Читать книгу Der exzellente Butler Parker 26 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 4

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Die Ruhe und Gelassenheit der Lady Agatha Simpson wirkte auf Josuah Parker geradezu alarmierend.

Sie stand an der Kasse eines Supermarktes und hatte zur Kenntnis nehmen müssen, daß ihre Fünf-Pfund-Banknote falsch war. Die Kassiererin hielt den Geldschein anklagend hoch und zeigte einen roten Kopf vor Eifer. Frauen und Männer in der Kundenschlange hinter Lady Agatha sparten nicht mit anzüglichen Kommentaren.

»Wiederholen Sie das, Kindchen, was Sie gerade gesagt haben«, verlangte die ältere Dame fast freundlich. »Sie unterstellen mir also, ich hätte mit Falschgeld bezahlen wollen?«

»Und ob das Falschgeld ist«, antwortete die Kassiererin aggressiv. »So etwas fühlt man doch, oder? Das ist bereits der vierte Schein heute. Zwei davon hab’ ich angenommen, aber jetzt weiß ich Bescheid.«

»Sie halten mich demnach für eine Betrügerin?«

Fernes Grollen war in der Stimme der Agatha Simpson zu vernehmen. Sie reckte sich in ihrer ganzen Größe auf und erinnerte an eine Heroine aus längst vergangener Zeit.

Lady Agatha hatte das sechzigste Lebensjahr überschritten, war groß und durchaus stattlich. Sie trug ein weites Tweed-Kostüm, bequeme, ausgetretene Schuhe und einen Hut, der zu ironischen Kommentaren herausforderte. Er erinnerte an einen mißglückten Napfkuchen, den man mit diversen Früchten des Feldes garniert hatte.

»Wenn Sie erlauben?« Butler Parker, der hinter Mylady stand, schaltete sich ein. Er strahlte alles beherrschende Autorität aus und war, was sein Aussehen betraf, das Urbild des britischen Butlers.

Parker, eine alterslos wirkende Erscheinung, langte wie selbstverständlich mit seinen schwarz behandschuhten Händen nach der Banknote und ließ sie zwischen seinen prüfenden Fingern rascheln.

Bevor er jedoch ein Urteil fällen konnte, erschien der Manager des Supermarkts an der Kasse und gab sich militant. Er forderte Lady Simpson in scharfem Ton auf, ihm zu folgen.

»Falls Sie nicht freiwillig mitkommen, werde ich Gewalt anwenden«, schloß er seine Aufforderung. »Mit schrägen Vögeln kenne ich mich aus.«

»Tun Sie sich keinen Zwang an«, meinte Agatha Simpson und brachte ihren perlenbestickten Pompadour in leichte Schwingung. Sie wartete darauf, den sogenannten Glücksbringer darin aktivieren zu können. Bei ihm handelte es sich um das Hufeisen eines Brauereipferdes, wie Eingeweihte und bisher Betroffene wußten.

»Vielleicht sollten Mylady der Bitte nachkommen«, schlug Josuah Parker vor.

»Ich will mit Gewalt abgeführt werden«, verlangte die passionierte Detektivin und blitzte den Manager an, der unwillkürlich zusammenzuckte.

»Das ... Das können Sie haben.« Der Leichtsinnige, der um die Kassenbox herumgekommen war, griff nach Myladys linkem Oberarm und ... handelte sich eine Ohrfeige ein, die vernichtend wirkte. Der schlanke, noch relativ junge Mann flog zurück und landete in einem Konservenstapel, der kunstvoll aufgeschichtet worden war. Die hübsche und nicht gerade kleine Pyramide brach in sich zusammen und begrub den Liegenden.

»So, Mister Parker, jetzt dürfen Sie mich in das Büro dieses Lümmels bringen«, schlug Agatha Simpson vor. Sie blickte die Kunden an, die sich ein wenig scheu zusammendrückten und auf jeden Kommentar verzichteten. Butler Parker lüftete die schwarze Melone und dirigierte seine Herrin nach hinten in den Supermarkt.

Der Manager des Hauses war inzwischen dabei, sich aus den Trümmern der Pyramide zu arbeiten. Er machte einen angeschlagenen Eindruck. Von seiner Militanz war nichts mehr zu sehen oder zu hören.

»Eine Unverschämtheit, mir Betrug unterstellen zu wollen«, entrüstete sich die ältere Dame. »Ich habe große Lust, dem Lümmel eine zweite Ohrfeige zu verabreichen, Mister Parker.«

»Ein durchaus verständlicher Wunsch, Mylady, zumal es an der gebotenen Höflichkeit des Mannes fehlte.«

»Ist die Banknote tatsächlich falsch?« wollte sie wissen. Sie hatte den Geldschein in Parkers Hand entdeckt.

»Es hat in der Tat den Anschein, Mylady.«

»Dann tauschen Sie ihn gegen eine echte Banknote um«, verlangte Agatha Simpson umgehend.

»Das ist bereits geschehen, Mylady«, erwiderte Josuah Parker würdevoll. »Man wird dem Manager des Supermarkts eine Lektion in Sachen Umgangston beibringen müssen.«

»Und ich werde selbstverständlich auf seelische Grausamkeit klagen«, machte sie energisch deutlich. »Über die Höhe des Schmerzensgeldes werde ich mir noch Gedanken machen, Mister Parker.«

*

»Dieser Lümmel brach förmlich in sich zusammen«, freute sich Lady Agatha ungeniert und schadenfroh. Sie befand sich in ihrem altehrwürdigen Haus in Shepherd’s Market und nahm den Nachmittags-Tee. Sie hatte ihren beiden Gästen ausgiebig berichtet, was sich im Supermarkt zugetragen hatte. In Mike Rander und Kathy Porter hatte sie mehr als aufmerksame Zuhörer.

»Sie wollen wirklich klagen, Mylady?« erkundigte sich Rander. Er glich, was sein Aussehen betraf, einem bekannten James-Bond-Darsteller, war Anwalt und verwaltete neben seiner Praxis das immense Vermögen der Dame.

