Читать книгу Butler Parker 143 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 3

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Butler Parker hatte Mühe, sein Mienenspiel zu beherrschen. Er nahm zur Kenntnis, daß Lady Simpson in ihrer bekannt-ungenierten Art an den Schaltern und Hebeln spielte, die das Armaturenbrett als eine Art Steuerpult zierten. Ihm war klar, daß seine Herrin mit dem Feuer spielte und die sichtbare Lust entwickelte, eine mittlere bis schwere Katastrophe auszulösen. Agatha Simpson war deutlich anzusehen, daß sie sich langweilte und nach einer Abwechslung gierte.

»Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen, Mylady«, sagte er höflich und deutete mit seiner schwarz behandschuhten Hand auf das Steuerpult, »aber darf ich höflichst darauf verweisen, daß man sich auf dem befindet, was die Fachleute der Marine eine Tauchfahrt nennen?«

»Warum reden die Herren dann so ununterbrochen?« fragte sie grollend, »warum passiert nichts?«

»Man möchte demonstrieren, Mylady, daß eben nichts passiert«, antwortete Josuah Parker würdevoll, »Mylady nehmen an einer Übungsfahrt eines neuen U-Bootes teil.«

»Das so eng ist wie eine Dose Sardinen«, beschwerte sie sich, »wann endlich beginnt man mit dem Angriff?«

»Dieser Scheinangriff, Mylady, findet bereits statt, wenn ich höflich darauf hin weisen darf.«

»Und warum spüre ich nichts davon? Was soll das alles? Man hat mir einige Delikatessen versprochen.«

»Technischer Art, Mylady«, erinnerte der Butler und versuchte vorsichtig, die ältere Dame vom Steuerpult abzudrängen.

»Was wird wohl passieren, wenn ich auf diesen Knöpfen einige Akkorde spiele?« fragte sie heiter, »Sie ahnen ja nicht, Mr. Parker, wie sehr mich das reizt.«

»Das Boot könnte unter Umständen irregulär reagieren, Mylady.«

»Eine hübsche Vorstellung, Mr. Parker, ich hasse Perfektion.« Agatha Simpson, eine stattliche Matrone, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, beugte sich wieder vor und studierte durch ihre Lorgnette eine Reihe von kleinen Signallampen, die wechselweise bunt aufleuchteten. Sie interessierte sich vor allen Dingen für einen roten Knopf, der von einem Drahtkorb geschützt wurde. Sie fingerte an diesem Drahtkorb herum und schaffte es natürlich mit Leichtigkeit, die versteckte Sperre zu lösen und den Drahtkorb hochzukippen.

»Allmächtiger Gott, nein, Mylady!« Eine bestürzte, fast entsetzte Stimme fuhr dazwischen. Dann schob sich ein Offizier der Königlichen Marine sehr entschieden an das Steuerpult und drückte die bereits ausgestreckte Hand der Dame recht energisch hinunter.

»Was erlauben Sie sich, junger Mann?« grollte Lady Simpson prompt. »Diese Manieren schätze ich aber gar nicht.«

»Der Auslöseknopf für die Torpedos, Mylady«, keuchte der Marineoffizier.

»Ich hoffe doch sehr, wir haben welche an Bord, oder?« Die energische Dame ließ sich ablenken.

»Natürlich, Mylady, aber wir sind noch nicht im Zielgebiet.«

»Dann beeilen Sie sich gefälligst«, gab sie verärgert zurück, »Sie haben mir eine Sensation versprochen. Ich möchte endlich was sehen.«

»Ein Bildschirm wartet auf Mylady«, schaltete sich Josuah Parker ein und deutete diskret auf den Kommando- und Gefechtsstand des U-Bootes. Dort standen Marineoffiziere und Zivilisten, die an dieser Übungsfahrt teilnehmen. Sie alle schauten auf einen normal aussehenden Fernseh-Monitor, wo jetzt ein scharf gezeichnetes Bild erschien.

»Eine technische Sensation«, erklärte ein Werftingenieur stolz, das Suchen und Anpeilen durch das übliche Periskop entfällt. Wenn Sie sich überzeugen wollen?«

Lady Agatha wollte.

Sie schob sich ungeniert durch die Gruppe der Marineoffiziere und Regierungsvertreter, pflügte sich weiter durch und genoß dann das Bild auf dem Monitor. Sie sah einen Frachter kleinerer Bauart, der mit Höchstfahrt ablief und zu entkommen versuchte.

Der Kommandant des U-Bootes, der in einem sesselartigen Sitz vor dem Bildschirm saß, drückte auf die Tasten einer Computer-Anlage, die vor ihm an

gebracht war. Auf dem Bildschirm erschienen jetzt Zahlen, Symbole und verschlungene Kurven. Dann leuchtete ein dunkelroter Lichtpunkt auf. Der Kommandant trat mit dem rechten Fuß auf eine Art Pedal, worauf eine leichte Erschütterung durch das Boot ging.

»Vier Raketen-Torpedos«, erklärte der Werftvertreter stolz, »kleiner und schneller als alle bekannten Typen. Sie werden ja sehen.«

Und dann sah man! Schon nach wenigen Minuten schossen vier schmale, hohe Wassersäulen an der Bordwand des Frachters hoch, der sich sofort in Rauch hüllte. Der Kommandant gab dem Computer neue Codesignale ein, worauf der Frachter prompt wieder zu sehen war, aber mehr als undeutlicher Schattenriß.

Er sank bereits.

Seine Bordwand war häßlich aufgerissen. Lecks von der Größe eines Scheunentors ließen das Wasser in den Rumpf einströmen. Nach einigen weiteren Minuten war der Frachter völlig verschwunden. Der Bildschirm zeigte nun wieder eine kaum bewegte See und einen strahlend blauen Himmel.

»Wie in einem guten alten Hollywoodfilm«, sagte Agatha Simpson, »Sie haben uns natürlich einen vorbereiteten Streifen eingespielt, nicht wahr? Mr. Parker, wie nennt man so etwas noch?«

»Mylady denken sicher an eine Video-Kassette«, schlug Josuah Parker vor.

»Sagte ich doch.« Sie nickte gnädig. »Mit solchen Mätzchen können Sie mich kaum beeindrucken, meine Herren.«

*

»Waren es Mätzchen, Parker?« fragte Anwalt Mike Rander. Er hielt sich in seinem Büro in der Curzon Street auf md wußte inzwischen, was sich an Bord des U-Bootes abgespielt hatte.

