Читать книгу Der exzellente Butler Parker 13 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 3

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Lady Agatha lief das Wasser im Mund zusammen.

Wie hypnotisiert blickte sie auf den netten älteren Herrn, der gerade am Paßschalter des Flughafens Heathrow stand und auf die Rückgabe seiner Papiere wartete. Der etwa fünfzigjährige Mann hatte keine Eile. Er hielt in der linken Hand einen kleinen Kunststoffbeutel, in dem sich gebrannte Mandeln befanden.

Schon allein der typische Geruch löste in der älteren Dame fast so etwas wie wilde Gier aus. Sie kannte die Köstlichkeit von diversen Jahrmärkten her und fühlte sich plötzlich in ihre Kindheit versetzt. Sie wußte, daß sie um jeden Preis zumindest eine dieser gebrannten Mandeln haben mußte.

Der Unbekannte hatte inzwischen seine Papiere zurückbekommen und trug seinen Koffer gelassen zur Zollabfertigung. Dabei schob er sich eine weitere Mandel in den Mund und warf einen kurzen Blick auf Lady Agatha, die zielsicher die Trennbarriere ansteuerte ...

Die Zollabfertigung nahm nur wenige Augenblicke in Anspruch.

Der nette ältere Herr bot dem Zollbeamten eine gebrannte Mandel an, die dieser nach kurzem Zögern auch tatsächlich nahm. Auch er konnte der Verlockung nicht widerstehen. Der nette ältere Herr nahm den Koffer in die Hand und trug ihn hinüber zur Cafeteria, die sich an der Stirnseite der weiten Empfangshalle befand. Hier nahm er an einem Tisch Platz, stellte seinen Koffer ab und erhob sich höflich, als Lady Agatha sich ebenfalls an den Tisch setzte.

»Lassen Sie sich nicht stören«, meinte die ältere Dame und lächelte wohlwollend. Dabei blickte sie auf den durchsichtigen Beutel, in dem sich noch viele Mandeln befanden. »Ich habe Sie übrigens schon die ganze Zeit über beobachtet.«

»Beobachtet, Madam?« Der nette ältere Herr wirkte plötzlich ein wenig unruhig.

»Schon seit gut zehn Minuten«, fuhr Lady Simpson fort. »Und mir ist nicht entgangen, daß Sie ...«

»Was, bitte, ist Ihnen nicht entgangen?« Der Mann wurde noch unruhiger.

»Daß Sie gebrannte Mandeln haben«, sagte die ältere Dame.

»Ja, und was ist mit ihnen?« Der nette, ältere Herr blickte sich verstohlen um.

»Sie duften verführerisch«, machte Lady Agatha nun klar. »Ich bin sicher, daß Sie mich wenigstens eine Mandel kosten lassen.«

»Ach so, das ist es.« Der Mann atmete tief und erleichtert durch. »Natürlich, Madam. Bitte, bedienen Sie sich.«

Er klemmte mit Daumen und Zeigefinger den Tüteninhalt nach unten weg und sorgte dafür, daß wirklich nur eine einzige Mandel greifbar war. Dann blickte er kurz auf den Folienbeutel, korrigierte sein Angebot und reichte Mylady die Tüte.

»Dann bin ich so frei«, meinte Agatha Simpson und langte mit beiden Händen zu, die man auf keinen Fall als damenhaft klein bezeichnen konnte. Die ältere Dame schüttelte die Mandeln durcheinander, nachdem sie den Klemmgriff des Mannes spielend leicht gelöst hatte und versorgte sich mit gebrannten Mandeln.

»Sehr liebenswürdig«, säuselte sie und nickte freundlich. »Ich wußte doch gleich, mit wem ich es zu tun habe.«

Sie hatte fünf Mandeln erbeutet, winkte dem völlig verdutzten Mann zu und entschwand. Agatha Simpson war eine große, majestätisch wirkende Dame, die das sechzigste Lebensjahr längst überschritten hatte. Sie verfügte über die ansehnliche Fülle einer Wagner-Walküre aus früheren Zeiten und trug ein eindeutig zu weites Tweed-Kostüm.

Auf ihrem Kopf saß eine Hutschöpfung, die an einen verunglückten Napfkuchen erinnerte, der imposanten und durchaus bemerkenswerten Erscheinung baumelte ein sogenannter Pompadour an langen Schnüren.

Durchaus höflich, wie Lady Agatha sein konnte, blickte sie sich noch mal nach dem Mandel-Spender um, konnte ihn zu ihrer Überraschung aber schon nicht mehr sehen. Er hatte den Tisch verlassen und sich im Gewühl der Fluggäste verloren.

Die passionierte Detektivin blieb neben einer Stellwand stehen und schob sich die erste gebrannte Mandel in den Mund. Dabei schnupperte sie genießerisch und dachte wieder an ihre Jugendzeit. Damals hatte sie wirklich keine Gelegenheit versäumt, sich auf Jahrmärkten und Festwiesen mit solchen Mandeln zu versorgen.

Ihre Zunge umspielte den harten Zuckermantel, um dann wenig später versuchsweise zum erstenmal vorsichtig zuzubeißen. Sie setzte die Mandel dem Druck ihrer Kiefer aus und suchte nach der Schwachstelle in dem eigenwilligen Konfekt, um es spalten zu können.

Als dies nicht auf Anhieb geschah, verstärkte sie den Druck der Zähne und ... fuhr zusammen, als wäre sie von einem elektrischen Schlag getroffen worden. Sie hatte das Gefühl, sich einen Backenzahn ausgebissen zu haben.

Mylady suchte mit der Zungenspitze nach dem harten Kern, fand ihn und schob ihn nach vorn zu den Lippen. Anschließend griff sie mit zwei spitzen Fingern zu und begutachtete den Übeltäter, der einen Zahnnerv nachhaltig in Vibration versetzt hatte.

Es handelte sich, wie sie sofort sehr fachmännisch erkannte, um nichts anderes als um einen Halbkaräter.

