Читать книгу Der exzellente Butler Parker 31 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 3
ОглавлениеButler Parker konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß man ihn berauben wollte.
Er hörte hinter sich das Stakkato harter Absätze auf dem Asphalt des Parkplatzes und richtete sich innerlich auf einen Überfall ein. Er war gerade aus einem Bürohaus gekommen, in dessen Erdgeschoß sich eine Druckerei befand. Hier hatte er neue Visitenkarten für Lady Simpson und sich in Auftrag gegeben. Er war auf dem Weg zu seinem sogenannten hochbeinigen Monstrum.
Die Gelegenheit für einen Überfall war günstig. Am späten Nachmittag herrschte auf dem Parkplatz nur wenig Betrieb. Parker hatte längst herausgehört, daß er es mit zwei Personen zu tun hatte, die immer schneller aufschlossen.
Der Butler beschleunigte seine Schritte und täuschte Angst vor. Dann aber bremste er jäh, wandte sich um und benutzte seinen altväterlich gebundenen Regenschirm als Kendo-Stock.
Er sah sich zwei etwa dreißigjährigen, mittelgroßen und schlanken Männern gegenüber, die er durch sein Bremsmanöver überrascht hatte. Einer von ihnen beging den Kardinalfehler, ein Klappmesser aufspringen zu lassen. Der andere Mann wich einen halben Schritt zurück und wollte etwas sagen, doch Parker stellte erst mal klar, daß er kein wehrloses Opfer war.
Er hatte seinen Universal-Regenschirm an beiden Enden gefaßt und setzte die Männer innerhalb weniger Sekunden außer Gefecht. Sie wurden von gezielten Schlägen getroffen, waren außerstande, die Arme anzuheben und sackten in sich zusammen, nachdem der Butler den bleigefüllten Bambusgriff seines Regendachs krönend eingesetzt hatte. Das Klappmesser lag längst auf dem Asphalt und war unerreichbar für den Besitzer.
»Meine Wenigkeit bittet Sie keineswegs um Entschuldigung«, sagte Josuah Parker, der einen völlig unberührten Eindruck machte. »Würden Sie mir dennoch freundlicherweise erklären, was Sie sich von Ihrem geplanten Überfall versprachen?«
Die beiden Männer starrten ihn an. Sie fühlten sich mit Sicherheit nicht besonders wohl.
»Ein ... ein Mißverständnis«, sagte Schließlich der ehemalige Besitzer des Klappmessers mit schwacher Stimme.
»Stimmt haargenau«, fügte sein Begleiter hinzu.
»Wir ... wir sind hinter ’nem Kerl her, der uns reingelegt hat«, behauptete der erste Mann und richtete sich auf.
»Der sah von hinten aus wie Sie«, behauptete der zweite Mann, »so mit Melone und Schirm.«
»Dann seien Sie meines Mitgefühls versichert.« Parker lüftete die schwarze Melone und gab den Burschen die Chance, ihn noch mal anzugreifen. Er trat hinter die beiden Männer und half dem Messerfreund hoch, was nicht ganz einfach war. Der hatte nämlich einige Hiebe einstecken müssen, die noch intensiv nachwirkten. Der Mann ließ sich willig aufrichten und merkte nicht, daß der Butler ihn mit geschickten Fingern blitzschnell um seine Brieftasche brachte.
Schließlich stand er wieder auf den Beinen und schüttelte verwundert den Kopf. Er maß den Butler mit intensivem Blick.
»Ich glaub’s einfach nicht«, sagte er schließlich. »Wer, zum Teufel, sind Sie eigentlich?«
»Gibt es möglicherweise einen Grund für diese Frage?«
»Wie ... wie haben Sie uns fertiggemacht?« wunderte sich der Mann.
»Nehmen Sie an, daß es sich um eine automatische Abwehr handelte«, meinte Josuah Parker. »Wenn Sie erlauben, wird meine Wenigkeit sich jetzt empfehlen. Entstandene Prellungen sollten Sie übrigens mit Alkoholumschlägen kühlen.«
Er lüftete noch mal die schwarze Melone und ging zu seinem Wagen. Es handelte sich dabei um ein sehr betagt aussehendes Gefährt, das in grauer Vorzeit als Original-Taxi in den Londoner Straßen seinen Dienst getan hatte.
Dieser hochbeinige Wagen barg eine Fülle von technischen Raffinessen, die man ihm jedoch nicht ansah. Eingeweihte hielten diesen Wagen nicht grundlos für eine Trickkiste auf Rädern.
Die Kerle starrten seinem Wagen nach, als er sie wenig später bewußt langsam passierte. Parker wollte ihnen Zeit und Gelegenheit geben, sich das Kennzeichen einzuprägen.
Hatten sie ihn wirklich mit einer anderen Person verwechselt? Oder war es hier um die Begleichung einer alten Rechnung gegangen? Parker war durchaus bereit, sich überraschen zu lassen.
*
»Sie wissen hoffentlich, Mister Parker, daß Sie wieder mal einen großen Fehler begangen haben«, mokierte sich Lady Agatha. »Selbstverständlich hätten Sie die beiden Lümmel mitbringen müssen.«
»Könnten Mylady sich möglicherweise entschließen, meiner Wenigkeit noch mal zu verzeihen?« erkundigte sich Josuah Parker. Als Verkörperung eines hochherrschaftlichen Butlers war er nicht aus der Ruhe zu bringen. Sein glattes Gesicht zeigte keine Regung. Seine Stimme war höflich-beherrscht.
»Natürlich will man sich letztendlich mit mir anlegen«, redete sie weiter und ging auf seine Frage nicht ein. »Sie wissen, wie sehr die Unterwelt mich fürchtet.«
»Mylady sind der Garant für Panik, wo Mylady auch immer auftauchen mögen«, erklärte Parker doppelsinnig.