Mike Rander, vierzig, ein lässiger Typ, der an den Filmschauspieler Roger Moore erinnerte und seinerseits wieder identisch war mit einem gewissen James Bond, sah den Butler lächelnd an.

»Die Versenkung des präparierten Frachters, Sir, spielte sich authentisch ab«, versicherte Josuah Parker, »es wurde per Funk gesteuert und tatsächlich versenkt.«

»Ein teurer Spaß, wie?« Mike Rander schüttelte den Kopf.

»Vor einer grausamen Realität, Sir, wenn man so sagen darf.«

»Ist das neue Klein-U-Boot tatsächlich so gut?«

»Bestürzend, Sir. Nach den Angaben der Werftleitung, die man nur als sehr zurückhaltend bezeichnen darf und sollte, ist es selbst unter Wasser bedeutend schneller als ein Jagd-Zerstörer oder ein Spezial-Schnellboot. Genaue Angaben wurden selbstverständlich nicht gemacht.«

»Und wozu hat man solch ein Ding konstruiert?« wollte der Anwalt wissen.

»Man spricht von einem U-Boot-Killer, Sir. Es soll Jagd auf getauchte Boote seiner Gattung machen. Es ist sehr klein, nur wenig bemannt und verfügt über eine Fülle von elektronischen Geräten aller Art, die man nicht näher bezeichnete.«

»Und die Sache mit dem Monitor, Parker?« Mike Rander hatte nicht zum Kreis der Personen gehört, die zur Demonstration eingeladen worden waren. Dies hatte ihm nichts ausgemacht, denn er war Zivilist durch und durch.

»Es gibt kein Periskop alter Art mehr, Sir«, berichtete Josuah Parker weiter. »Dünne Glasfasern leiten das Bild der Optik in das Bootsinnere und werfen es auf einen Bildschirm. Computer errechnen den eigenen Standort, den des Gegners und dann die Schußposition. Der Kommandant braucht nur noch eine Art Gaspedal zu treten.«

»Wie groß ist denn dieses scheußliche Ding«, fragte Mike Rander weiter, »wieviel Leute sind da an Bord?«

»Genaue Angaben auch darüber wurden tunlichst vermieden, doch meiner bescheidenen Schätzung nach dürfte es sich um etwa 150 bis 170 Tonnen handeln. Die Besatzung besteht aus insgesamt zehn Personen, wenn nicht weniger. Was die Form betrifft, so wurde meine Wenigkeit an die eines Delphins erinnert. An Torpedos der neuen Bauart vermag dieses Klein-U-Boot etwa acht Stück an Bord zu nehmen.«

»Jetzt muß ich wohl auch nach der Reichweite fragen, wie?«

»Sie ist wegen der ungewöhnlich starken Motoren relativ gering, Sir«, zählte der Butler weiter auf, »falls meine bescheidenen Ohren mich nicht trogen, sprach man von etwa maximal tausend Seemeilen.«

»Unter oder über Wasser, Parker? Ich hoffe, Sie haben auch das mitbekommen. «

»Diese Daten wurden leider nicht genannt, Sir. Wie gesagt, es handelt sich um einen Prototyp, der erst in Serie gehen soll, wenn gewisse Entwicklungen abgeschlossen sind. Man möchte die maximale Tauchtiefe noch verbessern. «

»Und die liegt jetzt wo, Parker? Überraschen Sie mich mal…«

»Hinter diversen vorgehaltenen Händen sprach man von weit über dreihundert Meilen, Sir, aber in dieser Beziehung möchte ich es vermeiden, mich genau festzulegen.«

»Da scheint man ja in Sachen Abschreckung mal wieder hart zugeschlagen zu haben«, spöttelte der Anwalt. »Wie hat Lady Simpson es nur geschafft, an Bord zu kommen? Ich kann nur immer wieder den Kopf schütteln.«

»Mylady gehört zum Aufsichtsrat der Werft, Sir«, beantwortete der Butler prompt auch diese Frage, »darüber hinaus ließ Mylady gewisse interne Regierungsbeziehungen spielen, wenn ich es so ausdrücken darf.«

»Und es ist wirklich nichts passiert, was Mylady betrifft?«

»Mylady hatte vielleicht um ein Haar die sogenannte Rundumverteidigung ausgelöst«, entgegnete Parker höflich, »in solch einem Fall werden sämtliche Torpedos während einer gleichzeitigen Kreisdrehung des Bootes in die See hinaus entlassen und suchen dann mit ihren elektronischen Gefechtsköpfen jede erreichbare Metallmasse, die auf ein Schiff hindeutet.«

»Mehr hätte sie also doch nicht angerichtet.« Der Anwalt schmunzelte.

»Wie ich mitzuhören mir erlaubte, Sir, wird man Mylady zur nächsten Probefahrt nicht mehr einladen«, sagte Josuah Parker, »Mylady betätigte nach diesem kleinen Zwischenfall das Tiefenruder und brachte das U-Boot auf eine Rekordtiefe, die man eines Tages regelmäßig zu erreichen hofft.«

»Das hört sich doch schon besser an.« Rander grinste wie ein Schuljunge.

»Anschließend zog Mylady einen Marineoffizier zur Rechenschaft, der ihr gewisse Vorhaltungen machen wollte. Dieser Herr rutschte mit Verlauf der Auseinandersetzung gegen das Steuerpult, stemmte sich mit den Händen ungewollt auf einigen Bedienungsknöpfen ab und ließ das Boot wie eine Rakete aus dem Wasser schießen.«

»Wie hoch kamen Sie, Parker?« Rander grinste noch breiter.

»Das Klein-U-Boot, Sir, schien sich geradezu in ein Flugzeug zu verwandeln und hüpfte in seiner ganzen Länge meterweit aus den Fluten.«

»Entsprechend hart war dann wohl die Bruchlandung, nicht wahr?« Rander freute sich nur noch.

»In der Tat, Sir! Das Boot wird zur Zeit in der Heimatwerft überholt, was nach Berechnungen und auch Grobschätzungen der Ingenieure etwa vier Wochen dauert.«

»Das ist Mylady, wie ich sie liebe und schätze«, meinte der Anwalt ironisch.