Ihm zur Seite stand Kathy Porter, die immer noch offiziell die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady Agatha war. Kathy, um die dreißig, war eine attraktive Schönheit, die ein Hauch von Exotik umgab. Sie hatte mandelförmig geschnittene Augen und betonte Wangenknochen. Man sah es ihr nicht an, daß sie Meisterin in den Künsten fernöstlicher Selbstverteidigung war.

»Der Manager bot Mylady einen Warengutschein an, Sir«, beantwortete Parker die Frage des Anwalts.

»Er erfrechte sich, mir einen Gutschein im Wert von fünfzig Pfund anzubieten«, entrüstete sich die Hausherrin. »Dazu ist das letzte Wort mit Sicherheit noch nicht gesprochen, mein Junge. Ich denke, Sie sollten bereits eine Klage vorbereiten.«

»Aber die bewußte Fünf-Pfund-Note war falsch?« vergewisserte sich Kathy Porter amüsiert.

»Eindeutig, Miß Porter«, räumte Josuah Parker ein. »Der Geldschein wurde Mylady bei einer Gelegenheit, über die man noch nachdenken sollte, untergeschoben.«

»Und dabei muß man mich absichtlich abgelenkt haben«, verteidigte sich die ältere Dame vehement. »Normalerweise wäre mir doch so etwas nie passiert. Man wollte mich natürlich bewußt schädigen.«

»Wo könnte man Ihnen denn die Banknote untergeschoben haben, Mylady?« fragte der Anwalt.

»Was weiß ich, mein Junge.« Sie winkte verärgert ab. »Ich werde darüber intensiv nachdenken. Aber das kommt davon, wenn Mister Parker sich im Gedränge des Warenhauses zur Seite schieben läßt und... Moment, jetzt weiß ich genau, wann es passiert ist.«

»Sie spannen uns auf die Folter«, bekannte Mike Rander und tauschte einen amüsierten Blick mit Kathy Porter.

»Es war in der City«, erinnerte sich die ältere Dame jetzt intensiv und schloß für einen Moment die Augen. »Wie gesagt, Mister Parker hatte sich abdrängen lassen, als ich in der Feinkost-Abteilung einen neuen Hummer-Salat probierte. Dabei wurde ich von einem Mann angesprochen, der Kleingeld brauchte. Ihm habe ich fünf Ein-Pfund-Noten gegeben und dafür diese Blüte bekommen. Mister Parker, diesen Mann gilt es zu finden!«

»Hatte er eine Erklärung für diesen Umtausch, Mylady?« setzte Mike Rander weiter nach.

»Er brauchte Kleingeld für den Parkplatz.« Sie wirkte sehr verärgert.

»Und höflich, Mylady, wie Sie es nun mal sind, wollten Sie diesem Mann natürlich aus der Klemme helfen.«

»Richtig, mein Junge.« Sie entspannte sich und nickte ihm wohlwollend zu. »Höflichkeit ist eine meiner Tugenden, wie Sie ja wissen.«

»Mylady würden diesen Geldwechsler wiedererkennen?« schaltete Parker sich ein.

»Unbedingt.« Sie nickte nachdrücklich. »Er war mittelgroß, schlank, etwa vierzig Jahre alt... Er kann natürlich auch wesentlich kleiner und jünger gewesen sein, ich will mich da nicht festlegen, aber er trug auf jeden Fall einen Schnurrbart. Oder vielleicht doch nicht? Nun, wie auch immer, sollte er meinen Weg noch mal kreuzen, weiß ich sofort, daß er es ist.«

»Es geht eben nichts über ein gutes Personengedächtnis«, stellte Mike Rander fest. Er hütete sich, Kathy Porter anzusehen, um nicht lachen zu müssen.

»Dieser Bursche wird Ihnen mit Sicherheit aus dem Weg gehen«, prophezeite der Anwalt.

»Müßte man nicht die Polizei wegen dieser Blüte verständigen?« fragte Kathy Porter.

»Ausgeschlossen, Kindchen«, gab Lady Simpson sofort zurück. »Mister Parker schlug das bereits vor. Und da kann ich doch nur den Kopf schütteln. Ginge ich zur Polizei, würde man die Banknote sofort zurückbehalten und aus dem Verkehr ziehen.«

»Was haben Sie denn mit der Blüte vor?« erkundigte sich Rander. Er ahnte die Antwort bereits im vorhinein.

»Ich werde sie selbstverständlich wieder ausgeben«, sagte Agatha Simpson mit Nachdruck. »Den Verlust von fünf Pfund kann ich mir nicht leisten.«

»Als Anwalt muß ich Sie darauf hinweisen, Mylady, daß Sie ...«

»Papperlapapp, mein Junge.« Sie winkte heftig ab. »Was Sie hier gehört haben, fällt unter Ihre Schweigepflicht. Mister Parker, sorgen Sie dafür, daß die ominöse Note wieder unter’s Volk gebracht wird. Ihnen wird schon etwas einfallen. Ich kann mein Geld nicht zum Fenster hinauswerfen. Fünf Pfund wollen erst mal mühsam verdient werden!«

»Wie Mylady zu wünschen geruhen.« Parker, der wirklich durch nichts zu erschüttern war, deutete eine höfliche Verbeugung an.

*

Butler Parker und Mike Rander waren am frühen Abend gemeinsam unterwegs.

Sie hatten gerade das hochbeinige Monstrum verlassen, wie Parkers Privatwagen spöttisch-respektvoll von Eingeweihten genannt wurde.

Bei diesem Gefährt handelte es sich um ein ehemaliges Londoner Taxi, das schon recht betagt aussah und sich nach der beschaulichen Ruhe auf einem Schrottplatz zu sehnen schien. Tatsächlich war der Wagen aber quasi eine Trickkiste auf Rädern, die nach Parkers eigenwilligen Vorstellungen umgebaut und nun zu einer Art Vielzweckwaffe geworden war.

