Читать книгу Der exzellente Butler Parker 16 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 3

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»Darf ich Sie bitten, mir in mein Büro zu folgen?« Der Unbekannte, der Agatha Simpson respektlos auf die Schulter tippte, zählte schätzungsweise fünfundvierzig Jahre und machte einen ausgesprochen smarten Eindruck. Die reiche Witwe, die gerade in Begleitung ihres Butlers durch die Schmuckabteilung von »Wellwoods Warenhaus« bummelte, reagierte sofort. »Finger weg, junger Mann!« fuhr sie den elegant gekleideten Schönling an. »Sonst muß ich Ihnen Manieren beibringen.«

»An Ihrer Stelle würde ich jedes Aufsehen vermeiden«, gab ihr Gegenüber ungerührt zurück und zückte ein Plastikkärtchen, das ihn als Warenhausdetektiv auswies. Hämisch grinsend deutete er auf ein Stück Bernsteinkette, das unübersehbar aus Myladys Jackentasche schaute.

»Das ist doch die Höhe!« fauchte die passionierte Detektivin. »Ausgerechnet mir einen Ladendiebstahl anhängen zu wollen! Als ob eine Lady Simpson das nötig hätte!«

»Einzelheiten können wir in meinem Büro besprechen«, drängte der Detektiv. Schon bildete sich einen Traube neugieriger Kunden ...

»Ich bestehe darauf, sofort den Geschäftsführer zu sprechen, damit ich mich wegen dieses dreisten Übergriffs beschweren kann«, grollte die ältere Dame. Angesichts der wachsenden Zahl von Schaulustigen zog sie es dann aber doch vor, dem Detektiv wütend zu folgen. Josuah Parker begleitete seine Herrin – in würdevoller Haltung und mit undurchdringlicher Miene.

»Wir können die Sache bereinigen, ohne die Polizei einzuschalten«, bot der Smarte an, nachdem man in einem bescheiden eingerichteten Büro Platz genommen hatte. »Sie geben den gestohlenen Schmuck heraus, unterschreiben eine Schuldanerkenntnis und zahlen eine Bearbeitungsgebühr von hundert Pfund ...«

»Hundert Pfund?« unterbrach Lady Agatha und stimmte ein Hohngelächter an. »Keinen Penny werde ich zahlen. Schließlich waren Sie es ja, der mir die Kette heimlich in die Tasche gestopft hat.«

»Unerhört!« entrüstete sich nun der Detektiv. »Sie wollen im Ernst behaupten, daß ich ...«

»In der Tat, junger Mann«, bekräftigte Mylady. »Deshalb will ich jetzt unverzüglich den Geschäftsführer sprechen. Wird’s bald? Meine Zeit ist kostbar.«

»Wenn Sie derart uneinsichtig sind, bleibt mir keine Wahl«, entgegnete der Mann. »Ich werde den Geschäftsführer hinzuziehen und anschließend die Polizei einschalten.«

Kopfschüttelnd griff er zum Telefonhörer. »Mister Wellwood? Hier ist Pool. Wäre es Ihnen möglich, für einen Augenblick herüberzukommen?«

Kaufhauschef Fred Wellwood war noch ein junger Mann. Parker schätzte ihn auf höchstens fünfunddreißig. Er war sportlich-salopp gekleidet. Die blaßblauen Augen im gebräunten Gesicht blickten offen und freundlich.

»Ich habe diese Dame auf frischer Tat ertappt, als sie eine Bernsteinkette in ihrer Jackentasche verschwinden ließ, Mister Wellwood«, trug Detektiv Pool seine Anklage vor.

»Unverschämtheit!« fuhr die resolute Lady dazwischen. »Der dreiste Lümmel hat mir die Kette eigenhändig in die Tasche geschmuggelt! Als ob eine Lady Simpson es nötig hätte, eine Bernsteinkette zu stehlen, der man schon von weitem ansieht, daß sie nicht mal echt ist.«

»Lady Simpson?« wiederholte Wellwood überrascht. »Sie sind Lady Simpson, die berühmte Privatdetektivin?«

»So ist es«, bestätigte Agatha Simpson geschmeichelt.

»Das läßt den bedauerlichen Zwischenfall natürlich in einem anderen. Licht erscheinen«, lenkte Wellwood ein. »Könnte es nicht sein, daß Sie sich geirrt haben, Mister Pool? Jeder Mensch macht mal einen Fehler.«

»Ausgeschlossen, Mister Wellwood«, beharrte der Detektiv. »Ich habe genau gesehen ...«

»Unsinn!« fuhr Mylady ihm über den Mund. »Gar nichts haben Sie gesehen, junger Mann. Dafür habe ich eindeutig bemerkt, wie Sie mir dieses läppische Kettchen in die Tasche geschoben haben.«

»Haben Sie denn einen Zeugen, der Ihre Darstellung bestätigen kann, Mister Pool?« erkundigte sich Wellwood.

»Natürlich nicht«, brummte der Detektiv.

»Aber ich habe einen Zeugen, Mister Smellgood«, triumphierte Agatha Simpson. »Mister Parker wird Ihnen bezeugen, daß sich alles so zugetragen hat, wie ich es Ihnen dargestellt habe.«

»Nicht mal im Traum würde es meiner bescheidenen Wenigkeit einfallen, Myladys Schilderung zu widersprechen«, versicherte Parker durchaus wahrheitsgemäß.

Pools Gesicht nahm allmählich die Farbe einer vollreifen Tomate an. Nervös tupfte er sich mit einem weißen Spitzentuch die Schweißperlen von der Stirn.

