Читать книгу Butler Parker Box 9 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 6

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Parker und

das Gespenst von der Yacht

Roman von Günter Dönges

Butler Josuah Parker hatte sich ausgerüstet, als müsse er an einem kriegerischen Landeunternehmen teilnehmen.

Selbstverständlich war er wie üblich gekleidet: Er trug auf dem Kopf die unvermeidliche Melone in schwarzer Farbe, den schwarzen Covercoat, schwarze Schuhe und natürlich auch die schwarzen Zwirnhandschuhe.

Er trug allerdings noch viel mehr.

Er hatte eine Schwimmweste angelegt, die sich malerisch um seinen Hals schlang. Da sie leider eine graue Farbe aufwies, störte das den Gesamteindruck erheblich. In der linken Hand schleppte der Butler einen riesigen Koffer mit, der, wie konnte es anders sein, natürlich ebenfalls diskret schwarz abgepinselt war. In der rechten Hand hielt er ein zusammengerolltes Schlauchboot, das beim Gehen recht hinderlich war.

Unter dem Arm hatte Josuah Parker sich das »Handbuch zur Rettung Schiffbrüchiger« geklemmt, einen beachtlich dicken Band, der sein Gewicht haben mußte. Unter dem linken Arm befand sich, in einer etwas dünneren Ausgabe, eine »Anleitung zur behelfsmäßigen Navigation« sowie ein ausführlicher Leitfaden über das »Erlernen des Schwimmens im Selbsttraining«.

Nicht sichtbar, aber dennoch vorhanden, waren ein »Schnellkurs zum provisorischen Bau von Flößen und Kanus« sowie eine bebilderte Ausgabe über »Umgang mit Haien und deren Artgenossen«. Ganz zu schweigen von handlichen Broschüren, die spezielle Themen vom Leben auf hoher See abhandelten.

Josuah Parker ging nicht zu seinem Privatvergnügen an Bord der »Sulla«, einer beachtlichen Motoryacht, die im Hafen von Cienfuegos an der Südseite Kubas festgemacht hatte. Parker haßte Hafenstädte dieser Art, die nach außen hin romantisch wirkten, in Wirklichkeit aber für seine Begriffe nichts anderes waren als eine Anhäufung von lastender Hitze, Dreck, Gestank, aufdringlichen Tagedieben und Langeweile. Gerade hier in Cienfuegos vermißte er die britische Ordnung, Klarheit und Zielstrebigkeit. Nun, Josuah Parker durfte man diesen Standpunkt nicht sonderlich übelnehmen. Er war Engländer mit Leib und Seele. Er verkörperte darüber hinaus die Tradition des englischen Butlers, wie er heute noch in großen Landsitzen und Schlössern des Hochadels zu finden ist.

Sein Leitmotiv war die Würde um jeden Preis, wenn sie auch auf andere Menschen oft lächerlich, zumindest aber skurril wirkte. Das drückte sich äußerlich in seiner Kleidung aus, die er selbst in den Tropen bei der verrücktesten Hitze niemals ablegte. Er schwitzte lieber, als daß man ihm nachsagen könnte, er habe gegen die Etikette verstoßen.

Wie gesagt, Josuah Parker war nicht zu seinem Privatvergnügen nach Cienfuegos gekommen, um an Bord der »Sulla« zu gehen. Mike Rander, ein bekannter Strafverteidiger und Amateurdetektiv aus Chikago, hatte ihn hierher beordert, ein Ruf, dem Parker selbstverständlich sofort gefolgt war. Parker arbeitete bereits seit Jahren für Rander. Er führte ihm das Haus in Chikago und bemühte sich bisher ohne jeden Erfolg darum, aus seinem Chef einen Engländer zu machen. Im Lauf der Zeit hatte er sich zu einem erstklassigen Detektiv entwickelt, den Rander um keinen Preis der Welt je wieder hätte missen wollen.

»Um Gottes willen, Parker, was schleppen Sie denn da alles mit?« fragte Mike Rander entsetzt, der ihn an Bord empfing. »Der Südpol ist bereits erschlossen worden, man hat den Mount Everest erstiegen und auch die weißen Flecke in Brasilien grün gefärbt.«

»Sir«, erwiderte Parker voller Würde. »Sie wissen, wie ich das Wasser in jeder Form hasse. Ich habe mir erlaubt, gewisse Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Heute erst las ich in der Zeitung von einem Schiffsuntergang. Man kritisierte die mangelnde Ausrüstung an Rettungsbooten.«

»Einen zusammenlegbaren Hubschrauber haben Sie hoffentlich nicht mitgebracht«, erwiderte Rander grinsend. »Schwitzen Sie eigentlich nicht in diesem Aufzug …? Ich habe eben erfahren, daß wir rund 40 Grad haben …«

»Ich erlaube mir nicht zu schwitzen«, erwiderte Parker feierlich, »wenngleich ich nicht verhehlen möchte, daß mir jetzt ein Glas Eiswasser munden würde …«

»Das ist ja ein beachtliches Eingeständnis Ihrer menschlichen Schwäche«, sagte Rander lächelnd. »Kommen Sie mit unter Deck – dort läßt es sich einigermaßen aushalten. Ich werde Ihnen dann auch zeigen, wo Sie Ihre Beiladung ablegen können … Wie gefällt Ihnen die Yacht?«

»Ich muß zugeben, daß sie gut in Farbe ist«, antwortete Parker und zerrte das Schlauchboot von der Reling los, »wenngleich mir die beiden Seeleute oben auf der Brücke recht unordentlich vorkamen.«

»Ich bin gespannt, wann auch Sie nur noch in Shorts und Hemd herumlaufen werden«, erwiderte Mike Rander, ein mittelgroßer, schlanker Mann, der etwa 38 Jahre alt sein mochte. Er wirkte wie ein netter, großer Junge, was durch sein braunes Haar und seine braunen Augen noch zusätzlich unterstrichen wurde.