Das Ziel des kurzen, gemeinsamen Spaziergangs war eine Pfandleihe im Stadtteil Soho. Als Parker und Mike Rander das relativ kleine Ladenlokal betraten, geriet der Mann hinter dem Tresen in gelinde Panik. Dieser Mann war mittelgroß, hatte einen Bauch und ausgesprochene Kinderaugen, die so etwas wie die reine Unschuld signalisierten.

»Man wünscht einen möglicherweise angenehmen Abend, Mister Bercett«, grüßte Parker und lüftete höflich die schwarze Melone. »Darf man Sie mit Mister Rander bekannt machen?«

»Natürlich«, antwortete Paul Bercett, wie er mit vollem Namen hieß. »Immer zu Diensten, Mister Parker. Was kann ich für Sie tun?«

»Mister Rander sucht eine kleine Brosche, Mister Bercett«, erläuterte Josuah Parker und deutete auf eine Vitrine, die mit relativ billigem Schmuck reich besetzt war. »Vielleicht dieses ovale Schmuckstück, Mister Rander?«

»Reicht völlig«, meinte der Anwalt, der einen desinteressierten Eindruck machte und sich gelangweilt in dem kleinen Laden umschaute.

Die Kunden Paul Bercetts hatten nicht gerade Kostbarkeiten hierher getragen. Vorherrschend waren Massenartikel der Elektroindustrie. Es gab viele Toaster, dann Küchenmaschinen, Kofferradios und tragbare Fernsehgeräte. In einer Ecke hingen Pelzmäntel, deren Herkunft unzweideutig vom Kaninchen stammte. Die Uhren und der Schmuck in der Vitrine waren Dutzendware.

»Diese Brosche kostet zwei Pfund«, sagte Bercett inzwischen. Er hatte sie aus der Vitrine geholt und genierte sich fast, den Preis zu nennen.

»Wäre dies genehm, Sir?« wollte Parker von Rander wissen.

»Wie Sie meinen, Parker«, näselte Mike Rander bewußt und gab sich noch unbeteiligter.

»Zwei Pfund«, bestätigte Parker und reichte dem Pfandleiher eine Fünf-Pfund-Banknote.

»Billiger kann ich’s wirklich nicht machen«, entschuldigte sich Paul Bercett. Er nahm die Banknote entgegen und prüfte sie automatisch mit den Fingerkuppen. Dann stutzte er für den Hauch eines Augenblicks. Seine großen Kinderaugen nahmen einen leicht starren Ausdruck an. Er wandte sich der einfachen Kasse zu und hatte sich bereits wieder voll unter Kontrolle.

»Zwei Pfund«, wiederholte er und reichte Parker drei Ein-Pfund-Noten zurück. Mit der linken Hand schob er die falsche Banknote, die Parker ihm gereicht hatte, unter den Stapel anderer Geldscheine. Dem Butler entging dies natürlich keineswegs, doch er sagte nichts.

»Haben Sie sonst noch Wünsche?« erkundigte sich Bercett.

»Nein, vielen Dank«, versicherte Parker dem Pfandleiher und reichte die unscheinbare Brosche an Rander weiter. Der ließ sie in der rechten Tasche seines Blazer verschwinden und schien sie im gleichen Moment schon wieder vergessen zu haben.

»Man erlaubt sich, Ihnen auch weiterhin einen erfreulichen Umsatz zu wünschen«, sagte Parker und lüftete die schwarze Melone. »Es ist immer wieder ein Gewinn, Sie zu sehen, Mister Bercett.«

»Tatsächlich?« Der Pfandleiher schien verlegen. Er geleitete seine Kunden an die Tür, öffnete sie und wartete, bis Parker und Rander im hochbeinigen Wagen des Butlers Platz genommen hatten. Dann ging er zurück in seine Pfandleihe und blieb hinter dem Glaseinsatz der Tür stehen. Er wollte sich vergewissern, ob seine beiden Besucher auch tatsächlich wegfuhren.

*

»Ihn hat ja fast der Schlag gerührt, als er die Blüte spürte«, meinte der Anwalt. Er saß vorn auf dem Beifahrersitz des Wagens und lächelte amüsiert.

»Mister Bercett dürfte sich momentan in einem Zwiespalt der Gefühle befinden, Sir«, gab Josuah Parker zurück. Er hatte sein Gefährt in eine nahe Seitenstraße gebracht und hielt. Parker schaltete das Bordradio ein und ging auf eine Frequenz, die erst durch das Eindrücken des Knopfes für den Suchlauf aktiviert wurde.

»Er fragt sich wahrscheinlich, wieso und warum Sie ihm diese Blüte angeboten haben«, sagte Rander. »Er muß doch davon ausgehen, daß Sie sie erkannt hatten.«

»Diese Frage wird Mister Bercett in der Tat beschäftigen«, pflichtete der Butler ihm umgehend bei. »Es ist damit zu rechnen, daß er wohl bald ein Telefongespräch führen wird.«

»Falls er Ihre Wanze nicht entdeckt hat, Parker.«

»Wenn dies der Fall sein sollte, Sir, wird er einen Anruf tätigen müssen, um auf das geplante Spiel einzugehen, daß er meiner Wenigkeit dann unterstellen muß.«

»Klingt ziemlich kompliziert, Parker.« Rander lachte leise. »Aber Sie schätzen ja die Umwege.«

»Die in der Regel recht schnell zum Ziel führen, Sir.« Parker deutete ein Kopfnicken an. »Mister Bercett weiß längst, daß ihm die falsche Banknote absichtlich zugespielt wurde. Er weiß ferner, daß meine Wenigkeit mit Sicherheit davon ausgeht, daß er die sogenannte Blüte erkannt hat. Also wird er eine Reaktion zeigen müssen.«

»Warum hat er Ihnen nicht schlicht und einfach gesagt, daß mit einer Blüte gezahlt werden sollte? Er hätte doch protestieren können.«

»In diesem Fall, Sir, hätte meine Wenigkeit darauf bestanden, die Polizei zu Rate zu ziehen, ein Vorgang, auf den Mister Bercett sich freiwillig niemals einlassen würde.«

»Was treibt dieser Knabe denn eigentlich so?« Noch war aus dem Lautsprecher des Bordradios nichts zu vernehmen.