»Ich weiß, ich weiß.« Sie lächelte wohlwollend und nickte. »Ich bin eben einfach zu erfolgreich, Mister Parker. Sie wissen also nicht, wer die beiden Subjekte waren?«
»Einer von ihnen heißt Dan Meggan, Mylady, wie aus seinen privaten Papieren hervorgeht. Mister Meggans Brieftasche enthielt Hinweise darauf, daß er sich als Zeitschriftenwerber betätigt.«
»Natürlich nur ein vorgeschobener Beruf«, erwiderte die ältere Dame. Sie war groß, stattlich und hatte ihren sechzigsten Geburtstag hinter sich.
Lady Agatha, immens vermögend, unkonventionell und dynamisch wie ein Räumpanzer, legte sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit der Unterwelt an und war gefürchtet wegen ihrer irrationalen Methoden. Sie pflegte jedes Vorurteil und merkte nicht, daß Butler Parker stets eine schützende Hand über sie hielt.
»Die Adresse des Mister Meggan ist bekannt, sie geht aus den Papieren hervor«, meinte Parker.
»Ich werde mich umgehend mit diesem Lümmel beschäftigen«, kündigte sie umgehend an. »Aber da war doch noch etwas, über das ich mich wundere, Mister Parker.«
»Mylady weisen sicher auf die angebliche Verwechslung hin«, gab der Butler zurück. »Falls dem so war, muß jene Person mit der man meine Wenigkeit verwechselte, in der Nähe des Parkplatzes wohnen.«
»Genau das ist es.« Sie nickte. »Aber es war natürlich keine Verwechslung, Mister Parker. Es ging und geht einzig und allein um mich.«
»Wie Mylady zu meinen belieben.« Parker deutete eine zustimmende Verbeugung an.
»Wo finde ich dieses Subjekt also?« wollte sie wissen.
»In Stepney, Mylady. In der Brieftasche fanden sich zwei Kontoauszüge einer Bank, die die genaue Adresse aufweisen.«
»Worauf warte ich dann eigentlich noch?« Sie schob ihre majestätische Fülle aus dem tiefen Ledersessel und schritt hinüber zur geschwungenen Freitreppe, die ins Obergeschoß des altehrwürdigen Fachwerkhauses führte, das sie hier im Herzen von London, genauer gesagt in Shepherd’s Market bewohnte.
Josuah Parker begab sich ins Souterrain des Hauses, wo seine privaten Räume lagen. Er hielt sich nur kurz im sogenannten Labor auf und versorgte sich mit einigen Spezialitäten, die er entwickelt hatte. Sie dienten dazu, auf unblutige Art etwaige Angreifer in die Schranken zu verweisen.
Als er wieder in der Wohnhalle erschien, war Lady Agatha bereits auf der Treppe. Sie prüfte ihren perlenbestickten Pompadour und dann den Sitz ihres geradezu abenteuerlich anmutenden Hutes. Er schien eine leicht mißglückte Kreuzung aus einem Napfkuchen und einem Südwester zu sein. Einige neckisch arrangierte Kunstblumen garnierten diese Schöpfung der Hutmacherei.
»Haben Sie schon daran gedacht, daß man mich bereits vom an der Durchgangsstraße abfangen könnte?« erkundigte sich Agatha Simpson. »Man wird sich doch hoffentlich das Kennzeichen Ihres Wagens gemerkt haben, oder?«
»Dies, Mylady, kann man als sicher unterstellen.«
»Dann rechne ich mit scharfen Schüssen«, prophezeite die passionierte Detektivin fast erfreut. »Richten Sie sich also darauf ein, Mister Parker.«
»Man wird möglichen Anfängen wehren, Mylady.«
»Sehr schön«, redete Agatha Simpson weiter. »Ich habe den Eindruck, Mister Parker, daß dieser Abend noch recht abwechslungsreich werden wird. In den Fernsehprogrammen ist ohnehin nichts, was mich interessieren könnte. Wissen Sie, das Leben schreibt immer noch die besten Krimis.«
Gegen diese profunde Erkenntnis hatte Parker keine Einwände vorzubringen.
*
»Ich werde nicht verfolgt?« grollte sie eine Viertelstunde später. Sie saß im Fond des hochbeinigen Monstrums und war leicht verärgert. Sie hatte scharfe Schüsse vermißt und wartete nun auf Verfolger, die der Butler bisher allerdings noch nicht wahrgenommen hatte.
»Mister Meggan wird seine Brieftasche längst vermißt haben, Mylady«, gab Parker zurück. »Vielleicht setzt er darauf, daß Mylady ihn aufzusuchen gedenken.«
»Daran habe auch ich bereits gedacht.« Sie nickte. »Er wird mir in seiner Wohnung eine Falle stellen, nicht wahr?«
»Die sollte man nicht ausschließen, Mylady.«
»Dieses Subjekt wird sich wundern«, kündigte die ältere Dame an. »Es wird sich in seiner eigenen Falle fangen.«
»Mylady werden den Spieß umkehren.«
»Hoffentlich steuern Sie eine hübsche Idee dazu bei, Mister Parker«, verlangte sie im vorhinein. »Ich kann schließlich nicht alles allein machen.«
Nun, sie erlebte eine herbe Enttäuschung.
Von einer Falle konnte überhaupt keine Rede sein. Dan Meggans kleine Wohnung erwies sich als leer. Parker hatte das Schloß der Tür dazu überredet, sich freundlicherweise zu öffnen und hatte dazu sein kleines Spezialbesteck benutzt. Mylady rechnete allerdings noch immer mit Überraschungen.
»Irgendwo ist sicher eine Sprengladung angebracht«, hoffte sie. »Seien Sie vorsichtig, Mister Parker, wenn Sie die Wohnung durchsuchen.«
Nun, viel war da nicht zu durchsuchen. Die Einrichtung zeichnete sich nicht gerade durch Üppigkeit aus. Es gab eine abgewetzte Sitzgruppe, ein kleines, verschrammtes Sideboard, einen Fernsehapparat und einen Arbeitsplatz in Fensternähe, der mit Zeitschriften aller Art bepackt war.