Rander übernahm die Führung und brachte seinen Butler unter Deck. Am Ende eines Ganges, der durch eine Stahltür abgeschlossen wurde, befand sich Parkers Kabine, die selbstverständlich auch mit einem kleinen Wasch- und Duschraum ausgestattet war.

Rander setzte sich auf das Bett und zündete sich eine Zigarette an. Er sah zu, wie Parker mit gemessenen Bewegungen seine Ausrüstung verstaute.

»Werden Sie gegen die guten Sitten und Formen verstoßen, wenn Sie diesen scheußlichen Covercoat ablegen?« fragte Rander.

»Ich glaube, mir diese Erleichterung gestatten zu dürfen«, antwortete der Butler nach kurzem Überlegen. »Sir, ich möchte natürlich um keinen Preis der Welt irgendwie neugierig wirken oder Sie drängen, aber läßt es sich von Ihnen aus ermöglichen, mir zu berichten, was sich hier an Bord der ›Sulla‹ abgespielt hat?«

»Meiner Schätzung nach Mord«, erwiderte Rander. »Aber bevor ich darauf zu sprechen komme, will ich Ihnen erst einmal sagen, wer sich an Bord der ›Sulla‹ befindet. Sie wissen dann wenigstens, mit welchen Personen Sie es in Zukunft zu tun haben werden.«

»Sir, haben Sie etwas dagegen, wenn ich mir einige Notizen mache?« erkundigte sich der Butler »Sie wissen, ich bevorzuge ein methodisches Vorgehen.«

»Nichts dagegen einzuwenden. Karteikarten brauchen Sie aber nicht gerade anzulegen.«

Butler Parker ließ sich jedoch nicht in seinen Vorbereitungen stören. Er packte ein umfangreiches Notizbuch aus und förderte Bleistift und Spitzer zutage. Behutsam spitzte er den Bleistift nach und sah dann Rander erwartungsvoll an.

»Die ›Sulla‹«, begann Rander, »gehört Mister Clark Strander, der Ihnen als Ölmagnat bekannt sein dürfte. Er hatte diese Ferienreise für Freunde und Bekannte arrangiert. Sie wissen, ich bin vor etwa vierzehn Tagen in Miami zugestoßen. Wir fuhren zuerst nach Haiti, dann hinüber zu den Kleinen Antillen. Auf der Rückreise legten wir zuerst in Puerto Rico an, und dann nahmen wir Kurs auf Jamaica und Cienfuegos. Zwischen Montego auf Jamaica und Cienfuegos ereignete sich dieser angebliche Unfall, den ich als Mord betrachte.«

»Darf ich mir die Freiheit erlauben, Sir, jetzt nach den Namen der Gäste zu fragen?« sagte Parker und senkte die Bleistiftspitze auf das Papier.

»Natürlich, also halten Sie folgendes fest: Zuerst erwähne ich das Personal an Bord … Strander hat sich damit sehr gut ausgerüstet. Es gibt sechs Seeleute, zwei Stewards, zwei Köche, den Kapitän und den Steuermann, der gleichzeitig als Erster Offizier fungiert. Haben Sie das?«

»Bereits notiert«, erwiderte Parker gelassen.

»Schön, dann jetzt also die Fahrgäste«, zählte Mike Rander weiter auf. »Zuerst haben wir da Strander, dann eine Helen Grade, die Schauspielerin sein soll, obgleich sie bisher noch keine Rolle erhalten hat. Sie bemüht sich sehr um Strander, aber das nur am Rande.

Dann ist da ein gewisser Mike Vellers, der Makler ist. Ferner Richard Strollen, ein Schauspieler, dessen große Zeit längst vorüber ist. Er wird von allen immer nur gehänselt und ärgert sich jedesmal prompt wie auf Bestellung. Vor ihm müssen Sie sich besonders hüten, Parker. Er ist geradezu versessen darauf, von alten, besseren Zeiten zu erzählen. Wenn er erst einmal anfängt, dann hört er so leicht nicht wieder auf.

Dann haben wir es ferner mit Walter B. Winchel zu tun, einem Filmproduzenten, der sich von Strander eine Menge Geld erhofft, um einen Film drehen zu können. Als Lockvogel hat er eine Schriftstellerin mitgebracht, die sich Liz Talbot nennt.

Und schließlich befindet sich an Bord noch Michael Trotters. Das heißt, er befand sich an Bord …«

»Darf ich vermuten daß dies der Tote ist, der ermordet wurde?«

»Richtig, Trotters war Sekretär von Strander. Der angebliche Unfall, der ihm zustieß, ist mehr als merkwürdig. Warum, will ich Ihnen auch gleich sagen, Parker … Vor zwei Nächten, es war gegen Morgen, erscholl der Ruf ›Mann über Bord‹. Selbstverständlich stoppte die ›Sulla‹ sofort. Wir suchten mit dem Scheinwerfer die Wasseroberfläche ab, aber wir konnten einfach nichts ausmachen. Es war wie verhext. Die See lag vollkommen still, dennoch war nichts zu entdecken. Nach stundenlangem Suchen gaben wir bei Helligkeit endlich auf: Trotters blieb verschwunden.«

»Ich höre, Sir, ich höre …«, sagte Parker nur und malte unverständliche Zeichen in sein Notizbuch.