»Ihr Eifer in allen Ehren, Mister Pool«, wies Wellwood ihn ebenso höflich wie bestimmt zurück. »In diesem Fall haben sie aber mit Sicherheit den Falschen erwischt.«

»Oh, mein Kreislauf!« wimmerte Agatha Simpson plötzlich mit schwacher Stimme. »Die Aufregung war Gift für meine sensible Natur.«

»Um Himmel willen, Mylady«, rief Wellwood besorgt. »Soll ich einen Krankenwagen bestellen?«

»Nein, nein«, wehrte die Detektivin mit einer müden Handbewegung ab. »Nur einen Schluck zu trinken. Dann geht es gleich wieder besser.«

»Ich lasse Ihnen ein Glas Wasser bringen, Mylady«, bot der Kaufhauschef an.

»Nein, kein Wasser!« stöhnte die ältere Dame und rang entsetzt die Hände. »Das macht alles noch schlimmer.«

»Mylady pflegt ihren Kreislauf mit alkoholhaltigen Stärkungsmitteln französischer Provenienz zu therapieren, falls die Anmerkung erlaubt ist«, setzte Parker Wellwood ins Bild.

»Ach so«, lächelte der Chef. »In meinem Büro habe ich einen hervorragenden Kognak, Mylady. Schaffen Sie die paar Schritte, oder soll ich ihn herbringen lassen?«

»Es wird schon gehen«. Lady Agatha erhob sich schnaufend.

Im Weggang bedachte sie den Kaufhausdetektiv noch mit einem triumphierenden Blick. In den Augen des Mannes glomm der Haß ...

*

»Geht es Ihnen jetzt besser, Mylady?« erkundigte sich Wellwood.

»Es kommt so langsam wieder«, entgegnete die Detektivin und schob ihm das Glas zum Nachfüllen hin. »Etwas besser ist es schon, Mister Sellgood.«

»Verzeihung, Mylady. Wellwood«, korrigierte der Warenhausbesitzer.

»Was meinten Sie, junger Mann?« fragte die ältere Dame irritiert.

»Mein Name lautet Wellwood, Mylady«, wurde der Hausherr deutlicher.

»Richtig, Smellgood«, nickte Lady Agatha und hob ihr Glas zum drittenmal. »Sagte ich das nicht?«

»Möglicherweise habe ich mich nicht deutlich genug vorgestellt, Mylady«, nahm Wellwood die Schuld auf sich und überreichte seine Karte.

»Wie auch immer«, schaffte Agatha Simpson die Sache mit einem verbindlichen Lächeln aus der Welt. »Namen sind Schall und Rauch, mein Lieber.«

»Man ist überrascht, diesen Satz aus dem Mund einer Angehörigen des britischen Hochadels zu vernehmen, Mylady«, sagte Wellwood und schenkte unaufgefordert nach, was die ältere Dame mit deutlichem Wohlwollen quittierte. »Aber Sie sind eben eine ungewöhnliche Frau.«

»Eigenlob liegt mir natürlich fern, Mister Smellgood«, antwortete Agatha Simpson geschmeichelt. »Aber Sie haben wirklich den Kern der Sache getroffen. Ihre Auffassungsgabe ist beachtlich.«

»Danke für das Kompliment, Mylady«, sagte Wellwood. »Im übrigen möchte ich es aber nicht versäumen, mich noch mal bei Ihnen für Mister Pools pflichtwidrigen Übereifer zu entschuldigen.«

»Der Mann kann von Glück reden, daß ich nicht nachtragend bin«, behauptete die passionierte Detektivin.

»Es hätte nicht vorkommen dürfen«, erklärte Wellwood. »Obwohl ich verstehe, daß der Mann nervös ist.«

»Darf man möglicherweise um Aufklärung darüber bitten, wie Sie diese Äußerung verstanden wissen möchten, Mister Wellwood?« schaltete Parker sich in das Gespräch ein.

»Bei der letzten Inventur vor zwei Tagen sind geradezu unglaubliche Fehlbestände herausgekommen«, erläuterte der Kaufhausbesitzer.

»Fehlbestände?« wiederholte die Detektivin gedehnt.

»Die Ladendiebstähle müssen in beängstigendem Maß zugenommen haben, wenn die Zahlen stimmen«, fuhr Wellwood fort. »Und das ist ausgerechnet in der Zeit passiert, seit Archibald Pool hier arbeitet.«

»Daß der Bursche zum Detektiv ein Talent hat wie eine Kuh zum Fliegen, hätte ich Ihnen sofort sagen können, Mister Sellgood«, verkündete Lady Agatha überlegen. »Hätten Sie eine Detektivin von Format eingeschaltet – mich zum Beispiel...«

»Ich hätte es nicht gewagt, Sie darum zu bitten, Mylady«, gestand der Warenhausgewaltige. »Aber das Haus Wellwood würde sich außerordentlich geehrt fühlen.«

»Honorar ist selbstverständlich nur bei Erfolg fällig, Mister Sellgood«, wurde die ältere Dame geschäftlich.

»Nur bei Erfolg?« wiederholte Wellwood beeindruckt.

»Natürlich habe ich immer Erfolg«, lächelte Lady Agatha selbstzufrieden.

»Die Höhe spielt keine Rolle«, versicherte Fred Wellwood leichtsinnigerweise. »Ich muß die Sache in den Griff bekommen, wenn ich nicht in naher Zukunft den Laden schließen will. Die Verluste gehen schon in die Hunderttausende.«

»Eine wirklich beträchtliche Summe, wenn die Anmerkung gestattet ist«, ließ Parker sich vernehmen.

»Merkwürdigerweise scheinen sich die Ladendiebe im letzten halben Jahr auf Dinge spezialisiert zu haben, die kein Mensch unbemerkt wegtragen kann«, fuhr Wellwood fort. »Auf Waschmaschinen, Herde, Kühlschränke.«

»Möglicherweise dürfte es für diesen Umstand eine Erklärung geben«, wandte der Butler ein.