*

»Wo haben Sie denn die ganze Zeit über gesteckt, Mister Parker?« räsonierte Lady Agatha, als ihr Butler sich ihr gemessen näherte und dabei grüßend die schwarze Melone lüftete.

»Der Andrang im Reisebüro war leider geradezu bedrückend«, gab der Butler Auskunft und zeigte ihr dann eine dicke Mappe, die mit Prospekten gefüllt war. »Dafür ist die Auswahl an möglichen Reisezielen überwältigend, Mylady.«

»Ich habe andere Sorgen«, gab sie zurück, »das heißt, ich suche nach einem Mann, der gebrannte Mandeln ißt, Mister Parker.«

Parker hatte das ausdruckslose Gesicht eines hochherrschaftlichen Butlers und gestattete sich auch jetzt keine Regung. Er kannte das mitunter exzentrische Verhalten der Lady Simpson. Sie war für jede Überraschung gut. Sie war eine überaus bemerkenswerte Dame, die sich einen Sport daraus machte, in jedes erreichbare Fettnäpfchen zu treten.

Lady Agatha war immens vermögend und konnte sich leisten, was immer sie wollte. Seit vielen Jahren betätigte sie sich als Detektivin und hielt sich auf diesem Gebiet für unschlagbar. Sie merkte noch nicht mal andeutungsweise, daß Parker seine stets schützende Hand über sie hielt und Schaden von ihr abwandte.

»Sehen Sie sich das an«, redete sie weiter. »Um ein Haar hätte ich mir einen Zahn abgebissen.«

Während sie noch redete, zeigte sie ihrem Butler den Halbkaräter. Parker nahm ihn vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger und begutachtete ihn.

»In der Tat ein Halbkaräter«, sagte er, ohne seine Stimme erstaunt zu heben. »Meiner bescheidenen Ansicht nach handelt es sich um ein lupenreines Stück in feinem Weiß, Top Wesselton. Darf man sich erlauben, nach der Herkunft dieses Brillanten zu fragen?«

»Er war in einer gebrannten Mandel«, antwortete Lady Agatha und öffnete verstohlen ihre restlichen vier Süßigkeiten.

»Eine erstaunliche Füllung, Mylady.«

»Wieviel ist der Stein wert, Mister Parker?« wollte sie wissen. Sie war eine ungemein sparsame Frau, der man schottischen Geiz nachsagte.

»Etwa vier- bis fünftausend Pfund, Mylady«, lautete Parkers sachkundige Antwort.

»Guter Gott«, schnaufte sie und blickte auf die vier Mandeln auf ihrer Handfläche. »Diesen Nachmittag werde ich bestimmt nicht vergessen. Es handelt sich nicht um einen Glasstein, Mister Parker?«

»Von der Echtheit des Steines können Mylady ausgehen.«

»Ich werde sofort nachprüfen, ob die übrigen Mandeln mit Diamanten gefüllt sind«, kündigte sie an. »Kommen Sie, dabei braucht man uns nicht zu beobachten.«

»Mylady kamen völlig regulär in den Besitz der Mandeln?« fragte der Butler. Ihm war längst klar, daß man auf dem besten Weg war, in einen neuen Kriminalfall zu schlittern.

»Die Mandeln wurden mir förmlich aufgedrängt«, gab sie zurück. »Hätte ich doch nur mehr davon genommen! Das hat man nun von seiner vornehmen Zurückhaltung.«

Sie setzte ihre majestätische Fülle in Bewegung, und Josuah Parker folgte ihr gemessen. Er trug über seinem schwarzen Zweireiher einen ebenfalls schwarzen Covercoat. Am angewinkelten linken Ellenbogen hing ein altväterlich gebundener Regenschirm.

»Darf man Myladys Aufmerksamkeit beanspruchen?« fragte er nach wenigen Augenblicken.

»Sie haben den Mann mit den gebrannten Mandeln entdeckt?« Agatha Simpson hatte völlig vergessen, daß Parker ihn gar nicht kennen konnte. Sie blieb stehen und wandte sich um. Parker wies diskret auf einen kleinen Menschenauflauf, der sich um einen Mann bildete, der sich am Boden krümmte.

»Das ist er«, sagte sie umgehend, »kein Zweifel, das ist er, Mister Parker. Von ihm habe ich die Mandeln. Kommen Sie! Worauf warten Sie noch?«

Sie entwickelte ihre bekannte und gefürchtete Energie und schritt auf die Menschengruppe zu, schob einige Fluggäste robust zur Seite und erklärte dabei laut und deutlich, sie wäre Pfadfinderin und erfahren in Erster Hilfe.

Die Neugierigen und auch durchaus Hilfsbereiten machten ihr daraufhin noch mehr Platz. Und Lady Agatha konnte umgehend nach weiteren gebrannten Mandeln Ausschau halten.

*

»Hatte er sie noch bei sich?« fragte Mike Rander etwa anderthalb Stunden später. Er und Kathy Porter, Myladys Sekretärin und Gesellschafterin, befanden sich im altehrwürdigen Haus der Lady Simpson in Shepherd’s Market.

Dieses schon sehr alte Fachwerkhaus im Herzen Londons, nicht weit entfernt vom Hyde Park, stand auf den labyrinthartigen Gewölben einer ehemaligen Abtei und war der Stadtsitz der Lady Simpson. Von hier aus entwickelte sie ihre Aktivitäten gegen die Unterwelt der Themse-Metropole.

»Meine Wenigkeit konnte leider keine weiteren gebrannten Mandeln entdecken«, schaltete Parker sich ein, der den Tee reichte und dazu reichhaltiges Gebäck lieferte.

»Weil Sie natürlich nicht genug danach gesucht haben, Mister Parker«, mokierte sich Lady Agatha umgehend.

»Was war denn mit dem betreffenden Mann?« erkundigte sich Kathy Porter.