»Mister Bercett ist ein in der Szene bekannter und durchaus geschätzter Hehler«, beantwortete Parker die Frage sachkundig wie immer. »Falls die Polizei in seinem Laden erscheint, würde dies wie ein Lauffeuer die Runde machen und sich durchaus als geschäftsschädigend auswirken.«

Mike Rander wollte gerade antworten, als plötzlich Paul Bercetts Stimme aus dem Lautsprecher des Wagenradios drang.

»Mister Parker... Hallo, Mister Parker, hören Sie mich? Würden Sie noch mal zurückkommen? Ich glaube, ich habe Ihnen zuviel berechnet. Ich möchte das sofort in Ordnung bringen.«

»Donnerwetter, Parker.« Rander staunte sichtlich.

»Mister Bercett mußte die bewußte Wanze finden, Sir«, erklärte Josuah Parker. »Meine Wenigkeit sorgte dafür, daß sie nicht übersehen werden konnte. Mister Bercett scheint einen Entschluß gefaßt zu haben.«

»Er dürfte sich in einer miesen Lage befinden, wie?«

»Mister Bercett weiß jetzt, daß er zumindest einige Hinweise liefern muß, Sir.«

Parker umrundete mit seinem hochbeinigen Monstrum einen fast quadratisch angelegten Wohnblock und erreichte danach wieder die Pfandleihe. Bercett stand hinter der verglasten Tür und öffnete sie umgehend, als seine beiden Kunden erschienen.

»Sie bringen mich in des Teufels Küche«, schnaufte der Pfandleiher. »Warum haben Sie mir Daumenschrauben angesetzt, Mister Parker?«

»Um Ihre Aussagebereitschaft zu fördern, Mister Bercett. Selbstverständlich wird man Ihnen die bewußte Blüte, wie es ja wohl im Fach-Jargon heißt, gegen eine echte Banknote umtauschen.«

»Darum geht es doch gar nicht«, beschwerte sich Bercett. »Sie wollen von mir einen Tip haben, nicht wahr?«

»Warum haben Sie uns per Wanze nicht auf eine falsche Spur gesetzt?« erkundigte sich Mike Rander lächelnd. »Sie hätten doch das Spiel mit der Wanze mitspielen können, Bercett.«

»Mister Rander, dabei hätte ich doch nur draufgezahlt«, schnaufte der Pfandleiher weiter. »Ich hätte irgendeinen Namen nennen müssen ... Ich meine, da am Telefon ... Und was wäre passiert? Mister Parker hätte mir die betreffende Person dann auf den Hals gehetzt. Nein, nein, ich liefere da lieber einen direkten Tip, wenn’s auch verdammt gefährlich ist.«

»Sie können sich wie stets auf die völlige Diskretion meiner Wenigkeit verlassen, Mister Bercett«, warf der Butler ein. »Dies gilt selbstverständlich auch für Mister Rander.«

»Steven Faldex ist wieder in der Stadt«, sagte der Pfandleiher und senkte die Stimme. »Er ist vor knapp einer Woche vom Kontinent ’rübergekommen und scheint wieder bei Kasse zu sein.«

»Sie wissen natürlich auch, wo Mister Faldex abgestiegen ist, Mister Bercett.«

»Im ›Lunatica‹, Mister Parker. Sie‘ kennen das Hotel?«

»Aus der Sicht des Autofahrers«, erwiderte der Butler. »Dieses Haus hat längst nicht mehr den Ruf, den es einst genoß.«

»Was Eddie Atkins nicht weiter schert, Mister Parker. Er verdient sich mit dem ›Lunatica‹ eine goldene Nase. Mehr weiß ich wirklich nicht.«

»Vielleicht sollten Sie sich noch zu den sogenannten Blüten äußern, Mister Bercett. Seit wann werden Sie in London herumgereicht?«

»Seit einer Woche, Mister Parker. Bitte, keine weiteren Fragen. Ich möchte noch ’ne Weile leben. Und ich hab’ Ihnen doch nun wirklich zwei Tips gegeben, oder etwa nicht?«

»Man wird Sie mit Sicherheit nicht weiter inkommodieren, Mister Bercett, falls Sie unbeteiligt sind. Und nun wird man Ihnen die falsche Banknote selbstverständlich ersetzen. Sie sollen auf keinen Fall einen Verlust erleiden.«

*

»Wird er den Mund halten, Parker?« fragte Rander. Man war unterwegs in Richtung Bayswater, wo das Hotel ›Lunatica‹ stand.

»Auf keinen Fall, Sir«, wußte der Butler. »Mister Bercett dürfte inzwischen Mister Steven Faldex angerufen haben. Er geht davon aus, daß meine Wenigkeit dies natürlich unterstellt und sich entsprechend verhält.«

»Ein verdammt kompliziertes Ritual, Parker«, spottete der Anwalt.

»Das jedoch das Weiterleben des Mister Bercett garantiert, Sir. Zudem ergibt sich so die Möglichkeit, den Pfandleiher immer wieder mal um einen Hinweis anzugehen.«

»Wer ist dieser Steven Faldex, Parker? Scheint sich um eine Größe zu handeln, oder?«

»Mister Faldex tummelt sich auf allen Gebieten der Kriminalität, Sir, um es mal so auszudrücken. Dabei geht es ihm stets um große Abschlüsse, wie die Vergangenheit lehrte. Mister Faldex dürfte zur Zeit das Feld der käuflichen Liebe abgedeckt haben, verbunden mit Nachtclub-Aktivitäten und Sex-Kinos. Seine Verbindungen zu internationalen Organisationen sind bekannt.«

»Hat die Polizei nichts gegen, ihn ausrichten können?«

»Absolut nichts, Sir. Mister Faldex gilt als ein sehr vorsichtiger Krimineller, der die sprichwörtliche Dreckarbeit bisher immer delegieren konnte.«

»Ein sympathischer Zeitgenosse, wie?«

»Mister Faldex ist durchaus zuzutrauen, daß er ein Blütengeschäft abwickelt, Sir. Dank seiner vielfältigen Verbindungen könnte er den Absatz der Falsifikate übernommen haben, zumal es ja darum geht, nicht nur den Großraum London mit den Blüten abzudecken.«

»Ohne Grund dürfte Bercett seinen Namen ja wohl kaum ins Spiel gebracht haben.« Mike Rander nickte nachdenklich.