»Selbstverständlich gibt es eine Erklärung«, schob Agatha Simpson sich wieder in den Vordergrund. »Mister Parker, erläutern Sie Mister Smellgood, was ich damit meine.«

»Falls man sich nicht gründlich täuscht, gehen Mylady von der Annahme aus, daß es sich um einen Fall von organisiertem Bandendiebstahl handelt«, kam Parker der Aufforderung nach.

»Richtig, eine skrupellose Bande«, bekräftigte die ältere Dame. »In solchen Dingen ist mein Instinkt untrüglich.«

»Auch eine Bande kann Gegenstände dieser Größenordnung nicht ungesehen aus den Verkaufsräumen schaffen«, wandte Wellwood ein. »Und eingebrochen wurde bei uns seit Jahren nicht.«

»Müßte man unter Umständen auch in Erwägung ziehen, daß das Diebesgut gar nicht aus den Verkaufsräumen entwendet wurde, Mister Wellwood?« hakte der Butler nach.

»Sie meinen, aus dem Lager?« tippte der Hausherr, und Parker nickte.

»Dann können es doch nur Einbrecher gewesen sein, die nach Geschäftsschluß kamen«, hielt Wellwood entgegen. »Und wir haben einen absolut zuverlässigen Nachtwächter, dem bestimmt etwas aufgefallen wäre.«

»Gegebenenfalls wäre noch eine weitere Möglichkeit zu erwägen, Mister Wellwood«, sagte Parker.

»Das liegt doch auf der Hand – jedenfalls, wenn man meine Erfahrung hat«, schaltete Mylady sich wieder ein. »Mister Parker, erläutern Sie Mister Sellgood, an welche Möglichkeit ich dabei denke.«

»Mylady dürften in Betracht ziehen, daß die Diebe auf Ihren Gehaltslisten stehen, Mister Wellwood«, teilte der Butler seine Vermutung mit.

»Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, zweifelte der Kaufhausbesitzer. »Mein Personal hat sich eigentlich nie etwas zuschulden kommen lassen. Abgesehen von zwei Lagerarbeitern, die Pool ganz zu Anfang seiner Tätigkeit beim Stehlen erwischt hat. Aber die habe ich natürlich sofort entlassen.«

»Eine Mitteilung, die man keineswegs unbeachtet lassen sollte, Mister Wellwood«, merkte Parker an.

»Ich glaube kaum, daß meine Informationen Ihnen viel weiterhelfen können«, entgegnete der Hausherr. »Sie müssen schon selbst wissen, wie Sie vorgehen. Und wenn Sie meinen, mein Personal überprüfen zu müssen, haben Sie natürlich auch da freie Hand. Nur möchte ich Sie bitten, so diskret wie möglich vorzugehen.«

»Sie können völlig unbesorgt sein, junger Mann«, versicherte Agatha Simpson mit treuherzigem Augenaufschlag. »Diskretion ist meine Spezialität.«

»Dann will ich noch Mister Pool darüber informieren, daß Sie sich bereit gefunden haben, die Ermittlungen zu übernehmen, Mylady«, sagte Wellwood. »Anschließend entschuldigen Sie mich bitte. Wir haben noch Abteilungsleiterkonferenz, und die Herren erwarten mich.«

Zwei Minuten später war Archibald Pool, von Wellwoods Sekretärin herbeizitiert, zur Stelle.

»Ich wollte Sie nur davon in Kenntnis setzten, Pool«, sagte der Chef, »daß Lady Simpson und Mister Parker sich freundlicherweise bereit erklärt haben, die Ursache unserer unglaublichen Verluste aufzudecken.«

In Pools Gesicht zuckte es.

»Von Ihnen erwarte ich«, fuhr Wellwood fort, »daß Sie sich kooperativ verhalten und das Team nach Kräften bei seiner Arbeit unterstützen. Verstanden, Pool?«

»Okay, Mister Wellwood«, gab der Detektiv düster zurück.

»Dann können Sie jetzt gehen, Pool«, beschied der Chef seinen Angestellten.

Archibald Pool verneigte sich kurz, setzte ein etwas verkniffen wirkendes Lächeln auf und verließ den Raum.

»Wann werden Sie mit Ihren Ermittlungen beginnen, Mylady?« wollte Wellwood wissen, während man sich erhob.

»Ich denke morgen, Mister Smellgood«, gab die Detektivin zur Antwort. »Heute abend muß ich erst mal mein taktisches Konzept ausarbeiten. Danach geht dann alles sehr schnell.«

»Ich hoffe, Sie behalten recht, Mylady«, sagte der Kaufhausbesitzer. »Würden Sie es übrigens für sinnvoll halten, wenn ich die Herren Abteilungsleiter über Ihren Einsatz informiere?«

»Davon sollte man nach Möglichkeit absehen, Sir«, antwortete der Butler an Myladys Stelle. »Schon im Interesse der Diskretion, falls der Hinweis gestattet ist.«

Während Agatha Simpson hocherhobenen Hauptes durch die Verkaufsabteilungen dem Ausgang zustrebte, hielt Parker vergeblich nach Detektiv Archibald Pool Ausschau. Vermutlich befand er sich in seinem Büro und spülte den Ärger mit einem Schnaps hinunter.

»Falls man sich nicht gründlich täuscht, dürften Mylady seit heute nachmittag einen Feind mehr haben«, äußerte der Butler, als er sein hochbeiniges Monstrum aus dem Parkhaus auf die Straße lenkte.