»Wenn meine bescheidene Wenigkeit sich nicht irrt, Miß Porter, litt der Bedauernswerte an einer akuten Vergiftung«, beantwortete Parker die Frage. »Eine genaue Diagnose ließ sich leider nicht stellen, da das Flughafenpersonal sich des Mannes annahm und ihn den Ärzten überantwortete.«

»Diesem Mann sind die gebrannten Mandeln gestohlen worden«, behauptete Lady Agatha nun mit Nachdruck. »Er ist wegen dieser Mandeln vergiftet worden.«

»Was haben denn die vier übrigen Mandeln erbracht?« Mike Rander erinnerte, was sein Äußeres anbetraf, an einen sehr bekannten James-Bond-Darsteller, war seines Zeichens Anwalt und hatte vor Jahren einmal zusammen mit Parker in den USA viele Abenteuer erlebt. Jetzt verwaltete er das Vermögen der alten Dame und kam kaum noch dazu, seinem tatsächlichen Beruf nachzugehen. Kathy Porter hielt sich inzwischen fast nur noch in Randers Kanzlei in der nahen Curzon Street auf. Sie war für ihn zu einer wertvollen Mitarbeiterin geworden.

»Fand ich noch etwas, Mister Parker?« Mylady wandte sich an ihren Butler und schien sich nicht mehr so recht erinnern zu können.

»Mylady wurden in der Tat noch mal fündig, um es mal so auszudrücken«, erinnerte Parker gemessen. »Dabei handelte es sich sogar um einen Einkaräter, der mit Sicherheit einen Wert von sechzigtausend Dollar repräsentiert.«

»Ich werde beide Steine bei passender Gelegenheit als Fundstücke anmelden«, meinte die ältere Dame wie beiläufig.

»Ob der Vergiftete überhaupt gewußt hat, was in diesen gebrannten Mandeln war?« fragte Kathy Porter. Sie war schlank, etwas über mittelgroß und von unaufdringlicher Attraktivität. Das braune Haar mit dem leichten Rotstich verlieh ihr auf den ersten Blick hin das Aussehen eines scheuen Rehs, doch dieser Eindruck täuschte. In Momenten der Gefahr und Herausforderung konnte sie zu einer Pantherkatze werden. Die Künste fernöstlicher Verteidigung waren ihr sehr vertraut.

»Er bot sie ja schließlich sogar einem Zollbeamten an«, erinnerte Mike Rander.

»Richtig, meine Junge«, erwiderte Lady Agatha. »Und auch in meinem Fall war er eigentlich recht entgegenkommend. Eigentlich sind die beiden Steine inzwischen längst mein Eigentum, nicht wahr? Er hat sie mir ja schließlich geschenkt, wenn man es genau nimmt. Oder?«

»Legen wir uns besser nicht fest, Mylady«, warnte Rander und lächelte amüsiert. »Es könnte Juristen geben, die das erheblich anders sehen und bewerten.«

»Diese Leute darf man eben nicht fragen«, grollte sie. »Man kann auch alles unnötig komplizieren. Im Grund könnte ich sogar Schadenersatz beanspruchen.«

»Schadenersatz, Mylady?« wunderte sich Kathy Porter.

»Nun ja, meine Liebe, um ein Haar hätte ich mir meine Zähne ruiniert«, gab die ältere Dame zurück. »Und dann der Schmerz, als ich auf den ersten Stein biß. Vielleicht hätte ich mich sogar verschlucken können. Was sagen Sie dazu, Mister Parker?«

»Mylady werden sicher erfahren wollen, welche Diagnose die Ärzte inzwischen stellten«, gab der Butler zurück, ohne auf die eigentliche Frage der Hausherrin einzugehen. »Zudem dürfte seine Identität interessieren und auch der Grund seines Aufenthalts in Heathrow.«

»Richtig, Mister Parker.« Sie nickte nachdrücklich. »Erledigen Sie das! Genau diese Fragen bewegen mich. Wie gut Sie mich doch manchmal kennen!«

Mylady hatte die beiden Steine natürlich in ihr Studio mitgenommen, um sie dort noch mal in aller Ruhe zu betrachten. Mike Rander und Kathy Porter waren nach dem Tee gegangen und auf dem Weg in die Anwaltskanzlei.

Parker befand sich allein in der großen Wohnhalle des Hauses und hatte Muße, sich einige Papiere anzusehen, die aus einer der Taschen des Mannes stammten, der in der Halle des Flughafens zusammengebrochen war.

Josuah Parker verfügte über die Geschicklichkeit eines Meister-Taschendiebes, was seine Finger betraf. Natürlich setzte er diese Fähigkeiten immer nur dann ein, wenn es darum ging, einen Fall aufzuklären.

Er legte die drei Dinge aus, die er geborgen hatte. Es handelte sich um einen Brief, der an einen Mister Hussler, wohnhaft in London, um ein Flugticket, das ebenfalls auf diesen Namen ausgestellt war und zwar mit dem zusätzlichen Vornamen Randolph und schließlich um eine Hotelrechnung. Sie stammte aus Johannesburg und betraf auch einen Mister Randolph Hussler. Laut dieser Hotelrechnung hatte der Mann sich etwa drei Tage in dieser südafrikanischen Stadt aufgehalten.

Parker befragte das Telefonbuch.

Ein Randolph Hussler war verzeichnet. Er wohnte danach im Stadtteil Bloomsbury, also nördlich von Soho. Die Angabe deckte sich mit der auf dem Briefumschlag. Absender des kurzen Briefes war eine Firma namens Britton, die mit Immobilien handelte. Das Büro des Mister John Britton befand sich laut Briefkopf in Pimlico.

Parker prägte sich diese Einzelheiten ein und rief anschließend einen gewissen Mister Horace Pickett an, den ehemaligen Taschendieb, der vor Jahren als Meister seines Fachs gegolten hatte, nun aber längst auf der richtigen Seite des Gesetzes stand. Diesen Sinneswandel hatte er Parker zu verdanken, der ihm nach einem peinlichen Fehlgriff in eine hochbrisante Tasche das Leben gerettet hatte.

