Читать книгу Der exzellente Butler Parker 4 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 3

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»Diesmal, Mister Parker, werde ich mich aber durch nichts ablenken lassen«, erklärte Agatha Simpson sehr nachdrücklich. »Ich werde jetzt meinen Roman schreiben, komme, was da will.«

»Mylady werden möglicherweise bald auf der internationalen Liste der Bestseller erscheinen«, deutete der Butler höflich an. »Mylady werden dann mit einem völlig neuen Leben rechnen müssen.«

»Ich weiß«, seufzte sie. »Autogrammstunden, Dichterlesungen und dann Hollywood, das meinen Roman selbstverständlich verfilmen wird.«

»Von diversen Fernsehproduktionen ganz zu schweigen, Mylady.« Das Gesicht des Butlers blieb glatt und ausdruckslos.

»Ich werde mich damit abfinden müssen, Mister Parker.« Die ältere Dame seufzte erneut, gab sich dann einen inneren Ruck und musterte unternehmungslustig die nähere Umgebung. Sie befand sich auf der Terrasse eines kleinen, hübschen Hotels, das nahe am Wasser lag. Zu ihren Füßen dehnte sich ein idyllischer See...

Bootsstege reichten weit in das saubere Wasser. An ihnen lagen Motor- und Hausboote in allen Größen und Preisklassen. Es war ein wunderbarer früher Nachmittag.

Man war gerade aus London angereist. Lady Agatha brannte darauf, so schnell wie möglich auf ihr Hausboot zu gelangen. Butler Parker hatte von London aus ein besonders komfortables Boot gemietet, das über ein großes Sonnendeck verfügte. Zwei starke Inborder-Motoren warteten nur darauf, ihre Schrauben in Bewegung setzen zu können.

Die immens vermögende und schon seit vielen Jahren verwitwete ältere Dame konnte sich diesen Luxus durchaus leisten. Zudem glaubte sie fest an ihre einmalige schriftstellerische Begabung. Sie war fest entschlossen, dafür ihre kriminalistischen Neigungen zu unterdrücken. In der romantischen Abgeschiedenheit der sogenannten Norfolk Broads wollte sie sich ganz auf ihre Arbeit konzentrieren.

»War ich nicht schon mal hier?« fragte sie und beobachtete die beiden Hotelangestellten, die viele Gepäckstücke an Bord brachten.

»Mylady beehrten die Broads vor Jahren«, erinnerte Josuah Parker. »Mylady bekamen seinerzeit Kontakt mit Mitgliedern der Unterwelt.«

»Richtig«, meinte sie und nickte wohlwollend. »Ich zerschlug hier eine Gangsterbande, nicht wahr?«

»Mylady waren selbstverständlich erfolgreich.«

»Nun, diesmal werde ich meine Ruhe haben, Mister Parker. Sie haben genügend Manuskriptpapier geordert?«

»Mylady könnten damit durchaus zwei Bestseller zu Papier bringen.«

»Wer weiß, wer weiß«, sagte sie kokett. »Ich fühle mich in ausgezeichneter Form, Mister Parker. Sind Sie sicher, ein ruhiges Plätzchen entdeckt zu haben?«

»Die Spezialkarte der Norfolk Broads weist etwa dreihundertzwanzig Kilometer Wasserwege auf, Mylady, ganz zu schweigen von verwunschenen Buchten und kleinen Seitenarmen, die in dieser Kilometerzahl nicht enthalten sind.«

»Ich werde nach einem bestimmten Programm leben und arbeiten, Mister Parker«, schwärmte Lady Agatha weiter. »Ich werde pro Tag wenigstens zwanzig bis dreißig Seiten schreiben.«

»Mylady werden mit Sicherheit neue Maßstäbe setzen.« Josuah Parker, ein alterslos wirkender Mann, etwas über mittelgroß, war das Urbild eines hochherrschaftlichen englischen Butlers. Seine Bewegungen waren stets würdevoll und gemessen. Seine Sprache zeichnete sich durch übergroße Höflichkeit aus. Dennoch, Butler Parker war keineswegs servil. Er strahlte beeindruckende Autorität aus. Es gab kaum etwas, was ihn in Erregung zu setzen vermochte, wenigstens spiegelte sein glattes Gesicht solch ein Gefühl niemals wider. Er war, alles in allem, eine Persönlichkeit.

»Nun denn, Mister Parker.« Sie warf sich in die an sich schon üppige Brust und setzte ihre majestätische Fülle in Bewegung. Wenn man mit Lady Agatha zu tun hatte, vergaß man schnell, daß sie mit einiger Sicherheit bereits das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte. Sie verfügte über eine sehr baritonal gefärbte Stimme, die nicht gerade leise war und erinnerte, was ihre Gestik betraf, an eine Bühnen-Heroine.

Josuah Parker folgte nicht unmittelbar.

Er hatte zwei männliche Gäste entdeckt, die ihm nicht gerade fremd waren. Einer der beiden Männer war untersetzt und zeigte einen deutlichen Bauchansatz. Auf seinem Kopf saß ein Panamahut, sein Sommeranzug stammte mit Sicherheit nicht von der Stange eines Warenhauses.

Sein Begleiter war schlank, hatte geschmeidige Bewegungen und trug eindeutig eine Schulterhalfter, die wohl kaum unbesetzt war.

Es handelte sich um die Herren Wade Allyson und Cliff Snakins, denen man romantische Anwandlungen kaum nachsagen konnte. Sie gehörten zur Unterwelt von London und spielten in ihr keine unbedeutende Rolle.

Wade Allyson war der Chef einer Bande, die sich mit Drogen aller Art befaßte. Cliff Snakins galt als ein Vollstrecker und hatte mit Sicherheit bereits einige Morde auf dem Gewissen, die man ihm bisher allerdings nicht hatte nachweisen können.

»Was ist denn, Mister Parker?« fragte Lady Agatha ungeduldig vom Bootssteg her.

»Stets zu Myladys Diensten«, lautete die Antwort des Butlers. Er hatte plötzlich das Gefühl, daß seine Herrin kaum in aller Ruhe an ihrem geplanten Bestseller schreiben würde.