»Sie meinen diesen erbärmlichen Burschen, der die Dreistigkeit besitzt, sich Detektiv zu nennen?« vergewisserte sich die ältere Dame.

»Mylady sagen es.«

»Um so besser, Mister Parker«, reagierte Agatha Simpson gut gelaunt. »Viel Feinde, viel Ehr!«

*

Gelassen steuerte Josuah Parker sein hochbeiniges Monstrum durch den dichten Feierabendverkehr der Londoner City in Richtung Shepherd’s Market. Das schwarze, eckige Gefährt hatte lange als Taxi gedient, ehe der Butler es erwarb und nach seinen Vorstellungen umbauen ließ. Seitdem sprachen Freund und Feind respektvoll von einer »Trickkiste auf Rädern«.

»Noch ahnt die Bande nicht, daß ich ihr auf der Spur bin«, frohlockte Agatha Simpson, die es sich in den weichen Polstern im Fond bequem gemacht hatte. »Aber ich werde die feigen Kerle schon aus ihren Schlupflöchern jagen.«

»Diese Mühe dürfte sich erübrigen, falls meine bescheidene Wenigkeit sich nicht gründlich täuscht, Mylady«, meldete Parker über die Sprechanlage nach hinten.

»Wie soll ich das verstehen?«

»Mylady dürften davon ausgehen, daß man bereits auf Mylady aufmerksam geworden ist.«

»Wollen Sie damit sagen, daß ich verfolgt werde, Mister Parker?«

»Nichts anderes gedachte man mitzuteilen, Mylady.«

»Das überrascht mich keineswegs, Mister Parker. Der blaue Volvo fiel mir schon vor einer Weile auf.«

»Meine Wenigkeit bedauert zutiefst, im Moment keinen blauen Volvo ausmachen zu können, Mylady. Dagegen möchte man Myladys Aufmerksamkeit gern auf einen grünen Daimler lenken...«

»So groß ist der Unterschied nicht, Mister Parker«, wischte Lady Agatha den Einwand souverän beiseite. »Vier Räder haben alle Autos.«

»Eine Feststellung, der kaum zu widersprechen sein dürfte, Mylady«, räumte der Butler ein. »Darf man im übrigen höflich um Auskunft bitten, wie Mylady mit dem Verfolger zu verfahren gedenken?«

»Ich werde die Lümmel stellen und ihnen erst mal Manieren beibringen«, entschied die resolute Dame. »Über die Details dürfen Sie sich Gedanken machen, Mister Parker. Darum kann ich mich bei der Last meiner Verantwortung nicht auch noch kümmern. Aber machen sie sich darauf gefaßt, daß Sie es mit einem eiskalten Killerkommando zu tun haben, Mister Parker«, warnte sie.

»Zweifellos haben die Gangster erkannt, wie gefährlich ich bin. Deshalb wollen Sie mich natürlich bei nächster Gelegenheit kaltmachen.«

»Ein Ereignis, das es auf jeden Fall zu verhindern gilt, Mylady«, versicherte Parker. »Allerdings dürfte die von dem Verfolgerfahrzeug ausgehende Gefahr für Myladys Leib und Leben denkbar gering sein, falls der Hinweis gestattet ist.«

»Ihnen fehlt eben meine Menschenkenntnis, Mister Parker, Ich habe den vier Typen sofort an der Nasenspitze angesehen, daß es sich um kaltblütige Berufsmörder handelt, die mir nach dem Leben trachten.«

»Verzeihung«, wandte Parker vorsichtig ein. »Möglicherweise darf man sich erlauben, Mylady auf einen kleinen, aber durchaus gewichtigen Irrtum hinzuweisen.«

»Ich sollte mich geirrt haben, Mister Parker?«

»Bedauerlicherweise konnte man außer dem Lenker des Fahrzeugs keine weiteren Insassen ausmachen, Mylady.«

»Wie auch immer, Mister Parker«, antwortete Agatha Simpson mit einer ungeduldigen Geste. »Jedenfalls hat mein Gegner die Herausforderung angenommen.«

»Mit gewissen Verwicklungen dürfte in nächster Zeit fraglos zu rechnen sein, Mylady.«

Im Rückspiegel registrierte der Butler, wie sich eine steile, nachdenkliche Falte auf der Stirn seiner Herrin bildete.

»Wenn das kein Killer ist«, fragte sie mit unüberhörbarem Bedauern in der Stimme. »Was will der Lümmel dann?«

»Mylady dürften es als wahrscheinlich ansehen, daß der Herr lediglich den Auftrag hat, Myladys Anschrift zu ermitteln.«

»Soll er ruhig, Mister Parker.«

»Ungebetene Besucher dürften die nahezu unausweichliche Folge sein, Mylady.«

»Das ist es doch gerade, was ich will, Mister Parker.«

»Darf und muß man Myladys Äußerung dahingehend deuten, daß Mylady planen, den Verfolger ungeschoren entkommen zu lassen?«

»Den Lümmel werde ich mir später kaufen, Mister Parker.«

»Myladys Wünsche sind meiner bescheidenen Wenigkeit Befehl.«

»Ich sehe schon, daß die Gedankengänge, auf denen mein taktisches Konzept beruht, zu subtil sind«, dozierte die Detektivin. »Wenn ich die Gangster dazu bringe, mich in Shepherd’s Market anzugreifen, spare ich viel Zeit und vor allem Benzinkosten, Mister Parker. Jedermann muß wirtschaftlich denken heutzutage.«

»Eine Feststellung, die man nur mit allem Nachdruck unterstreichen kann, Mylady«, gab Parker seiner Herrin recht.

»Gerade als alleinstehende Dame muß ich mit dem Pfennig rechnen«, behauptete die Detektivin, deren Reichtum ebenso sprichwörtlich war wie ihre betuliche Sparsamkeit.

