Читать книгу Butler Parker 170 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 3

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Josuah Parker war äußerst angetan von diesem hochherrschaftlichen Sitz am Rande der Stadt.

Er durchfuhr mit seinem hochbeinigen Monstrum das Parktor, passierte die gepflegten Rasenflächen und hielt hinter dem Landsitz, der ihn an altenglische Schlösser erinnerte, vor einem unscheinbaren Eingang.

Ein Turm mit Wendeltreppe führte hinauf in das Dachgeschoß des Seitentraktes, wo die Angestellten des Hauses untergebracht waren. Parker kam nicht, um etwa eine neue Stelle anzutreten. Er wollte einem gewissen Aristide Lamelle einen Besuch abstatten, um den er gebeten worden war.

Parker klingelte und hatte dabei das untrügliche Gefühl, daß er irgendwie beobachtet wurde. Beweise dafür hätte er im Zwielicht des späten Nachmittags nicht antreten können. So etwas fühlte man, oder man besaß eben nicht jenen speziellen Sinn für Ausnahmesituationen, auf den der Butler sich bisher hatte immer berufen können.

„Mein Name ist Parker... Josuah Parker“, stellte er sich vor und lüftete höflich seine schwarze Melone. Er sah die gedrungene, aber adrett aussehende Frau distanziert an. Sie trug eine weiße Küchenschürze und schien gerade vom Herd gekommen zu sein. Ihr Gesicht wirkte erhitzt. Sie verströmte dazu einen nach Parkers Geschmack etwas zu aufdringlichen Geruch nach gebratenen Schweinelendchen, die überwürzt worden waren. Knoblauch schien die Ursache zu sein.

„Ich bin Emily Custner“, sagte die Frau, die etwa fünfzig bis fünfundfünfzig Jahre alt sein mochte. Sie trocknete sich die Hände an einem Zipfel der Schürze ab. Sie sah ihn unsicher, nervös und irgendwie auch ein wenig abwartend-ängstlich an.

„Ich möchte Mister Aristide Lamelle einen Besuch abstatten“, erläuterte der Butler. Und wieder hatte er das fast sichere Gefühl, sehr aufmerksam beobachtet zu werden. Er nahm sich vor, dieser Sache so schnell wie möglich auf den Grund zu gehen.

„Mister Lamelle ist eben weggefahren“, sagte Emily Custner. „Vor etwa ’ner halben Stunde. Soll ich ihm was ausrichten?“

„Wann wird Mister Lamelle zurückkommen?“

„Das hat er nicht gesagt. Ich kann ihm aber was ausrichten, wenn Sie wollen „Ich werde mir erlauben, zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal vorzusprechen“, gab Josuah Parker steif zurück. Er lüftete höflich seine schwarze Melone und ging zu seinem hochbeinigen Monstrum zurück, während Emily Custner ihm interessiert nachschaute.

Parker beobachtete unauffällig die Taxushecken und das Strauchwerk hinter dem Herrensitz. Die Lichtverhältnisse waren leider schlecht. Für einen Beobachter war es eine Kleinigkeit, dort in Deckung zu gehen. Eine Entdeckung brauchte er mit Sicherheit nicht zu befürchten.

Parker setzte sich ans Steuer seines skurrilen Privatwagens, der früher einmal ein Londoner Taxi gewesen war. Langsam fuhr er zurück zur Auffahrt und von dort aus hinunter zur Vorortsstraße, die schon um diese Zeit fast keinen Verkehr mehr zeigte. Der Herrensitz, in dem Aristide Lamelle arbeitete, lag selbstverständlich in einem Stadtteil, in dem sich nur geldschwere Bewohner niedergelassen hatten. Um diese Zeit pflegte man in den behäbigen, großen Häusern zu dinieren.

Parker hatte kaum die Straße erreicht, als er den Wagen anhielt und ausstieg.

Zu Fuß ging er noch einmal zurück zum Herrensitz. Diesmal verzichtete er darauf, die Auffahrt zu benutzen. Er wechselte sofort auf den gepflegten Rasen hinüber und benutzte das Strauchwerk und die vielen kleinen Taxushecken als Deckung. Er wollte herausfinden, wer ihn wohl beobachtet haben könnte.

Sein Versuch wurde belohnt.

Als er die Rückseite des Herrensitzes erreicht und den Turm mit der Wendeltreppe im Blickfeld hatte, wartete er einen kleinen Moment. Plötzlich erschien eine junge, langbeinige Dame an der Tür, wo er eben noch geklingelt hatte.

Sie mochte schätzungsweise fünfundzwanzig Jahre alt sein, trug einen sehr modernen Hosenanzug und bewegte sich mit der Selbstverständlichkeit einer Vertreterin. Sie trug eine Art Köfferchen in der modischen Form einer Handtasche bei sich.

Die Dame läutete und nickte dann Emily Custner zu, die die Tür geöffnet hatte und sie sofort einließ. Dies alles geschah mit einer Schnelligkeit, die auf gegenseitiges Kennen schließen ließ.

Parker hielt sich nicht länger auf.

Er ging zurück zur Straße und richtete sich auf eine gewisse Wartezeit ein. Sein Interesse war wieder einmal geweckt worden!

*

Aristide Lamelle sah angestrengt durch die Windschutzscheibe hinaus auf die Straße.

Er wartete auf das vereinbarte Zeichen und hatte gleichzeitig Angst vor dem Rendezvous, zu dem man ihn sehr eindringlich geladen hatte. Er hatte starke Bedenken vor gewissen jungen Damen, die sich bisher stets von ihrer charmanten Seite gezeigt hatten.