Mit Störungen war fest zu rechnen.

*

Lady Agatha erwies sich als wahre Meisterin, was ihre seemännischen Qualitäten betraf.

Sie stand vor dem Ruder und wartete nur darauf, die beiden Inborder-Motoren in Bewegung setzen zu können. Die Angestellten des Freizeitparks hatten die Leinen gelöst und winkten der älteren Dame zu, die beherzt nach den beiden verchromten Hebeln langte, die die Benzinzufuhr der Motoren regelten.

Selbstverständlich gab die Lady sofort Vollgas und ließ die Schrauben arbeiten. In eleganter Schlangenlinie durchpflügte das nicht gerade kleine, recht massiv wirkende Hausboot die stillen Wasser, rammte einen soliden Steg, ließ ihn in den Fluten versinken und nahm Kollisionskurs auf eine schnittige Motoryacht, deren Freizeitkapitän übernervös reagierte. Er riß sein Ruder herum und setzte die Motoryacht durchaus gekonnt auf eine Böschung.

Dies bekam weder dem Boot noch ihm.

Die Motoryacht besann sich auf ihre Einzelteile und legte sie auf der Böschung ein wenig unordentlich ab. Der Freizeitkapitän absolvierte einen Salto und landete nach kurzem Freiflug auf dem Sonnensegel eines Wohnwagengespanns.

»Was suchen diese Anfänger nur auf dem Wasser, Mister Parker?« fragte die ältere Dame, die dem Geschehen nur einen kurzen Blick gegönnt hatte. Sie konzentrierte sich bereits auf die Einfahrt in eine Art Kanal, aus dem ein Tretboot hervorkam.

»Mylady sollten vielleicht ein wenig nach Backbord ausweichen«, schlug Josuah Parker in seiner höflichen Art vor.

»Warum nicht, Mister Parker?« Sie lächelte wohlwollend und tat genau das Gegenteil. Sie steuerte nach Steuerbord und brachte den Mann auf dem Tretboot in einige Verlegenheit. Er entschloß sich dann aber in Anbetracht der vorauszusehenden Entwicklung, das Wassergefährt schleunigst zu verlassen. Mit durchaus elegantem Hechtsprung warf er sich ins Wasser und brachte sich in Sicherheit.

»Sehr leicht zu handhaben, Mister Parker«, konstatierte Lady Agatha, die erstaunlicherweise ohne weitere Komplikationen das Boot in den an sich breiten Wasserkanal bugsierte.

»Mylady beweisen wieder mal eine einmalige Meisterschaft«, stellte der Butler fest. »Vielleicht könnten und würden Mylady die Fahrt ein wenig drosseln«, deutete Parker an.

»Ich will so schnell wie möglich an meinen Liegeplatz«, gab sie munter zurück. »Ich darf keine Zeit verlieren.«

Josuah Parker wußte aus Erfahrung, daß Mylady nun kaum noch zu bremsen war. Was sie sich mal in den Kopf gesetzt hatte, führte sie auch durch. Sie verunsicherte zwei entgegenkommende Hausboote, drängte eine kleinere Motoryacht in den Kanal ab und veranlaßte schließlich zwei Kanufahrer, auf Tauchstation zu gehen. Sonst aber gab es kaum Zwischenfälle. Parker atmete auf, als der Kanal sich erweiterte und in einen kleinen See überging.

Er dachte unwillkürlich an die Niederlande.

Dort wie hier gab es flache, weite Wiesen, sogar einige Windmühlen, weidendes Vieh, idyllisch gelegene Häuser und einen weiten Himmel.

Die Norfolk Broads, die der Butler natürlich recht gut kannte, waren ein beliebtes Ferienziel im Nordwesten von Yarmouth. Bis zur Ostküste war es nicht weit. Wer Ruhe, Erholung und eine sanfte Abwechslung suchte, kam hier mit Sicherheit voll auf seine Kosten.

Wasservögel stiegen ohne Panik aus den schilfbestandenen Uferzonen hoch, Libellen schwirrten durch die Luft und erinnerten an kleine, bunt schillernde Helikopter, Fische sprangen aus dem ruhigen Wasser und schnappten nach Fliegen.

»Machen wir uns nichts vor, Mister Parker«, ließ Agatha Simpson sich plötzlich vernehmen. »Auf die Dauer wäre das hier alles doch recht langweilig, finden Sie nicht auch?«

»Mylady sehnen sich nach dem pulsierenden Leben der Großstadt?« fragte Parker.

»Das mich doch nur wieder ablenken würde«, meinte sie und gab sich einen Ruck. »Nein, nein, Mister Parker, ich werde arbeiten und schreiben, wie ich es mir vorgenommen habe. Und keine Macht der Welt wird mich daran hindern.«

Der Butler dachte an die beiden Unterweltler Wade Allyson und Cliff Snakins und entdeckte dann plötzlich zwei Wasserski-Jets, die ihnen mit geradezu wahnwitziger Geschwindigkeit folgten.

Kam es bereits schon jetzt zu einer ersten Ablenkung?

*

Es waren zwei geschickte Fahrer, die auf dieser Kreuzung mit Wasserskiern und Motorboot vorbeiwischten, dann abdrehten und für eine mächtige Gischtfontäne sorgten. Ein Schwall Wasser ergoß sich über das Hausboot und traf die ältere Dame, die voll erwischt wurde. In wenigen Augenblicken war sie durchnäßt. Ihr eigenwilliger Topfhut rutschte in sich zusammen, und das Wasser rann aus Myladys eisgrauem Haar.

Sie verriß das Ruder. Parker mußte diskret und korrigierend eingreifen. Er brachte das schwerfällige Hausboot wieder auf Kurs und widmete sich dann Lady Agatha, die sich das Wasser aus den Augen wischte.

»Warum sind Sie nicht naß geworden?« fauchte sie danach ihren Butler an.

»Meine Wenigkeit stand möglicherweise günstiger als Mylady«, gab der Butler zurück. Er hatte tatsächlich nichts abbekommen, weil er sich rechtzeitig geduckt hatte.