»Man hat also korrekt vernommen, daß Mylady zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon abzusehen geruhen, dem Verfolger eine Lektion zu erteilen?« vergewisserte sich der Butler. Konnte es wirklich sein, daß Agatha Simpson eine Gelegenheit zu handfestem Meinungsaustausch passieren ließ, um ein paar Schilling Benzingeld zu sparen?

»Außerdem ist mein Kreislauf noch immer nicht in bester Verfassung, Mister Parker«, ließ Agatha Simpson die Katze aus dem Sack. »Ich werde mir noch eine kleine Stärkung genehmigen müssen, ehe ich die Gangster in die Knie zwinge.«

»In einer Minute dürfte Myladys Haus erreicht sein«, teilte Parker mit und bog in die stille Wohnstraße ein, an der Agatha Simpson ein zweistöckiges Fachwerkgebäude von repräsentativem Zuschnitt bewohnte. In den Kellergewölben, die auf den Grundmauern einer geheimnisumwitterten Abtei errichtet waren, lagerten noch ausreichende Mengen von »Kreislaufbeschleunigern« der erlesensten Provenienzen.

Der Fahrer des grünen Daimler hatte sein Fahrzeug in respektvollem Abstand am Beginn der Straße gestoppt, als er Parkers schwarzes Monstrum in die Einfahrt einbiegen sah.

Als der Butler kurze Zeit später noch mal zum Tor ging, um nachzuschauen, war der Wagen verschwunden.

*

Nach ausgiebiger Meditation, die von Schnarchgeräuschen untermalt wurde, war Agatha Simpson in die weitläufige Wohnhalle zurückgekehrt und widmete sich einem Imbiß.

Gewandt häufte Parker seiner Herrin eine Portion Geflügelsalat auf den Teller, schob das Körbchen mit den knusprig gerösteten Toastscheiben näher und trat anschließend in seiner unnachahmlichen Art einen halben Schritt zurück.

»Bei den Gangstern, die ich im Moment jage, scheint es sich um überdurchschnittlich intelligente Exemplare zu handeln«, murmelte die Detektivin mit vollem Mund.

»Darf man um Aufklärung darüber bitten, wie Mylady zu dieser Einsicht gelangt sind?«

»Weiß der Teufel, wie die Lümmel so schnell spitzgekriegt haben, daß ich ihnen auf der Spur bin.«

»Der Personenkreis, der über Myladys bevorstehende Ermittlungen unterrichtet ist, dürfte mit Sicherheit als eng umgrenzt gelten, falls der Hinweis gestattet ist.«

»Ich errege eben ständig Aufsehen, Mister Parker. Meine Auftritte sprechen sich schnell herum.«

»Mylady sind eine Erscheinung, die man nur als außergewöhnlich bezeichnen kann und muß.«

»Ich weiß, Mister Parker, ich weiß. Das ist ja auch der Grund, warum man schon im Kaufhaus Sellgood von mir redet.«

»Ein Umstand, der Myladys bevorstehenden Ermittlungen nicht unbedingt förderlich sein dürfte.«

»Im Gegenteil, Mister Parker. Die Gangster, die zweifellos Verbindungsleute im Kaufhaus haben, werden gewarnt und gehen wie Bestien auf mich los. Und schon sitzen sie in der Falle.«

Lady Simpson hatte manchmal eine beneidenswerte Art, Dinge nicht komplizierter zu sehen, als es für sie nötig war. Die sogenannten Details erledigte ja in gewohnter Zuverlässigkeit Butler Parker.

»Es hat geläutet, Mylady«, meldete Parker mit einer angedeuteten Verbeugung. »Falls Mylady keine Einwände erheben, würde meine Wenigkeit sich zur Tür begeben, um nachzusehen, wer Einlaß begehrt.«

»Wenn es Killer sind, sagen Sie mir Bescheid, Mister Parker«, ließ sich Lady Agatha vernehmen. »Sollten es die Kinder sein, führen Sie sie bitte herein.«

»Man wird bedacht sein, nach Myladys Wünschen zu verfahren«, versicherte Parker, ehe er seine Schritte in Richtung Diele lenkte.

Mit routinierten Handgriffen öffnete er den Wandschrank neben der Haustür und schaltete die hauseigene Fernsehüberwachungsanlage ein.

Das gestochen scharfe Bild, das kurz darauf auf dem Monitor aufleuchtete, veranlaßte den Butler, ohne Zögern die Haustür zu öffnen.

»Hallo Parker!« grüßte Anwalt Mike Rander in seiner lässigen Art.

»Guten Abend, Mister Parker«, setzte Kathy Porter etwas förmlicher hinzu.

Der Butler erwiderte den Gruß und nahm die Regenschirme des Paares in Empfang, ehe er die Besucher in die Wohnhalle führte.

Parker und Rander kannten sich noch aus der Zeit, als der Anwalt einige Jahre in den Staaten verbrachte. Damals hatte Parker in Randers Diensten gestanden und ihm geholfen, manchen brisanten Fall aufzuklären.

Später war Parker jedoch nach London zurückgekehrt und hatte die Stellung im Hause Simpson angetreten. Als Rander einige Zeit später folgte und an der nahegelegenen Curzon Street eine Kanzlei eröffnete, hatte der Butler ihn im Haus seiner Herrin eingeführt.

Mylady hatte den blendend aussehenden Anwalt – eine betont sportliche Erscheinung mit braungebranntem Teint – unverzüglich in ihr Herz geschlossen und ihn sogar mit der Verwaltung ihres schwer zu beziffernden Vermögens betraut.