Er befand sich mit seinem alten Buick auf einer der westlichen Ausfallstraßen und wußte, daß er bald rechts abbiegen mußte. Er wartete nur auf das Auftauchen eines englischen Sportwagens, der rechts am Straßenrand angeblich mit Motorschaden hielt.

Da war der Wagen, ein kleiner, flacher Zweisitzer, bullig, vor Kraft strotzend! Die Motorhaube war hochgestellt. Zwei junge Damen, ungemein reizvoll anzusehen, standen ratlos herum und wußten wahrscheinlich nicht weiter.

Aristide Lamelle fuhr rechts heran und hielt. Er ging mit schnellen, nervösen Schritten auf die beiden Damen zu und zog in kontinentaler Manier seinen Hut.

Aristide Lamelle war knapp sechzig Jahre alt, untersetzt, wohlbeleibt und hatte ein glattes, gut ausgepolstertes Gesicht. Er trug dunkel gestreifte Hosen und darüber ein zweireihiges Jackett. Selbst ein Laie hätte in ihm einen Butler vermutet.

„Kann ich Ihnen helfen, meine Damen?“ Aristide Lamelles Stimme klang ein wenig schrill und gepreßt. Seine Augen irrten nervös von einer jungen Dame zur anderen und dann natürlich wieder zurück.

„Fahren Sie in die nächste rechte Querstraße“ sagte die junge Dame mit dem brandroten Haar. Ihre Stimme klang kalt und abweisend.

„Ich verstehe nicht, warum?“

„Sie haben gehört, was Sie tun sollen!“ Jetzt hatte die junge Dame mit dem pechschwarzen, glatten Haar gesprochen, eisig und ohne jede Verbindlichkeit. „Beeilen Sie sich, wir haben nicht viel Zeit!“

Sie ließ die Motorhaube zufallen und setzte sich zusammen mit ihrer brandroten Freundin in den Sportwagen. Aristide ging schnell zurück zu seinem Buick klemmte sich hinters Steuer und fuhr wieder los. Lamelle fühlte sich nicht wohl in seiner Haut.

Weit war es nicht bis zur nächsten Abzweigung.

Er verließ die Ausfallstraße und sah vor sich eine relativ schmale Straße, die zu einem kleinen Waldstück führte. Der Buick fuhr langsam auf dieses Waldstück zu und befand sich allein auf weiter Flur.

Aristide Lamelle sah in den Rückspiegel und wartete auf das Auftauchen des englischen Sportwagens. Er hoffte, sich endlich mit den beiden Damen arrangieren und noch einmal eine Art Galgenfrist herausschinden zu können...

*

„Jetzt…“, sagte die brandrote Dame, die neben der Fahrerin saß. „Es ist soweit!“

Der englische Sportwagen stand dicht vor der Abzweigung auf der Ausfallstraße.

Die Brandrote beobachtete Lamelles Buick durch ein Fernglas und sah nun ganz kurz zur pechschwarzen Fahrerin hinüber, deren Hand hinauf zum Armaturenbrett glitt. Ein unscheinbarer Kippschalter, der für das Einschalten des Scheibenwischers gedacht sein mochte...

Die Pechschwarze legte den kleinen Kipphebel um und sah gleichzeitig hinüber zum Wäldchen.

Dort, wo sich eben noch der Buick befunden hatte, glomm ein orangeroter Glutball auf, der sich in Sekundenbruchteilen zu einer kleinen Sonne ausweitete. Eine Flammensäule schoß zum abendlichen Himmel hoch. Hinter ihr quollen dicke, schwarze, häßliche Rauchwolken empor.

Die Brandrote konnte durch ihr Glas Einzelheiten erkennen. Wrackteile des Buick wirbelten durcheinander, zerfetztes Blech flatterte hilflos durch die Luft. Ein Rad rotierte wie ein Diskus hinaus ins flache Feld. Brennendes Benzin ergoß sich über den Asphalt und setzte ihn streckenweise in Brand.

„So, dieser Herr wird bestimmt nicht reden“, sagte die Brandrote und schob das Fernglas zurück ins Handschuhfach. „Fahr’ los! Damit ist unsere Aufgabe erledigt.“

Der flache, englische Sportwagen schoß wie ein Pfeil los und verschwand mit satt brummendem Motor in einer weiten Senke der Ausfallstraße.

Zurück blieb eine schwarze Rauchwolke dicht vor dem Wäldchen, die nach Tod roch...

*

Die junge Dame im Hosenanzug brauchte etwa zehn Minuten, bis sie wieder aus dem Haus kam.

Sie trug einen dunklen Lederkoffer, der, wie Parker sofort erkannte, der Privatbesitz seines Butler-Kollegen Aristide Lamelle war. Aus diesem Koffer hatte Lamelle einmal während eines Besuches Erinnerungsfotos hervorgekramt und gezeigt.

Die junge Dame im Hosenanzug fühlte sich im Gegensatz zu Josuah Parker völlig unbeobachtet. Mit schnellen, energischen Schritten verließ sie das Grundstück. Josuah Parker blieb ihr ungesehen auf den Fersen, bis sie die Straße erreicht hatte. Hier steuerte sie auf einen unscheinbar aussehenden, durchschnittlichen Ford zu, verstaute den Koffer auf den Rücksitzen, setzte sich ans Steuer und fuhr los.

Der Butler merkte sich sicherheitshalber das Autokennzeichen, wartete, bis der Ford verschwunden war, und begab sich würdevoll hinüber zu seinem hochbeinigen Monstrum. Er spürte, daß ihn irgend etwas irritierte.

Warum hatte Lamelle, sonst die Zuverlässigkeit in Person, ihn nicht erwartet? Warum hatte er zeitlich nicht umdisponiert und ihn verständigt, wenn ihm etwas dazwischengekommen war? Warum hatte er keine Nachricht hinterlassen? Und wieso hatte diese junge, sehr modisch gekleidete Dame einen Koffer von Lamelle abgeholt?