In einem kleineren Nebenraum befanden sich ein Doppelbett, ein Kleiderschrank und ein Akten-Rollschrank, in dem Dan Meggans Wäsche untergebracht war. Auch das winzige Badezimmer bot keine Geheimnisse.
»Sehr verdächtig«, urteilte Lady Agatha, als Parker meldete, nichts gefunden zu haben. »Hier sind absichtlich alle Spuren beseitigt worden.«
Josuah Parker sichtete einige Papiere auf dem Arbeitstisch. Er hatte ein Auftragsbuch entdeckt, aus dem eindeutig hervorging, daß Dan Meggan tatsächlich als Zeitschriftenwerber arbeitete. Parker hatte sogar den Eindruck, daß Meggan durchaus fleißig war. Der Mann hatte in den vergangenen Wochen vielen Mitbürgern Abonnements verkauft. Während Mylady bereits leichte Ungeduld zeigte, schaute Parker sich die Adressen der neuen Zeitschriftenkunden an.
Und er wurde fündig!
In dem Auftragsblock fand er genau die Straße mit der Druckerei, die er erst vor einigen Stunden aufgesucht hatte. Der betreffende Kunde Lester Greene war vor fünf Wochen geworben worden. Er hatte sich für eine geographische Zeitschrift und einen Sprachkurs in Portugiesisch entschieden.
»Was machen Sie denn da, Mister Parker?« räsonierte Agatha Simpson gereizt. »Das alles ist doch reine Zeitverschwendung.«
»Möglicherweise, Mylady.« Parker hatte aus einer der Taschen seines schwarzen Covercoats einen Fotoapparat hervorgeholt, der kaum größer war als ein Feuerzeug. Er schaltete die Tischlampe ein und fotografierte weitere Namen und Adressen.
»Sie haben etwas entdeckt?« Die ältere Dame war neugierig geworden.
»Möglicherweise, Mylady«, antwortete der Butler, der sich weiter informiert hatte. »Mister Meggan arbeitet für einen Verlag, der sich ›Freizeit und Hobby‹ nennt.«
»Was will das schon besagen?« Sie winkte desinteressiert ab. »Das bringt mich überhaupt nicht weiter.«
Parker war zwar anderer Meinung, äußerte sich aber nicht. Er stellte auf dem Schreibtisch die alte Ordnung wieder her und war dann bereit, die kleine Wohnung zu verlassen.
»Man hat sich mit dem Überfall auf mich Zeit gelassen«, sagte Agatha Simpson, als man sich im Korridor befand. »Sie werden sehen, Mister Parker, daß gleich die Schläger auftauchen.«
Sie hatte den Satz kaum beendet, als vorn im Treppenhaus zwei handfeste Männer erschienen. Sie kamen .mit schnellen Schritten auf Lady Agatha und Butler Parker zu.
»Jetzt werden ich Ihnen mal zeigen, wie man mit solchem Gelichter umgeht«, kündigte sie an und brachte ihren Pompadour in erste Schwingung.
*
Im Handbeutel der älteren Dame befand sich der sogenannte Glücksbringer, ein veritables Hufeisen, das von einem stämmigen Brauereipferd stammte. Der Pompadour wiederum hing an einigen Lederschnüren am Handgelenk seiner Besitzerin.
Es war unbestritten, daß Lady Agatha mit dem Requisit einer Dame gut umzugehen verstand. Darüber hinaus war sie eine sportlich geübte Frau, die mit Hingabe, aber ohne Erfolg Golf spielte und den Sportbogen schoß. Ihre Muskulatur war also keineswegs unterentwickelt.
Agatha Simpson, die sich zwei Gegnern gegenübersah, ergriff die Initiative. Nach dem Motto, wonach der Angriff die beste Verteidigung sei, setzte sie ihren Glücksbringer mit einem gekonnten Bogenschlag auf den Kopf des Mannes, der links vor ihr erschienen war.
Das Hufeisen tat seine Wirkung!
Der Getroffene verdrehte die Augen, stieß einen ächzenden Laut aus und ging beeindruckt in die Knie. Er fiel seitlich gegen die Wand des Korridors und schob die wegrutschenden Beine in den Weg seines Begleiters.
Der stolperte und warf sich vor, was Mylady völlig mißdeutete. Sie trat geschmeidig zur Seite, ließ ihn passieren und langte dann mit ihrem Pompadour noch mal zu.
Der Glücksbringer krachte ins Kreuz des Stürzenden, der daraufhin eine Streckbewegung nach vorn machte und dann mit der Bauchseite auf dem abgetretenen Teppichläufer landete.
Parker lüftete die schwarze Melone in Richtung Mylady und beglückwünschte sie mit wohlgesetzten Worten zu ihrem Erfolg.
»Nehmen Sie sich daran ein Beispiel, Mister Parker«, gab sie wohlwollend zurück. »Jetzt können Sie von mir aus Fragen stellen.«
Parker kümmerte sich um die beiden Männer, die wie paralysiert waren. Er durchsuchte sie, fand aber keine Papiere. Doch entdeckte er je ein Klappmesser und zwei Stahlruten, deren teleskopartige Glieder in einer Metallhülse zusammengeschoben waren.
»Nun, Mister Parker?« wollte die ältere Dame wissen.