»An Bord herrschte natürlich die Meinung, es habe sich um einen Unfall gehandelt, ich aber glaube nicht daran. Es muß ein Mord gewesen sein.«

»Sir, ich würde sagen, wenn Sie einen Mord vermuten, dann, dann muß ein Mord vorliegen«, erklärte Butler Parker mit Nachdruck. »Darf ich übrigens an dieser Stelle einflechten, daß ich diese Bemerkung nicht als glatte Schmeichelei aufgefaßt wissen möchte. Das Gegenteil ist eher der Fall, denn …«

»So sind Sie doch um Himmels willen erst einmal still«, sagte Mike Rander und hob in entsetzter Abwehr die Hände. »Lassen Sie mich erst mal ausreden.«

»Sir, Sie wissen, Ihre Wünsche sind mir immer Befehl gewesen und …«

»Also, ich komme wieder zur Sache«, redete Mike Rander schnell weiter. »Einige Stunden nach diesem angeblichen Unfall lag ich in meiner Kabine. Meiner Schätzung nach war es etwa um Mitternacht. Im Einschlafen hörte ich plötzlich ein Geräusch, als wenn ein schwerer Gegenstand ins Wasser gefallen wäre … Sie können sich vorstellen, daß ich hochschreckte. Ich trat ans Bullauge, konnte aber nichts sehen. Ich zog mir den Morgenmantel über und rannte nach oben. An Deck war alles vollkommen leer, bis auf einen Matrosen, der hinter dem Aufbau hervortrat und auf mich einen recht nervösen Eindruck machte. Ich fragte den Mann nach dem Geräusch, er aber will nichts gehört haben. Nun, ich beruhigte mich wieder, aber als später dann Trotters vermißt wurde, da kamen mir doch einige Bedenken.«

»Sir, haben Sie schon mit Mister Strander gesprochen?«

»Nein …, ich kann ja nichts beweisen …, Parker, wir müssen alles daransetzen, hier Klarheit zu schaffen. Mein Gefühl sagt mir, daß ein Verbrechen vorliegt. Was halten Sie von der Sache?«

»Sir, natürlich kann ich mir noch kein vollständiges Bild von den Vorfällen machen«, erwiderte der Butler. »Wenn Sie gestatten, werde ich mir eine meiner Zigarren anzünden und nachdenken. Ich hoffe, Sir, daß Sie das nicht stört.«

»Wie sollte mich das stören«, erwiderte Mike Rander hastig und spurtete bereits zur Tür. »Ich werde natürlich nicht in der Kabine bleiben. Schwefeln Sie Ihre Kabine ruhig aus. Sie erreichen mich in der Bar …«

*

Gegen Abend legte die »Sulla« ab, um ihre Fahrt fortzusetzen. Butler Parker, der bereits von Mike Rander den Gästen an Bord vorgestellt worden war, stand an der Reling und rümpfte die Nase. Dann wendete er sich ab und verschwendete keinen Blick mehr an den Hafen. Er schritt an den Aufbauten vorbei, lüftete einige Male höflich seine Melone und stellte sich an den Bug. Wie ein wagemutiger Seemann wirkte er dort gerade nicht, wenn er auch kühne Blicke auf die See hinauswarf. Mit der Krücke seines altväterlichen Regenschirms hielt er sich völlig unnötigerweise die Melone fest und bot auf den ersten Blick das Bild eines Mannes, der sich seinem Schicksal stellen will.

Sein Hirn arbeitete bereits auf Hochtouren. Er unterstellte von vornherein, daß die Beobachtungen Mike Randers richtig waren und zutrafen. Wenn man von einem Mord ausging, so blieb die Frage offen, warum man Trotters, den Sekretär des Schiffseigners, umgebracht hatte. Aus Haß, Feindschaft oder aus Habgier?

Parker wendete sich ab und grüßte sehr gemessen und zurückhaltend einige Gäste Stranders, die in Liegestühlen lagen, ihm amüsiert nachschauten und dann ungeniert einige mehr als treffende Bemerkungen machten. Butler Parker war es gewohnt, daß man ihn nicht ernst nahm. Im Grunde war er mit solch einer Einschätzung durchaus einverstanden. Man gab ihm so wenigstens Gelegenheit, ungestört arbeiten und ermitteln zu können.

»Na, Parker, haben Sie sich mit den Örtlichkeiten vertraut gemacht?« erkundigte sich Mike Rander, der ihn am Niedergang zu den Kabinen abgefangen hatte.

»Sir, ich glaube, einen Weg gefunden zu haben, den Fall zu klären«, sagte Parker.

»Ich wußte es … Das Fahrgeld ist also nicht umsonst ausgegeben worden. Aber bevor Sie in Einzelheiten steigen, Parker, wollen wir erst einmal zu Abend essen …, es ist bereits gedeckt. Sie essen an meinem Tisch. Wir haben das Vergnügen, mit Strander zusammenzusitzen. Er ist überrascht, daß ich einen echt englischen Butler aufweisen kann … Ich dürfte in seiner Achtung ungemein gestiegen sein. Es kann durchaus sein, daß er Sie engagieren will.«

»Sir, ich sehe, wenn ich mir die vorlaute Bemerkung erlauben darf, solchen Versuchen mit einigem Vergnügen entgegen«, meinte der Butler. »Jedoch möchte ich darauf hinweisen, daß ein Butler niemals am Tisch seines …«

»Wenn Sie mit dieser Regelung nicht einverstanden sind, können Sie aussteigen und zurück nach Cienfuegos schwimmen«, erwiderte Rander. »Soweit ich mich erinnere, haben Sie ja ein Schlauchboot mitgebracht …«