Inzwischen war Horace Pickett zu einem wertvollen und loyalen Mitarbeiter des Duos aus Shepherd’s Market geworden. Der ehemalige Eigentumsumverteiler, wie Pickett sich seinerzeit genannt hatte, war jetzt ein hochwertiger Ermittler, dessen immer noch vorhandene Kontakte zur Szene ungemein wertvoll waren.

Parker setzte diesen interessanten Mann kurz ins Bild. Er bat ihn in seiner höflichen Art, sich um Mister Randolph Hussler zu kümmern und in Erfahrung zu bringen, wie seriös die Firma des John Britton war.

Pickett, der schweigend zugehört hatte, erkundigte sich dann nach dem Mann, der in der großen Halle des Flughafens offensichtlich vergiftet worden war.

»Es handelt sich um einen gewissen Verdacht, Mister Pickett«, sagte Josuah Parker.

»Wissen Sie, Mister Parker, daß sich schon ein paar von diesen Fällen in Heathrow ereignet haben?«

»Sie lösen großes Interesse in meiner Wenigkeit aus, Mister Pickett.«

»In zwei Fällen habe ich bisher davon gehört«, fuhr Pickett fort. »Es ging da um zwei Männer, die plötzlich umkippten und vergiftet worden waren, wie sich später herausstellte.«

»Waren Tote zu beklagen, Mister Pickett?«

»Nein, das nicht, aber die beiden Leute mußten tagelang behandelt werden. Soll ich der Sache mal nachgehen?«

»Dies könnte recht hilfreich sein, Mister Pickett«, gab der Butler zurück. »Aber lassen Sie größte Vorsicht walten! Denken Sie an die Vergiftungen!«

»Ich werde das schon machen, Mister Parker«, versprach Horace Pickett. »Ich kenne da ein paar Leute im Flughafen. Wenn die vorfühlen, fällt das überhaupt nicht auf.«

»Meine Wenigkeit setzt auf Ihre Erfahrung, Mister Pickett«, stellte Josuah Parker fest. »Mylady interessiert sich im Zusammenhang mit den Vergiftungen für die Reiserouten der Betroffenen.«

»Kein Problem, Mister Parker. Darf man wissen, um was es geht?«

»Um gebrannte Mandeln«, entgegnete der Butler, der Pickett nicht gesagt hatte, daß Mylady Diamanten gefunden hatte.

»Um gebrannte Mandeln?« Picketts Stimme machte hörbar, wie verblüfft der Mann war.

»Später mehr zu diesen Köstlichkeiten, Mister Pickett«, sagte der Butler höflich. »Darf man noch mal um größte Vorsicht bitten? Der Gifttäter scheint keine Hemmungen zu haben, Menschen zu attackieren.«

*

Mylady dachte noch intensiv über die gebrannten Mandeln nach, wie deutlich zu vernehmen war. Durch die geschlossene Tür ihres Studios waren eindeutig Schnarchtöne zu vernehmen. Parker hatte also keine Bedenken, eine Stunde für sich allein in Anspruch zu nehmen, zumal er noch für das abendliche Dinner einkaufen wollte.

Es reizte ihn, so schnell wie möglich den Immobilienhändler John Britton aufzusuchen. In dessen Brief, den er an den vergifteten Randolph Hussler gerichtet hatte, war von dem Verkauf eines kleinen Landsitzes die Rede gewesen.

John Britton schien Hussler zu kennen. Darüber hinaus wollte Parker sich natürlich die Wohnung des Mandelbesitzers Hussler in Bloomsbury ansehen.

Der Butler hinterließ für Mylady eine kurze Nachricht, setzte sich in sein hochbeiniges Monstrum und verließ Shepherd’s Market. Aus reiner Gewohnheit hielt er bereits nach wenigen Minuten Ausschau nach etwaigen Verfolgern.

Sein Interesse richtete sich auf einen dunkelblauen, älteren Austin, an dessen Steuer ein jüngerer Mann saß, der eine Lederjacke trug. Es handelte sich um einen geschickten Fahrer, der stets für einen wie zufälligen und neutralen Anschluß sorgte.

Parker lockte den Mann ebenfalls wie zufällig auf ein Terrain, das ihm bestens vertraut war. Der Butler steuerte seinen Wagen – es handelte sich um ein ehemaliges Taxi älterer Bauart, das nach seinen Wünschen technisch völlig umgestaltet worden war – in eine der vielen Tiefgaragen in der Londoner Innenstadt.

Der Austin schloß dichter auf, um Parker nicht aus den Augen zu verlieren. Der Butler ließ sein hochbeiniges Monstrum, wie sein Wagen achtungsvoll-ironisch genannt wurde, in eines der unteren Parkdecks fahren, stieg aus und wartete auf das Erscheinen des Lederjackenträgers.

Parker zog seine Patentwaffe aus der Innentasche seines schwarzen Covercoats. Es handelte sich dabei um eine fast normal aussehende Gabelschleuder, wie sie von Jungen immer noch aus kleinen Astgabeln geschnitten wird.

Parker legte eine hartgebrannte Tonmurmel in die Lederschlaufe dieser Zwille und wartete auf das Erscheinen des jüngeren Mannes. Der hatte seinen Austin vorn an der Durchfahrt abgestellt und bemühte sich um Harmlosigkeit. Er schritt langsam zu den beiden Liftschächten hinüber und tat so, als suche er etwas in seinen Taschen. Es war klar, daß er Parker den Weg abschneiden wollte.

Der Butler ließ sich auf dieses Spiel erst gar nicht ein.

Er spannte die beiden Gummistränge seiner Steinschleuder, visierte kurz sein Ziel an und entließ die Tonmurmel aus der Lederschlaufe. Sie jagte unhörbar durch das Zwielicht des Parkdecks und landete auf dem Hinterkopf des Mannes.