»Wo liegt dieser schrottreife Kahn jetzt?«

»In Plymouth, Sir, in einem Sonderhafen der Werft. Das Klein-U-Boot ist nur noch bedingt einsatzfähig, wie der Terminus heißt.«

»Lady Simpson sollte Spezialistin für allgemeine Abrüstung werden«, schlug Mike Rander belustigt vor, »man braucht sie nur von Staat zu Staat zu schicken und ihr Kriegsgerät zu zeigen.«

»Sie werden verstehen Sir, daß ich mich dazu nicht näher äußern möchte, zumal es mir als Butler nicht zusteht, meine Herrschaft zu kritisieren.«

»Ich werde auf jeden Fall der UNO schreiben«, versprach der Anwalt, »vielleicht erkennt man dort die einmalige Chance.«

Er griff nach dem Telefon, das sich meldete und nannte seinen Namen. Er zwinkerte Parker zu, dessen Gesicht allerdings ausdruckslos und glatt wie das eines Pokerspielers blieb.

»Ein Problem, Mylady?« fragte der Anwalt dann. »Doch, doch, Mr. Parker ist hier bei mir.«

Das amüsierte Lächeln, das seine Lippen umspielte, wich einem harten Mund. Die Nachricht, die er hörte, schien nicht gerade angenehm zu sein.

»Wir kommen sofort«, sagte er schließlich, »natürlich, Mylady, in ein paar Minuten sind wir drüben in Shepherd’s Market. Wir sind eigentlich bereits da.«

Er legte auf und sah Parker nachdenklich an.

»Unangenehme Nachrichten, Sir?« fragte der Butler, »ist Mylady zu einer weiteren Vorführung von Kriegsgerät Ungeladen worden?«

»Noch schlimmer«, erklärte Mike Rander, »das Klein-U-Boot ist vor knapp einer Stunde schlicht und einfach geklaut worden!«

*

»Ich bin konsterniert«, sagte der Mann, der das Gesicht eines alten, müden Pferdes hatte, »ich kann es einfach noch immer nicht glauben.«

»Ich schon«, schnappte Agatha Simpson grimmig zu, »die Geheimdienste haben selbstverständlich wieder mal geschlafen.«

»Mylady«, wehrte das Pferdegesicht gequält ab, »wer konnte denn damit rechnen, daß der private Wachdienst der Werft...«

»Papperlapapp, Sir Herbert«, grollte sie und musterte den Mann mit der gut ausgebildeten Glatze, »mir wäre so etwas nie. passiert, nicht wahr, Mr. Parker?«

»Sehr wohl, Mylady«, erklärte Parker höflich, aber mit neutraler Stimme.

»Mylady, Ihr Butler«, erinnerte Sir Herbert und hüstelte nervös, »was hier zu erörtern ist, unterliegt der allerhöchsten Geheimstufe.«

»Darum ist Mr. Parker ja auch hier«, erwiderte sie erstaunlich herablassend, »ohne Mr. Parker höre ich mir Ihre Wünsche noch nicht mal an, Sir Herbert. «

»Einen Moment, Sir«, schaltete sich Chief-Superintendent McWarden ein und bat den Mann vom Geheimdienst zur Seite. Anschließend redete er eindringlich auf Sir Herbert ein, der mehrfach den Butler ansah und dann zustimmend nickte.

Chief-Superintendent McWarden, der sich ebenfalls im altehrwürdigen Fachwerkhaus der Lady Agatha eingefunden hatte, war ein etwa fünfundfünfzigjähriger, untersetzter und bulliger Typ, der leichte Basedowaugen hatte. Er leitete im Yard ein Sonderdezernat und arbeitete mit den diversen Geheimdiensten Ihrer Majestät eng zusammen.

»Ich hatte Ihren Namen nicht verstanden«, entschuldigte sich Sir Herbert halbherzig bei Parker, als er sich von McWarden getrennt hatte, »Sie können zuhören, Mr. Parker.«

»Zu gütig, Sir«, erwiderte der Butler würdevoll.

»Ich gehe zu gern«, schaltete sich Mike Rander ein und deutete auf die Tür, die in die große Wohnhalle des Hauses der Lady Simpson führte.

»Aber nein ... Nur keine Empfindlichkeiten«, bat McWarden hastig, »die Lage ist ernst genug. Sie alle gehören zum Kreis der Personen, die unbedingt ins Vertrauen gezogen werden und einfach mitarbeiten müssen.«

»Darf man in Erfahrung bringen, wie und durch wen das erwähnte U-Boot gekapert wurde?« fragte Parker.

»Durch wen, Mr. Parker? Sagt Ihnen der Name Ken Brixham etwas?«

»Ein Krimineller der sogenannten Mittelklasse, Sir, der bisher im verbotenen Glücksspiel sein Geld zu machen versuchte.«

»Und der jetzt alles auf eine einzige Karte gesetzt hat«, meinte der Chief-Superintendent und nickte. »Ken Brixham und seine Leute haben das Klein-U-Boot gekapert und sind bereits draußen auf See.«

»Möge dieses Subjekt seekrank werden«, hoffte die ältere Dame und passionierte Detektivin.

»Dazu wird’s kaum kommen, Mylady«, sagte McWarden, »Ken Brixham hat auf einem regulären U-Boot Dienst als technischer Maat getan. Er kennt sich leider bestens aus.«

»Auf einem U-Boot, wenn ich mir diese Bemerkung erlauben darf«, warf Josuah Parker ein.

»Ich habe bereits verstanden, Mr. Parker«, erklärte McWarden, »Sie finden auch, daß diese Kaperung für ihn ein paar Nummern zu groß ist, nicht wahr? «

»So könnte man durchaus argumentieren, Sir«, erwiderte der Butler, »meiner sehr bescheidenen Ansicht nach dürfte Mr. Ken Brixham nur das sein, was man gemeinhin ein ausführendes Organ zu nennen pflegt.«

»Was ich gerade sagen wollte«, mischte sich die Lady ein, »ich hätte es natürlich wesentlich deutlicher ausgedrückt.«

»Nur ausführendes Organ?« Sir Herbert, der bisher geschwiegen hatte, hüstelte nervös. »Vermuten Sie eine politische Affäre?«

»Wie denken Sie darüber?« fragte McWarden und sah den Butler an.

»Eine politische Motivation ist nicht auszuschließen«, antwortete der Butler, »hat Mr. Brixham sich bisher in irgendeiner Form gemeldet?«

»Nur per Funkspruch«, gab Sir Herbert zurück, »er nannte seinen Namen, nicht mehr und nicht weniger.«

»Hat er denn Torpedos dabei?« erkundigte sich Mike Rander.