»Einiges deutete darauf hin, Mylady, daß man es nicht mit Normalbürgern zu tun hat«, erwiderte er. »Man sollte die beiden Herren vielleicht einem kurzen Verhör unterziehen. Dazu bietet sich Mister Meggans Wohnung an.«
»Tun Sie, was ich für erforderlich halte«, lautete ihre Antwort, »aber lassen Sie sich nicht hereinlegen. Sie neigen zum Leichtsinn.«
Parker verzichtete auf eine Antwort, stellte die beiden Männer auf die Beine und dirigierte die Benommenen zurück in die kleine Wohnung des Mr. Dan Meggan. Dort drückte er sie auf die Sitzcouch und trat diskret zurück, damit Lady Simpson mit ihrem Verhör beginnen konnte.
Die beiden Kerle kamen wieder zu sich und blickten Mylady und Parker in einer Mischung aus Verstörtsein und Respekt an.
»Ich habe da einige Fragen, die Mister Parker an Sie richten wird«, schickte sie voraus. »Ich verlange wahrheitsgemäße Antworten.«
»Sie hatten die Absicht, Mister Meggan einen Besuch abzustatten?« erkundigte Parker sich.
Die beiden Männer nickten erstaunlicherweise.
»Und was ist der Grund Ihres gemeinsamen Besuches?«
»Das geht dich doch ’n Dreck an«, sagte der Mann, dessen Kopf in Mitleidenschaft gezogen war. Dann zuckte er allerdings zusammen und blickte ungläubig auf die Seitenlehne der Couch, wo der Pompadour gelandet war. Das Holz war rissig geworden und zeigte eine erste Bruchstelle.
»Schade«, bedauerte die ältere Dame. »Ich wollte eigentlich Sie treffen, junger Mann.«
Während sie redete, ließ sie ihren Pompadour kreisen, worauf beide Männer sichtlich kleiner wurden. Sie schoben sich auf der Couch zurück und starrten entnervt auf den Handbeutel.
»Stopp, Lady, stopp«, sagte der Mann hastig. »Wir reden ja schon. War nicht so gemeint.«
»Sie kennen die Frage«, erinnerte Parker in seiner höflichen Art.
»Dennis Frankler hat uns raufgeschickt«, meinte der Mann dann mitteilungsfreudig. »Wir sollten uns mal Meggan zur Brust nehmen.«
»Und wo, wenn man fragen darf, befindet sich Mister Frankler momentan?«
»Unten auf der Straße, der sitzt in seinem Schlitten.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, ihn zu bitten, hier zu erscheinen?«
»Dennis Frankler?« Der Mann schien begriffsstutzig zu sein
»Mister Dennis Frankler«, bestätigte der Butler. »Sie könnten dies durch entsprechende Handzeichen vom Fenster aus in die Wege leiten.«
»Ob der aber kommt, weiß ich nicht.«
»Sie sollten es auf einen Versuch ankommen lassen.«
»Vielleicht erheben Sie sich!« Lady Agatha trat einen halben Schritt vor und beeindruckte ihn mit ihrer Fülle. Der Mann erhob sich und ... attackierte die ältere Dame. Er schien sich eine Chance ausgerechnet zu haben und versuchte es mit einem Überraschungsangriff.
Es blieb allerdings bei diesem Versuch.
Nachdem er sich einen Tritt gegen das linke Schienbein eingefangen hatte, humpelte er ans Fenster, schob es hoch und winkte nach unten. Er gab sich sehr gehorsam und machte keinen Versuch, seinen Auftraggeber zu warnen.
»Genug, junger Mann, übertreiben Sie nicht«, meinte die ältere Dame und zog ihn vom Fenster zurück. »Sie können mich übrigens ruhig noch mal angreifen. Sie haben ja noch das rechte Schienbein!«
*
Der mittelgroße, ein wenig rundliche Mann mochte etwa vierzig sein. Er produzierte einen halblauten und sehr hohen Schrei, als Parker ihn mit dem Bambusgriff seines Universal-Regenschirms gleich hinter der Wohnungstür abfing. Dieser Griff legte sich um den Hals des Eintretenden, der sicher den Eindruck hatte, eine armdicke Schlange habe sich mit ihm befaßt.
»Sie sollten sich vorerst keine Sorgemachen, Mister Frankler«, schlug der Butler vor. »Alles hängt aber davon ab, wie Sie Myladys Fragen beantworten werden.«
»Wer ... wer sind Sie?« wollte der mittelgroße Mann wissen. Er hatte inzwischen registriert, daß seine Mitarbeiter sehr angeschlagen auf der Couch saßen.
»Sie haben die Ehre und den Vorzug, Lady Simpson Fragen beantworten zu dürfen«, antwortete Parker. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker.«
»Arbeiten Sie mit Meggan zusammen?«
»Nicht unbedingt, Mister Frankler, aber nun zu Myladys Fragen. Warum sollten die beiden Herren Mister Dan Meggan zur Brust nehmen, wie sie sich ein wenig volkstümlich ausdrückten?«
»Meggan ist ein Dreckskerl«, lautete die Antwort. »Er hat meinen Bruder gelinkt und restlos ausgenommen.«
»Könnten Sie sich womöglich ein wenig präziser ausdrücken, Mister Frankler? Mister Meggan geht dem Beruf eines Zeitschriftenwerbers nach.«
»Geschenkt«, reagierte er verächtlich. »Das ist doch nichts als Tarnung. Meggan macht auf Schlepper und Kassierer.«
»Werden Sie endlich deutlich, junger Mann«, schaltete die ältere Dame sich grollend ein. »Ich verbitte mir vage Andeutungen.«
»Meggan reißt Leute auf, die eigentlich nur ein harmloses Spiel machen wollen. Und dann werden diese Trottel ausgenommen, daß es nur so kracht. Und wer nicht bezahlen kann, der unterschreibt Schuldscheine oder muß ’nen Kredit aufnehmen, Lady. War das deutlich genug?«
»Ihr Herr Bruder war nicht in der Lage, dies alles rechtzeitig zu durchschauen?« wunderte sich Josuah Parker.