Hatte es überhaupt noch einen Sinn, auf den Kollegen zu warten? Sollte er sich noch einmal bei dieser Emily Custner zeigen? Nun, Josuah Parker wollte nicht zu aufdringlich erscheinen. Er brachte sein hochbeiniges Monstrum in Bewegung und... merkte sehr schnell, daß man ihn beschattete.

Das war elektrisierend für ihn. War die junge Dame im Hosenanzug abgeschirmt worden? Oder war sie ihrerseits beobachtet worden? Fragen über Fragen, auf die der Butler so schnell wie möglich eine passende Antwort finden wollte.

Es galt erst einmal herauszufinden, wer die Beschatter waren. Er steuerte sein hochbeiniges Monstrum in eine passende Vorortstraße, schaltete ein geheimes Zusatzgerät ein und wartete auf das Ergebnis seines Tricks.

Dieser Trick war sehr einfach. Aus dem Auspuff quollen jetzt nämlich blauschwarze Rauchwolken, die auf einen bösen Motorschaden hindeuteten. Die Verfolger mußten den Eindruck gewinnen, daß dieser seltsam und altehrwürdige Wagen es sicher nicht mehr lange machte.

Und richtig, das hochbeinige Monstrum stuckerte und ruckte plötzlich, hielt am Straßenrand und schien, was den Motor anbetraf, den Geist ausgehaucht zu haben. Josuah Parker stieg aus und beschäftigte sich mit der schweren Motorhaube. Während er in den Motorraum hineinsah, beobachtete er vorsorglich den Chrysler, der jetzt heranglitt und dicht hinter seinem Monstrum anhielt.

Ein junger, geschmeidiger Mann stieg aus. Er mochte etwa dreißig Jahre alt sein, war schlank und trug tadellose Kleidung. Er lächelte breit und gewinnend, als er auf den Butler zuging.

„Panne...?“ fragte er.

„Die äußeren Anzeichen sprechen durchaus dafür“, sagte der Butler.

„Soll ich Sie mitnehmen?“ Der junge Mann kam näher und trug mit Sicherheit unter dem Jackett einen Revolver, wie Parker sofort fachmännisch feststellte.

„Das wäre überaus liebenswürdig“, bedankte Parker sich. Um einem plötzlichen Angriff begegnen zu können, hatte er einen seiner vielen Patentkugelschreiber in die Hand genommen, mit dem seine Finger scheinbar nervös herumspielten.

„Ich fahre in die City... Sie brauchen nur einzusteigen.“ Der junge Mann strahlte Vertrauen und Herzlichkeit aus. Dennoch blieb Josuah Parker vorsichtig. Nachlässigkeit war der sicherste und schnellste Weg zum Zentralfriedhof.

„Wenn Sie gestatten, werde ich vorher noch meinen Wagen abschließen.“ Parker wandte sich ab und zog dabei höflich die schwarze Melone. Nicht ohne Grund übrigens, denn in der Wölbung der Innenseite dieser Melone befand sich eine Art Panoramaspiegel, der eine ausgezeichnete Übersicht bot.

Dieser Blick in den Spiegel lohnte sich.

Der junge Mann war plötzlich gar nicht mehr sympathisch, freundlich und vertrauenerweckend. Er hatte blitzschnell in das Jackett gegriffen und war dabei, seine Waffe ans Tageslicht zu befördern...

„Sie werden durchaus begreifen und verstehen, daß ich Ihre Handlungsweise als einen unfreundlichen Akt betrachte“, sagte der Butler tadelnd, nachdem er dem jungen Mann die Waffe aus der Hand geschlagen hatte.

Der Universal-Regenschirm des Butlers war zu einer gefährlichen Waffe geworden. Dann sah der Mann hinunter auf seinen 38er, der auf dem Asphalt lag. Er konnte es einfach nicht begreifen, daß er nicht zum Zuge gekommen war.

„Würden Sie mir freundlicherweise erklären, warum Sie meine bescheidene Wenigkeit niederschießen wollten?“

„Reden Sie doch keinen Quatsch!“ Der junge Mann pumpte sich langsam auf. Es war zu berechnen, wann er versuchen würde, den Butler wütend anzuspringen.

„Soweit ich mich erinnern kann, hatte ich bisher noch nicht das zweifelhafte Vergnügen, Ihnen vorgestellt worden zu sein. Darf man also fragen, in wessen Auftrag Sie schießen wollten?“

Der junge Mann griff erwartungsgemäß an.

Er hatte die feste Absicht, seinen Kopf gegen Parkers Leib zu rammen.

Parker hingegen durchschaute dieses an sich primitive Manöver und trat rechtzeitig zur Seite.

Wie bei einem wütenden und blinden Stier zischte der Kopf des jungen Mannes an ihm vorbei und brachte sich in innige Berührung mit dem Blech des hochbeinigen Monstrums.

Ein dunkles Dröhnen, das an einen gut gestimmten Gong erinnerte!

Der junge Mann rutschte am Wagenaufbau hinunter und dekorierte sich gekonnt und malerisch auf dem Asphalt. Bevor er die Straße erreichte, war er natürlich längst ohnmächtig.

Parker hob den Oberkörper des Mannes an und untersuchte die Riß- und Schürfwunde an der Stirn, die übrigens nicht sonderlich gefährlich war. Dann zog er den jungen Mann hinüber zum parkenden Chrysler und setzte ihn ans Steuer. Nach einem kurzen Blick in das Handschuhfach des Wagens ging der Butler zurück zu seinem Monstrum.