»In Kreisen der Unterwelt muß Mister Faldex’ Name bereits gehandelt werden, Sir, sonst hätte Mister Bercett sich mit Sicherheit gehütet, diesen Hinweis zu geben.«

»Und wer ist Eddie Atkins, Parker?« Rander wunderte sich überhaupt nicht darüber, daß Parker wieder mal Bescheid wußte.

»Mister Atkins dürfte sein Vermögen mit Drogen gemacht haben, Sir. Er privatisiert jetzt, wie er es zu nennen pflegt und betreibt einige Hotels, deren Eigentümer er auch ist. Diese Hotels läßt er von den Sozialämtern der diversen Stadtteil-Verwaltungen mit wohnungslosen Bürgern belegen.«

»Ein sicherer Verdienst, wie?«

»Die Überweisungen durch die Ämter sind garantiert, Sir. Sie sollten davon ausgehen, daß ein belegtes Zimmer pro Tag etwa fünfzig Pfund erbringt.«

»Guter Gott, das ist ja so, als ob man eine eigene Gelddruck-Maschine im Keller hätte.«

»Ein Vergleich, Sir, den man nur als trefflich bezeichnen kann. Man muß wohl davon ausgehen, daß im ›Lunatica‹ etwa zweihundert Zimmer von dem erwähnten Personenkreis bewohnt werden.«

»Und dieses Hotel ist über das ganze Jahr hinaus so belegt?« staunte der Anwalt.

»Über Jahre hinaus, Sir», versicherte der Butler. »Und das ›Lunatica‹ ist nur eines von vielen ähnlichen Hotels.«

»Demnach muß sich in diesen Häusern ja wohl einiges abspielen«, mutmaßte Mike Rander.

»Mit letzter Sicherheit, Sir«, entgegnete der Butler. »Man wird sich bald mit eigenen Augen davon überzeugen können.«

*

»Das sieht aber doch alles recht friedlich aus«, stellte Mike Rander fest. Er und Josuah Parker befanden sich im Foyer des Hotels, das recht sparsam beleuchtet war. In den gebraucht aussehenden Sitzmöbeln saßen einige Hotelgäste, lasen oder tranken Bier aus Dosen. Es handelte sich im Schnitt um Menschen, die die Mitte ihres Lebens überschritten hatten.

»Darf man darauf hinweisen, Sir, daß diese Idylle ein wenig unglaubwürdig wirkt?« fragte Parker. Er hatte in die rechte Tasche seines schwarzen Covercoats gegriffen und reichte dem Anwalt eine Schutzbrille, wie man sie bei der Benutzung von Höhensonnen verwendet.

»Was soll ich denn damit?« fragte Rander erstaunt. »Man kann ja ohnehin kaum was sehen.«

»Sie sollten mit einem etwaigen Lichtblitz meinerseits rechnen, Sir«, warnte der Butler. »Meiner bescheidenen Ansicht nach dürfte mit einigen Überraschungen zu rechnen sein.«

Mike Rander, der Warnungen des Butlers nie auf die leichte Schulter nahm, setzte sich die Spezialbrille auf die Stirn, um sofort über sie verfügen zu können. Dabei nahm er zur Kenntnis, daß einige alte Männer sich aus ihren Plastiksesseln schoben und eine Seitentür ansteuerten.

Dann war ein Klicken zu vernehmen. Rander wandte sich um und stellte fest, daß die Tür zur Lounge des Hotels gerade von zwei jungen Männern geschlossen wurde. Sie bauten sich von innen vor dieser Tür auf und zogen dabei Teile eines Vorhangs zu.

»Es dürfte soweit sein, Sir«, deutete Parker in seiner höflichen Art an. »Man scheint die entsprechenden Vorbereitungen zu einem speziellen Empfang zu treffen.«

Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als das sparsame Licht unter der Decke der Halle erlosch. Völlige Finsternis breitete sich aus. Mike Rander kam sich einen Moment völlig hilflos vor. Er verlor jede Orientierung.

»Die Schutzbrille, Sir«, erinnerte Josuah Parker. Er hielt längst seine Miniatur-Blitzlichtbombe in der schwarz behandschuhten Rechten.

Die Bombe war kaum größer als die Sicherung einer Auto-Elektrik, doch sie hatte es in sich, wie sich schnell zeigte. Parker, der seine Augen ebenfalls geschützt hatte, knickte den kleinen Glaskörper seitlich weg und warf ihn in die Dunkelheit.

Das Resultat war frappierend.

Eine grelle Sonne füllte die Empfangshalle des ›Lunatica‹ bis in den letzten Winkel aus. Gleichzeitig hörte man einige Schreie, Flüche und Rufe.

Mike Rander sah durch das Schutzglas seiner Brille einige Personen, die vor dem Treppenaufgang standen und ihre Augen mit hochgerissenen Händen zu schützen versuchten. Er sah aber auch, daß diese jungen Männer durchweg mit Holzprügeln und Fahrradketten ausgerüstet waren, Gegenstände, die durchaus tödlich sein konnten.

»Man bittet, meiner Wenigkeit zu folgen, Sir«, ließ Josuah Parker sich würdevoll vernehmen. »Die bewußten Personen dürfen kein Hindernis mehr darstellen.«

Was durchaus stimmte.