In der Villa in Shepherd’s Market war Mike Rander auch zum erstenmal Myladys Gesellschafterin, der attraktiven Kathy Porter, begegnet. Daß er die junge Dame mit dem Kastanienschimmer im dunklen Haar und den leicht mandelförmig geschnittenen Augen mindestens schätzte, war nicht zu übersehen. Myladys Traum, die »Kinder« bald vor den Traualtar führen zu können, hatte sich bisher jedoch nicht erfüllt.

»Ist das wieder ein Sauwetter!« schimpfte Mike Rander, noch ehe er die Hausherrin begrüßte.

»Mir kann das Wetter nichts anhaben, mein Junge«, verkündete Agatha Simpson strahlend.

»Wirklich nicht, Mylady?« wunderte sich Kathy Porter, die auf dem Sofa neben der älteren Dame Platz genommen hatte.

»Mir tun die armen Leute leid, die keine sinnvolle Beschäftigung haben und nur noch vor dem Fernseher hocken, wenn es draußen so ekelhaft ist«, fuhr Agatha Simpson fort.

»Das hört sich fast so an, als hätten Sie schon wieder mit einem Kriminalfall zu tun, Mylady«, mutmaßte Mike Rander und zog seinen Sessel näher heran.

»Und ob!« warf Lady Agatha sich in die ohnehin voluminöse Brust. »Killerkommandos trachten mir nach dem Leben, meine Lieben.«

»Nicht möglich!« riefen Kathy Porter und Mike Rander in gespieltem Entsetzen und wie aus einem Mund. Beide wußten aus Erfahrung, daß die ältere Dame in ihrem angeborenen Hang zur Dramatik manchmal zu Übertreibungen neigte.

»Alles fing damit an, daß ein unverschämter Lümmel mir einen Ladendiebstahl in die Schuhe schieben wollte«, berichtete Mylady eifrig.

Empört deutete sie auf die schöne Bernsteinkette, die ihren Hals umspannte. »Der Gauner wollte doch allen Ernstes behaupten, ich hätte die Kette heimlich in meine Jackentasche gesteckt.«

»Dabei würden Sie so etwas nie im Leben tun«, warf Rander mit todernster Miene ein.

»Der unverschämte Kerl hat mir das Ding eigenhändig in die Tasche geschmuggelt, um eine Fangprämie von mir kassieren zu können«, setzte die Detektivin ihren Bericht fort. »Aber da war er bei mir natürlich an der falschen Adresse.«

»Sie hatten die Kette schon bezahlt, Mylady?« vergewisserte sich der Anwalt.

»Bezahlt? Wo denken Sie hin, mein Junge!« entrüstete sich die Hausherrin. »Die habe ich so mitgenommen. Strafe muß eben sein.«

»Und wie hängt das mit den Killerkommandos zusammen?« fragte Kathy Porter.

»Die Details kann Ihnen mein Butler erläutern, Kindchen«, spielte Mylady den Ball weiter.

In präzisen Sätzen berichtete Parker über das rätselhafte Verschwinden von voluminösen Haushaltsgeräten aus dem Kaufhaus Wellwood und baute auch eine Schilderung des eleganten Hausdetektivs ein. Er schloß seinen Bericht mit der Erwähnung des unbekannten Verfolgers im grünen Daimler, der offenbar nur Myladys Adresse herausbekommen wollte.

»Das kann doch nur dieser Pool gewesen sein, der Ihnen den Wagen hinterhergeschickt hat«, meinte Rander sofort. »Außer dem Chef weiß doch sonst niemand, daß Sie Ihre Ermittlungen aufgenommen haben, Mylady.«

»Falls Sie gestatten, Sir, möchte auch meine Wenigkeit sich dieser Sicht der Dinge vorbehaltlos anschließen«, pflichtete Parker dem Anwalt bei. »Im übrigen dürfte Mister Pools Stellung es gestatten, gewisse illegale Vorgänge zu decken, falls man diese Formulierung benutzen darf.«

»Papperlapapp, Mister Parker!« entrüstete sich Agatha Simpson. »Der Lümmel kann doch nicht bis drei zählen. Für ein derart raffiniertes Verbrechen kommt er überhaupt nicht in Frage.«

»Aber wer denn sonst, Mylady?« wandte der Anwalt überrascht ein. »Ich denke, bei Ihrer Unterredung mit Mister Wellwood war sonst niemand zugegen?«

»Fool kommt jedenfalls nicht in Betracht«, stellte die Hausherrin in einem Ton fest, der nicht den leisesten Widerspruch duldete. »Eher schon Mister Smellgoods Sekretärin, dieses neugierige Luder.«

»Wellwoods Sekretärin?« wiederholte Rander überrascht.

»Ich habe mitbekommen, wie das Biest an der Tür gelauscht hat«, erinnerte sich die Detektivin plötzlich. »Sie war es, die die Gangster auf mich gehetzt hat. Deshalb werde ich mir das saubere Früchtchen gleich morgen früh vornehmen.«

»Denkbar wäre ja auch, daß Pool dafür gesorgt hat, ohne es zu wollen«, warf Kathy Porter ein.

»Das ist nicht logisch, Kindchen«, belehrte Lady Simpson ihre Gesellschafterin, aber Kathy Porter wollte sich nicht so ohne weiteres belehren lassen.