Er entriegelte den Beifahrersitz, kippte den Sitz nach hinten und hatte vor sich einen fast quadratischen Behälter, der mit technischen Spielereien aller Art wohlgefüllt war.

Josuah Parker entschied sich für eine Art Zahnpastatube, die er mit hinüber zum Chrysler nahm. Aus dieser Tube drückte er einige wenige Tropfen einer zähflüssigen Paste auf die Reifen. Dann ging er zurück, verstaute die Tube und fuhr davon.

Die mit der Paste behandelten Reifen lösten sich inzwischen langsam auf. Dort, wo der Butler die Tröpfchen angebracht hatte, fraß sich eine Intensivsäure durch die Reifenwände und zerstörte gründlich die Pneus.

Wenn der junge Mann wieder zu sich kam, was bestimmt nicht lange dauerte, mußte er sich zumindest um ein Taxi kümmern.

*

„Sie sehen Gespenster“, sagte Mike Rander eine gute halbe Stunde später, nachdem der Butler seine Erlebnisse erzählt hatte. „Sind Sie überhaupt sicher, daß dieser junge Mann auf Sie hatte schießen wollen?“

„Dieser 38er, Sir, dürfte Beweis genug sein.“ Parker präsentierte die Waffe, die er natürlich mitgenommen hatte.

„Okay! — Irgendein Ganove, der sich an Ihnen rächen wollte, Parker. Leider passiert das ja immer wieder.“

„Immerhin wurde ich von besagtem Chrysler verfolgt, Sir, nachdem ich meinerseits die junge Dame beobachtet hatte.“

„Wie dem auch sei, Parker, vergessen Sie diesen Zwischenfall! An weiteren Kriminalfällen bin ich nun wirklich nicht mehr interessiert.“ Rander saß hinter seinem Arbeitstisch im Studio der geräumigen und komfortablen Dachgartenwohnung. „Und was Ihren Kollegen Lamelle angeht, so wird er sich schon melden. Habe ich nicht gerade gesagt, daß Sie Gespenster sehen?“

„Sehr wohl, Sir.“ Parkers Gesicht war womöglich noch ausdrucksloser als sonst.

„Nun seien Sie nicht gleich beleidigt“, meinte Rander lächelnd. „Weswegen wollte Lamelle Sie denn sprechen?“

„Dies, Sir, wurde noch nicht einmal angedeutet. Mister Aristide Lamelle rief während meiner Abwesenheit an. Seine Worte wurden vom Tonbandgerät festgehalten.“

„Hatten Sie engeren Kontakt mit Lamelle?“ Mike Rander tat wenigstens so, als erschiene ihm dieses Thema interessant, in Wirklichkeit ging es ihm nur darum, seinen Butler etwas aufzuheitern.

„Dieser Kontakt beschränkte sich auf gelegentliche Besuche im Butler-Club“, berichtete Josuah Parker, „Mister Lamelle und meine bescheidene Wenigkeit tauschten Rezepte aus und beschränkten uns auf Themen allgemeiner Art. Daher auch mein Erstaunen, als Mister Lamelle mich so dringend zu sprechen wünschte.“

„Ich gebe zu, das ist zumindest eine merkwürdige Geschichte“, räumte der junge Anwalt ein. „Aber Sorgen sollten Sie sich nicht machen. Vielleicht ist ihm etwas dazwischengekommen.“

„Wie Sie meinen, Sir!“

„Also gut, was soll und kann ich für Sie tun, Parker?“ Rander seufzte, er spürte, daß er auf dem besten Weg war, sich wieder einmal in einen von Parkers Fällen hineinziehen zu lassen.

„Könnte man feststellen, Sir, wer die Besitzerin jenes Ford ist?“

„Natürlich... Sie meinen die junge Dame, die Lamelles Koffer davongetragen hat?“

„Ebenjene, Sir.“

„Verbinden Sie mich mit der Polizei, Parker. Irgendeiner wird ja wohl dort sein, der für uns im Kennzeichen-Register nachsieht, selbst um diese Zeit... Sonst noch Wünsche?“ „Was den Chrysler und seinen jungen Fahrer angeht, Sir, so habe ich mir erlaubt, mir selbst zu helfen.“

„Mit anderen Worten...“

„Mit anderen Worten, Sir, ich entlieh mir die Brieftasche des jungen Mannes, werde, sie aber selbstverständlich mit der nächsten Post an ihn zurücksenden.“

„Und wer ist dieser junge Revolverheld aus dem Chrysler?“

„Ein gewisser Paul Penell, Sir. Seinen Papieren zufolge arbeitet er in einer Großhandlung für pharmazeutische Artikel. Die genaue Privat- und Geschäftsadresse ist mir bekannt.“

„Schön, Parker, kommen wir zum Kern Ihrer Geschichte.“ Rander nahm wieder hinter seinem breiten und schweren Arbeitstisch Platz. „Woran denken Sie nun? Vermuten Sie, daß Ihr Bekannter Lamelle einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist?“

„Wenn ich meine sogenannte innere Stimme befrage, Sir, so erhalte ich darauf eine ausgesprochen positive Antwort. Leider, wie ich naturgemäß und selbstverständlich hinzufügen möchte.“

*

„Mister Parker! Gut, daß ich Sie erreiche!“

Die junge Frau am Telefon sprach hastig und ängstlich.

„Mit wem habe ich die Ehre?“ erkundigte Parker sich gemessen und höflich.

„Suzy Dell. Ich bin die Nichte von Mister Lamelle.“

„Ich erlaube mir, Ihnen einen guten Abend zu wünschen, Miß Dell.“

Parker stand am Telefon in der großen Wohn- und Empfangshalle der Dachgartenwohnung und schaltete jetzt aus Gründen der Deutlichkeit das Tonbandgerät ein, das die folgende Unterhaltung auf Band aufnahm.