Die gerade noch wehrhaften jungen Männer hatten sich ohne Ausnahme hingehockt und stöhnten in verschiedenen Tonlagen. Sie bekamen überhaupt nicht mit, daß die beiden Besucher sie passierten und über die Treppe ins erste Geschoß stiegen.

»Wie lange werden die Burschen geblendet bleiben?« fragte Rander.

»Etwa drei bis fünf Minuten«, lautete Parkers Antwort. »Man darf Ihnen versichern, Sir, daß die Personen nicht an Folgeschäden leiden werden.«

»Selbst ich sehe bunte Kreise«, meinte der Anwalt beeindruckt. »Hoffentlich haben Sie für den Rückweg noch solch eine hübsche Überraschung parat.«

»Meine Wenigkeit richtete sich vor der Fahrt auf gewisse Zwischenfälle ein, Sir.« Während dieser Aussage nickte der Butler knapp. Er hatte die Führung übernommen und erblickte dabei in einem Korridor einen Mann, der seinerseits stutzte, als er den Butler sah.

Da dieser Gang gut beleuchtet war, konnte man deutlich sehen, daß dieser Mann mit Parkers Erscheinen wirklich nicht gerechnet hatte. Er wollte sich hastig ab wenden, schaffte es auch und ... zuckte dann wie unter einem elektrischen Schlag zusammen.

Fast ungläubig fingerte er mit der linken Hand nach seinem Gesäß und produzierte ein Stöhnen, als wäre er tödlich getroffen worden. Die tastenden Finger hatten einen Pfeil ausgemacht, der kaum größer war als eine Stricknadel. Am Schaftende dieses Pfeils gab es eine bunte, kleine Feder, die zur Flug-Stabilisierung diente.

Der Pfeil stammte aus Parkers Universal-Regenschirm und war von komprimierter Kohlensäure angetrieben worden. Der hohle Schirmschaft war im Grund nichts anderes als ein modernes Blasrohr; die Patrone mit der Treibladung befand sich im unteren Teil des Griffs.

Diese so gut wie lautlose Waffe bot aber noch eine zusätzliche Überraschung. Die Spitze des Blasrohr-Pfeils war mit einer chemischen Substanz präpariert, die fast wütenden Juckreiz auslöste und die Muskeln erschlaffen ließ.

Wie zu sehen war!

Der Getroffene hatte den hinderlichen Pfeil aus dem Gesäß gezogen und auf den Boden geworfen. Er war bereits dabei, sich ausgiebig und fast wollüstig zu kratzen. Dabei stöhnte er, hüstelte dazwischen und vergaß die Anwesenheit der beiden Besucher.

»Und dies ist erst der Beginn, wie meine Wenigkeit Ihnen versichern darf und muß«, sagte Parker, der den Mann inzwischen erreicht hatte. »Wo findet man Mister Faldex, wenn man fragen darf?«

Josuah Parker hatte den Blasrohr-Pfeil aufgehoben und präsentierte ihn wie zufällig dem genußvoll kratzenden Mann, der diese Geste auf seine Art interpretierte und einen zweiten Einschuß fürchtete.

»Da hinten«, hechelte er und zeigte mit der freien Hand auf eine Tür am Ende des Korridors.

»Herzlichen Dank«, gab Parker zurück und legte den bleigefüllten Bambusgriff seines Schirmes kurz auf die Stirn des Mannes, der daraufhin aller Qual enthoben wurde. Er verdrehte die Augen und nahm auf dem zerfransten Teppichboden Platz.

»Sie können ja ganz schön direkt sein, Parker«, meinte der Anwalt.

»Besondere Umstände verlangen spezielle Methoden, Sir«, entgegnete Josuah Parker. »Man sollte Mister Steven Faldex nicht unnötig warten lassen.«

Er hatte seinen Satz noch nicht beendet, als er Mike Rander eine schallgedämpfte Feuerwaffe überreichte. Sie stammte aus der Schulterhalfter des inzwischen Schlafenden, der überhaupt nicht mitbekommen hatte, wie schnell, einfühlsam und überaus geschickt die Hände des Butlers waren.

*

Steven Faldex zählte etwa fünfundvierzig Jahre. Er war groß, schlank und hätte als Dressman mit Sicherheit Karriere gemacht. Sein gut geschnittenes Gesicht zeigte deutlich, daß er die vergangenen Monate im Süden Europas zugebracht hatte. Mit einem Whiskyglas in der Hand fühlte er sich als Herr der Situation. Er hatte Schritte im Vorzimmer gehört und sie prompt mißdeutet.

»Alles klar?« fragte er und wandte sich dabei lässig zur Tür.

»Die Dinge entwickelten sich durchaus günstig«, sagte Josuah Parker und lüftete die schwarze Melone. Steven Faldex reagierte ungemein schnell und profihaft. Er ließ sein Glas fallen und griff nach seiner Schulterhalfter. Die Absicht war unzweideutig.

Butler Parker kam dem Gangster zuvor.

Aus dem Handgelenk schleuderte er die gewölbte Kopfbedeckung in Richtung Faldex. Die Melone wurde zu einer Frisbee-Scheibe, die in einer leichten Kurve auf den Mann sirrte und dessen Handgelenk traf.

Da die Kopfbedeckung des Butlers mit Stahlblech gefüttert und auch der Rand entsprechend verstärkt war, wurde die Hand des Gangsters empfindlich getroffen und leicht gelähmt. Die Finger waren nicht mehr in der Lage, nach der Schußwaffe zu greifen.