»Sir, nur unter Protest werde ich mich mit Ihnen an einen Tisch setzen«, erwiderte Parker würdevoll. »Sie vergewaltigen meine Berufsethik und meine Standesmoral.«

»Es wird Ihnen hoffentlich dennoch schmecken«, sagte Rander. »Vielleicht können wir das Gespräch auf Trotters bringen … Strander wird nur zu gern darauf eingehen.«

Die Gäste des Ölmagnaten fanden sich nacheinander in dem kleinen Salon ein, in dem gegessen wurde. Man gab sich recht zwanglos und hatte, wie Parker entsetzt feststellte, noch nicht einmal Messejacketts oder Smokings angezogen. Von Abendkleidern ganz zu schweigen. Die beiden Stewards hatten alle Hände voll zu tun, um die reichhaltigen Speisen zu servieren. Butler Parker stocherte nur lustlos in dem Essen herum. Er war mit seinen Gedanken wieder bereits bei dem Fall Trotters.

Etwas ungeniert nahm er dann zur Kenntnis, daß Helen Grade, die Schauspielerin, mit Strander flirtete. Miss Grade war höchstens etwas über zwanzig Jahre alt, besaß honigblondes Haar und einen naiv-dümmlichen Gesichtsausdruck. Dennoch war sie nicht ohne Reiz.

Mister Strander schien etwas geistesabwesend zu sein. Er aß maßlos, war dick und besaß ein feistes, glänzendes Gesicht. Seine Augen strömten Kühle aus, wenngleich er auch mit Miss Grade intim tat.

Mike Vellers, der Makler, war ein hagerer Mann von vielleicht fünfzig Jahren. Die wenigen Haare, die seine Glatze säumten, waren eisgrau und kurz geschnitten. Er wirkte übertrieben nervös, schien immer auf dem Sprung zu sein. Da er an einem Nebentisch saß, mußte er seinen Kopf immer etwas verrenken, wenn er Strander anschauen oder beobachten wollte.

Walter B. Winchel, der Filmproduzent, redete währenddessen unaufhörlich auf Vellers ein, der sich aber nicht mehr für Strander zu interessieren schien.

Liz Talbot, die Schriftstellerin, plauderte höflich mit Richard Strollen, dem Schauspieler, der seine Worte mit übertrieben eleganten Gesten unterstrich. Strollen, dessen Alter nur sehr schwer bestimmbar war, sah noch recht gut aus. Er war groß, schlank und besaß ein zwar faltenreiches, aber markantes Gesicht.

Liz Talbot hätte selbst Schauspielerin sein können, so attraktiv wirkte sie. Im Grunde war sie der kleinen Grade tausendfach überlegen. Sie mochte etwa dreißig Jahre alt sein.

Winchel, der Filmproduzent, konnte ebensogut fünfzig wie sechzig Jahre alt sein. Er wirkte wie ein unbehauener Steinblock, seine Manieren waren vulgär, zupackend und ohne Eleganz.

Butler Parker musterte unauffällig die Anwesenden und registrierte jede Kleinigkeit. Er interessierte sich ferner für die beiden Stewards, die erstklassig geschult waren und vor Parkers Augen glänzend bestanden. Er hatte nichts an ihnen auszusetzen.

Die Gespräche verliefen in munteren, nichtssagenden Bahnen. Mike Rander hatte keine Gelegenheit, Trotters zu erwähnen. Es war vor allen Dingen Helen Grade, die immer wieder das Gespräch an sich riß und albern lachte.

Nach dem Essen setzte sich die Mehrzahl der Gäste an die kleine Bartheke und würfelte. Parker und Rander verließen den Salon und gingen hinaus auf Deck. Die Sonne stand bereits tief im Westen. In einer guten Stunde würde es dunkel werden.

»Sieht nicht gerade begeisternd aus, wie?« fragte Rander.

»Sir, ich glaube, es gibt nur einen Weg, an das Verbrechen heranzukommen«, erwiderte Parker. »Man muß den Mörder, oder diejenigen, die den Mord verübt haben, in ein gewisses Stadium der Nervosität hineinsteigern.«

»Wie stellen Sie sich das vor …?«

»Mister Rander, ich hatte seinerzeit die Ehre, für den Duke of Bandsbury zu arbeiten«, begann Parker elegisch. »Aus dieser Zeit ist mir ein Fall in angenehmer Erinnerung, den zu erzählen ich auf keinen Fall an dieser Stelle versäumen möchte.«

»Später, Parker, später«, sagte Rander schnell. »Halten Sie sich an Tatsachen, Ihr Duke interessiert mich nicht.«

»Wie Sie es wünschen, Sir«, antwortete Parker steif. »Wir wollen den Mörder wissen lassen, daß wir Verdacht geschöpft haben, wir sollten aber auf keinen Fall öffentlich von unserer Vermutung reden.«

»Wir sollen also wieder einmal den Köder spielen?«

»Das, Sir, würde ich für sehr angebracht halten. Der Mörder muß auf uns aufmerksam werden. Er wird mit einiger Sicherheit von einer gewissen Nervosität ergriffen werden und sich aller Wahrscheinlichkeit nach zu unüberlegten Taten hinreißen lassen.«

»Solch eine Tat könnte sein, daß er Sie über Bord wirft …!«

»Für diesen Fall werde ich ab sofort nur noch mit angelegter Schwimmweste das Deck betreten«, sagte Parker.