„Mein Onkel, Mister Lamelle, hat mich gerade angerufen.“ Suzy Dell sprach vielleicht noch etwas hastiger. „Ich soll Sie bitten, zu ihm zu kommen.“

„Und wo, Miß Dell, könnte ich Mister Lamelle erreichen? Wissen Sie Einzelheiten?“

„Onkel Aristide hält sich im Osten der Stadt in einem Bungalow versteckt. Wovor er sich fürchtet, hat er mir nicht gesagt. Aber er möchte Sie unbedingt sprechen.“

„Dürfte ich die genaue Adresse haben?“

Suzy Dell gab sie ihm durch und beruhigte sich dabei etwas.

„Warum hat er Sie nicht selbst angerufen?“ fragte sie nach der Angabe der Adresse. „Er tat so schrecklich geheimnisvoll. Irgend etwas Furchtbares muß passiert sein.“

„Ich werde mir die Freiheit nehmen, den Dingen auf den Grund zu gehen“, versprach Parker. „Wie und wo kann ich Sie erreichen, sobald ich wieder zurück bin?“

„Könnten Sie mich nicht mitnehmen, Mister Parker?“

„Dies läßt sich selbstverständlich einrichten. Sie brauchen mir nur zu sagen, wo ich Sie abholen kann.“

Eine zweite Adresse!

Parker wiederholte sie und machte mit Suzy Dell aus, wo er sie abholen wollte. Dann legte er auf und begab sich hinüber in das Studio seines jungen Herrn.

„War was für mich?“ erkundigte sich Mike Rander.

„Nein, Sir“, meldete der Butler „aber Mister Lamelle scheint endlich ein Lebenszeichen von sich gegeben zu haben. Wenn Sie erlauben, möchte ich mich mit ihm umgehend in Verbindung setzen. Vielleicht ist es meiner bescheidenen Wenigkeit möglich, etwas für ihn zu tun. Und sollte dies auch nachträglich sein.“

„Wie... Wie meinen Sie denn das, Parker?“ Mike Rander war irritiert.

„Nur allgemein, Sir. Wenn Sie gestatten, werde ich mich jetzt entfernen.

„Keine Extratouren“, warnte Mike Rander in der bereits üblichen Form und Tonlage...

„Sie können sich ganz fest auf meine bescheidene Wenigkeit verlassen“, gab Parker zurück, ebenfalls in der bereits üblichen Form und Tonlage...

*

„Er soll einen unmöglichen Wagen fahren“, sagte die Brandrote. „Paul hat das durchgegeben... Der Wagen könnte aus einem Museum stammen, sagte er.“

„Dann fällt’s wenigstens nicht auf, wenn er in die Luft fliegt“, gab die junge Dame mit dem pechschwarzen Haar ironisch zurück.

„Wir müssen uns langsam etwas Neues einfallen lassen.“ Die junge Dame mit dem brandroten Haar drückte die Zigarette im Aschenbecher des Wagens aus. „Wir dürfen die Polizei nicht mißtrauisch machen.“

„Sprich’ doch mit der Chefin“, schlug die Pechschwarze vor. „Der wird schon was einfallen.“

Die beiden äußerlich so erfreulich anzusehenden jungen Damen warteten auf den Butler, um ihm zu einer kostenlosen Luftreise zu verhelfen. Die Brandrote — sie hieß Karen Scott — hatte sich am Telefon als die Nichte von Aristide Lamelle vorgestellt. Ihre Freundin, die schwarzhaarige Linda Littson, sollte nach dem Erscheinen Parkers als besorgte Freundin vorgestellt werden. Beide junge Damen waren identisch mit jenen Todesengeln, die Lamelle ins Jenseits befördert hatten. Dies ging schon aus dem kleinen flachen Sportwagen hervor, in dem sie saßen.

„Das muß er sein!“ Die fuchsrote Karen Scott deutete durch die Windschutzscheibe auf einen hochbeinigen Wagen, der langsam aus einer Querstraße kam und dann auf der gegenüberliegenden Straßenseite anhielt.

„Wir könnten es hier erledigen“, schlug Linda Littson vor und strich sich durch das lackschwarze Haar, „den Wagen können wir anschließend in Brand setzen.“

„Wir halten uns genau an die Befehle“, gab Karen Scott zurück. „Der Wagen muß samt diesem Butler am Seeufer hochgehen. Und vorher müssen wir herausbekommen, was Lamelle ihm bereits gesagt hat.“

Karen, die diese Operation leitete stieg aus dem flachen Sportwagen und ging dann mit schnellen Schritten quer über die Straße auf das hochbeinige Monstrum zu.

„Habe ich die Ehre, mit Miß Suzy Dell zu sprechen?“ Parker hatte das Wagenfenster heruntergekurbelt und lüftete seine schwarze Melone.

„Ich bin Suzy Dell“, sagte Karen Scott und verstand es, Angst in ihre Stimme zu legen. „Mister Parker, nicht wahr?“

„In der Tat... Wollen Sie nicht einsteigen?“

„Doch... Ja, natürlich, aber meine Freundin sitzt drüben im Wagen. Könnten wir sie nicht mitnehmen? Allein wegzufahren war mir zu gefährlich.“

„Ich weite meine Einladung selbstverständlich mit Vergnügen auf Ihre Freundin aus.“ Parkers Gesicht zeigte Wohlwollen und Höflichkeit. Der Anblick der jungen Dame schien ihn zu animieren.

Karen Scott winkte zum Sportwagen hinüber. Linda Littson, die auf dieses Zeichen nur gewartet hatte, stieg sofort aus und näherte sich schnell.