»Pool hat sich bestimmt schwarz geärgert, als sein Chef ihm eine Privatdetektivin vor die Nase setzte«, erklärte die junge Dame. »Außerdem hat er wahrscheinlich Angst um seinen Job. Da ist es doch nur zu verständlich, wenn er in Gegenwart von Kollegen seinem Ärger Luft macht.«

»Auf diese Möglichkeit wollte ich auch gerade hin weisen, Kindchen«, schwenkte die Hausherrin geistesgegenwärtig um. »Irgend jemand, der zu der Bande gehört, hat es aufgeschnappt und Alarm geschlagen.«

»Alles denkbar«, stimmte der Anwalt zu. »Wenn die Burschen sich aber schon an Ihre Stoßstange hängen, ehe Sie mit den Ermittlungen richtig begonnen haben, ist auf jeden Fall mit entschlossener Gegenwehr zu rechnen.«

»Das will ich hoffen, mein Junge«, verkündete die Detektivin unternehmungslustig. »Sonst macht es ja keinen Spaß.«

»Eine Feststellung, der man nur in vollem Umfang beipflichten kann, Mylady«, ließ Parker sich vernehmen.«

»Ob die Burschen noch heute abend zur Sache kommen wollen, Parker?« wandte Rander sich an den Butler, der gerade das Kaminfeuer nachgeschürt hatte.

»Diese Möglichkeit sollte man keinesfalls ausschließen, Sir«, sagte Parker. »Die Herren dürften sich vergebliche Hoffnungen machen, Mylady beeindrucken zu können.«

»Vielleicht sind sie das schon«, scherzte der Anwalt, als plötzlich das Telefon schrillte. Er konnte nicht ahnen, wie nahe er damit der Wahrheit kam...

*

»n’ Abend, Mister Parker«, sagte eine fremde Stimme, nachdem der Butler sich gemeldet hatte. »Ich hab’ gehört, daß Sie wegen der Diebstähle im Kaufhaus Wellwood ermitteln.«

»Darf man die Bitte äußern, sich zunächst vorzustellen, Sir?« unterbrach Parker.

»Mein Name tut nichts zur Sache«, entgegnete der Anrufer.

»Wichtig sind die Informationen, die ich Ihnen liefern kann.«

»Meiner Wenigkeit ist nicht bekannt, welche Informationen Sie zu meinen belieben, Sir.«

»Ich weiß alles über die Diebstähle bei Wellwood«, behauptete der Unbekannte. »Wer die Sache organisiert, wo die Klamotten hinkommen, wie sie abgesetzt werden ...«

»Gegebenenfalls könnte man von der Annahme ausgehen, daß Sie bereit sind, Ihr Wissen gegen klingende Münze preiszugeben, Sir?« vergewisserte sich der Butler.

»Kluges Kerlchen«, stellte der Fremde ironisch fest. »Das und nichts anderes ist der Grund meines Anrufes.«

»Vermutlich haben Sie bereits konkrete Vorstellungen vom pekuniären Gegenwert Ihrer Informationen, Sir?«

»Was für Vorstellungen?« erkundigte sich der Anrufer irritiert.

»Meine Wenigkeit war bemüht zu erfahren, welchen Preis Sie fordern, Sir.«

»Fünftausend«, antwortete der Anrufer wie aus der Pistole geschossen. »Gemessen an dem Schaden, der Wellwood entstanden ist, ist das wirklich nicht viel Geld.«

»Eine Behauptung, die als durchaus zutreffend gelten dürfte«, stimmte Parker zu. »Gestatten Sie noch eine Frage, Sir, ehe man sich konkret zu Ihrem Angebot äußert?«

»Welche?«

»Wer war so freundlich, Sie darüber zu informieren, daß Mylady im Warenhaus Wellwood Ermittlungen aufzunehmen gedenkt?«

Eine Sekunde trat Schweigen ein, aber der Unbekannte war um eine Antwort nicht verlegen.

»Davon redet doch schon die ganze Belegschaft«, behauptete der Mann am anderen Ende der Leitung. »So etwas spricht sich herum.«

»Eine Feststellung, die man keinesfalls bezweifeln möchte«, antwortete der Butler. »Dennoch kommt man nicht umhin, eine Verbindung zwischen Ihnen und Mister Pool zu vermuten, falls der Hinweis erlaubt ist.«

»Pool?« wiederholte der Anrufer. Seine Stimme klang überrascht, aber das konnte eine Täuschung sein.

»Natürlich stammt die Information von Pool«, redete der Mann unbefangen weiter. »Wenn er sich in der Kantine seinen Frust von der Seele redet, weiß es bald das ganze Haus.«

»Darf man die Vermutung äußern, daß Sie zu den Beschäftigten des Warenhauses Wellwood gehören, Sir?«

»Sie wollen mich wohl aushorchen?« wurde der Unbekannte mißtrauisch. »Das läuft bei mir nicht. Ich bin für klare Geschäfte.«

»Eine Eigenschaft, die man nur als löblich bezeichnen kann und muß«, sagte der Butler.

»Also sind Sie interessiert an den Informationen?« fragte sein Gesprächspartner. »Ich verspreche Ihnen: Sie kriegen was geboten für Ihr Geld.«

»Was meine Wenigkeit nicht im mindesten bezweifelt.«

»Okay«, sagte der Anrufer. »Dann kommen Sie morgen um Mitternacht in den ›Blue Star‹. Das ist eine kleine Bar an der Shadwell Street, falls Sie wissen, wo das liegt.«

»Die erwähnte Gegend ist meiner Wenigkeit nicht unbekannt, sofern der Hinweis erlaubt ist.«

»Bestens. Dann gehen sie an die Theke und fragen nach dem ›Fuchs‹. Jemand wird Ihnen einen Zettel mit der Anschrift geben, unter der ich mich um diese Zeit aufhalten werde.«

»Darf man die Hoffnung äußern, bei dieser Gelegenheit auch Mister Pool antreffen zu können?« versuchte Parker noch mal, seinen Gesprächspartner aus der Reserve zu locken, doch der »Fuchs« ging nicht darauf ein.