»Verzeihen Sie gütigst die spontane Reaktion meiner Wenigkeit«, entschuldigte sich der Butler. »Die mit Sicherheit eintretende Schwellung Ihrer Hand wird erfahrungsgemäß wieder abklingen. Mein Name ist übrigens Parker, Butler Parker. Und dies ist Mister Mike Rander, den Sie noch näher kennenlernen werden.«

»Sie sind tatsächlich durchgekommen«, sagte Faldex, der sich bereits wieder unter Kontrolle hatte. Er rang sich ein dünnes Lächeln ab. »Ich hätte es mir denken müssen.«

»Sie waren auf den Besuch Mister Randers und meiner Wenigkeit vorbereitet, Mister Faldex?«

»Ich ... hatte andere ... Gäste erwartet«, log der Gangster und legte die getroffene Hand auf den Tresen einer Hausbar. »Verdammt, Parker, hoffentlich haben Sie mir eben nicht die Hand gebrochen.«

»Falls dem so sein sollte, Mister Faldex, sollten Sie möglichst bald einen Spezialisten aufsuchen«, riet der Butler in seiner höflichen Art. »Sie müßten dann allerdings nicht gerade mit Falschgeld bezahlen.«

»Falschgeld? Worauf wollen Sie hinaus, Parker?« Faldex gab sich ahnungslos.

»Lady Agatha Simpson, der zu dienen meine Wenigkeit die Ehre hat, erhielt im Verlauf des heutigen Tages eine falsche Fünf-Pfund-Note. Daher dieser Besuch. In der kriminellen Szene raunt man sich zu, daß Sie sich auf dem Gebiet der sogenannten Blüten betätigen, Mister Faldex.«

»Reiner Unsinn, Parker«, widersprach Faldex. »Haben Sie eine Ahnung, was man mir so alles anhängt? Mit Blüten habe ich nichts zu tun. Das ist mir einfach zu heiß.«

»Der Gewinn dürfte allerdings ungemein verlockend sein.«

»Die Regierung reagiert allergisch, wenn Falschgeld auftaucht«, antwortete Faldex. »Man hat Ihnen den falschen Tip gegeben. Ich will mit der Regierung keinen Ärger haben.«

»Die erwähnte Banknote zeichnet sich durch sehr gute Arbeit aus, Mister Faldex.«

»Schön für die Falschdrucker, aber mich interessiert das nicht. Ich kann Ihnen auch keinen Tip geben. Wüßte ich was, würde ich Ihnen was sagen.«

»Mister Rander und meine Wenigkeit gehen aber davon aus, daß Sie interessierten Kreisen von diesem Besuch berichten werden«, meinte Josuah Parker. »Teilen Sie diesen Personen mit, daß Lady Simpson sich bereits mit Falschgeld befassen und beabsichtigen, gewisse Blütenträume welken zu lassen.«

»Ich werde mich da ‚raushalten, Parker«, behauptete Steven Faldex mit Nachdruck. »Wie gesagt, man hat Ihnen einen falschen Tip gegeben. Noch etwas, ich würd’ Sie gern auf die Straße zurückbringen. Ich möchte nicht, daß da was passiert.«

»Ihre Fürsorge ist geradezu rühmenswert, Mister Faldex«, meinte Parker.

»Ich gehe eben jedem Ärger möglichst aus dem Weg«, erklärte der Gangster und befaßte sich wieder vorsichtig mit seiner Hand. »Das sollten vielleicht auch Sie tun, Parker. Ein Leben kann verdammt schnell zu Ende sein. Ich meine das natürlich nur grundsätzlich, ist ja klar.«

*

Sie saßen im hochbeinigen Monstrum und fuhren nach Shepherd’s Market zurück.

»Faldex dürfte bereits die Drähte glühen lassen«, meinte der Anwalt spöttisch. »Natürlich wird er sich nicht ’raushalten.«

»Wenn Sie gestatten, Sir, möchte ich Ihnen beipflichten«, erwiderte der Butler. »Mister Faldex residiert nicht grundlos im ›Lunatica‹. Von dort aus könnte er die Falsifikate in Umlauf bringen. Er verfügt über ein kleines Heer von Geldwechslern.«

»Sie denken an die Leute, die in diesen Hotelzimmern untergebracht werden?«

»In der Tat, Sir. Falschgeld ist nur dann nutzbringend, wenn man es gegen echte Banknoten tauschen kann. Und daran muß den Druckern gelegen sein.«

»Faldex wird doch niemals selbst eine eigene Verteiler-Organisation aufziehen, Parker.«

»Keineswegs, Sir. Er wird sich Mittelsmänner bedienen, die dies für ihn übernehmen, ohne aber von ihm zu wissen.«

»So schätze ich diesen Burschen ein.« Rander nickte. »Was halten Sie von diesem Hotel als Tarnung für eine Falschgeld-Druckerei?«

»Eine bestechende Hypothese, wenn meine Wenigkeit sich so ausdrücken darf, Sir.«

»Sie glauben also nicht daran, wie?« Rander kannte Butler Parker nur zu gut.

»Die Gefahr einer Indiskretion und damit Entdeckung wäre möglicherweise zu groß, Sir.«

»Erstaunlich, daß Faldex im Zusammenhang mit den Blüten genannt wird, Parker. Auch die Polizei wird davon doch inzwischen Wind bekommen haben.«

»Und sich möglicherweise ablenken lassen und auf Mister Faldex fixieren«, erwiderte Josuah Parker. »Vielleicht ist Mister Faldex nur zurück auf die Insel gekommen, um eine falsche Spur zu legen. Eine solche Möglichkeit sollte man in Betracht ziehen.«

»Schön, suchen wir also die Nadel im Heuhaufen«, seufzte Mike Rander. »Aber wo sollen wir zuerst herumstochern, Parker?«

»Das Papier, Sir, dürfte das Problem sein.«

»Es gibt doch nur einige Firmen, die Banknoten-Papier herstellen, oder?«

»In der Tat, Sir. Und diese Firmen dürften sehr streng kontrolliert werden. Eine Unregelmäßigkeit sollte man ausschließen.«

»Also Papier aus dem Ausland?«

»Dies wäre der Weg, Sir. Die Frage des Drucks sollte man vorerst außer acht lassen.«

»Unsere Insel soll eine Menge Häfen haben«, erinnerte der Anwalt ironisch. »Und über all diese Häfen könnte das Spezialpapier eingeschleust werden.«

»Meine Wenigkeit erlaubt ihnen, nicht an Großsendungen zu denken, Sir«, antwortete Parker in gewohnt höflicher Weise. »Man könnte dieses Spezialpapier bereits in handlichen Zuschnitten anliefern und zwar bereits hier im Großraum London.«

»So würden Sie es als Blütenhersteller machen, wie?« Mike Rander lächelte amüsiert.