„Mille Meliert“, stellte Karen Scott ihre Freundin vor und benutzte selbstverständlich einen falschen Namen.

„Hoffentlich falle ich Ihnen nicht lästig“ sagte Linda Littson und lächelte verschämt wie ein großes Schulmädchen.

„Aber keineswegs“, meinte Parker und ließ die hintere Wagentür aufspringen. Dazu genügte ihm ein Druck auf einen bestimmten Knopf, der auf dem reichhaltig ausgestatteten Armaturenbrett angebracht war.

„Hinten?“ fragte Karen Scott.

„Könnten wir nicht vorn bei Ihnen...?“ meinte Linda Littson.

„Auf keinen Fall, meine Damen!“ Parker schüttelte andeutungsweise den Kopf. „Ich weiß, was ich meiner Stellung als Butler schuldig bin. Sie werden sich, wie ich versichern darf, auf dem Rücksitz ungemein wohl fühlen.“

Karen Scott und Linda Littson bissen in den sauren Apfel und nahmen im Wagenfond Platz. Die Tür klatschte automatisch ins Schloß. Parker legte den ersten Gang ins Getriebe und fuhr los.

„Sie können sich selbstverständlich jederzeit mit mir verständigen“, sagte er auf dem Umweg über die eingebaute Sprechanlage seines Wagens, „Sie brauchen nur zu sprechen, zwei Mikrofone werden Ihre Wünsche hierher zu mir leiten.“

Karen Scott und Linda Littson hatten inzwischen die Trennscheibe wahrgenommen, die Parker von ihnen trennte. Und es war diese Trennscheibe, die sie so gar nicht schätzten. Nicht zu Unrecht hatten sie das dumpfe Gefühl, in einer fahrenden Zelle zu sitzen...

*

Das Ziel war erreicht.

Der Bungalow im Osten der Stadt entpuppte sich als ein windschiefer, verkommener Bau, der in der Nähe des Seeufers stand. Unregelmäßig verstreut gab es hier noch einige andere Wohnhäuser aus Holz, die alle einen unbewohnten Eindruck machten. Hier schien es sich um eine Art Feriensiedlung zu handeln, die nicht besonders frequentiert wurde.

„Wenn Sie erlauben, werde ich vorausgehen und die Lage sondieren.“ Parker öffnete seine Wagentür und verließ das hochbeinige Monstrum. Er nickte den beiden jungen Damen zu und verschwand in der Dunkelheit, ohne sich weiter um sie zu kümmern.

„Schnell, wir müssen ihm nach“, sagte Karen Scott und griff nach der Klinke der Wagentür. „Ich lenke ihn ab. Du wirst ihn... Na, du weißt schon!“

Schwungvoll wollte sie die Wagentür öffnen, doch sie rührte sich nicht.

„Was ist denn?“ wollte Linda Littson wissen. „Nun beeil’ dich doch, Karen!“

„Die Tür geht nicht auf!“ Verzweiflung und Angst lagen in der Stimme.

„Warte, ich versuch’s auf meiner Seite!“ Linda Littson packte energisch zu. Doch auch die Tür auf ihrer Seite blieb fest geschlossen. Linda Littson rüttelte wütend an der Klinke, was jedoch nichts einbrachte.

„Dieser... dieser Kerl hat uns eingesperrt“, entrüstete sich Linda schließlich. „Komm’ Karen, wir schlagen die Scheibe ein! Ich will raus. So oder so!“

Sie wußten nicht, daß sie es mit soliden Panzerglasscheiben zu tun hatten, die über die verzweifelten Anstrengungen der beiden Damen nur lächelten. Bildlich ausgedrückt natürlich.

„Ob er was gemerkt hat?“ fragte Karen schließlich.

„Was soll er denn gemerkt haben?“

„Daß wir ihn umbringen wollen?“

„Unsinn! Woran soll er das gemerkt haben?“ Linda Littson hatte in den Ausschnitt ihres Kleides gegriffen und holte einen handlichen kleinen Browning hervor. „Sobald er zurückkommt, wird er sein blaues Wunder erleben.“

„Du, Linda. Ich habe plötzlich ein komisches Gefühl.“ Karen Scott spürte eine Gänsehaut auf ihrem Rücken.

„Hab’ dich nicht so!“

„Doch, Linda. Dieser Parker hat die ganze Zeit über gewußt, was gespielt wird!“

„Ruhe! Er kommt zurück. Gleich wirst du sehen, wieviel er weiß!“ Josuah Parker tauchte aus der Dunkelheit auf und kam zurück zu seinem Privatwagen. Er schüttelte bedauernd den Kopf, als er am Steuer Platz nahm.

„Ich muß Sie enttäuschen“, sagte er dann über die Bordsprechanlage, „Mister Aristide Lamelle scheint Ihnen eine falsche Adresse genannt zu haben. Nichts deutet darauf hin, daß er sich drüben im Bungalow aufgehalten hat“

„Mister Parker... Einen Moment!“ Linda Littson beugte sich vor und brachte ihr Gesicht sehr nahe an die Trennscheibe. „Wissen Sie, was das hier ist?“

Sie zeigte Parker den Browning. Und der Butler sah deutlich, daß ihr Zeigefinger sich abdrückbereit krümmte.

„Ich möchte Sie ebenso dringend wie eindringlich vor Feindseligkeiten dieser Art warnen“, erwiderte Parker, der sich umgewendet hatte. „Die Trennscheibe besteht, wie Sie merken würden, aus Panzerglas. Falls Sie schießen, müssen Sie mit einem unkontrollierten Abpraller rechnen, der sich recht unangenehm bemerkbar machen könnte!“

Linda Littson starrte auf Parker, dann auf die Waffe und schließlich wieder auf den Butler, der sich bereits wieder dem Steuer zuwandte.