Das Resultat war beachtlich.

Der Mann absolvierte einen leichten Luftsprung nach vorn, stolperte und begab sich dann zu Boden. Er war derart überrascht worden, daß er noch nicht mal die Zeit fand, einen kleinen und spitzen Schrei auszustoßen.

Gemessenen Schrittes ging Parker auf den Liegenden zu, beugte sich über ihn und durchsuchte ihn. Er entdeckte ein Jagdmesser in einem Lederfutteral, das seinerseits am Hosengürtel befestigt war. Weiteres war nicht zu finden. Vor Antritt der Fahrt schien der Messerträger seine Taschen geleert zu haben. Dies deutete darauf hin, daß man es sicher mit einer Person der kriminellen Szene zu tun hatte.

Parker, der die Wirkung seiner Tonmurmel gut einzuschätzen wußte, begab sich ohne jede Hast zurück zu seinem hochbeinigen Monstrum, chauffierte es zu dem am Boden liegenden Mann, öffnete den Kofferraum und verstaute den Mann darin. Dabei zeigte sich, wie überraschend stark Parker war. Er wuchtete den nicht gerade leichten Verfolger ohne große Mühe in den Gepäckraum seines Wagens. Dann nahm er wieder am Steuer Platz und setzte seine Fahrt fort.

Er ging davon aus, daß Mylady erfreut sein würde, wenn er ihr Beute mitbrachte.

*

Das Haus des Randolph Hussler in Bloomsbury war ein unscheinbares, schmales Reihenhaus, das – mit einem kleinen Erker versehen – an ein leicht verunglücktes Schwalbennest erinnerte.

Parker passierte erst mal das Haus und prüfte die nähere Umgebung. Er achtete besonders auf parkende Wagen, in denen sichtlich gelangweilte Insassen saßen und unbeteiligt taten. Er fuhr durch eine Parallelstraße zurück, ließ den Wagen etwa fünfzig Meter vor dem Haus stehen, wechselte die Straßenseite und schritt auf einen Schnellimbiß zu.

Dieser war in einer umfunktionierten und außer Dienst gestellten Tankstelle untergebracht. Der Butler bestellte ein Sandwich und bat um Senf. Der etwas muffig wirkende Verkäufer, der ihn neugierig-irritiert musterte, reichte ihm eine große Plastiktube, aus der Parker sich bedienen konnte.

Von seinem neuen Standort aus beobachtete Parker weiterhin das bewußte Haus. Sein Instinkt sagte ihm, daß dort etwas nicht stimmte. Noch wußte er nicht, was sein Unbehagen auslöste. Das schmale Haus sah völlig normal aus, bis auf...

Josuah Parker wußte plötzlich, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Aus einem der beiden Fenster im Obergeschoß zog ein feiner Dunst ab, der ihn an Zigarettenrauch erinnerte. Das Fenster war spaltbreit hochgeschoben worden.

»Mistreß Hussler schon zurück, wenn man fragen darf?« wandte er sich an den Sandwich-Anbieter. »Ich komme von der Firma Nolsam und Nolsam, Rechtsanwälte.«

»Ach, so, daher.« Der Mann nickte verstehend.

»Wie darf man Ihre Bemerkung verstehen?«

»Nun ja, weil Sie so ... eigenartig aussehen.« Der Mann lächelte ein wenig verkrampft.

»Meine Dienstkleidung«, erklärte Parker. »Können Sie sich möglicherweise noch an meine Frage erinnern?«

»Nach Mistreß Hussler, wie? Nee, die gibt’s nicht, die hat’s nie gegeben. Hussler ist Junggeselle.«

»O, dann muß ich die Adresse falsch interpretiert haben.« Parker holte den Brief des Immobilienhändlers Britton aus der Brusttasche seines Zweireihers und warf einen kurzen Blick darauf, um dann zu nicken. »Richtig, Mister Hussler.«

»Der is’ aber nicht da«, redete der Verkäufer weiter, »der is’ mal wieder unterwegs.«

»Demnach braucht man sich erst gar nicht zum Haus zu bemühen?«

»Brauchen Sie nicht. Ich sag’ Ihnen ja, daß der mal wieder unterwegs ist. Was hat er denn mit ’nem Anwalt?«

»Möglicherweise eine Erbschaft«, entgegnete der Butler. »Mister Hussler scheint recht häufig sein Haus zu verlassen, nicht wahr? Einige vergebliche Anrufe lassen diesen Schluß zu.«

»Hussler ist oft auf Achse«, plauderte der Verkäufer weiter. Er hatte einiges von seiner Muffigkeit verloren und war neugierig geworden, »aber als Schriftsteller is’ das ja kein Wunder.«

»Auslandsreisen dürften da wohl die Regel sein.«

»Da is’ er oft«, kam prompt die Antwort. »Hussler scheint gut zu verdienen.«

»Auslandsreisen kosten erwiesenermaßen viel Geld. Sie kennen Mister Husslers Bücher?«

»Noch nie eins davon gesehen, aber der schreibt unter anderen Namen, hat er mir mal gesagt. Kann schon sein, daß ich mal was von ihm gelesen habe, aber dann weiß ich’s halt nicht.«

»Und wer hält das Haus während seiner Abwesenheit in Ordnung? Diese Frage drängt sich einem ja förmlich auf.«

»Keiner, das macht er alles allein.« Während der Sandwich-Anbieter redete, erschien rechts vom Haus in einem handtuchschmalen Durchgang ein Mann und hielt auf den Schnellimbiß zu. Er rauchte eine Zigarette, schien sich völlig sicher zu fühlen und blickte sich in der Nähe des Schnellimbiß noch mal um.

Parker wußte mit letzter Sicherheit, daß dieser Mann aus Randolph Husslers Haus gekommen war. Mit seiner, Parkers Person, schien er nichts anfangen zu können. Er grinste nur flüchtig, als er den Butler passierte, sich vor den Tresen stellte und einige Sandwiches aussuchte und Cola-Dosen verlangte.