»Was wollen Sie nur immer mit diesem verdammten Mister Pool?« entgegnete er ärgerlich. »Mit dem Mann habe ich nichts zu tun.«

Es knackte in der Leitung. Der Anrufer hatte das Gespräch beendet.

*

»Wenn das keine Falle ist, fresse ich ’nen Besen«, kommentierte Mike Rander, sobald der Butler die Dreierrunde am Tisch über den Inhalt des Telefonats ins Bild gesetzt hatte.

»Dieser Einschätzung möchte auch meine Wenigkeit sich anschließen, Sir«, bemerkte Parker.

»Natürlich«, nickte auch die Detektivin. »Ich habe schon längst damit gerechnet, daß die Schurken versuchen werden, mich in eine Falle zu locken und unschädlich zu machen. Aber da haben sich die Lümmel gründlich verrechnet.«

»Sie wollen also nicht in die Blue-Star-Bar gehen, Mylady?« fragte Kathy Porter.

»Doch, Kindchen«, erwiderte die Hausherrin. »Warum denn nicht? Ich werde die Herausforderung der Gangster annehmen und sie anschließend mit ihren eigenen Waffen schlagen.«

»Das heißt, daß Sie selbst eine Falle planen, Mylady?« vergewisserte sich die junge Dame.

»Selbstredend, Kindchen«, bestätigte Agatha Simpson. »Doch davon später.«

»Glauben Sie denn, daß die Bande den Anrufer vorgeschickt hat, Parker?« kam der Anwalt wieder auf das Telefongespräch zurück.

»Diese Möglichkeit sollte man keineswegs von vornherein ausschließen, Sir«, antwortete der Butler. »Andererseits wäre auch denkbar, daß es sich um jemanden handelt, der sich an der Bande rächen und dabei gleichzeitig ein Geschäft machen will, falls der Hinweis erlaubt ist.«

»Egal, ob es sich bei dem ›Fuchs‹ um einen Komplizen der Einbrecher handelt, oder ob er mit Ihrer Hilfe eine Rechnung begleichen will – gut informiert ist er auf jeden Fall«, schaltete Kathy Porter sich ein. »Wie sollte er sonst in diesem frühen Stadium von Ihren Ermittlungen erfahren haben?«

»In der Tat dürfte ein Bluff mit ziemlicher Sicherheit ausscheiden, Miß Porter«, gab Parker der jungen Dame recht. »Man sollte deshalb von der Annahme ausgehen, daß der unbekannte Anrufer über Informationen von beträchtlichem Wert verfügt.«

»Sollen wir Sie denn morgen abend in die Bar begleiten?« erkundigte sich Rander. »Ich könnte dringend mal wieder ’ne Abwechslung gebrauchen.«

»Ihr freundliches Angebot erfüllt meine Wenigkeit mit Freude, Sir«, antwortete Parker mit einer angedeuteten Verbeugung.

»Okay, Parker«, bekräftigte der Anwalt. »Fahren wir zusammen hin oder treffen wir uns dort?«

»Möglicherweise dürfte es sich empfehlen, Sir, sich schon vor Mitternacht in der Nähe des fraglichen Lokals aufzuhalten«, schlug der Butler vor. »Wenn Sie und Miß Porter dann die Freundlichkeit besitzen würden, wenige Minuten nach Mylady und meiner Wenigkeit das Lokal zu betreten ...«

»Abgemacht, Parker«, willigte Rander ein und sah auf seine Armbanduhr. »Oje, schon zehn vorbei«, stellte er überrascht fest. »Es wird höchste Zeit. Ich muß noch mal in die Kanzlei, um mich auf einen wichtigen Gerichtstermin vorzubereiten, der morgen früh ansteht.«

»Ich werde mich jetzt auch zurückziehen, ihr Lieben«, verkündete Lady Simpson und erhob sich ächzend. »Die Pflicht ruft. Ich muß noch ein wenig an den Feinheiten meines Konzepts feilen.«

Parker brachte seiner Herrin noch die gewünschten Stärkungsmittel ins Studio im Obergeschoß, bevor er die Besucher zur Tür geleitete.

»Ich würde Mylady zu gern mal über die Schulter sehen, wenn sie an ihrem Konzept arbeitet«, meinte Kathy Porter mit verschmitztem Lächeln. »Wie macht sie das eigentlich, Mister Parker?«

»Man bedauert ausdrücklich, auf diese Frage keine detaillierte Antwort geben zu können, Miß Porter«, entgegnete der Butler. »Unter Umständen dürfte jedoch der Hinweis hilfreich sein, daß im dritten Fernsehprogramm soeben ein Kriminalfilm begonnen hat.«

Als gleich darauf der Fernseher im Obergeschoß losplärrte, sahen Kathy Porter und Mike Rander sich an und brachen wie auf Kommando in Lachen aus.

In Parkers glattem Pokergesicht regte sich jedoch kein Muskel, als er mit routinierten Handgriffen den Wandschrank öffnete und die Videoanlage einschaltete.

»Da werden wir unsere Abfahrt wohl noch etwas verschieben müssen, Kathy«, meinte der Anwalt, als wenig später ein kristallklares Bild auf dem kleinen Monitor aufflimmerte.

»Eine Feststellung, der man keinesfalls widersprechen möchte, Sir«, bestätigte Parker und schaltete auf die zweite Kamera um ...

*

Bei der chromblinkenden Limousine, die in einiger Entfernung von Myladys Einfahrt auf der anderen Straßenseite parkte, schien es sich um den dunkelgrünen Daimler zu handeln, der dem Butler schon am Nachmittag aufgefallen war. Zwei Männer waren gerade damit beschäftigt, im offenen Kofferraum zu kramen.

Der exzellente Butler Parker 16 – Kriminalroman

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