»Sie hätten mich warnen müssen«, reagierte sie gereizt. »Aber das haben Sie natürlich absichtlich unterlassen.«

»Meine Wenigkeit wurde von den beiden Wasserski-Jets völlig überrascht, Mylady«, lautete Parkers Antwort. »Mylady wollen sich umkleiden?«

»Was bleibt mir denn anderes übrig?« schimpfte sie weiter. »Selbstverständlich haben die beiden Rowdys mich absichtlich bespritzt. Sie werden mir dafür Schadenersatz leisten müssen.«

»Sofern man sie ausfindig machen kann, Mylady. Wasserski-Jets dieser Art sind hier in den Broads häufig vertreten.«

»Wasserski-Jets?« Sie wischte sich das aus dem Haar rinnende Wasser von den Wangen.

»Sie werden von Zweitakt-Motoren angetrieben, Mylady, die bis zu fünfundvierzig Pferdestärken aufweisen«, erläuterte der Butler. »Geschwindigkeiten bis zu maximal achtzig Kilometern sind keine Seltenheit.«

»Warum habe ich nicht solch ein Wasser-Motorrad an Bord?« fragte sie streng. »Ich hätte sofort die Verfolgung dieser Subjekte aufnehmen können.«

»Möglicherweise werden die beiden Wassersportler sich noch entschuldigen, Mylady.« Josuah Parker hatte längst das Ruder übernommen und steuerte das große Hausboot zielsicher durch den See. Er hielt sich an die Fahrrinne, die durch Bojen abgesteckt war.

»Das war kein Zufall, Mister Parker«, sagte die ältere Dame und passionierte Detektivin, die sich anschickte, über den kurzen Niedergang nach unten ins Bootsinnere zu gehen. »Haben Sie darüber schon nachgedacht?«

»Mylady vermuten eine Absicht?«

»Selbstverständlich, Mister Parker. Man hat mich sehr gezielt attackiert. Ich gehe davon aus, daß die Londoner Unterwelt mir Killer auf den Hals geschickt hat.«

»Myladys Urlaubsabsichten können unmöglich bekannt geworden sein.«

»Papperlapapp, Mister Parker. Eine Frau wie ich wird stets und immer beobachtet. Aber dazu später mehr.«

Sie brachte ihre majestätische Fülle über den Niedergang nach unten und verschwand in ihrer komfortabel eingerichteten Schlafkabine. Parker verließ für einen Moment den Ruderstand und holte seine schwarze Reisetasche nach oben.

Sie war von ihm neben dem Niedergang gleich vorn an der Pantry abgestellt worden und enthielt Dinge, auf die Parker nie verzichtete, wenn er unterwegs war. Er rechnete mit weiteren Zwischenfällen, wenngleich er auch nicht davon ausging, daß man ihnen von London aus gefolgt war.

Der Butler entnahm dieser Tasche seine Gabelschleuder und ließ sie im schwarzen Zweireiher verschwinden. Anschließend versorgte er sich noch mit der notwendigen Munition, die aus gebrannten Ton-Erbsen und kleinen, perforierten Plastikkapseln bestand. Für den Augenblick war er gerüstet, er wollte das Ruder nicht zu lange verlassen.

Er kam genau im richtigen Moment wieder zurück.

Die beiden Wassersportfreunde auf ihren Ski-Jets schossen aus einem verschilften Seitenarm des Sees hervor und nahmen erneut Kurs auf das Hausboot. Parker betätigte seine Gabelschleuder und legte eine der Ton-Erbsen in die Lederschlaufe der Zwille. Er war bereit, sich auf seine sehr persönliche Art mit den beiden Wasserfreunden auseinanderzusetzen.

Sie kamen schnell heran. Parker schätzte die Geschwindigkeit der Ski-Jets auf etwa sechzig Kilometer pro Stunde. Die beiden Reiter auf den motorradähnlichen Vehikeln trugen eng anliegende, schwarze Taucherkleidung und Jet-Helme. Sie kurvten spielerisch über die Wasseroberfläche, hinterließen schäumende Heckwellen und wirkten äußerst bedrohlich.

Parker nahm nur kurz zur Kenntnis, daß Mylady, die sich umgekleidet hatte, schon wieder im Ruderstand erschien. Er spannte die beiden Gummistränge seiner Schleuder und ... verschoß die erste Ton-Erbse.

Sie landete mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit auf dem Sonnenvisier des rechts fahrenden Sportlers und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Um dem zweiten Wasserfreund eine Art Warnschuß vor den Bug zu geben, setzte Parker ihm eine Ton-Erbse auf die Brust.

Das Resultat war in beiden Fällen frappierend.

Die Personen kippten von ihren Ski-Jets und landeten im hoch aufspritzenden Wasser. Die Motoren der beiden Ski-Jets wurden sofort automatisch abgeschaltet.

Die Sportgeräte beschrieben einen weiten Bogen und kehrten wie durch Zauberei zu den im Wasser paddelnden Männern zurück, die sich wieder auf die Ski-Jets schwangen und augenblicklich den Rückzug antraten. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis sie im verschilften Seitenarm verschwunden waren.

»Das lobe ich mir, Mister Parker«, ließ die ältere Dame sich vernehmen. »Sie lernen es endlich, wie man mit solchen Subjekten umgehen muß. Selbstverständlich werde ich sofort die Verfolgung aufnehmen.«

»Der Seitenarm, Mylady, dürfte möglicherweise zu flach für das Hausboot sein«, wandte der Butler ein.

»Unsinn«, urteilte sie sofort. »Sie kennen sich auf dem Wasser eben nicht so gut aus wie ich, Mister Parker. Schon als junges Mädchen habe ich viele Seen befahren. Ich sehe doch auf den ersten Blick, daß die Wassertiefe reicht.«

Sie riß das Ruder förmlich an sich und gab Vollgas für die beiden Motoren. Das wirklich nicht kleine Hausboot machte einen Satz nach vorn und rauschte mit dem Bug in den verschilften Seitenarm. Die ältere Dame schaffte es mit spielerischer Leichtigkeit, das Boot auf Grund zu setzen.