In diesem Augenblick passierte Parker ein kleines Mißgeschick.

Er drückte ein wenig zu stark auf die Plastik-Senftube und garnierte mit dem sattgelben Strahl das Jackett des Mannes, der wie unter einem Peitschenhieb zusammenzuckte.

»Man bittet vielmals und höflich um Vergebung«, entschuldigte sich der Butler umgehend. Er hielt bereits eine Papierserviette in der linken Hand und machte sich daran, die Senfspuren zu beseitigen. Dabei zeigte sich wieder mal die stupende Fingerfertigkeit des Butlers. Während er den protestierenden Mann so ablenkte, zupfte er ihm gekonnt einen Revolver aus der Schulterhalfter.

»Finger weg, Mann«, fauchte der Mann wütend. »Verdammt, können Sie denn nicht aufpassen? Sie haben mir das ganze Jackett versaut.«

»Nur partiell, Sir«, korrigierte der Butler. »Im Gegenteil handelte es sich nur um das Revers, wie Sie inzwischen bemerkt haben dürften.«

Anschließend – der Mann senkte den Kopf – rammte Parker ihm die Spritzöffnung der Senftube in das linke Nasenloch und drückte kräftig im wahrsten Sinn des Wortes auf die besagte Tube.

Was seine besonderen Folgen zeitigte...

*

Der unter hohem Druck stehende Senfstrang erschien wenig später im hinteren Rachenraum des Mannes, der verständlicherweise hustete, schluckte und nach Luft rang.

»Sie ahnen ja nicht, wie peinlich meiner Wenigkeit dies alles ist«, erklärte Josuah Parker und klopfte dem Mann auf den Rücken. »Man kann Ihnen nur raten, tief durchzuatmen.«

Der scharfe Senf brannte im Rachenraum und in der Speiseröhre. Der Mann hüpfte vor dem Tresen herum und faßte mit beiden Händen nach Kehle und Hals. Tränen rannen ihm aus den Augen. Er bekam gar nicht mit, daß Parker ihn mit beiden Händen auf einen Papierkorb drückte.

Anschließend bemühte der Butler seinen Spezialspray, der sich in einem kleinen Stahlzylinder befand. Er sprühte das Gesicht des Mannes kurz ein und wandte sich an den Sandwich-Verkäufer, der fassungslos zugeschaut hatte.

»Sie sollten sich bei Gelegenheit andere Senfspender zulegen, wenn man Ihnen eine Empfehlung geben darf«, schlug Parker vor, lüftete die schwarze Melone und verließ den Ort des Geschehens, nachdem er noch einen letzten, prüfenden Blick auf den Mann im Papierkorb geworfen hatte. Der Senfschlucker machte bereits einen leicht apathischen Eindruck und stierte den Butler an.

»Gönnen Sie sich ein wenig Ruhe«, meinte der Butler in seiner höflichen Art. »Ihre gereizten Nerven werden sich mit Sicherheit bald wieder beruhigen.«

»Was... was mach’ ich jetzt mit dem?« wollte der Mann hinter dem Tresen wissen.

»Widmen Sie ihm Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit«, gab Parker zurück und verließ dann den Schnellimbiß. Er ging zurück zu seinem Wagen, setzte sich ans Steuer und schien das Haus des Randolph Hussler vergessen zu haben.

Parker bog in die nächste Querstraße ein, entdeckte einen schmalen, gepflasterten Weg hinter den Reihenhäusern, hielt und näherte sich dann der Rückseite jenes Hauses, das er keineswegs aus den Augen verloren hatte.

Er öffnete eine Gartentür, ging zum Hintereingang und brauchte nur wenige Augenblicke, bis er die Küchentür mit seinem kleinen Spezialbesteck geöffnet hatte. Er schlüpfte ins Haus und schaute sich um.

Er hörte über sich Schritte, dann einen ausgeprägten Raucherhusten.

»Na, endlich«, rief eine rauhe Stimme vom oberen Stock. »Hast du an Rührei gedacht?«

»Immer«, gab Parker undeutlich zurück und imitierte in etwa die Stimme des Senfschluckers. Dann öffnete er einen Hängeschrank, holte einen Teller hervor und ließ ihn auf dem Steinfußboden zerschellen. Anschließend baute er sich neben der Korridortür auf und setzte auf die Neugier des immer noch Hustenden im Obergeschoß.

Der Mann hatte natürlich das Geräusch des zerplatzten Tellers gehört und kam nach unten.

»Mensch, mach keinen Krach«, rief er und vergaß darüber, daß auch er nicht gerade leise war. Er stürmte förmlich in die Küche und gab einen ächzenden Ton von sich, als Parker ihm den bleigefüllten Bambusgriff seines Schirmes auf den Hinterkopf legte. Der Mann rutschte augenblicklich in sich zusammen und nahm am rechten Tischbein auf dem Fußboden Platz.

Parker fand eine zusätzliche Waffe, die ebenfalls in einer Halfter untergebracht war und wartete, bis der Mann wieder zu sich gekommen war. Als dies der Fall war, entdeckte der Mann nach wenigen Augenblicken, daß seine Hände mit Packband gefesselt waren. Parker trug aus guten Gründen stets eine kleine Rolle dieses Bandes mit sich. Er wollte seinen Vorrat an privaten Handschellen nicht unnötig strapazieren.

»Könnten Sie sich entschließen, meiner Wenigkeit mitzuteilen, in wessen Auftrag Sie hier auf Mister Randolph Hussler warten?« erkundigte sich der Butler gemessen.

»Einen Dreck werde ich tun«, gab der Mann undeutlich zurück. Er litt eindeutig noch unter den Nachwirkungen des Schlages.

»Sollten Sie ein wenig verärgert sein?« erkundigte sich Parker.

