacher, »meinten Sie damit zufälligerweise Mister Steve Morgan?«

»Wen denn sonst, Trottel!« gab Butch gereizt zurück. »Können Sie nicht etwas schneller fahren? Ich möchte noch vor Morgengrauen bei ihm sein!«

»Dann würde ich doch sehr raten, sich festzuhalten«, gab der Butler höflich zurück.

Dann gab er Gas!

*

Butch hielt sich wimmernd am Haltegriff fest und stierte aus hervorquellenden Augen auf die nächtliche Schnellstraße. Er hatte das untrügerische Gefühl, in einem Raketenschlitten zu sitzen.

Red klammerte sich an Mike Rander und wartete darauf, daß sie von der Straße abhoben. Mike Rander selbst stemmte sich mit aller Kraft fest und hatte sicherheitshalber die Augen geschlossen. Er wollte nicht sehen, in welchem Slalom Parker stadteinwärts brauste.

Nur Josuah Parker war nicht betroffen. Er fühlte sich endlich wieder einmal in seinem Element und genoß die anregende zügige Fahrt, wie er es ausgedrückt hätte. Er freute sich der breiten betonierten Straße und der natürlichen Hindernisse, die von den übrigen Wagen unfreiwillig gebildet wurden. Hatte er dadurch doch Gelegenheit, eine kleine Spur dessen zu zeigen, was er unter Fahrkunst verstand.

Es störte ihn im Gegensatz zu seinen Mitinsassen überhaupt nicht, daß sein hochbeiniges Monstrum zeitweilig nur auf zwei Rädern stand. Er übersah die auseinanderspritzenden Wagen, die den Weg dieses Höllengefährts auf keinen Fall freiwillig kreuzen wollten.

Butler Parker Jubiläumsbox 3 – Kriminalroman

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