»Und sich dabei lächerlich machen, wie?«

»Sir«, sagte Parker milde und verzeihend, »ich bin es gewohnt, daß man über mich lacht. Ein Mann von Charakter wird sich von solchen Dingen nicht unterkriegen lassen … Aber nur so werden wir den Mörder aus seiner Reserve herauslocken können. Er muß wissen, daß wir Verdacht geschöpft haben.«

»Es gibt auch schlaue Mörder …«

»Sie vergessen das Gewissen, das ein Mörder hat«, entgegnete der Butler, »wenngleich ich zugeben will, daß es hier Gradunterschiede gibt.«

»Okay …, und wie wollen wir den Mörder nervös machen?«

»Wurde Trotters Kabine versiegelt?«

»Natürlich nicht …«

»Dann werde ich mir erlauben, dort einmal eine kleine Untersuchung vorzunehmen«, sagte Parker. »Sie, Mister Rander, können vielleicht dafür sorgen, daß man mir keine Unannehmlichkeiten bereitet, ja?«

»Moment mal, Parker«, sagte Mike Rander nachdenklich. »Der Plan ist gut, weil er einfach ist, aber er ist auch sehr gefährlich. Wir befinden uns auf einem Boden, den wir nicht kennen. Wir wissen noch nicht einmal, von welcher Seite uns Gefahr droht. Ich habe keine Lust, Sie zu verlieren.«

»Sie vergessen meine Handbücher und meine Erfahrungen«, entgegnete Josuah Parker. »Ich glaube, mich ausreichend gewappnet zu haben.«

»Na schön, lassen wir es wenigstens auf einen Versuch ankommen. Während Sie in der Kabine nachsehen, werde ich mich mit Strander über Trotters unterhalten. Vielleicht erhalte ich einen Tip, der uns weiterbringen kann.«

Sie trennten sich.

Mike Rander ging zurück in den Salon, während Butler Parker zu den Kabinen ging.

Bevor er die Ecke des Ganges erreicht hatte, hörte er ein seltsames Geräusch, das er nicht zu identifizieren vermochte. Parker stellte sich sofort auf seine Zehenspitzen und schlich sich vorsichtig an die Ecke heran.

Als er einen Blick in den zweiten Teil des Korridors warf, sah er einen der beiden Stewards, der gerade eine Kabine verließ und die Tür vorsichtig verschloß. Parker erkannte die Nummer an der Kabinentür. Es war immerhin erstaunlich, daß der Steward aus der Behausung des ertrunkenen Trotters kam.

Parker wartete, bis der Steward auf ihn traf.

Der Mann, ein schlanker Bursche von etwa 25 Jahren, dessen Gesicht einen asiatischen Zuschnitt aufwies, hob überrascht den Kopf. Seine Augen waren unergründlich schwarz und ließen keine Rückschlüsse über die Art seiner Gedanken zu.

»Verzeihung, Sir …«, sagte der Steward eifrig und trat zur Seite.

Parker lüftete seine Melone und schritt weiter. Er wußte genau, daß er beobachtet wurde, aber er zeigte es nicht. Er hielt den Zeitpunkt für gekommen, die erste Leimrute auszulegen. Er ging an die Kabinentür Trotters und drückte die Klinke herunter.

»Suchen Sie etwas, Sir …?« fragte ihn der Steward, der wirklich an der Biegung stehen geblieben war.

»Meine Kabine«, erwiderte Parker und bemühte sich mit Erfolg, seiner Stimme einen hilflosen Ausdruck zu geben.

»Ganz am Ende rechts vor dem Schott«, erwiderte der Steward.

»Ehrlich gesagt, ich hatte die Nummer vergessen«, sagte Parker und schüttelte den Kopf. »Ja, man wird alt, mein Lieber … Haben Sie einen Moment Zeit für mich?«

»Aber gewiß, Sir.«

»Wollen Sie mir helfen, mein Schlauchboot auf dem Schrank zu verstauen?« fragte Parker.

»Es wird mir ein Vergnügen sein«, erwiderte der Mann spöttisch. »Wir haben aber Rettungsboote an Bord.«

»Ich liebe die Sicherheit«, entgegnete Parker. »Stellen Sie sich vor, ich hörte doch eben, daß vor zwei Nächten der Sekretär von Mister Strander über Bord gefallen ist.«

»Ein wirklich bedauernswerter Zwischenfall«, antwortete der Steward. »Das braucht sich aber nicht zu wiederholen …«

»Hoffentlich, hoffentlich«, sagte Parker. »Ich habe mir das Deck angesehen, Steward, ich kann mir den Unfall gar nicht erklären. Die Reling machte auf mich einen sehr sicheren Eindruck.«

»Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht«, sagte der Steward. »Vielleicht beugte sich Mister Trotters etwas zu weit über die Reling und verlor das Gleichgewicht.«

»Das wäre eine Erklärung«, gab Butler Parker zu. »Ich wundere mich nur, daß Mister Trotters dabei nicht einen Schrei des Entsetzens ausstieß. Das macht man doch in solchen Fällen.«

»Liegt das Schlauchboot so richtig?« fragte der Steward, der inzwischen gearbeitet hatte. Er war vom Schrank zurückgetreten und sah den Butler fragend an.

»Ausgezeichnet«, lobte Josuah Parker. »Sagen Sie, Steward, hatte Trotters Feinde …?«

»Wie kommen Sie darauf, Sir?« fragte der Mann zurück und sah den Butler mißtrauisch an.