»Vielleicht nur eine unwesentliche Untiefe, Mylady«, kommentierte der Butler das Festsitzen.

»Wo blieben Ihre Tiefenangaben, Mister Parker?« räsonierte sie prompt und maß den Butler mit vorwurfsvollem Blick. »Natürlich hätten Sie das Grundlot werfen müssen.«

»Ein unverzeihbarer Fehler, Mylady.« Parkers Gesicht blieb glatt und ausdruckslos wie stets. Was Mylady betraf, so war er durch nichts zu erschüttern.

»Sie wissen ja immer alles besser«, mokierte sich Agatha Simpson. »Sorgen Sie jetzt auch dafür, daß Sie Ihren Fehler Nieder ausbügeln, Mister Parker. Ich wasche meine Hände in Unschuld.«

*

Josuah Parker hatte das Hausboot gerade wieder freigesetzt, als er Motorengeräusch hörte. Wenige Augenblicke später kreuzte vor dem Seitenarm ein kleines Boot auf, in dem zwei junge, sportlich gekleidete Männer saßen, die einen vertrauenerweckenden Eindruck machten.

Parker konnte sich durchaus vorstellen, daß sie vor einer Viertelstunde noch auf den Wasserski-Jets gesessen hatten. Er war also sofort in Alarmbereitschaft und langte nach seinem altväterlich gebundenen Universal-Regenschirm, der neben dem Rudersitz stand.

»In Seenot geraten?« rief der Mann, der den Außenborder bediente, und bugsierte das Motorboot einige Meter in den Seitenarm.

»Gewisse Schwierigkeiten in dieser Hinsicht konnten bereits behoben werden«, gab Parker zurück und lüftete höflich die schwarze Melone.

»Sie werden Ärger mit Ihren Schrauben haben«, sagte der zweite junge Mann und deutete auf das breite, fast rechteckige Heck des Hausbootes. »Da scheint sich ein Netz verwickelt zu haben.«

»Wir bringen das in Ordnung«, versicherte der Mann am Außenborder und winkte lächelnd. »In einigen Minuten können Sie wieder voll losrauschen.«

»Man wird Ihnen zu danken wissen«, gab der Butler zurück. »Darf man Sie vorher zu einem Willkommenstrunk an Bord einladen?«

»Was soll denn das, Mister Parker?« fragte Agatha Simpson, die noch auf dem Niedergang stand. »Der Whisky kostet schließlich sein Geld.«

»Mylady können davon ausgehen, daß es sich mit Sicherheit um eine gute Geldanlage handelt«, versicherte der Butler und beobachtete das Motorboot, das weit hinten am Heck längsseits kam. Leichtfüßig und geschmeidig stiegen die beiden jungen Männer über und gerieten mit Butler Parker in Kollision, der ihnen dabei helfen wollte.

Er rutschte ein wenig aus und hielt sich am ersten jungen Mann fest. Dann drückte er sich ab und suchte Halt beim zweiten Motorbootfahrer.

Mit flinken Fingern leerte der Butler die Schulterhalfter der beiden Helfer, die davon überhaupt nichts mitbekamen. Parker ließ die Pistolen blitzschnell in den Falten seines Schirmes verschwinden. Er hatte vorher das Schließgummi seines Regendaches gelöst, um den Schirm für die Aufnahme etwa vorhandener Waffen zu präparieren.

»Sie haben sich da ein tolles Boot gemietet«, sagte der erste Bordgast.

»Kann bestimmt nicht billig gewesen sein«, fügte sein Begleiter hinzu.

»Alles hat seinen Preis, wie der Volksmund es treffend ausdrückt«, antwortete der Butler und deutete mit der Spitze seines Schirmes auf den Niedergang. »Wenn die Herren sich freundlicherweise in den Salon hinunterbegeben würden?«

»Was wir zu erledigen haben, können wir auch hier über die Bühne bringen«, meinte der erste Bordgast und... langte gekonnt nach seiner längst nicht mehr vorhandenen Schußwaffe. Er griff verständlicherweise ins Leere und machte einen verblüfften Eindruck. Ähnlich erging es seinem Begleiter, der inzwischen ebenfalls bemerkt hatte, daß seine Schulterhalfter leer war.

»Muß man davon ausgehen, daß Sie etwas vermissen?« erkundigte sich Parker gemessen.

Sie antworteten nicht, sondern starrten verdutzt-ungläubig.

»Möglicherweise denken Sie momentan an Ihre Schußwaffen«, redete der Butler weiter und hielt plötzlich eine der beiden Pistolen in der rechten, schwarz behandschuhten Hand.

»Machen... machen Sie keinen Blödsinn«, regte sich der erste Bordgast auf und wich einen halben Schritt zurück.

»Wie ... wie sind Sie an die Dinger gekommen?« wollte der zweite Mann wissen.

»Ist eine Beantwortung dieser Frage für Sie so wichtig?« wollte Parker in Erfahrung bringen.

»Sie haben uns reingelegt«, beschwerte sich der Mann aufgebracht. Er wollte sich auf den Butler stürzen, doch die Waffe mahnte ihn zur Vorsicht.

»Mylady wünschen zu erfahren, in wessen Auftrag Sie Schußwaffen tragen«, meinte der Butler und trat zur Seite, als die ältere Dame an Deck erschien. Sie hielt ihren perlenbestickten Pompadour in Händen, einen kleinen, verspielt aussehenden Handbeutel mit einem harten Kern.

In diesem Pompadour befand sich ihr sogenannter Glücksbringer, ein mächtiges Hufeisen, das von einem Brauereipferd stammte.

»Nun, ich erwarte eine Antwort«, herrschte Lady Agatha die beiden Besucher an. Der Pompadour kam bereits in erste, leichte Schwingung.

»Uns hat keiner geschickt«, verteidigten sie sich. »Wir tragen die Kano ... äh, die Waffen nur so zum persönlichen Schutz.«

»Gelten die Gewässer der Broads als unsicher?« fragte Josuah Parker.

»Keine Ahnung, aber wir gehen eben kein Risiko ein.« Der erste Bordgast bemühte sich um Harmlosigkeit.