»Willie ist ein Rindvieh«, meinte Dennis Frankler. »Er hat in Sussex ’ne Schreinerei und war hier zu Besuch.«
»Sie hingegen üben welchen Beruf aus, Mister Frankler?«
»Ich hab’ hier in London ein paar Boutiquen«, entgegnete der Mittelgroße. »Mein Bruder hatte mich besucht und war dann aufs Kreuz gelegt worden.«
»Dies geschah wann, um auch diese Frage noch zu klären?«
»Vor ’ner Woche ungefähr. Und jetzt sitzt Willie mit fast sechstausend Pfund in der Kreide.«
»Sie wissen selbstverständlich, wo dieses betrügerische Spiel stattfand?«
»Eben nicht. Und genau das sollte jetzt Meggan sagen. Sie arbeiten wirklich nicht mit ihm zusammen?«
»Mylady wünscht in Erfahrung zu bringen, warum Sie erst heute den Kontakt mit Mister Dan Meggan suchen«, sagte der Butler, der die Frage ignorierte.
»Weil ich erst gestern von diesen sechstausend Pfund gehört habe«, kam umgehend die Antwort.
»Sie werden verstehen, Mister Frankler, daß man den Wahrheitsgehalt Ihrer Angaben überprüfen wird«, schickte Josuah Parker voraus. »Würden Sie meiner Wenigkeit freundlicherweise die Telefonnummer nennen, unter der Ihr Bruder in der Grafschaft Sussex zu erreichen ist?«
»Moment mal, Sie glauben, ich hätt’ Sie belogen?«
»Ein Umstand, den man nicht unbedingt ausschließen sollte, Mister Frankler.«
»Nein, nein, ich hab’ die Wahrheit gesagt«, verteidigte sich Frankler und nannte dem Butler eine Telefonnummer. Während Parker sie wählte, wandte er Dennis Frankler und den beiden anderen Männern absichtlich den Rücken zu.
Er verließ sich auf die Wachsamkeit der älteren Dame.
*
Parker hatte die Nummer gewählt und wandte sich langsam um. Lady Agatha stand knapp hinter Dennis Frankler und wartete ungeduldig darauf, ihren Pompadour einsetzen zu können. Doch der Mann hatte ihr bisher keine Veranlassung dazu gegeben. Er blickte den Butler abwartend-gespannt an.
Auf der Gegenseite meldete sich ein Willie Frankler. Parker nannte seinen Namen ‚ und lieferte seinem Gesprächspartner sofort das Stichwort Meggan.
»Meine Wenigkeit ruft im Namen Ihres werten Bruders an«, fügte der Butler hinzu. »Sie haben gute Aussicht, Ihr Geld zurückzubekommen.«
»Mann, das wär’ ja sagenhaft«, freute sich Willie Frankler umgehend. »Der hat mich vielleicht reingelegt! Hat mein Bruder Ihnen davon erzählt?«
»In allen Einzelheiten, Mister Frankler«, gab Parker zurück. »Aber es erhebt sich die Frage, warum Sie erst gestern von dem Verlust sprachen.«
»Weil ein Mann hier aufgetaucht ist, der in drei Tagen die sechstausend Pfund kassieren will. Wissen Sie, ich hab’ da einen Schuldschein unterschrieben, aber von dem weiß ich eigentlich nichts. Ich kann mir gar nicht erklären, wie meine Unterschrift auf den Wisch gekommen ist.«
»Könnten Sie den erwähnten Schuldschein im Zustand der Volltrunkenheit unterschrieben haben?«
»Kann ich mir wirklich nur vor stellen«, lautete die Antwort des Schreiners aus Sussex.
»Ihnen ist aber sicher bekannt, wo man Sie zum Spiel verleitete, Mister Frankler.«
»Kein Ahnung, wo das über die Bühne gegangen ist.«
»Bliebe noch zu fragen, wieso Sie Ihren Herrn Bruder auf Mister Meggan verweisen konnten, Mister Frankler.
»Klar doch, der hat ja mehrfach seinen Namen genannt. Alles Weitere hat dann mein Bruder Dennis wohl erledigt.«
Parker bedankte sich für die Auskünfte, legte auf und wandte sich dem Bruder des Schreiners zu.
»Wie zu hören war, ist Mister Dan Meggan Ihnen nicht unbekannt, Mister Frankler.«
»Ich ... ich hab’ rumtelefoniert, bis ich wußte, wo er wohnt.«
»Die beiden Herren auf der Couch sind Angestellte von Ihnen?«
»Bekannte«, kam die ein wenig zögernde Antwort. »Bekannte, die mir einen Gefallen tun wollten.«
»Sie wollten herausfinden lassen, wohin Mister Meggan Ihren Bruder verbrachte?«
»Wie meinen Sie das? Ach so, kapiert! Ja, ich will wissen, wo er ausgenommen worden ist.«
»Damit dürften alle Fragen ausgeräumt sein«, meinte Josuah Parker. »Mylady behält sich jedoch vor, noch mal Kontakt mit Ihnen aufzunehmen.«
»Hatten Sie auch Ärger mit Meggan?« fragte Frankler. Er blickte die ältere Dame gespannt an.
»Man hat höchstens Ärger mit mir, junger Mann«, erklärte Agatha Simpson prompt und blickte dann ihren Butler an. »Habe ich noch Fragen, Mister Parker?«
»Mylady wurden vorerst hinreichend informiert«, gab der Butler zurück.
»Das wird sich noch zeigen«, meinte sie in Richtung der drei Männer drohend. »Ich habe das Gefühl, daß man sich noch mal Wiedersehen wird.«
Sie wandte sich um und schritt majestätisch zur Wohnungstür. Parker deckte diskret ihren Abgang und lüftete höflich die schwarze Melone, als er sich seinerseits verabschiedete.