»Nur eine Frage«, meinte Parker lächelnd. »Machen Sie sich nur keine Gedanken, Steward. Übrigens habe ich da noch eine Bitte, die Sie aber bitte vertraulich behandeln sollten. Können Sie mir den Schlüssel zu Trotters Kabine besorgen?«

»Sir, ich weiß nicht recht … Die Kabine ist verschlossen. Der Schlüssel befindet sich beim Ersten Offizier.«

»Existiert nur dieser Schlüssel?«

»Nun ja, wir haben natürlich einen Hauptschlüssel, der für alle Kabinen paßt. Aber den darf ich natürlich nicht aus der Hand geben.«

»Ich will Sie natürlich nicht in einen Gewissenskonflikt bringen«, meinte Josuah Parker väterlich. »Nichts liegt mir ferner … Ich werde mit dem Ersten Offizier reden … Danke, Steward!«

Der schlanke Mann mit den unergründlichen Augen musterte Parker prüfend, schien etwas sagen zu wollen, verkniff sich aber diesen Wunsch. Er huschte Sekunden später wie eine scheue Maus aus Parkers Kabine.

Parker rieb sich nachdenklich die Hände. Wenn ihn nicht alles täuschte, hatte er den ersten Faden bereits in der Hand …

*

Zehn Minuten später befand sich der Butler wieder an Deck.

Nach langem inneren Ringen hatte er auf seinen Covercoat verzichtet, nicht aber auf seinen dunklen Rock und die Melone. Was der Regenschirm in seiner Hand bedeuten sollte, wußte nur Parker allein. Nach menschlichem Ermessen war wirklich nicht mit Regen zu rechnen.

Im Salon, der sich unter der Brücke und den Diensträumen befand, wurde gepokert. Parker warf einen kurzen Blick durch das viereckige, kleine Fenster. Mike Rander unterhielt sich gerade sehr angeregt mit Clark Stranden.

Parker zündete sich eine seiner schwarzen Zigarren an. Gemessen lustwandelte er zu dem Aufgang und erklomm die Brücke.

Die Fensterscheiben im Ruderhaus waren heruntergeklappt worden, damit der Fahrtwind wenigstens etwas kühlend wirkte. Vor dem Ruder stand ein Seemann, der den Butler ausgesprochen verblüfft anschaute und dann ungeniert grinste. Dadurch verlor er einen Moment den Kurs, korrigierte schnell nach und ließ die Yacht leicht schlenkern.

»Wo kann ich den Kapitän finden?« fragte Parker den Rudergänger.

»Der ist unten im Salon«, erwiderte der Mann. Er wollte noch eine Bosheit anfügen, aber in dem Moment wurde seine Nase zum ersten Mal von dem Schwaden getroffen, der der Zigarre Parkers ausströmte.

Der Matrose begann zu husten, hielt sich am Steuerrad fest und entging so einem ernsten Schwächeanfall. Parker sah den Mann mißbilligend an und dachte sich seinen Teil. Er kam immer mehr zu der Erkenntnis, daß die »Jugend von heute« schwach geworden war.

»Und wo kann ich den Ersten Offizier finden?« fragte er weiter, als der Mann sich einigermaßen erholt hatte.

»Dort in der Funkerbude«, stammelte der Rudergänger und trank förmlich frische Luft in sich hinein. »Gleich rechts im Gang …!«

Parker bedankte sich höflich, lüftete seine schwarze Melone und suchte die Funkbude auf. Als sich nach dem zweiten Klopfen gegen die Tür nichts tat, drückte er sie auf und betrat den kleinen Raum, in dem supermoderne Geräte standen. Auf einem Ledersofa lag der Erste Offizier, der sich jetzt aufrichtete und Parker fragend ansah.

»Ich bitte die Störung Ihrer Arbeit zu entschuldigen«, sagte Josuah Parker. »Haben sie einen Moment Zeit für mich?«

»Aber selbstverständlich, Sir«, antwortete der großgewachsene Mann mit einem sehr sympathischen Gesicht. »Wollen Sie sich nicht setzen? … Ich soll Ihnen sicher die Funkanlage erklären, wie?«

»Wird das oft verlangt?«

»Nun, jeder Neuankömmling an Bord interessiert sich für die technische Einrichtung«, erwiderte der Mann. »Ich heiße John Smalden.«

»Parker mein Name, Parker … Sagen Sie, Mister Smalden …, ich bin wegen einer anderen Sache an Bord.«

»Ja …?« fragte Smalden knapp.

»Darf ich vorausschicken, daß unser Gespräch selbstverständlich vollkommen vertraulich ist?« fragte Parker. Er wartete, bis der Erste Offizier genickt hatte, dann stellte er den Regenschirm zwischen seine Beine und lächelte Smalden an. »Sehen Sie, ich beschäftige mich mit dem Unfall von Mister Trotters …«

»Ja … Sir …«

»Hand aufs Herz, wie man so treffend im Volksmund sagt, glauben Sie wirklich an einen Unfall?«

»Wie soll das verstanden werden?«

»Nun, so vielleicht …, ich muß vorausschicken, daß ich ein Amateurdetektiv aus Leidenschaft bin … Ich hörte per Zufall von diesem Unfall, und was glauben Sie, setzte sich in meinem Kopf fest …?«

»Ich habe keine Ahnung«, sagte Smalden.