»Mister Parker, ich denke, ich werde die beiden Subjekte verhören«, kündigte die ältere Dame freudig an. »Schaffen Sie sie unter Deck, damit die Schreie nicht so an die Öffentlichkeit dringen.«

»Wie Mylady zu wünschen belieben.« Parker deutete eine Verbeugung an.

»Schreie? Schreie ...?!« Der zweite Besucher schluckte nervös.

»Damit ist durchaus Ihrerseits zu rechnen«, gab Parker zurück. »Möglicherweise sind Sie den physischen und psychischen Belastungen eines Verhörs nicht gewachsen.«

Der Butler deutete höflich hinüber zum Niedergang. Die beiden Besucher nickten und... hechteten sich dann wie auf ein geheimes Kommando hin ins Wasser. Dabei verschätzten sie sich erheblich, behinderten sich gegenseitig und schrammten über die Reling. Das Wasser spritzte auf, als sie endlich das rettende Naß erreichten.

Sie blieben unter der Wasseroberfläche und tauchten in das nahe Schilf.

Natürlich hätte Josuah Parker schießen können, doch so etwas lag ihm mehr als fern. Er ließ die Schußwaffe wieder in einer der Schirmfalten verschwinden.

»Wie konnte so etwas nur passieren, Mister Parker?« wollte Agatha Simpson leicht gereizt wissen, nachdem sie sich von ihrer ersten Überraschung erholt hatte. »Warum haben Sie nicht geschossen?«

»Dabei wäre es möglicherweise zu einem nicht beabsichtigten Treffer gekommen, Mylady«, meinte der Butler. »Dies wiederum hätte das Eingreifen der zuständigen Behörden erforderlich gemacht.«

»Mit den Behörden will ich nichts zu tun haben«, gab sie zurück.

»Mylady können versichert sein, daß die jungen Wasserfreunde bald wieder erscheinen werden«, sagte der Butler. »Inzwischen sollte man sich die beiden Sporttaschen im Motorboot näher ansehen. Man war so freundlich, sie zurückzulassen.«

»Selbstverständlich haben Sie wieder mal einen Kardinalfehler begangen«, stellte die ältere Dame fest. »Aber damit werde ich wohl leben müssen.«

*

Agatha Simpson lag auf dem Oberdeck in einem Liegestuhl und genoß die nachmittägliche Sonne. Sie war von ihrem Butler mit einem Kreislaufbeschleuniger versorgt worden und erfreute sich an dem alten Kognak im großen Schwenker.

Sie hatte Parker das Ruder überlassen und wollte hier oben in aller Ruhe über ihren Roman nachdenken. Nach dem kleinen Intermezzo im verschilften Seitenarm des Sees hatte sich nichts mehr getan.

Josuah Parker hatte die beiden Sporttaschen aus dem Motorboot an Bord geholt und konnte sich ebenfalls in aller Ruhe mit dem Inhalt der Taschen beschäftigen.

Dem Generalkurs brauchte er kaum Aufmerksamkeit zu schenken. Boote waren weit und breit nicht zu sehen.

Der Butler hatte die Gegenstände aus den Taschen auf einer gepolsterten Seitenbank ausgelegt und musterte die beiden Taucherbrillen, die Schnorchel und Schwimmflossen. Diese Dinge wirkten nicht alarmierend auf ihn. Anders war dies bei den diversen Brieftaschen, die er gefunden hatte. Es handelte sich um sechs mehr oder weniger elegant aussehende Lederexemplare, die Bargeld, Reiseschecks und Kreditkarten enthielten.

Eine kurze Prüfung sagte ihm, daß diese Brieftaschen mit Sicherheit gestohlen worden sein mußten. Dies ging schon aus den Namen und Adressen hervor, die Parker interessiert zur Kenntnis nahm. Die Eigentümer der Gegenstände wohnten in London, Cambridge, Manchester und Dover.

Der Butler packte alles in die beiden Taschen zurück und widmete sich wieder dem Kurs des Hausbootes, zumal ihm jetzt andere Boote begegneten. Nach wie vor machte alles einen recht friedlichen Eindruck.

Die beiden Motorbootbenutzer, die sich ins Schilf geflüchtet hatten, waren noch nicht in Erscheinung getreten. Es war allerdings mehr als fraglich, ob sie sich noch mal mit Mylady und mit ihm anlegen würden. Sie mußten ja schließlich davon ausgehen, daß man inzwischen den Inhalt der beiden Sporttaschen zur Kenntnis genommen hatte.

Parker passierte gerade einen weiteren Seitenarm und wurde erst im letzten Moment auf ein kleines Hausboot aufmerksam, das ein wenig windschief und mit Schlagseite im seichten Wasser hing. Am Heck des Bootes stand eine Frau, die heftig gestikulierte und winkte.

Parker war ein ungemein höflicher Mensch und winkte erst mal verhalten zurück. Dann lüftete er die schwarze Melone und merkte dabei, daß die Frau auf sich aufmerksam machen wollte. Sie schwenkte sogar ein Badetuch und deutete immer wieder in das Innere des Hausbootes.

Josuah Parker nahm sofort eine Kursänderung vor.

Er steuerte in engem Bogen den Seitenarm an und brauchte nur wenige Minuten, bis er die Hilferufe der Frau wahrnehmen konnte. Dabei sah er deutlich, daß ihr leichtes Sommerkleid oben an der Schulter und an der rechten Seite stark zerrissen war. Als er noch näher heran war, entdeckte er eingetrocknete Blutspuren am linken Mundwinkel der immer noch Winkenden.

»Was ist denn, Mister Parker?« ließ Lady Agatha sich vernehmen. Sie hatte endlich auch einen schwachen Hilferuf mitbekommen, stemmte sich hoch und fühlte sich sofort angesprochen, als sie die Hilferufende sah.

»Einen Moment, meine Gute«, donnerte die ältere Dame mit ihrer tiefen und tragfähigen Stimme zum anderen Hausboot hinüber. »Ich werde Ihnen sofort helfen.«

Josuah Parker brachte den breiten, stumpfen Bug an das Heck des anderen Bootes und stellte die beiden Motoren ab. Er ging durchaus würdevoll nach vorn, machte die beiden Boote miteinander fest und stieg über.