»Sehr unbefriedigend dies alles, Mister Parker«, sagte Lady Agatha später, als sie wieder in Parkers Wagen saß. »Diese Subjekte haben noch nicht mal den Versuch unternommen, mich zu verfolgen. Was soll ich nur von solchen Männern halten?«
*
Nachdem der Butler an der schmalen, schwarz lackierten Tür geläutet hatte, öffnete sich eine kleine, viereckige Klappe im Türblatt. Das Gesicht eines Mannes mit wachsamen Augen wurde sichtbar.
»Oh, Mister Parker«, sagte er überrascht. »Einen Augenblick, bitte, ich muß erst entriegeln.«
»Und vergessen Sie nicht, Mister Wiggins zu verständigen«, bat Parker. »Sie könnten sonst womöglich Ärger bekommen, was meine Wenigkeit Ihnen nicht wünschen möchte.«
Die Türklappe schloß sich wieder. Die ältere Dame, die neben dem Butler stand, schnaufte verärgert.
»Wieso wagt man es, eine Lady Simpson warten zu lassen?« wollte sie wissen. »Und überhaupt ... Das hier soll ein illegaler Spielclub sein?«
»Mit letzter Sicherheit, Mylady«, erwiderte der Butler. »Mylady haben es mit einer sehr guten Adresse zu tun.«
Das Paar aus Shepherd’s Market befand sich im Stadtteil Pimlico. Das Haus, vor dem man stand, zeichnete sich durch unaufdringliche Eleganz aus. Ja, es machte sogar einen eindeutig abweisenden Eindruck. Und die vielen teuren Luxuswagen zu beiden Seiten der kurzen, engen Straße deuteten darauf hin, daß man hier nur wohnen konnte, wenn man über reichlich Kleingeld verfügte.
Die Tür wurde weit geöffnet.
Der Türsteher verbeugte sich in Richtung Mylady und deutete dann auf eine Tür im Hintergrund der kleinen Empfangshalle.
»Mister Wiggins ist bereits unterwegs«, sagte der noch recht junge Mann dienstbeflissen. Er hatte kaum ausgeredet, als die Tür im Hintergrund mit Schwung geöffnet wurde. Ein mittelgroßer, schlanker Mann von schätzungsweise vierzig Jahren kam Mylady und Parker entgegen.
»Herbert Wiggins«, stellte er sich Lady Agatha vor. »Herzlich willkommen zur Party, Mylady!«
»Ein interessanter Hinweis«, reagierte die ältere Dame umgehend.
»Ich werde ihn wörtlich nehmen, junger Mann.«
»Wir haben einen erstklassigen Koch, Mylady.« Wiggins ging voraus und führte die passionierte Detektivin und Butler Parker in eine Art Salon, in dem man ungestört war.
»Ich wette, Mister Parker, Sie kommen nicht ohne Grund«, begann Wiggins die Unterhaltung.
»Wo wird hier gespielt?« fragte Agatha Simpson ohne jede Umschweife.
»Äh, gespielt, Mylady ...? Sie wollen wirklich?«
»Selbstverständlich«, entgegnete sie. »Ich werde mein Glück wieder mal herausfordern. Was haben Sie mir zu bieten? Roulette, Baccarat oder Black Jack?«
»Was immer Sie wünschen, Mylady. Es handelt sich aber nur um ein harmloses Spiel, mehr so zum Zeitvertreib.«
»Hauptsache, junger Mann, ich gewinne.« Sie ließ sich von Wiggins zu einer Schiebetür bringen, die er so weit öffnete, daß die ältere Dame bequem in den nächsten Raum treten konnte. Als er ihr folgen wollte, winkte sie energisch ab.
»Keine Umstände«, meinte sie. »Ich finde schon meinen Weg.«
Wiggins wartete, bis sie von einem Hausangestellten in Empfang genommen wurde und kam erst dann zu Parker zurück.
»Meine Wenigkeit macht sich Sorgen«, sagte Parker. »Mylady schätzt es nicht sonderlich, zu verlieren.«
»Wer schätzt das schon, Mister Parker?« Wiggins lächelte.
»Sie hatten noch nicht die Ehre, Mylady als Spielgast begrüßen zu dürfen, Mister Wiggins.«
»Das stimmt. Bisher kamen Sie stets ohne Begleitung, Mister Parker. Und gespielt haben Sie nie.«
»Meiner Wenigkeit ging es in allen Fällen stets um Informationen«, erinnerte Parker. »Auch dieser nächtliche Besuch verfolgt diesen Zweck, Mister Wiggins.«
»Sie werden mich doch nicht in des Teufels Küche bringen?«
»Haben Sie einen Gast, der sich Lester Greene nennt, Mister Wiggins?«
»Müßte ich ihn kennen, Mister Parker?«
»Wenn er ein leidenschaftlicher Spieler ist.« Parker deutete ein Kopfnicken an.
»Hat dieser Mann etwas ausgefressen, Mister Parker? Würden Sie mir dann einen Tip geben?«
»Sie kennen ihn also.« Parker traf eine Feststellung.
»Er war vor Monaten einige Male hier in meinem Club«, erwiderte Wiggins. »Aber schon vor sechs Wochen etwa erteilte ich ihm Hausverbot. Er machte Schulden und konnte oder wollte sie nicht bezahlen.«
»Sie ließen diese Schulden nicht eintreiben, Mister Wiggens?«
»Wofür halten Sie mich? Ich habe schließlich einen Ruf zu verlieren, Mister Parker. Ich habe seine Schulden als Verlust verbucht. Ich kann so etwas verschmerzen.«
»Mister Greenes Adresse ist Ihnen bekannt?«
»Selbstverständlich. Ich kann sie Ihnen raussuchen lassen.«
»Wohin würde ein leidenschaftlicher Spieler sich wenden, wenn er hier Hausverbot hat, Mister Wiggins?«
»Nun ja, illegale Spielclubs gibt es viele hier in London, Mister Parker. Das wissen Sie doch. Das Angebot ist groß.«
Während er noch redete, griff er nach einem Telefonhörer und ließ sich mit seinem Büro verbinden. Wiggins verlangte nach der Adresse von Lester Greene.