»Leider ja«, meinte Sir Herbert, »zwei scharfe Torpedos sind an Bord. Nicht auszudenken, was er damit anrichten könnte.«

»Ich werde diesen Fall übernehmen«, versprach die Detektivin munter, »in ein paar Tagen dürfte der kleine Zwischenfall sich erledigt haben, nicht wahr, Mr. Parker?«

»Wie Mylady wünschen«, gab Josuah Parker gemessen zurück. Sein Gesichtsausdruck blieb höflich und glatt.

*

»Ich werde mein Hauptquartier nach Plymouth verlegen«, erklärte Lady Agatha und wandte sich an Sir Herbert, »man wird mir selbstverständlich Marinestreitkräfte unterstellen.«

»Marinestreitkräfte?« Sir Herbert, der Geheimdienstmann mit dem Pferdegesicht, machte einen leicht verdutzten Eindruck. Er warf McWarden einen Blick zu.

»Schnellboote, Zerstörer und vielleicht auch ein paar hübsche Kreuzer«, zählte Lady Agatha munter auf, »ich werde dieses U-Boot über alle Meere hinweg jagen.«

»Ich werde sofort mit der Marineleitung sprechen«, antwortete Sir Herbert irritiert.

»Dann brauche ich noch zusätzlich Marineaufklärer und vielleicht auch ein paar Jagdbomber, Sir Herbert.«

»Vielleicht lassen Sie sich die gesamten Streitkräfte unterstellen, Mylady«, schlug Mike Rander ironisch vor.

»Ich brauche eben völlig freie Hand, Sir Herbert«, sagte sie und nickte Mike Rander wohlwollend zu, »es geht schließlich um den Bestand des Empire.«

»Darf man fragen, Sir, ob der ungefähre Standort des U-Bootes bekannt ist?« erkundigte sich Parker gemessen bei dem Geheimdienstchef.

»Es kreuzt zwischen Irland und der Insel, Mr. Parker«, antwortete Sir Herbert, »inzwischen sind Sonarbojen abgeworfen worden. Wir wissen sehr genau, wo das Boot steht.«

»Ich werde mich für Wasserbomben entscheiden, Sir Herbert«, meinte die ältere Dame. »Ich werde dieses U-Boot auf Grund schicken. «

»Eben das muß vermieden werden, Mylady«, entsetzte sich Sir Herbert umgehend, »das würde unsere Entwicklung um Monate oder sogar Jahre zurückwerfen. Wir brauchen das intakte Boot!«

»Wie groß sind die Treibstoffvorräte, Sir? « stellte Parker seine nächste gezielte Frage.

»Sie reichen nach den Werftberechnungen für etwa siebenhundert Seemeilen«, gab das Pferdegesicht zurück, entwischen kann es also nicht.«

»Das dürfte wohl auch kaum geplant ein«, äußerte Mike Rander, »Brixham ist ein Krimineller. Er hat das U-Boot gekapert, um Geld zu machen. Er wird für die Rückgabe des Bootes eine saftige Summe verlangen. So sehe ich die Sache.«

»Sie sagen das, mein Junge, was ich gerade aussprechen wollte«, behauptete Agatha Simpson; »es handelt sich um eine ganz ordinäre Erpressung, nicht wahr, Mr. Parker?«

»Dazu dürfte Mr. Brixham sich bald vernehmen lassen, Mylady«, gab Josuah Parker zurück, »es steht zu befürchten, daß Mr. Brixham gewisse Filme und Kriminal-Thriller gelesen hat.«

»Worauf wollen Sie hinaus, Mr. Parker?« fragte das Pferdegesicht.

»Zwei Torpedos befinden sich an Bord«, schickte der Butler voraus, »das bedeutet, daß Brixham zwei besonders ausgewählte Schiffe torpedieren könnte.«

»Zwei Riesentanker, die bis zum Deck mit Öl vollgepumpt sind«, redete der Anwalt weiter, »die Regierung sollte schon jetzt ein paar Koffer mit Bargeld füllen. Schrankkoffer, um genau zu sein. Hier dürfte es sich um Millionenbeträge handeln.«

»Habe ich nicht schon solch einen Film gesehen, Mr. Parker?« erkundigte sich die ältere Dame.

»Ein Film, der nach einer entsprechenden Buchvorlage gedreht wurde, Mylady«, bestätigte Josuah Parker.

»Richtig, es ging da wohl um einen Riesentanker, oder?« fragte McWarden nervös. »Die Täter drohten ihn zu torpedieren, falls man nicht zahlen würde.«

»Wir werden selbstverständlich alle Handelsschiffe aus dem entsprechenden Seegebiet abziehen«, bedeutete Sir Herbert.

»Ließe es sich unter Umständen ermöglichen, der Presse eine Mitteilung zuzuspielen, Sir?« wollte Josuah Parker wissen.

»Mein Gott, nur keine Presse«, stöhnte Sir Herbert.

»Eine Mitteilung, aus der hervorgeht, daß Mylady aus aktuellem Anlaß einen Fall für die Regierung übernommen haben«, redete Parker höflich weiter, »mehr brauchte solch eine Notiz nicht zu enthalten.«

»Und was bezwecken Sie damit, Mr. Parker?« Sir Herbert sah den Butler in einer Mischung aus Neugier und Abweisung an.

»Es geht um mögliche Reaktionen, Sir«, erläuterte der Butler, »es wäre zum Beispiel interessant festzustellen, ob man Mr. Ken Brixham von dieser Tatsache in Kenntnis setzt. Falls dies der Fall ist, ließen sich gewisse Zusammenhänge erkennen, wenn ich so sagen darf.«

*

Es waren zwei massige Catchertypen, die sich vor Josuah Parker aufgebaut hatten. Sie standen vor einer Tür, die sie eindeutig zu bewachen hatten. Sie musterten den Butler spöttisch und siegessicher. Einer von ihnen hatte Josuah Parker gerade geraten, möglichst schnell zu verschwinden.

»Verzeihen sie die Hartnäckigkeit eines alten, müden und relativ verbrauchten Mannes«, schickte der Butler voraus, »aber meine Wenigkeit besteht darauf, Mr. William Torrings zu sprechen. Richten Sie ihm freundlicherweise aus, Butler Parker wünsche seine Aufwartung zu machen.«

»Haben Sie noch alle Tassen im Schrank?« erkundigte sich der größere der beiden Catcher. »Aufwartung machen? William Torrings stören? Sind Sie’n Selbstmörder?«

»Zieh’ endlich Leine«, sagte der zweite Catcher gereizt, »und sei froh, daß ich gerade friedlich gestimmt bin.«

Sie waren nicht bereit, den Butler anzumelden, was sogar fast verständlich schien. William Torrings, in Soho lebend, war eine der Öffentlichkeit kaum bekannter Gangster, der als Finanzier arbeitete und zukunftsträchtige Coups vorfinanzierte. William Torrings hatte selbstverständlich auch einen bürgerlichen Beruf. Er betrieb eine Firma, die sich mit Gebäudereinigung befaßte. Für ihn arbeiteten tatsächlich einige Putzkolonnen, deren Mitglieder wohl kaum wußten, welchem Beruf ihr Firmenchef tatsächlich nachging.