»Darf man Ihnen Hilfe anbieten, Madam?« erkundigte er sich dann in seiner höflichen Art.

Sie nickte und ... wurde ohnmächtig. Die Beine kündigten ihr den Dienst und ließen sie in sich zusammenrutschen. Diskret, aber durchaus gekonnt war Parkers Hilfe. Er fing die vielleicht fünfundvierzigjährige Frau geschickt auf und legte sie auf eine gepolsterte Bank.

»Mister Parker, keine Vertraulichkeiten«, hörte er dann hinter sich Lady Agatha, die wieder mal total mißverstand. »Reißen Sie sich zusammen!«

*

»Sie haben meinen Mann mitgenommen«, sagte die Frau schluchzend. »Sie haben ihn einfach verschleppt ... Helfen Sie ihm!«

Sie war wieder zu sich gekommen, nachdem der Butler sie mit einem Kognak aus Myladys Beständen erfrischt hatte. Die Frau saß hilflos auf der Bank und blickte den Butler beschwörend an.

»Natürlich werde ich Ihnen helfen, meine Liebe«, meinte die ältere Dame eindringlich.

»Vielleicht könnte man Einzelheiten in Erfahrung bringen?« Parker reichte ihr ein nasses Tuch. »Was genau, Madam, trug sich hier zu?«

»Zwei Männer waren plötzlich an Bord«, lautete die schluchzende Antwort. »Wir hatten nichts gehört, Clay und ich. Plötzlich waren sie einfach da und wollten Geld und Schmuck haben.«

»Kam es dabei zu einer Auseinandersetzung?« forschte Parker weiter.

»Clay regte sich schrecklich auf«, berichtete die Frau. »Clay ist mein Mann, verstehen Sie? Er regte sich also auf und wollte sie von Bord jagen. Aber dann schlugen sie ihn einfach zusammen. Und mich danach auch. Sie waren ungewöhnlich brutal.«

»Zwei Männer, die möglicherweise maskiert waren, Madam?«

»Sie trugen Taucherbrillen, diese breiten Masken, wie man sie für den Unterwassersport braucht. Außerdem hatten sie Waffen bei sich.«

»Wann, Madam, fand der Überfall statt?« fragte Parker.

»Vor einer halben Stunde ungefähr«, lautete die Antwort. »Ich habe gerade noch gesehen, wie sie Clay mit in ihr Boot nahmen. Dann wurde ich wieder ohnmächtig.«

»Könnten die Gangster etwa die Subjekte sein, die Sie nicht festgehalten haben, Mister Parker?« fragte Lady Agatha.

»Wohl kaum, wie Mylady dies sicher bereits auszurechnen beliebten«, gab Parker höflich zurück. »Zeitlich und technisch waren die beiden Männer kaum in der Lage, dieses Hausboot zu besuchen.«

»Sie haben meinen Mann mitgenommen.« Die Fünfundvierzigjährige wollte aufstehen, doch sie schaffte es nicht und weinte.

»Hatten Sie Bargeld an Bord, Madam?« Parker blickte prüfend auf den See hinaus. Dort herrschte reger Bootsverkehr. Segel- und Motorboote kreuzten auf dem Wasser. Kanufahrer wechselten sich mit Ruderbooten ab.

»Nein, kein Bargeld«, erwiderte sie. »Clay und ich hatten nur Reiseschecks und Scheckbücher dabei. Natürlich auch Kreditkarten.«

»Die man mitgenommen haben dürfte, Madam?«

»Ich denke schon.« Sie richtete sich ein wenig auf und deutete hinunter in die relativ große Wohnkabine des Hausbootes. »Die beiden Gangster haben den Wandschrank aufgebrochen.«

»Sie werden Ihren Mann mit Sicherheit bald Wiedersehen, Madam«, versicherte Parker ihr. »Man wird ihn mitgenommen haben, damit er Bargeld abhebt.«

»Das Sie wiederbekommen werden, meine Liebe«, beruhigte Lady Simpson sie. »Ich verbürge mich dafür. Mister Parker, lassen Sie sich etwas einfallen. Die Gute hier braucht ärztliche Behandlung.«

»Zudem sollte und müßte man die einschlägigen Behörden verständigen«, schlug Josuah Parker vor.

»Das höre ich aber gar nicht gern.« Sie runzelte die Stirn.

»Noch dürfte der Tatbestand einer Entführung gegeben sein, Mylady.«

»Nun gut.« Sie war widerwillig einverstanden. »Aber die Polizei wird natürlich alles unnötig komplizieren, Mister Parker. Man kennt das ja. Ich werde dieses Hausboot zum Yachthafen zurückbringen.«

»Das Boot, Mylady, hat Schlagseite«, erinnerte der Butler. »Vielleicht sollte man hilfswillige Wassersportler alarmieren.«

»Tun Sie, was ich für richtig halte«, gab sie zurück. »Ich lasse Ihnen da freie Hand.«

»Bitte, helfen Sie meinem Mann«, bat die schluchzende Frau. »Ich will nicht weg vom Boot. Wenn er zurückkommt und ich nicht da bin, dann ...«

»Mister Parker, was sehe ich da?« Agatha Simpson trat an die Heck-Reling und deutete auf den See. Parker sah selbstverständlich ebenfalls die beiden Wasserski-Jets, die mit hoher Fahrt den Seitenarm ansteuerten.

Parker machte sich innerlich bereit, einen möglichen Überfall abzuwehren.

*

Sie entpuppten sich als Angestellte des Ferienhotels.

Die beiden jungen, drahtigen Männer brachten gute Nachrichten. Clay Lantam, wie der Entführte hieß, hatte sich leicht entnervt im Ferienhotel eingefunden und die Polizei alarmiert. Daraufhin waren die beiden Hotelmitarbeiter auf ihre Wasserski-Jets gestiegen, um sich um Susan Lantam zu kümmern.