»Zum Teufel, wer sind Sie eigentlich?« Der Mann bemühte sich, wieder auf die Beine zu kommen. Dabei langte er unauffällig nach seiner Schulterhalfter und mußte feststellen, daß man ihn demilitarisiert hatte.

»Für wen warten Sie auf Mister Hussler?« wiederholte der Butler seine Frage. »Auf die Rückkehr Ihres sogenannten Partners sollten Sie nicht setzen. Er wurde von einem kleinen Mißgeschick ereilt und sinniert momentan darüber intensiv nach.«

»Mann, wie reden Sie eigentlich?« Der jetzt Waffenlose hatte sich endlich hochgedrückt und schätzte den Butler ab mit schnellem Blick. Er sah sich einem konventionell gekleideten Gegner gegenüber, dem man kaum etwas Zutrauen mochte.

»Sie können selbstverständlich versuchen, das sprichwörtliche Blatt noch mal zu Ihren Gunsten zu wenden«, lud der Butler ihn höflich ein. »Meine Wenigkeit möchte Sie aber darauf aufmerksam machen, daß solch ein Versuch sich mit Sicherheit nicht auszahlen wird.«

»Wer sind Sie?« Der Mann kam dem Rat des Butlers nach und verzichtete auf einen Angriff.

»Ein Privatmann, der den Weg Mister Husslers kreuzte.«

»Und für wen ziehen Sie die Show ab?« Der Mann bemühte sich jetzt um Vertraulichkeit. Er spielte auf Parkers Kleidung an.

»Meine Wenigkeit arbeitet auf eigene Rechnung«, beantwortete Parker die Frage.

»Da würd’ ich aber verdammt vorsichtig sein«, meinte der Mann. »Es gibt da Leute, die sich nicht in die Suppe spucken lassen.«

»Wobei man wieder bei jener Person ist, für die Ihr Partner und Sie arbeiten«, erinnerte der Butler, der sehr genau zugehört hatte. »Aber darüber sollte man sich wohl an anderer Stelle unterhalten. Wenn Sie sich meiner Wenigkeit vielleicht freundlicherweise anschließen würden?«

Parker richtete den Lauf der erbeuteten Waffe auf den Mann und überredete ihn auf diese Art, mit ihm zum hochbeinigen Monstrum zu gehen.

*

»Da haben Sie sich bestimmt wieder mal ablenken lassen, Mister Parker«, meinte Lady Agatha ein wenig abfällig, als Parker seinen Bericht erstattet hatte. »Sie sollten den Blick stets auf das Wesentliche richten.«

»Wie Mylady zu wünschen geruhen.« Parkers Gesicht blieb ausdrucksvoll.

»Während Ihrer Abwesenheit habe ich mich mit den gebrannten Mandeln befaßt«, fuhr sie fort. »Und ich bin da zu einem ersten Resultat gekommen, Mister Parker.«

»Mylady werden mit Sicherheit grundsätzliche Erkenntnisse gewonnen haben.«

»Selbstverständlich.« Sie lächelte wohlwollend und wissend. »Die beiden Diamanten sind geschmuggelt worden. Und die Tarnung waren die gebrannten Mandeln.«

»Mylady dürften damit den Kern der Dinge getroffen haben.«

»Was denn sonst?« Sie sah ihn streng an. »Ich frage mich nur, wie man die Steine in die gebrannten Mandeln bekommt, Mister Parker. Gehen Sie dieser Sache mal nach, ich kann mich schließlich nicht um alles kümmern.«

»Meine Wenigkeit wird sich mit einem Zuckerbäcker in Verbindung setzen, Mylady.«

»Vergessen Sie dann nicht, mir gebrannte Mandeln mitzubringen«, sagte sie umgehend. »Wie war das eben? Sie haben mir zwei Gäste mit ins Haus geschleppt?«

»Zwei Personen männlichen Geschlechts, Mylady, die sicher in der Lage sein werden, Mylady mit wertvollen Informationen zu versorgen.«

»Gut, nach dem Dinner werde ich die beiden Subjekte verhören«, entschied sie und deutete dann auf eine Tageszeitung, die auf einem Beistelltisch lag. »Ich werde heute wohl kaum noch ausgehen.«

»Mylady werden dafür sicher Gründe haben.«

»Mein Horoskop«, meinte sie und langte nun nach der zusammengeknüllten Zeitung. »Meine Bestrahlung ist nicht sonderlich gut.«

Parkers Gesicht blieb glatt und ausdruckslos. Lady Agatha orientierte sich seit einiger Zeit anhand eines Buches, das sie in einem Warenhaus erstanden hatte. Sie war momentan fest davon überzeugt, daß die Sterne nicht logen und blätterte nur zu gern in dem bewußten Buch, in dem Horoskope für jeden einzelnen Tag eines Jahres abgedruckt waren. Zusätzlich holte sie sich noch Informationen aus diversen Tageszeitungen, die ihre Leser ebenfalls mit Horoskopen beglückten.

»Hier steht eindeutig, daß ich es anderen überlassen soll, sich mit den Problemen des Tages zu beschäftigen. Die Sterne raten mir, mich den schönen Dingen hinzugeben, Mister Parker.«

»Ein Hinweis, den man nicht überhören sollte.«

»Dieses Horoskop deckt sich mit dem in meinem Buch«, redete sie weiter.

»Zu den schönen Dingen des Lebens gehören für Mylady die Aufdeckung von Kriminalfällen«, gab Parker zu bedenken.

»Das stimmt allerdings«, pflichtete sie ihm bei, nachdem sie kurz nachgedacht hatte. »Daran dachte auch ich schon.«

»Vielleicht ist das Tageshoroskop geradezu eine Aufforderung, sich weiterhin auch in den Abend- und Nachtstunden mit Mister Hussler zu beschäftigen, Mylady.«

»Wer ist Mister Hussler?« erkundigte sie sich umgehend. Ihr Namensgedächtnis war nicht gerade überentwickelt.