„Lassen Sie uns sofort raus!“ schrie sie dann wütend. „Los, lassen Sie uns raus, sonst zeige ich Sie bei der Polizei wegen Entführung und Unsittlichkeit an!“

„Wie Sie meinen!“ Parker nickte und ließ die Kuppe seines rechten Zeigefingers auf einen Armaturenknopf fallen. An weiteren Auseinandersetzungen war er nicht interessiert.

*

Linda griff sich automatisch an den Kopf und gähnte langanhaltend.

Sie fühlte sich irgendwie wunderbar und zufrieden. Sie richtete sich mechanisch auf und merkte erst jetzt, daß sie gelegen hatte. Schlagartig kehrte eine gewisse Erinnerung zurück. Ruckartig richtete sie sich vollends auf und musterte verstört die Umgebung.

Sie saß jetzt auf einem etwas ungepflegten Rasen hinter einem verwilderten Strauch. Neben ihr lag Karen, die erstaunlicherweise nur spärlich bekleidet war. Karen trug nur das obligate Höschen und ihren mehr als knappen Büstenhalter.

Linda schaute an sich herunter und erschrak.

Sie trug keinen Deut mehr. Auch sie war ihres an sich recht knappen Kleidchens beraubt worden. Selbst die Schuhe fehlten.

„Karen! Karen! Aufstehen!“ Linda beugte sich über ihre mörderische Freundin und rüttelte sie an der Schulter. Karen stöhnte wohlig und sah Linda dann aus großen Augen an.

„Dieser Parker hat uns reingelegt“, sagte Linda heftig. „Los, Karen, steh auf! Wir sitzen in einer verflixt bösen Patsche. Er hat uns Schuhe und Kleider weggenommen!“

Karen erinnerte sich jetzt ebenfalls. Und sie fauchte fast vor Wut, als sie sich darüber klar wurde, in welch eine peinliche Situation sie der Butler gebracht hatte.

„Wir sitzen ja hier in einem Vorgarten“, stellte sie nach einem mißtrauisch-vorsichtigen Rundblick fest.

„Und zwar mitten in der Stadt!“ vollendete Linda wütend. „Wir können uns nicht auf die Straße trauen.“

„Willst du hier sitzenbleiben?“

„Vorerst ja.“ Linda nickte gereizt. „Willst Du in diesem Aufzug über die Straße gehen? Ausgeschlossen!“

„Also hat er gewußt, was gespielt wird?“ Karen bog ein paar Zweige zur Seite und beobachtete die Straße.

„Wahrscheinlich.“ Linda nickte. „Und er hat uns die ganze Zeit über an der Nase herumgeführt.“

„Warum hat er uns nicht zur Polizei gebracht?“

„Keine Ahnung! Vielleicht hat dieser Butler selbst Dreck am Stecken?“

„Viel Spaß, wenn die Chefin das hier erfährt!“ Karen nickte mutlos dazu.

Muß sie es erfahren? Ich meine das hier mit den Kleidern? Wir müssen uns eben eine Geschichte einfallen lassen.“ Linda beobachtete nun ebenfalls die Straße. „Ganz abgesehen davon, daß ja auch Paul hereingefallen ist...“

„Wir brauchen Kleidung oder ein Taxi.“ Karen sah an sich hinunter und fror plötzlich etwas, doch dies lag nicht an den Temperaturen, sie dachte an Josuah Parker und spürte insgeheim, daß ihre bisherige Erfolgsserie abgebrochen war.

*

„Sie sind ja der reinste Wüstling, Parker!“ Mike Rander, der sich die Geschichte seines Butlers angehört hatte, sah Parker lächelnd und ironisch an.

„Sie dürfen versichert sein, Sir, daß ich den beiden jungen Damen auf keinen Fall zunahe trat und die Formen der Schicklichkeit wahrte!“

„Klar, Parker...“ Mike Rander nickte und wurde wieder ernst. „Haben Sie herausbekommen, wer diese beiden Mädchen sind?“

„Dem Inhalt ihrer Handtäschchen zufolge heißen sie Karen Scott und Linda Littson, Sir. Sie fahren einen kleinen englischen Sportwagen, der auf Miß Scott zugelassen ist. Beide Damen waren mit einem Browning bewaffnet. Was den Beruf dieser jungen Damen angeht, Sir, so arbeiten sie als Vertreterinnen für Kosmetik. Die Firma nennt sich „Stardust-Cosmetics“ und hat ihre Büros und Lager hier in der Stadt. Die genaue Adresse ist mir inzwischen bekannt“

„Muß ja eine reizende Firma sein, die solche Damen beschäftigt.“

„Könnte man Details über diese Firma einholen, Sir? Ließ es sich ermöglichen, den Eigentümer dieser Kosmetikfirma zu besuchen?“

„Das läßt sich ermöglichen.“ Rander nickte. „Hören Sie, Parker, ich denke, ich werde ausnahmsweise noch einmal mitmachen. Diese Damen interessieren mich!“

„Ich ahnte und hoffte es, Sir.“

„Daß ich mich für die Damen interessiere?“

„Dies natürlich auch, Sir, aber ich dachte eigentlich mehr an den Kriminalfall, der sich hier ankündigte. Es steht außer Zweifel, daß die beiden Damen Scott und Littson vorhatten, meine bescheidene Wenigkeit umzubringen. Und dieser geplante Mord dürfte eindeutig mit dem seltsamen Verschwinden meines Butlerkollegen Lamelle zusammenhängen.“