»Es geht ihm wirklich gut, Madam«, versicherte einer der beiden Angestellten nachdrücklich. »Aber es stimmt schon, was Mister Parker da gerade gesagt hat: Ihr Mann wurde gezwungen, einen größeren Geldbetrag abzuheben.«

»Was bedeutet schon Geld?« Susan Lantam war überglücklich. »Hauptsache, Clay ist in Ordnung. Ich will sofort zu ihm.«

»Wir können Sie zum Hotel zurückbringen, Madam«, schlug einer der beiden jungen Männer vor. »Sie können an Bord bleiben, wir machen das Hausboot wieder flott.«

»Ich will nichts mehr von den Broads wissen.« Susan Lantam schüttelte den Kopf. »Wer wäre denn auf die Idee gekommen, daß man hier überfallen wird?«

»Man kann Wasserski-Jets mieten?« Lady Agatha witterte eine zusätzliche Abwechslung.

»Wir haben eine ganze Menge davon, Mylady«, erwiderte der Angesprochene und nickte. »Aber leicht sind die Geräte nicht zu fahren.«

»Danach habe ich nicht gefragt«, raunzte die ältere Dame sofort und maß ihn mit eisigem Blick. »Sind Sie es gewesen, der mich vor einer Stunde bespritzt hat?«

»Keine Ahnung, Lady, wovon Sie reden. Vor einer Stunde waren wir aber mit Sicherheit im Hotel und haben Boote klargemacht.«

»Ich werde darauf zurückkommen, junger Mann«, versprach die Detektivin drohend. »Mit einer Lady Simpson legt man sich ungestraft nicht an.«

Sie bedachte den jungen Mann erneut mit eisigem Blick und stieg dann auf ihr Hausboot. Parker half ihr diskret dabei und war erleichtert, als der Wechsel ohne jeden Zwischenfall verlief. Der Butler stieß das schwere Hausboot geschickt zurück ins offene Wasser, wendete und steuerte auf den See hinaus.

»Natürlich waren das die beiden Subjekte, die mich belästigt haben«, erklärte sie nachdrücklich.

»Man könnte bei Gelegenheit ihre Alibis überprüfen, Mylady.«

»Richtig«, meinte Agatha Simpson. »Aber vergessen Sie es nicht. Was hielt ich noch von diesem Zwischenfall? Er kommt mir recht dubios vor, nicht wahr, Mister Parker?«

»Mylady gehen einem bereits bestimmten Verdacht nach?«

»Dazu später mehr, Mister Parker«, lautete ihre Antwort. »Sie werden sich noch wundern. Ist es noch weit bis zum Liegeplatz?«

»Man dürfte ihn in etwa einer Stunde erreichen, Mylady.«

»Nun gut, dann werde ich noch ein wenig über meinen Roman nachdenken«, behauptete sie. »Ich muß mich endlich sammeln, Mister Parker.« Sie stieg über die schmale, steile Treppe wieder auf das Sonnendeck und legte sich in den Liegestuhl, der unter ihrer Fülle gequält ächzte. Josuah Parker widmete sich wieder dem Kurs und hatte Zeit, über das Geschehen nachzudenken.

Falls Susan Lantam die Wahrheit gesagt hatte, dann hatte man es mit zwei ausgebufften Gangstern zu tun, die ungewöhnlich brutal arbeiteten, die sich aber unmöglich mit einem Coup zufrieden gaben. Hatten sie bereits einige andere Raubzüge hinter sich? Oder wollten sie damit erst beginnen?

Parker dachte noch mal an Wade Allyson und dessen Leibwächter Snakins, die er eindeutig wiedererkannt hatte. Sie konnten mit diesem Überfall kaum etwas zu tun haben.

Wade Allyson war im Drogenhandel tätig und verdiente dort mit Sicherheit mehr als bei Raubüberfällen. Oder gab es doch eine Verbindung zu dem Ehepaar Lantam?

Ging es bei dem Überfall vielleicht gar nicht um Schmuck, Bargeld und Reiseschecks? War Clay Lantam möglicherweise Wade Allysons Konkurrent?

Dann waren da noch die beiden jungen Männer, die er ins Schilf geschickt hatte. Arbeiteten sie in Allysons Auftrag? War der Drogenhändler einerseits auf Mylady und ihn aufmerksam geworden? Oder wollte er möglichst schnell für klare Verhältnisse sorgen? Allyson war ohne weiteres ein Doppelmord zuzutrauen, Parker wurde durch ein seltsames Geräusch abgelenkt und dachte im ersten Augenblick an einen Motorschaden. Doch die beiden Inborder-Motoren liefen rund, wie er schnell herausfand. Der Butler verließ für einen Moment den Ruderstand, ging zur Treppe hinüber und vernahm deutliche Schnarchlaute.

Mylady meditierte und dachte über ihren Bestseller nach ...

*

Josuah Parker hatte das Hausboot festgemacht.

Es lag an einem schmalen Landesteg, der wenige Meter in den stillen Seitenarm ragte. Der Butler hatte sich diesen Platz vom Ferienhotel zuweisen lassen. Hier war man völlig ungestört, und Lady Agatha konnte sich ausgiebig ihrem Roman widmen.

Sie war inzwischen wach geworden und erschien auf dem Unterdeck, blickte sich nachdenklich um und nickte dann zögernd.

»Hier müßte es gehen«, sagte sie. »Wie weit ist es bis zum offenen Wasser, Mister Parker?«

»Es befindet sich hinter der schmalen Landzunge, Mylady«, erklärte Parker. »Und dort hinter den Weiden gibt es eine Windmühle, in die Mylady sich völlig zurückziehen können.«

»Sehr aufmerksam, Mister Parker«, rang sie sich ab. »Hoffentlich ist die Miete nicht zu hoch?«

»Meine Wenigkeit konnte einen angemessenen Mietpreis aushandeln.«

»Ich werde mir diese Windmühle ansehen, Mister Parker. Ist sie über Land zu erreichen?«

»In der Tat, Mylady, es gibt eine schmale Zufahrtstraße, die auf Umwegen zum Ferienhotel zurückführt.«

»An einen Wagen haben Sie natürlich nicht gedacht, wie?« Sie freute sich bereits im vorhinein und rechnete mit einem Fehler Parkers.