»Mister Hussler war der Fluggast, der Mylady mit den gebrannten Mandeln versorgte«, erinnerte Parker.

»Ich weiß, ich weiß«, behauptete sie wie stets. »In meinem Kopf ist jedes Detail gespeichert, Mister Parker. Ich werde also nach dem Dinner etwas unternehmen?«

»Mylady planen sicher, Mister John Britton einen Besuch abzustatten.«

»Zu wem sollte ich sonst, Mister Parker«, antwortete sie. »Er wird mir Rede und Antwort stehen müssen.«

Parker hatte gerade die Absicht, Mylady diskret mitzuteilen, wer John Britton war, als das Telefon sich meldete. Gemessenen Schrittes begab er sich an den Apparat, hob ab und meldete sich.

»Pickett hier, Mister Parker«, gab der ehemalige Eigentumsumverteiler zur Antwort. »Ich habe mich um Randolph Hussler gekümmert. Er ist tatsächlich vergiftet worden, aber er wird durchkommen.«

»Konnte man bereits das Gift identifizieren, Mister Pickett?« wollte der Butler wissen.

»Einen Moment, Mister Parker, ich habe mir das aufgeschrieben«, antwortete Horace Pickett. »Ja, hier habe ich es: Das Gift heißt Aconitin und ist tödlich, wenn, Moment, ja hier, wenn man davon drei Milligramm injiziert.«

»Es gab in jüngster Vergangenheit zwei weitere Vergiftungsfälle, Mister Pickett«, erinnerte Parker.

»Dabei war auch dieses Gift im Spiel, Mister Parker, das steht einwandfrei fest. Hussler ist der dritte Mann, den es hier auf dem Flughafen erwischt hat. Die Polizei hat sich längst eingeschaltet.«

»Sind die Namen der zwei früheren Opfer inzwischen genannt worden?«

Pickett nannte sie, und Josuah Parker machte sich Notizen. Pickett hatte wieder mal ausgezeichnet recherchiert und konnte auch die Adressen und Berufe der beiden Opfer nennen.

»Mylady wird Ihnen bei passender Gelegenheit Dank und Anerkennung aussprechen«, sagte Parker. »Ihre Auslagen werden selbstverständlich ersetzt werden.«

Er legte auf und erntete von der älteren Dame ein vorwurfsvolles Kopfschütteln.

»Mylady haben das Gefühl, daß meine Wenigkeit die Kompetenzen überschritten hat?« wollte der Butler wissen.

»In etwa, Mister Parker«, tadelte sie verhalten. »Dieser Hinweis auf die Unkosten mußte ja wohl nicht unbedingt sein. Sie wissen, daß ich mit jedem Penny rechnen muß.«

»Es bietet sich da ein gewisser Ausweg an, Mylady«, antwortete der Butler.

»Und der wäre?« Sie sah ihn hoffnungsfroh an.

»Man könnte die täglichen Ausgaben erheblich mindern, Mylady, wenn es darum geht, für die Mahlzeiten einzukaufen.«

»Nun übertreiben Sie nicht immer gleich so maßlos«, tadelte sie umgehend. »Was Mister Pickett betrifft, so müßte es doch reichen, ihn bei passender Gelegenheit zum Tee einzuladen. So etwas wird ihn mehr freuen als der schnöde Mammon.«

*

Die beiden Gäste waren bequem untergebracht worden.

Sie bewohnten je ein Einzelzimmer im Souterrain des Hauses, allerdings in einem Trakt, der nur den Eingeweihten zugänglich war. Diese Gästezimmer waren wohnlich eingerichtet und ausbruchsicher. Es gab hier eine Bettcouch, ein Bad, sogar Fernsehen. Auch über die Verköstigung konnten die jeweiligen Gäste sich nicht beklagen.

Parker besuchte zuerst mal den Austin-Fahrer, den er in der Tiefgarage außer Gefecht gesetzt hatte.

Der Mann, der von einer Tonmurmel erwischt worden war, lag auf dem Bett und sprang sofort auf, als der Butler das Apartment betrat.

»Sie haben sich hoffentlich bereits eingewöhnt«, sagte Parker in seiner höflichen Art. »Darf man sich nach Ihrem Befinden erkundigen?«

»Hören Sie mal, Mann, das hier ist ’ne satte Freiheitsberaubung«, brüllte der Gast ihn an.

»Sie gestatten, daß man Sie nachdrücklich korrigiert«, antwortete Parker. »In der Tiefgarage baten Sie eindeutig um Gastfreundschaft.«

»Reden Sie doch keinen Blödsinn, Mann. Ich hab’ verdammt große Lust, Ihnen eins auf die Nase zu geben.«

»Sie sollten davon ausgehen, daß meine Wenigkeit sich Ihrem Wunsch nachdrücklich widersetzen wird«, warnte Parker den Austin-Fahrer. »Was Ihren Wunsch jedoch nach Beendigung des momentanen Aufenthalts betrifft, so läßt sich da sicher eine Einigung erzielen, die Ihren Vorstellungen entspricht.«

»Sie meinen, ich könnte raus, wenn ich will?«

»So kann man es natürlich auch ausdrücken«, gab Josuah Parker zurück.« Mylady als Ihre Gastgeberin erwartet dafür allerdings einige Informationen, wie Sie sich vorstellen können.«

»Informationen? Ich hab’ keine. Was soll ich denn sagen?«

»Zum Beispiel, in wessen Auftrag Sie meiner Wenigkeit so hartnäckig folgten.«

»Mann, ich bin Ihnen doch überhaupt nicht nachgefahren«, schwindelte der Mann und gab sich aufgebracht.

»Nun, dann erlaubt man sich, Ihnen noch einen recht angenehmen Aufenthalt zu wünschen«, meinte Parker und wandte sich ab. »In etwa einer Stunde können Sie mit dem Abendessen rechnen.«

Der exzellente Butler Parker 13 – Kriminalroman

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