»In der Tat, Sir. Der ständige Warenstrom von und nach London ist kaum genau zu kontrollieren. Der Zoll kann nur Stichproben vornehmen und die Begleitpapiere mit den deklarierten Waren vergleichen.«

»Sie denken in diesem Zusammenhang an eine hübsche Bestechungskiste, wie?«

»Sie wäre nicht auszuschließen, Sir.«

»Da kommt eine Menge Arbeit auf uns zu, Parker, falls wir überhaupt mitmischen werden.«

»Mylady wird sich diesen Fall sicher kaum entgehen lassen, Sir. Man darf daran erinnern, daß Mylady um fünf Pfund hintergangen wurde. So etwas wird Mylady nie verzeihen.«

»Um diesen Verlust wettzumachen, wird sie ohne weiteres ein kleines Vermögen ausgeben.« Der Anwalt nickte. Er kannte den Eigensinn der Agatha Simpson.

»So ist es, Sir«, bestätigte Parker Mike Randers Feststellung.

*

»Sehen Sie sich das an, Mister Parker«, sagte die ältere Dame und lächelte geringschätzig. »Man hat mir eben zwei Fünf-Pfund-Noten per Expreßboten ins Haus geschickt.«

»Man hat sicher die Absicht, Mylady zu versöhnen«, gab Josuah Parker zurück.

»Ich habe absolut nichts gegen diese zehn Pfund«, fuhr die ältere Dame fort. »Aber damit hat sich die Sache noch längst nicht erledigt, wie Sie sich vorstellen können.«

»Sie haben Ihren Verlust mehr als wettgemacht, Mylady«, stellte Mike Rander fest.

»Darauf kommt es überhaupt nicht an, Mike«, widersprach die ältere Dame umgehend. »Ich kann es nicht zulassen, daß die Währung meiner Freundin Elisabeth untergraben wird.«

»Elisabeth?« Rander verstand nicht sofort.

»Mylady sprechen von der Queen«, erläuterte Parker höflich.

»Richtig, Sie sind ja irgendwie mit ihr verwandt«, erinnerte sich der Anwalt.

»Innerhalb einer Familie hält man zusammen, mein Junge«, dozierte Agatha Simpson. »Ich lasse mich zwar so gut wie gar nicht bei Hofe sehen, weil mir da manches nicht paßt, aber immerhin. Ich werde diesen Falschmünzern das Handwerk legen.«

»Mylady deuteten dies bereits an«, sagte der Butler und nickte. »In dieser Beziehung waren Mister Rander und meine Wenigkeit bereits tätig.«

Bevor sie Fragen stellen oder ihren Unmut über diesen Alleingang äußern konnte, erstattete der Butler einen kurzen Bericht.

»Und Sie glauben wirklich nicht, daß die falschen Banknoten im Hotel gedruckt werden?« mokierte sie sich und schüttelte wissend den Kopf. »Mister Parker, Ihnen fehlt wieder mal der Sinn für die Realität. Natürlich werden die Blüten dort hergestellt! Das liegt doch auf der Hand. Sie haben diesen Gangster, wie immer er auch heißen mag, viel zu sanft angefaßt. Vor mir hätte er ein volles Geständnis abgelegt.«

»Meine Wenigkeit wird nicht widersprechen, Mylady.«

»Wie sollten Sie auch? Sie wissen doch längst, daß ich wieder mal recht habe. Wäre ich mitgefahren, hätte man die Falschmünzerei bereits schließen können.«

»Meine Wenigkeit dürfte einen unverzeihbaren Fehler begangen haben.«

»Nun, wie auch immer, eine Lady Simpson ist nicht nachtragend«, sagte sie und schaffte es, für einen Moment milde zu lächeln. »Sie werden die Feinheiten des Detektivberufes schon noch lernen, Sie müssen eben Geduld haben.«

Kathy Porter, die ebenfalls anwesend war, blickte krampfhaft zu den diversen Ritterrüstungen hinüber, die weit hinten in der Wohnhalle an der Wand standen. Mike Rander hingegen blickte angestrengt zu Boden und befaßte sich mit den Mustern im Teppich. Er hatte Mühe, aufsteigendes Glucksen zu unterdrücken.

Parker hingegen blieb würdevoll und ernst wie stets.

»Mylady werden in meiner bescheidenen Person stets einen geradezu lernbegierigen Schüler haben«, erklärte er.

»Man soll verschütteter Milch nicht nachweinen«, zitierte Lady Agatha einen bekannten englischen Spruch. »Ich werde Ihren Fehler ausbügeln und dieses Hotel besuchen.«

»Ein Hotel, in dem es ganz schön munter zugeht«, warnte Mike Rander.

»Man rechnet bestimmt mit Ihrem Besuch, Mylady«, warf Kathy Porter zusätzlich mahnend ein.

»Papperlapapp, Kindchen«, tat die ältere Dame die Einwände ab. »Ich werde Mister Parker mitnehmen, damit er sich rehabilitieren kann. Lassen Sie sich zu meinem Besuch etwas einfallen, Mister Parker.«

»Man dürfte inzwischen alle Spuren beseitigt haben, Mylady«, sagte der Butler. »Man weiß natürlich, daß Mylady einen Besuch planen.«

»Das könnte natürlich sein.« Sie runzelte die Stirn. »Nun denn ... dann werde ich eben entsprechend reagieren, Mister Parker. Sie wissen, daß ich flexibel bin.«

Der exzellente Butler Parker 26 – Kriminalroman

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