»Kennen Sie einen Club, Mister Wiggins, der einen gewissen Mister Dan Meggan beschäftigt?« lautete Parkers nächste Frage.
»Guter Gott, haben Sie mit dem zu tun?«
»Ihrer Stimme entnimmt meine Wenigkeit ein gewisses Unbehagen, Mister Wiggins.«
»Dan Meggan ist ein brutaler Schläger und Eintreiber, der für Don Hayers arbeitet, Mister Parker. Und Hayers wiederum gehört dem ›Ring‹ an, wie sich diese Organisation nennt.«
»Eine Organisation, der Sie natürlich nicht angehören, Mister Wiggins.«
»Das fehlte noch, Mister Parker. Ich habe hier doch keine Spielhölle. Bei mir verkehren nur erstklassige Leute.«
»Bis auf Mister Lester Greene, um daran zu erinnern.«
Bevor Herbert Wiggins antworten konnte, klingelte das Telefon. Wenige Augenblicke später hatte Parker bereits Lester Greenes Adresse.
»Greene war ein Blindgänger, Mister Parker«, sagte Wiggins dann. »So etwas kommt immer wieder mal vor. Eine Frage, wollen Sie sich mit dem ›Ring‹ anlegen?«
»Wenn es sich nicht vermeiden läßt, Mister Wiggins, durchaus.«
»Dann sollten Sie aber „verdammt vorsichtig sein«, warnte der Clubbesitzer ihn. »Diese Organisation verfügt über eine kleine Armee von Schlägern.«
»Gegen die Sie sich zu schützen wissen, Mister Wiggins?«
»Durchaus, Mister Parker, durchaus. Und ich ... Moment, was ist das?«
»Es scheint sich um Lady Simpson zu handeln, Mister Wiggins«, gab Josuah Parker gemessen zurück. »Mylady scheint verloren zu haben.«
Sein Hinweis ging im förmlichen Auffliegen der Tür unter. Agatha Simpson erschien wie eine zürnende Rachegöttin und trieb zwei Männer vor sich her, die etwas leicht derangierte Smokings trugen. Zudem machten sie einen durchaus angeschlagenen Eindruck.
*
»Man hatte Sie beleidigt, Mylady?« fragte Mike Rander am anderen Morgen. Er und Kathy Porter waren zum gemeinsamen Frühstück im Haus der älteren Dame erschienen und hörten ihr amüsiert zu.
»Stellen Sie sich vor, mein Junge, man behauptete, ich hätte falsch gespielt.«
»Eine Frechheit«, warf Kathy Porter ein. Sie war die Gesellschafterin und Sekretärin der Lady. Seit Mike Randers Rückkehr aus den Staaten war sie auch noch in seiner Kanzlei in der nahen Curzon Street tätig und arbeitete dort zu Myladys Freude sehr eng mit ihm zusammen. Die ältere Dame tat nämlich alles, um Kathy und Mike eines Tages unter die Haube zu bringen.
»Man unterstellte Mylady, Chips auf dem Roulette-Tisch zu Myladys Gunsten manipuliert zu haben«, schaltete Parker sich ein. »Mylady sah sich darauf gezwungen, ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen.«
»Und zwar sehr nachdrücklich«, bestätigte die ältere Dame. »Zwei dieser Croupiers werden mich so schnell nicht wieder vergessen.«
»Mylady teilten einige Ohrfeigen aus«, berichtete der Butler weiter. »Davon wurden auch einige Gäste betroffen, die sich vermutlich schlichtend einzuschalten versuchten.«
»Sie attackierten mich«, behauptete Agatha Simpson grimmig. »Aber ein paar hübsche Fußtritte brachten diese Lümmel auf Distanz.«
»Wie sollen Sie denn das Spiel manipuliert haben?« erkundigte sich der Anwalt. Mike Rander war um die vierzig und erinnerte an einen bekannten James-Bond-Darsteller, was sein Äußeres betraf.
»Wie war das noch, Mister Parker?« Agatha Simpson sah ihren Butler auffordernd an.
»Man behauptete, Mylady habe, nachdem die Roulettekugel im Kessel eine Nummer besetzt hatte, mit dem Ärmel ihrer Kostümjacke ihren Chip nachträglich korrigiert.«
»Trauen Sie mir so etwas zu?« Sie blickte Kathy Porter und Mike Rander geradezu empört an.
»Ausgeschlossen«, erwiderte der Anwalt.
»Unvorstellbar«, fügte Kathy Porter hinzu.
»Wenn überhaupt, dann kann so etwas nur unabsichtlich passiert sein«, fuhr die Hausherrin fort. »Aber in dieser Spielhölle weiß man nun inzwischen, wer ich bin.«
»Das kann ich mir lebhaft vorstellen.« Rander verbiß sich ein aufsteigendes Lächeln.
»Hat man Ihnen den Gewinn verweigert, Mylady?« fragte Myladys Gesellschafterin.
»Mister Wiggins sorgte dafür, daß Mylady der Gewinn ausgezahlt wurde«, gab Parker Auskunft. »Es handelte sich um die Summe von einundzwanzig Pfund.«
»Ein schönes Stück Geld für eine Frau, die mit jedem Penny rechnen muß«, stellte die ältere Dame klar. »Man darf sich eben nicht den Schneid abkaufen lassen, meine Lieben.«
»Das ist bei Ihnen nicht zu befürchten, Mylady«, versicherte Kathy Porter ihr.