Josuah Parker hatte seinen Universal-Regenschirm vom angewinkelten linken Unterarm genommen und hielt ihn nun in der rechten Hand. Durch einen Druck auf einen versteckt angebrachten Knopf hatte er unten in der Zwinge einen langen, scharf geschliffenen Dorn freigesetzt, den er auf die Schuhkappe des einen Catchers setzte. Dann drückte Parker seinen Schirm leicht nach unten und löste umgehend einige Verwirrung aus.

Der nadelspitze Dorn drang ohne jede Schwierigkeit durch das Oberleder des Schuhs und bohrte sich in den Fuß. Der so behandelte Catcher jaulte betroffen und sah unwillkürlich nach unten. Da Parker jedoch in diesem Moment den Bambusgriff seines Schirms hob, trafen Kinn und Griff innig aufeinander.

Der Catcher verdrehte augenblicklich die Augen, seufzte verhalten und lehnte sich müde gegen die Wand. Er hatte das Gefühl, von einer unsichtbaren Faust getroffen worden zu sein, was im übertragenen Sinn sogar stimmte. Der Schirmgriff war nämlich mit Blei ausgegossen und übte bei entsprechendem Gebrauch einen umgehenden Niederschlag aus.

»Was is’?« fragte der zweite Catcher, der dies alles nicht mitbekommen hatte, weil Parker fast unauffällig und wie beiläufig reagiert hatte. Er schaute auf seinen Partner, der bleich geworden war und in die Hocke ging.

»Ihr Begleiter dürfte von einer momentanen Schwäche befallen sein«, erklärte der Butler und hatte Zeit, ein Sprayfläschchen aus einer seiner vielen Westentaschen zu ziehen. Er bestäubte den zweiten Catcher mit einer winzigen Dosis und trat dann sicherheitshalber einen Schritt zurück, um nicht auch noch erreicht zu werden.

Dieser Spray hatte es in sich!

Er diente nämlich keineswegs dazu, aufkommenden Schnupfen in Grenzen zu halten, sondern verhalf zu einem umgehenden Schlafbedürfnis, dem man sich kaum entziehen konnte. Der zweite Catcher fiel über seinen Partner und drückte ihn mit seiner Körpermasse noch nachhaltiger zu Boden. Es dauerte nur Sekunden, bis beide Männer völlig entspannt neben der Tür lagen, die sie eigentlich zu bewachen hatten.

Parker war ein höflicher Mensch.

Er lüftete seine schwarze Melone, als er über die beiden Schläfer trat, die Tür öffnete und dann einen Korridor aufsuchte, in den einige Türen mündeten. Der Butler steuerte auf eine zu, die dick wattiert war, und trat ein, ohne vorher anzuklopfen. Er sah sich einer recht seltsamen Szene gegenüber. Hinter einem Schreibtisch saß ein massiger Fünfziger mit schmerzerfülltem Gesicht. Er verfolgte fast widerwillig die Handlungen eines muskulösen Mannes, der einen wesentlich schmaleren Burschen auf einem Besucherstuhl mit Faustschlägen traktierte.

»Ich hoffe zu stören, meine Herren«, grüßte Josuah Parker und lüftete erneut seine schwarze Melone, um sie dann mit blitzschneller Drehung des Handgelenks wie eine fliegende Untertasse auf die Luftreise zu schicken.

*

Die Melone wirbelte tatsächlich wie eine Untertasse durch den großen Raum und landete mit ihrer Kante auf der Nasenwurzel des Mannes, der gerade wieder einen Fausthieb verabreichen wollte.

Die Faust blieb aber wie erstarrt in der Luft stehen. Der Mann atmete scharf durch, schien dann echte Reue wegen seines Vorgehens zu empfinden und kniete vor dem Mißhandelten nieder. Dann seufzte er noch mal und streckte sich auf dem Teppich aus.

Der Mann auf dem Stuhl, der mit Sicherheit bereits einige herbe Fausthiebe kassiert hatte, stand mühsam auf und schaute sich unsicher um. Dabei nahm Parker zur Kenntnis, daß das Gesicht dieses Bedauernswerten angeschwollen war.

Der etwa Fünfzigjährige hinter dem Schreibtisch weigerte sich offensichtlich das zu glauben, was er da gerade gesehen hatte. Er saß steil im Sessel und sah zu, wie Josuah Parker mit dem Griff seines Universal-Regenschirms die schwarze Melone vom Teppich hob, die sofort auf den Kopf zurückwanderte.

»Mr. William Torrings, wenn ich nicht sehr irre?« erkundigte sich der Butler. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker. Vorn an der Tür gab es einige Mißverständnisse, die inzwischen allerdings geklärt wurden.«

»Parker?« fragte William Torrings gedehnt und schluckte nervös.

»In der Tat«, antwortete der Butler und deutete eine äußerst knappe Verbeugung an, »darf ich davon ausgehen, daß Sie mir einige Minuten Ihrer sicher kostbaren Zeit schenken werden?«

»Wie ... Wie sind Sie hier ’reingekommen?« wunderte sich William Torrings.

»Eine Frage, die meiner Wenigkeit immer wieder gestellt wird«, schickte der Butler voraus, »ich war so frei, die Tür zu benutzen, um genau zu sein. Darf man fragen, ob diesem bedauernswerten Mann geholfen werden kann? Er scheint offensichtlich unter einer Allergie zu leiden.«

»Allergie? Er hat seine Zinsen nicht... Äh, was geht Sie das an, Mr. Parker? «

»Eine Allergie, die eindeutig von Fäusten herrühren dürfte, Mr. Torrings. Sie sollten diesem Mann eine Art Schmerzensgeld zahlen, wenn ich dies mal formlos vorschlagen darf.«

»Schmerzensgeld? Zuerst pumpt er Geld, dann will er nicht zahlen? Ich bin doch nicht verrückt!«

»Aber ein Wohltäter, wie ich unterstellen möchte.«

»Wohltäter? Äh, was glauben Sie denn?« Torrings hatte den kühlen Blick des Butlers wahrgenommen und hüstelte noch nervöser. »Schon gut, schon gut...«

»Wie wäre es, wenn Sie den Schuldschein, der sicher existiert, vor meinen Augen im Aschenbecher verbrennen, Mr. Torrings?«

»Einen Schuldschein über zweihundert Pfund? Ich bin doch nicht...«

»Sie sollten sich nicht wiederholen, Mr. Torrings! Falls nötig, stelle ich selbstverständlich gern ein Zündholz zur Verfügung.«

William Torrings sah ah dem Butler vorbei und setzte wohl auf den Mann, der von Parkers Melone getroffen worden war. Dieser Schläger hatte sich inzwischen von der improvisierten Fliegenden Untertasse erholt und erhob sich. Er wollte den Butler anschleichen und niederschlagen.