„Richtig.“ Rander baute sich vor dem riesigen Fenster seines Studios auf und sah hinüber zum See. „Irgendwie scheinen die beiden Mädchen und dieser Penell zu befürchten, daß Lamelle Ihnen irgendwelche Einzelheiten erzählt hat. Darum sollten Sie wohl sterben.“

„Dies, Sir, ist auch meine bescheidene Ansicht. Ich freue mich von Herzen, mit Ihnen konform gehen zu dürfen.“

„Bleibt die Dame, die aus Lamelles Zimmer den bewußten Handkoffer geholt hat, Parker. Sie gehört zweifelsfrei auch zu diesem Team. Na, morgen wissen wir mehr. Wir dürften es mit irgendeiner Bande zu tun haben, die sich eine neue Masche ausgedacht hat. Ich bin erstaunt, daß wir von Lieutenant Madford noch nichts gehört haben. Wahrscheinlich weiß er von dieser Bande, aber er hütet sich, uns etwas darüber zu sagen.“

„Könnten Sie, Sir, morgen im Vermißtendezernat nach dem Verbleib meines Bekannten Lamelle Erkundigungen einziehen?“

„Hoffentlich bringe ich dann keine schlechten Nachrichten, Parker...“

„Ich fürchte bereits, Sir, daß Sie sie bringen werden. Dürfte ich weiterhin anregen...“

„Das Telefon. Jetzt, um diese Zeit?“ Rander deutete auf den Apparat auf seinem Arbeitstisch, der sich unüberhörbar meldete.

„Ich möchte keineswegs den Propheten spielen, Sir, aber ich könnte mir vorstellen, daß die beiden jungen Damen mich zu sprechen wünschen. Wenn Sie erlauben, werde ich abheben.“

Rander nickte, und Parker hob ab.

„Sie wissen ja wohl, wer hier spricht“, sagte die aufgebrachte Stimme von Linda Littson. „Riskieren Sie bloß nicht, irgend etwas von dem zu erzählen, was vorgefallen ist, Parker, sonst bringen wir Sie wirklich um! Und zwar umgehend! Das ist keine leere Drohung! Vergessen Sie, was geschehen ist! Streichen Sie alles aus Ihrem Gedächtnis und seien Sie froh, wenn wir nichts unternehmen! Lesen Sie in der Morgenzeitung, was aus Ihrem Kollegen Lamelle geworden ist! Der wollte nämlich auch über bestimmte Dinge reden, aber er kam nicht mehr dazu...“

*

Paul Penell erschrak, als Parker ihm auf die Schulter tippte.

„Ja..., w... w... was ist denn? Wer ist da?“ Penell blinzelte in das Licht einer Kugelschreibertaschenlampe und riß weit die Augen auf.

„Parker mein Name... Josuah Parker“, stellte der Butler sich unnötigerweise und überkorrekt noch einmal vor. „Sie erinnern sich... Wir hatten bereits das Vergnügen, als Sie mit dem Kopf gegen Ihren Chrysler rammten.“

Parker schaltete das Licht der Nachttischlampe ein und lüftete seine schwarze Melone.

„Wie... Wie sind Sie hier reingekommen?“ fragte Penell und schluckte. Das Haar hing ihm wirr in die Stirn. Er sah schon jetzt etwas mitgenommen aus, obwohl noch gar nichts vorgefallen war.

„Nehmen Sie zu meinen Gunsten an, daß die Tür offenstand“, antwortete Parker. „Ich möchte mich durch Ihre Frage aber nicht vom eigentlichen Zweck meines nächtlichen Besuches ablenken lassen. Ich möchte eindeutig wissen, was aus meinem Kollegen, Mister Aristide Lamelle, geworden ist.“

Penell kam mit den üblichen Gegenfragen. Er wußte angeblich nichts von Lamelle, behauptete, ihn überhaupt nicht zu kennen, nichts von den beiden Mörderinnen Scott und Littson zu wissen und war überhaupt ahnungslos wie ein neugeborenes Kind.

„Mein Beruf bringt es mit sich, höflich zu sein“, antwortete der Butler schließlich gemessen und würdevoll. „Ich möchte auch Ihnen gegenüber keine Ausnahme von der Regel machen, Mister Penell, falls Sie mich dazu nicht unbedingt zwingen. Ich war übrigens so frei, mich unten in den Räumen der Pharmazie-Großhandlung ein wenig umzusehen.“ Parker deutete auf einen Eimer Wasser und auf ein größeres Paket von mullbindenähnlichen Verbandrollen.

„Gipsmull!“ Als Angestellter der Firma hatte Penell die Verbandrollen natürlich sofort identifiziert.

„In der Tat, Ihre Branchenkenntnisse sind frappierend. Würden Sie die Liebenswürdigkeit haben und sich auf den Bauch legen?“

„Was... was haben Sie vor?“

„Lassen Sie sich freundlicherweise überraschen. Bitte!“

Da war irgend etwas in Parkers Stimme, das Penell veranlaßte, sich sofort auf den Bauch zu drehen. Wenig später zuckte er zusammen, als die erste wassergetränkte Gipsmullbinde seine nackten Waden berührte.

Schnell und geschickt umwickelte Parker die Beine Penells mit den Gipsbinden. Es handelte sich um einen Spezialgips, den die Ärzte bei Knochenbrüchen und Stillegungen verwenden. Dieser Gips trocknete ungemein schnell.

„Hören Sie, Parker, was... was haben Sie denn vor?“ Penell stöhnte in das Kopfkissen. Er riskierte es nicht, sich gegen den Butler aufzulehnen. Immerhin erinnerte ihn sein schmerzender Kopf noch an die Berührung mit der Wagenwand des Chrysler.

Butler Parker 170 – Kriminalroman

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