»In einem Mühlenanbau wartet ein kleiner Geländewagen auf Mylady«, meinte der Butler und verbeugte sich leicht.

»Eine unnötige Ausgabe, Mister Parker«, kritisierte sie umgehend und ärgerte sich über Parkers Perfektion. »Wann werde ich hier schon einen Geländewagen brauchen? Ich will schließlich Wassersport betreiben, wenn überhaupt...«

Sie wechselte auf den Landesteg über und schritt energisch zu der hübschen Windmühle, die auf einem kleinen Hügel stand und einen völlig intakten Eindruck machte. Parker überholte seine Herrin und sperrte die schmale Eingangstür auf.

Agatha Simpson betrat die Mühle und schaute sich neugierig um. Sie war beeindruckt, als sie das mächtige Balkenwerk sah, die Mühlsteine und die leiterähnlichen Treppen, die in die Obergeschosse führten.

»Dort oben befinden sich einige Räume, die als Gästezimmer eingerichtet sind, Mylady.«

»Was für ein unnötiger Luxus«, grollte sie. »Was das alles kostet! Sie haben wieder mal übertrieben, Mister Parker.«

»Wie Mylady zu meinen geruhen.« Parkers Gesicht blieb glatt.

»Sie wissen doch sehr genau, daß ich mich finanziell nach der Decke strecken muß«, erklärte sie weiter. »Ist diese Mühle noch gebrauchsfähig?«

»Die Mühlenflügel lassen sich noch betätigen, Mylady, wie meiner Wenigkeit versichert wurde.«

»Ich werde sie bei Gelegenheit klappern lassen, wenn ich schon dafür bezahlen muß«, meinte die ältere Dame. »Übrigens ein recht passabler Ausblick.«

Sie blieb vor einem schmalen Fenster stehen und sah über das flache Land. Weitere Windmühlen kamen ins Blickfeld, Kanäle, kleine und größere Seen, und weit am Horizont die Silhouette einer kleinen Ortschaft mit einer Kirche. Verstreut in dieser ruhigen Region gab es Baumgruppen, Gehölze und einzelne markante Bäume. Die Sonne stand inzwischen schon ziemlich tief.

»Sehr einsam, Mister Parker«, mäkelte sie. »Man kommt sich ja direkt wie verloren vor.«

»Myladys Konzentration wird sicher kaum gestört werden.«

»Man wird sehen.« Sie wandte sich ab und verließ die Mühle. Sie schaute sich den japanischen Geländewagen an, hatte natürlich auch an ihm einiges auszusetzen und schritt dann zurück zum Hausboot.

Josuah Parker wußte längst, daß sie bereits ihren Entschluß bereute, hier in den Broads an ihrem Roman schreiben zu wollen. Agatha Simpson war eine Frau der Großstadt und brauchte Betrieb um sich. Sie liebte die nächtlichen Fahrten durch London, die Besuche in den Clubs und aufregende Abenteuer.

»Gibt es überhaupt ein Telefon?« fragte die passionierte Detektivin plötzlich, als sie wieder an Bord des Hausbootes war.

»Meine Wenigkeit kann Mylady eine Funksprechverbindung mit dem Ferienhotel anbieten«, gab Josuah Parker zurück.

»Ich bin also von der Außenwelt völlig abgeschnitten«, übertrieb sie wie gewöhnlich.

»Mylady bestanden auf solch einem Ferienort«, erinnerte Josuah Parker.

»Sie nehmen immer alles so schrecklich wörtlich«, mäkelte sie. »Kein Telefon also ... Scheußlich! Wie soll ich mich da überhaupt mit meinem Verleger in Verbindung setzen?«

Die ältere Dame schüttelte vorwurfsvoll den Kopf und begab sich in den Salon des Bootes. Auf dem Niedergang blieb sie schon wieder stehen.

»Gibt es wenigstens Fernsehen an Bord?« fragte sie.

»Selbstverständlich, Mylady. Meine Wenigkeit wird sofort die Antenne ausfahren.«

»Aber es gibt ganz sicher keinen Video-Apparat, Mister Parker.« Boshafte Hoffnung glomm in ihren Worten.

»Mylady brauchen sich nur zu bedienen«, meinte Parker.

»Dafür haben Sie aber ein paar anregende Filme vergessen.«

»Keineswegs und mitnichten, Mylady«, lautete die gemessene Antwort des Butlers. »Eine reichhaltige Auswahl der neuesten Streifen wartet nur darauf, Mylady anregen zu können.«

»Nun gut.« Im Augenblick fiel ihr nichts mehr ein. »Dann warte ich jetzt auf das Dinner, Mister Parker. Einige Kleinigkeiten werden mir vollauf reichen. Ich bin ja bekannterweise eine genügsame Frau.«

*

Mylady befand sich in ihrer Kabine und schlief, wie deutlich zu hören war. Es ging auf Mitternacht zu. Der Mond kokettierte unentwegt mit Wolken, verbarg sich, blickte wieder kurz hervor und goß dann Silber über das ruhige Wasser. Hin und wieder sprangen Fische heraus und durchbrachen die Stille. Kein Windhauch bewegte das Schilf im Seitenarm.

Butler Parker genoß diesen Frieden. Er saß auf einer Bank am Niedergang und bewachte den Schlaf seiner Herrin. Er rechnete mit Besuch.

Seiner Erfahrung und Einschätzung nach wußte Wade Allyson längst, wo man hier festgemacht hatte. Dies galt mit Sicherheit auch für die beiden jungen Männer, die er ins Schilf geschickt hatte. Ob sie für den Drogenhändler aus London arbeiteten, war möglich, jedoch noch keineswegs erwiesen.

Parker rührte sich kaum, als er plötzlich ein irreguläres Plätschern vernahm, das kaum von einem springenden Fisch herrühren konnte. Bekam man bereits Besuch?

Von einem nahenden Motorboot hatte er bisher nichts hören können, doch dies besagte überhaupt nichts. Die Besucher benutzten bestimmt ein Kanu, um sich dem Hausboot zu nähern.

Der exzellente Butler Parker 4 – Kriminalroman

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