Als er glaubte, es bereits geschafft zu haben, wandte sich Parker um und klopfte ‚mit dem bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms gegen die Stirn des Schlägers. Der Mann lächelte versonnen, schnappte dann nach Luft und machte es sich umgehend wieder bequem.

»Das Greifen nach einer Waffe würde ich als unfreundlichen Akt gegen meine Wenigkeit werten«, erklärte Parker dann in Richtung Torrings, der vorsichtig seine Schreibtischlade aufziehen wollte.

»Nein, nein, schon gut«, verteidigte sich William Torrings. »Sie sehen das falsch. Ich wollte keine Waffe ziehen.«

»Wie schön für Sie, Mr. Torrings. Kommen wir zurück zum Schuldschein. Sie sollten sich tunlichst nicht länger zieren, wenn ich es so ausdrücken darf.«

William Torrings hatte eingesehen, daß dieser Besucher wohl doch zu scharf aufpaßte. Er legte also wieder die Hände auf den Tisch und zeigte Bereitschaft zur Mitarbeit. Er langte vorsichtig nach dem Schuldschein, den Josuah Parker sich erst mal genau ansah. Dann legte William Torrings den Schein in den großen Aschenbecher und zündete ein Streichholz an. Nach wenigen Augenblicken war das Stück Papier verbrannt.

»Sie können gehen«, meinte Parker und widmete sich dem Mann, der erstaunt und ängstlich zugleich diese Szene verfolgt hatte, »Sie brauchen keineswegs zu unterschreiben. Sehe ich dies richtig, Mr. Torrings?«

»Das geht in Ordnung«, antwortete der Gangsterchef gereizt, »hauen Sie ab, Mann, und pumpen Sie mich nie wieder an!«

»Diesem Rat würde ich allerdings unbedingt Folge leisten«, riet Josuah Parker dem Schuldner, der gerade langsam zur Tür ging, um dann plötzlich loszulaufen. Er war noch mal davongekommen und begriff es erst jetzt so richtig.

»Nun zu Ihnen, Mr. Torrings«, sagte Butler Parker, »als Gesprächspartner schlage ich einen gewissen Mr. Ken Brixham vor.«

*

»Was ist mit Brixham?« fragte der Gangsterchef und ließ nicht erkennen, ob dieser Name ihm etwas sagte. »Ich kenne ihn kaum. Ich weiß natürlich, daß es ihn gibt, aber das ist auch bereits alles.«

»Einige zusätzliche Informationen könnten von Wert sein, Mr. Torrings«, meinte Josuah Parker.

»Er macht in Glücksspiel und Buchmacherei, ein kleiner Fisch«, lautete die etwas verächtliche Antwort, »hat er etwa behauptet, wir würden Zusammenarbeiten?«

»Keineswegs und mitnichten, Mr. Torrings.« Parker hatte das Gefühl, daß ihm die Wahrheit gesagt wurde. »An wen sollte man sich wenden, um mehr über Mr. Brixham in Erfahrung bringen zu können?«

»Was ist denn mit ihm?« tippte Torrings neugierig an.

»Dazu vermag ich aus bestimmten Gründen zur Zeit nichts zu sagen«, entgegnete der Butler, um die Neugier des Gangsterchefs zusätzlich anzustacheln, »Mr. Brixham scheint sich auf Geschäfte eingelassen zu haben, die man ihm bisher wohl kaum zugetraut haben dürfte,«

»Ken Brixham?« Zweifel lag in William Torrings’ Stimme. »Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.«

»Mr. Brixham scheint das zu sein, was man einen Spätentwickler nennt«, erwiderte Josuah Parker ausweichend, »darf ich Sie daran erinnern, daß Sie meiner bescheidenen Wenigkeit einen Hinweis geben wollten?«

»Warum sehen Sie sich nicht in seinem Laden um, Mr. Parker?« wollte Torrings wissen. »Er hat doch ein kleines Briefmarkengeschäft, gar nicht weit von hier.«

»Mit einer halbwegs genauen Adresse wäre meiner Person ungemein geholfen.«

William Torrings hatte diese Adresse zur Verfügung und nannte sie auch. Parker lüftete dankend die schwarze Melone und ging zurück. Torrings starrte ihm nach und hätte liebend gern die Schreibtischlade aufgezogen, doch er traute sich nicht. Inzwischen erinnerte er sich sehr genau an diesen Butler Parker, dessen Name in der Unterwelt mit großem Respekt genannt wurde.

»Noch etwas, Mr. Torrings«, sagte der Butler und wandte sich noch mal um, ›vergessen Sie tunlichst, daß ich mich sei Ihnen nach Mr. Ken Brixham erkundigt habe. Gehen auch Sie diesen Dingen nicht nach!«

»Ich werde mich hüten«, schwindelte Torrings, der genau das Gegenteil plante, »hat er denn ’ne dicke Sache angekurbelt? Wird er bereits von der Polizei gesucht? «

»Das auch«, erwiderte Parker bewußt vage, »aber wie gesagt, vergessen Sie meinen Besuch, wenn ich raten darf...«

Ohne angehalten zu werden, schritt Josuah Parker durch den Korridor, stieg über die beiden Türwachen, die sich gerade wieder andeutungsweise regten, und suchte dann sein hochbeiniges Monstrum auf, das auf einem nahen Parkplatz stand. Dabei handelte es sich um seinen Privatwagen, der vor vielen Jahren tatsächlich mal als reguläres Taxi gedient hatte. Parker hatte diesen unscheinbaren, eckigen Wagen erworben und nach seinen sehr eigenwilligen Vorstellungen umbauen lassen.

Im Fond saß Mike Rander, der den Butler neugierig ansah.

»Hat der Fisch angebissen?« fragte der Anwalt, als Parker am Steuer Platz nahm.