»Demnach hat sich der Besuch im Spielclub also in doppeltem Sinn gelohnt«, faßte der Anwalt zusammen. »Wiggins machte Sie auf eine Organisation aufmerksam, die ›Ring‹ genannt wird. Und dazu wurde Ihnen sogar noch ein Name genannt.«
»Richtig«, bestätigte die Detektivin. »Mister Parker hat sich diesen Namen hoffentlich auch gemerkt.«
»Es handelt sich um einen gewissen Mister Don Hayers«, half der Butler umgehend aus. »In diesem Zusammenhang sollte man aber auch noch Mister Lester Greene erwähnen, mit dem man meine Wenigkeit offensichtlich verwechselte.«
»Sie haben diesen Greene aus dem Auftragsbuch von Meggan, nicht wahr?« fragte Rander.
»In der Tat, Sir«, bestätigte Parker. »Dazu kommen noch weitere Namen und Adressen, die sicher eine gute Grundlage für Mylady weiteres Vorgehen sind.«
»Keine Details«, forderte die ältere Dame. »Sie verstellen nur den Blick für die großen Zusammenhänge. Und auf sie habe ich mich nun mal spezialisiert.«
Kathy Porter und Mike Rander kämpften gegen ein Schmunzeln an. Butler Parkers Gesicht hingegen blieb glatt und ausdruckslos wie das eines hochherrschaftlichen Butlers.
*
In dem kahlen und nüchternen Vorraum, der an eine Tiefgarage erinnerte, roch es bereits penetrant nach Schweiß, Desinfektionsmitteln und kaltem Rauch. An den Wänden hingen vergilbte Lorbeerkränze und Plakate von Boxveranstaltungen.
Hinter einem verschrammten Schreibtisch mit einigen Telefonapparaten saß ein mittelgroßer, schwammig-dicker Mann von vielleicht fünfzig Jahren, dessen Unterkiefer sich jäh senkte, als Lady Agatha und Butler Parker den Raum betraten.
»Man wünscht einen abwechslungsreichen Morgen«, grüßte Josuah Parker und lüftete die schwarze Melone. »Würden Sie die Güte haben, Mister Don Hayers hierher zu bitten?«
»Den Chef?« fragte der Mann und sah nach wie vor entgeistert aus.
»Wie immer Sie ihn auch nennen mögen.« Parker deutete ein zustimmendes Kopfnicken an.
»Wir sind hier ein Sport-Center«, erinnerte der Mann, der längst aufgestanden war.
»Wenn man Sie sieht, junger Mann, sollte man das nicht glauben«, schaltete die ältere Dame sich ironisch ein. »Nun sputen Sie sich endlich, oder muß ich Ihnen erst Beine machen?«
»Moment, Leute«, bat der Mann und wieselte erstaunlich schnell zu einer Tür. Als er sie öffnete, war das dumpfe Klatschen von Boxhandschuhen zu hören, die bewegt wurden. Stimmengewirr klang auf, scharfe Kommandos waren zu vernehmen.
Lady Agatha konnte natürlich nicht widerstehen.
Sie hatte ihre Fülle bereits in Bewegung gesetzt und folgte dem Schwammigen, der schon nicht mehr zu sehen war. Die resolute Dame blieb in der Tür stehen und blickte in einen großen, relativ niedrigen Raum, der ebenfalls an eine Tiefgarage erinnerte. Überhelles Neonlicht biß in die Augen.
Im Mittelpunkt dieses saalartigen Raumes stand ein Seilgeviert, in dem sich zwei Boxer tummelten, die wohl dem Mittelgewicht zuzurechnen waren. Um dieses Seilgeviert herum waren weitere Sportler zu sehen, die sich mit schweren Sandsäcken abmühten, Seilchen sprangen und gegen ihren eigenen Schatten boxten.
Don Hayers entpuppte sich als ein drahtiger Fünfziger, der mit Hingabe auf einer Zigarre kaute. Er trug weiße Sporthosen, ein grellbuntes Hemd und hatte eisgraues Haar. Seine Augen hatten die Bläue eines Gletschers.
»Was liegt an?« fragte er kühl und musterte Mylady und Parker mit dem abschätzenden Blick eines Pferdehändlers.
»Nehmen Sie gefälligst die Zigarre aus dem Mund, wenn Sie mit einer Dame reden«, raunzte die ältere Dame ihn umgehend an. »Oder muß ich Ihnen erst Manieren beibringen?«
Er war total verblüfft, nahm die Zigarre aus dem Mund und merkte erst mit einiger Verspätung, daß er sich hatte beeindrucken lassen. Und genau das ärgerte ihn.
»Was wollen Sie?« fragte er gereizt.
»Mylady wünscht Ihren Mitarbeiter Mister Dan Meggan zu sehen«, antwortete Parker, um dann die ältere Dame und sich vorzustellen.
»Meggan hab’ ich schon vor Wochen rausgeschmissen«, erwiderte der Betreiber des Sport-Center wegwerfend. »Sonst noch etwas?«
»Sie gehören diesem ominösen Kreis an, nicht wahr?« fragte Agatha Simpson ungeniert.
»Kreis? Was soll denn das sein?«
»Mylady umschrieben den Namen einer Organisation, die sich ›Ring‹ nennt«, übersetzte der Butler.
»Ob Kreis oder Ring, wo ist da der Unterschied?« grollte Lady Agatha den kleinen Drahtigen an. »Ich habe gehört, daß Sie ahnungslose Spieler ausnehmen. Natürlich mit Falschspiel.«
»Das ist ’n dicker Hund«, erwiderte Don Hayers und grinste plötzlich tückisch wie ein böser Filmschurke. »Sie nehmen den Mund ziemlich voll, Lady.«
Anschließend jaulte er auf wie ein getretener Hund. Die resolute Dame hatte mit der Spitze ihres linken, nicht gerade kleinen Schuhs sein rechtes Schienbein voll erwischt. Don Hayers hüpfte auf dem noch schmerzfreien Bein herum und stieß dabei wilde Verwünschungen aus, was den Sportlern im Gymnastiksaal natürlich nicht entging.