»Dies, Sir, dürfte sich bald heraussteilen«, antwortete Josuah Parker, »ich war allerdings so frei, ein elektronisches Übertragungsgerät zu installieren.«

»Ein vornehmer Ausdruck für eine Wanze, Parker.« Mike Rander lächelte amüsiert.

»Mr. Torrings telefoniert bereits«, meldete Parker, der das normal aussehende Radio eingeschaltet hatte. Aus dem Lautsprecher war tatsächlich William Torrings’ Stimme zu hören, der sich mit einem gewissen Norman Horley unterhielt.

»Dieser kleine Pinscher will ein großes Ding abgezogen haben?« wunderte sich Horley, der von Torrings mal mit Vor-, dann wieder mit Zunamen angeredet wurde. »Nee, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Aber wenn dieser verdammte Butler schon loszieht und sich nach ihm erkundigt, dann muß was dran sein an der Sache. Ich werd mal meine Fühler ausstrecken, Torrings.«

*

»Ich hätte mir selbstverständlich diesen Briefmarkenladen angesehen«, verkündete die Detektivin grimmig, »und ich hätte auch garantiert wichtige Spuren entdeckt.«

»Dieser kleine Laden ist längst von Beamten der Sicherheitsdienste auf den Kopf gestellt worden, Mylady«, antwortete Mike Rander, »für uns war da nichts mehr zu holen. Norman Horley ist wichtiger.«

»Das sage ich ja«, schnappte sie sofort zu, ohne auch nur andeutungsweise zu erröten, »dieser Name kommt mir sehr bekannt vor. Mr. Parker, bringen Sie mich auf die richtige Spur.«

»Mr. Norman Horley, Mylady, ist ein Gangster, der bereits zur unteren Spitzenklasse der Unterwelt gerechnet werden muß«, antwortete Parker höflich, »Mylady wissen ferner, daß Mr. Horley auf den Sachgebiet der Nötigung und Erpressung tätig ist.«

»Richtig, jetzt habe ich es wieder«, behauptete die Lady, obwohl sie mit dem Namen überhaupt nichts anzufangen wußte, »kommt er als Hintermann dieses U-Boot-Entführers in Betracht? Wie denke ich darüber, Mr. Parker?«

»Auch Mr. Horley dürfte darüber kaum informiert gewesen sein«, entgegnete der Butler, »seine ehrliche Überraschung wurde von der Elektronik eindrucksvoll vermittelt.«

»Gibt es Neuigkeiten von der Flotte?« erkundigte sich Mike Rander.

»Nichts«, erwiderte die Detektivin, »ich denke, ich werde mich nach Plymouth begeben, mein Junge, um von dort aus die Operationen zu leiten.«

»Vielleicht weiß man in wenigen Minuten mehr«, schaltete sich der Butler ein. Er deutete auf das Fenster, das den Blick auf den Vorplatz des alten Fachwerkhauses lenkte. Durch die Bleiverglasung, die selbstverständlich eine Panzerscheibe tarnte, waren undeutlich die Umrisse eines Wagens auszumachen. Parker begab sich in die große Wohnhalle, öffnete einen Wandschrank rechts vom verglasten Vorflur und schaltete die außen über der Tür angebrachte Fernsehkamera ein. Er machte auf dem Bildschirm den Chief-Superintendent und Sir Herbert aus.

Parker öffnete per Elektronik die Haustür und ließ die beiden Besucher in den verglasten Vorflur treten. Nachdem er wieder geschlossen hatte, öffnete er die Glastür, und die beiden Gäste konnten die Wohnhalle betreten.

»Mylady erwartet Neuigkeiten, Sir«, sagte Parker zu McWarden.

»Die wird sie bekommen, Mr. Parker«, erwiderte der Chief-Superintendent und nickte grimmig, »Brixham hat seine Bedingungen angemeldet.«

»Die horrend sein dürften, Sir.«

»Zehn Millionen Pfund«, näselte Sir Herbert aufgebracht, »zehn Millionen Pfund, oder man wird die ganze Nation in Gefahr bringen!«

»Wurden Einzelheiten genannt, Sir, was diese Gefahr betrifft?« fragte Josuah Parker weiter, während er die beiden Gäste in den Salon brachte, wo sie von Agatha Simpson gnädig empfangen wurden.

»Sie haben dieses Subjekt doch wohl noch nicht eingefangen?« sorgte sie sich dann.

»Leider nicht, Mylady«, antwortete McWarden, »er verlangt nur zehn Millionen Pfund, eine Kleinigkeit, nicht wahr? Falls die Regierung nicht zahlt, will er für einen Donnerschlag sorgen, wie er sich ausdrückte.«

»Können Sie nicht etwas deutlicher formulieren?« parierte Lady Agatha umgehend, »was stelle ich mir unter einem Donnerschlag vor?«

»Genaues hat er nicht mitgeteilt«, warf Sir Herbert ein, »aber er hat natürlich eine Menge Möglichkeiten, machen wir uns da nichts vor.«

»Bis wann will er denn die zehn Millionen Pfund sehen?« wollte der Anwalt wissen.

»Bis Ende der Woche«, redete Sir Herbert bekümmert weiter, »wir haben also genau drei Tage Zeit.«

»Das reicht mir vollkommen«, bemerkte die ältere Dame optimistisch, »nicht wahr, Mr. Parker?«

»Mylady lösten in der Vergangenheit in wesentlich kürzerer Zeit«, antwortete der Butler höflich, um sich dann Sir Herbert zuzuwenden, »wie lauten die Bedingungen der Geldübergabe, Sir?«

»Die Millionen sollen auf ein Konto überwiesen werden, das in einem nordafrikanischen Mittelmeerstaat eingerichtet worden ist«, lautete die Antwort des Geheimdienstvertreters. »Namen möchte ich nicht nennen, wie Sie verstehen werden. Dies könnte zu internationalen Verwicklungen führen.«

»Etwa Lybien, Sir Herbert?« fragte Lady Agatha ungeniert.

»Kein Kommentar«, sagte der Angesprochene hastig.

»Dort will dieses Subjekt sich also später verstecken«, mutmaßte die Detektivin, »und wie will er im Fall einer Zahlung das U-Boot zurückgeben? Glauben Sie wirklich, daß er’s tun wird?«

»Eben nicht, Mylady«, erwiderte Sir Herbert, »er wird es wahrscheinlich mitnehmen.«

»Er hat doch nur für siebenhundert Seemeilen Treibstoff an Bord«, erinnerte Mike Rander umgehend. »Diese Strecke würde er nie schaffen. Einfacher kann keine Rechnung sein.«

»Er ist bereits entwischt«, warf Chief-Superintendent McWarden ein, »er hat den Sicherheitsring unterlaufen und sich abgesetzt. Zur Zeit wird fieberhaft nach ihm gesucht, Mylady. Das sind die Tatsachen. Er ist einfach nicht mehr zu orten. Wir haben es mit einem ganz ausgekochten Gangster zu tun, der sich bestens auskennt.«

»Oder ausgezeichnet geführt wird, Sir«, ließ Josuah Parker sich höflich vernehmen.

*

»Ich habe bereits meinen Pilotenschein gemacht, junger Mann, als Sie noch nicht existierten«, stellte die ältere Dame klar. Sie saß auf dem Sitz des Copiloten und musterte den Hubschrauber-Piloten, der den zweistrahligen Helikopter steuerte.

»Gab es damals bereits Hubschrauber, Mylady?« erkundigte sich der Pilot arglos.

»In etwa«, schwindelte Agatha Simpson, »aber das steht hier nicht zur Debatte. Ich möchte dieses Fluggerät gern mal steuern und meine alten Kenntnisse auf frischen.«

Mike Rander tauschte einen schnellen Blick mit Kathy Porter, der Gesellschafterin und Sekretärin der Lady. Die fünfundzwanzigjährige Kathy Porter war ein sehr geschmeidiger, sportlicher Typ und hatte normalerweise keine Angst. Die kam immer erst dann auf, wenn Agatha Simpson ihre umfassenden Kenntnisse auf fast allen Gebieten unter Beweis stellen wollte.

»Nur nicht die Nerven verlieren, Kathy«, sagte Mike Rander, »aber unter uns, ich habe bereits Schwitzhände.«

»Könnte man Mylady vielleicht ablenken?« fragte sie leise. Sie war an diesem Morgen zum Trio Lady Simpson-Mike Rander-Butler Parker gestoßen und hatte mit solch einem Ausflug nicht gerechnet. Kathy Porter war für zwei Tage auf einem Landsitz der älteren Dame gewesen und wußte inzwischen, welchen Fall Lady Agatha zu lösen gedachte.

»Parker hat einen sagenhaften Riecher«, stellte der Anwalt fest, »der hat’s geschafft, sich vor dem Flug zu drücken.«

»Der Glückliche«, seufzte Kathy Porter. Sie war eine bemerkenswert hübsche Frau, deren Gesicht einen leicht exotischen Ausdruck besaß. Ihrer Wirkung schien sie sich allerdings kaum bewußt zu sein, denn normalerweise machte sie einen zurückhaltenden Eindruck.

Lady Agatha hatte sich von dem ahnungslosen Piloten inzwischen einweisen lassen und nichts verstanden. Sie tat natürlich so, als sei das alles eine Selbstverständlichkeit für sie und griff energisch nach dem Steuerknüppel, um den Langstreckenhubschrauber zu testen, wie sie nun noch zusätzlich ankündigte.

»Wissen Sie zufällig, wo hier die Fallschirme sind, Kathy?« fragte Mike Rander hastig, als der Helikopter sofort steil gen Himmel schoß, da die energische Pilotin eine falsche Steuerbewegung ausgeführt hatte.

»Ein Schlauchboot wäre auch nicht schlecht, Mike«, antwortete Kathy Porter, denn der Hubschrauber hatte inzwischen die Nase nach unten gerichtet und donnerte mit flatterten Rotoren direkt in Meeresnähe.

»Mylady«, keuchte der Pilot, »nein, nicht...«

»Papperlapapp, junger Mann, Sie werden doch keine Angst haben, oder? « hauchte sie über die Bordsprechanlage, »ich habe die Kiste voll unter Kontrolle.«

»Einbildung ist alles«, stöhnte Mike Rander, der wie Kathy Porter nicht über die Bordsprechanlage gehört werden konnte.

»O Himmel«, flüsterte Kathy Porter, als der Helikopter hochgerissen wurde, um dann wie ein welkes, vom Sturm erfaßtes Blatt zur Seite zu taumeln.

»Sehr hübsch«, stellte die Detektivin begeistert fest und nickte dem entsetzten Piloten zu, »jetzt werde ich einen Scheinangriff auf den Zerstörer dort unten fliegen.«

Der Pilot versuchte mit Kraft, die Maschine wieder unter Kontrolle zu bringen. Da beide Steuerknüppel jedoch miteinander verbunden waren, erwies sich das als nicht so einfach. Agatha Simpson, die leidenschaftlich gern und schlecht Golf spielte, besaß eine gut entwickelte, durch das Sportbogenschießen noch zusätzlich trainierte Muskulatur. Der Pilot zerrte an seinem Steuerknüppel und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, als der Helikopter nach unten rauschte.

»Autofahren ist schwerer«, bemerkte die resolute Sechzigerin, die den Zerstörer an visierte, »wir haben nicht zufällig eine Übungsbombe am Bord, junger Mann?«

»Nur echte«, erwiderte der Pilot leichtsinnigerweise.

»Auch recht«, meinte Agatha Simpson begeistert, »ich könnte ja auf einen Volltreffer verzichten, nicht wahr?«

»Das U-Boot«, brüllte Mike Rander plötzlich und tippte auf die rechte Schulter der Lady. Er hoffte inständig, sie ein wenig ablenken zu können. Und er hatte Glück! Die ältere Dame vergaß für einen Moment ihre Absicht und blickte seitlich nach draußen.

Der Pilot nutzte seine Chance und übernahm wieder das Kommando. Lady Agatha ließ sich von Mike Rander ein Fernglas reichen und suchte die leicht rauhe See nach dem Klein-U-Boot ab. Der Pilot drehte sofort ab und hatte nur noch den einen Wunsch, so schnell wie möglich zur Basis zu gelangen. Er schwor sich, diese eigenwillige Person niemals wieder an Bord zu nehmen.

»Ich sehe nichts«, stellte Agatha Simpson inzwischen fest.

»Eine ganze Armada, Mylady«, rief Kathy Porter, »Zerstörer, Schnellboote, Minensuchboote.«

»Aber kein U-Boot«, beschwerte sich die Detektivin ungeduldig.

»Man scheint Jagd auf das Boot zu machen, Mylady«, schwindelte Mike Rander und nahm dankbar zur Kenntnis, daß es an Land zurückging.

Butler Parker 143 – Kriminalroman

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