»Mord …!«

»Nein …! Aber das ist doch Unsinn. Trotters fiel über Bord, wir suchten nach ihm, fanden ihn aber leider nicht.«

»Ich bin selbstverständlich nicht autorisiert, Mister Smalden, derartige Ermittlungen anzustellen«, sagte Parker und lächelte entschuldigend. »Und Sie brauchen meine Fragen selbstverständlich nicht zu beantworten.«

»Fragen Sie nur!«

»Wer wurde darauf aufmerksam, daß Trotters über Bord fiel? Ich meine, um mich präzise auszudrücken, wer rief Mann über Bord?«

»Ich glaube, es war Matrose Clark.«

»Sehr schön«, meinte Parker. »Und wer leitete die Rettungsarbeiten?«

»Ich …, aber ich kann Ihnen sagen, daß alles getan wurde, um Trotters zu finden.«

»Mein lieber Mister Smalden«, sagte Parker, »ich glaube, in Ihnen die Verkörperung des echten Seemannes sehen zu können … Nein, ich möchte mich auf etwas anderes beziehen. Haben Sie schon mal an anderer Stelle und zu einer anderen Zeit solch ein Über-Bord-Gehen erlebt?«

»Selbstverständlich.«

»Ertrank der Unglückliche sofort?«

»Nun, hören Sie mal, Mister Parker …, was Sie da sagen, fällt mir erst jetzt auf … Abgesehen von einem Herzschlag zappelten die Opfer immer noch kräftig im Wasser herum.«

»Neigte Trotters zu einem Herzschlag?«

»Er war erst etwas über dreißig, ein Sportsmann, wie ich festgestellt habe.«

»Er schwamm vielleicht auch, wie …?«

»Allerdings, Sir …, auf Haiti war es. Trotters und ich schwammen nebeneinander her.«

»Mister Smalden, ich danke Ihnen für die freundlichen Auskünfte«, sagte Parker und stand auf. »Ich wünsche Ihnen einen netten Abend … Übrigens, hatte Trotters Feinde?«

»Nein, nicht daß ich wüßte … Er war bei allen recht beliebt.«

»Hatte er sich nicht etwas zu sehr in Miss Talbot verliebt?«

»Aber nein, nicht in Miss Talbot …, in die kleine Grade, aber durchaus im Rahmen des Vertretbaren …«

»Noch einmal, einen netten Abend wünsche ich Ihnen … Den Matrosen Clark finde ich wohl vorn im Logis, nicht wahr?«

»Natürlich …«

Noch bevor Smalden weitere Fragen an Parker richten konnte, war der Butler bereits gegangen. Er achtete nicht weiter auf den Rudergänger, der heftig an seiner Unterlippe kaute und Parker nachdenklich mit Blicken verfolgte, als er dann zur Brückentreppe ging.

Auch Smalden schien von einer mehr als gesunden Neugier gepackt worden zu sein. Er hatte die Funkbude verlassen und trat an das Ruder, ohne aber mit dem Rudergänger zu reden.

Wenig später tauchte der Butler vor ihnen an Deck auf. Mit gemessenen Schritten stakste er hinüber zum Bug, wo sich die Unterkünfte der Matrosen befanden.

»Was wollte der eigentlich?« fragte der Rudergänger seinen Ersten Offizier.

»Wie …?« schrak Smalden zusammen. »Achten Sie auf den Kurs. Ist das ein komischer Heiliger … So was habe ich noch nie erlebt …!«

Butler Parker spürte auch jetzt wieder die Blicke in seinem Rücken. Er spürte, daß seine Taktik richtig war. Er schuf Neugier, Verwirrung und Nervosität. Wer der Mörder auch immer war, er mußte bald spüren und feststellen, daß ein Netz gewoben wurde, in dessen Maschen er sich fangen sollte.

Wie alles an Bord der »Sulla«, so waren auch die Unterkünfte für das seemännische Personal ausgezeichnet hergerichtet worden. Strander hatte auch hier nicht gespart. Als Parker an der Kombüse vorbeikam, die mit allen technischen Einrichtungen ausgestattet war, steckte der Koch seinen Kopf durch die Tür.

»Ich suche den Matrosen Clark«, sagte Parker. »Haben Sie eine Ahnung, wo ich ihn finden kann?«

»Clark ist gerade in die Unterkunft gegangen«, erwiderte der Koch. »Gehen Sie den Gang runter, dann kommt eine Biegung nach rechts, dann die zweite Tür links, dort ist der Aufenthaltsraum.«

»Wie schaffen Sie das Essen eigentlich in den Salon?« fragte Parker, der sich ja bekanntlich für alles interessierte.

»Für die Gäste haben wir eine Extraküche«, sagte der Koch. »Sie befindet sich hinter dem Salon …«

»Allen Respekt vor Ihrer Arbeit«, meinte Parker, »übrigens, die Soße heute abend war delikat … Ich habe selten eine ähnliche geschmeckt, nur einmal vielleicht, als ich …, aber das gehört wohl nicht hierher … Sagen Sie, wie heißt noch der Freund dieses Mister Clark …? Mir ist der Name doch völlig entfallen.«

»Meinen Sie Jerry Manners?«

»Richtig …, der Name war mir doch tatsächlich entfallen … Sagen Sie, Manners hat wohl ebenfalls Freiwache, nicht wahr?«

»Das kann ich nicht sagen, Sir …«

»Nun, das ist jetzt auch nicht so wichtig«, meinte Parker freundlich. Er nickte dem Koch in einer Art zu, daß sich der Mann geradezu beschenkt fühlte.

Parker erreichte nach kurzer Wanderung den Aufenthaltsraum des seemännischen Personals. Er öffnete langsam die Tür und sah sich in dem behaglich eingerichteten Raum um. In einer Leseecke saß ein vierschrötiger Mann, der in einem Magazin blätterte.

Als Parker absichtlich in der Tür stehen blieb, sah der Mann automatisch hoch, ließ das Magazin sinken und starrte Parker entgeistert an.

Der Butler sagte immer noch nichts.

»Was wollen Sie …?« fragte ihn Clark kurz angebunden. »Suchen Sie jemand?«

»Habe ich die Ehre mit Mister Clark …?« erkundigte sich Parker und lüftete seine Melone.

»Klar, ich bin Clark …«

Der Mann stand sicherheitshalber auf. Er wußte Parker nicht einzuordnen und wollte wohl später keinen Ärger mit seinem Chef haben.

»Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennen zu lernen«, sagte Parker. »Offen wie ich bin, möchte ich Ihnen gestehen, daß mich eine fürchterliche Neugier hierher zu Ihnen getrieben hat …«

»Wie bitte?« fragte Clark und legte seine Hand hinter das rechte Ohr, als habe er nicht recht gehört. »Was ist …?«

»Ich möchte mich kurz vorstellen«, erwiderte Parker. »Ich bin seit einigen Stunden Gast von Mister Strander … Nun hörte ich da von einem Unfall, der, ich will es ehrlich sagen, auf mich einen recht merkwürdigen Eindruck gemacht hat …«

»Es war ein Unfall«, sagte Clark in einem Ton, als sei er bereits öffentlich beschuldigt worden.

»Sind Sie wirklich sicher, Mister Clark …?« erkundigte sich der Butler. »Ich habe mir sagen lassen, daß Mister Trotters ein vorzüglicher Schwimmer war.«

»Was wollen Sie eigentlich von mir?« fragte Clark aufgebracht. Seine Hände umklammerten die Tischplatte. »Ist es ein Verbrechen, ›Mann über Bord‹ zu rufen?«

»Aber nein …, dafür gebührt Ihnen eines Tages eine Medaille«, antwortete der Butler schnell. »Ich würde mir nur gern erzählen lassen, wie sich alles abgespielt hat … Ich möchte betonen, daß Sie mir selbstverständlich nicht zu antworten brauchen. Ich hätte doch nicht einmal das Recht, daraus Schlüsse zu ziehen.«

»Worauf wollen Sie eigentlich hinaus?« fragte Clark mit belegter Stimme.

»Das ist schnell erklärt, mein lieber Clark … Ich will nichts anderes als einen Mord aufklären. Dazu brauche ich die Hilfe eines jeden hier an Bord.«

»Mord …?« echote Clark, und in seinen Augen stand die nackte Angst …

*

Es war Nacht geworden.

Über dem Wasser lag ein trüber Schein. Der Mond hatte sich hinter einer dichten Wolkendecke versteckt, aber sonst war der größte Teil des Sternenhimmels klar.

Wenn man hinauf zur Brücke schaute, sah man den inzwischen abgelösten Rudergänger, dessen Gesicht im Schein der Grünbeleuchtung der Instrumente unheimlich und grauenerregend aussah.

Durch die Fenster des Salons fielen Lichtquadrate auf das Deck. Gedämpfte Tanzmusik war zu hören. Das Geräusch der Schraube war wie durch Watte zu vernehmen. Irgendwo weit hinten unter dem Sonnensegel lachte eine Frau amüsiert auf. Dem Klang nach mußte es Miss Talbot, die Drehbuchautorin, sein.

Butler Josuah Parker nahm das alles in sich auf, sein Interesse war auf den Niedergang konzentriert, der in die Mannschaftsräume führte.

Parker hatte sich einen günstigen Platz ausgesucht, wo er nach menschlichem Ermessen kaum entdeckt werden konnte. Er saß hinter einem Lüfterkopf und bedauerte es nur, keine seiner Zigarren rauchen zu können. Er hoffte, recht bald eine bekannte Gestalt zu sehen.

Parker schien wieder einmal gewittert zu haben, daß etwas in der Luft lag. Nach knapp einer halben Stunde erschien ein Matrose an Deck, zündete sich eine Zigarette an und lehnte sich über die Reling. Mit sichtlichem Genuß spuckte der Mann ins Wasser, drehte sich dann um und vergewisserte sich, ob die Luft rein war. Parker konnte zu seinem Bedauern den Mann nicht namentlich ausmachen. Er nahm sich aber vor, sich an die Fersen des Matrosen zu heften, wohin er auch ging.

Nach wenigen Minuten warf der Mann seine Zigarette ins Wasser und schlenderte zu den Brückenaufbauten hinüber. Er achtete sorgfältig darauf, daß man ihn von der Brücke aus nicht sah. Dann lief er plötzlich sehr schnell seitlich an der Kommandobrücke vorbei und verschwand aus Parkers Sicht.

Der Butler runzelte mißbilligend die Stirn.

Hatte der Mann geahnt, daß er beobachtet wurde? Ihm blieb jetzt nichts anderes übrig, als aufzustehen und dem Seemann nachzugehen. Parker legte die Krücke des Regenschirms über den linken Unterarm und folgte dem Mann.

Was hatte er wohl hinten am Heck zu suchen, das doch ausschließlich den Gästen Vorbehalten war? Parker erreichte das Achterdeck und sah sich nach dem Mann um, der vom Erdboden verschwunden zu sein schien.

War er hinunter zu den Kabinen der Gäste gegangen?

Blitzartig erinnerte sich der Butler Trotters Kabine, für die sich bereits der Steward sehr interessiert hatte. Parker ging unhörbar die Treppen hinunter und schlich sich auf leisen Sohlen bis zu der Kabine des Ermordeten.

Er legte sein Ohr gegen die Türfüllung. Nein, zu hören war nichts, aber das hatte nicht viel zu besagen. Parker drückte die Klinke herunter, rechnete im Grunde damit, daß die Tür verschlossen war. Überrascht hob er die linke Augenbraue, als die Tür sofort nachgab und aufschwang.

Parker ließ seinen Arm durch den Türspalt schlüpfen und suchte nach dem Lichtschalter. Im gleichen Moment wurde seine Hand von einer fremden erfaßt. Bevor Parker eine Abwehrbewegung machen konnte, befand sich sein Arm in einer Hebeldrehung, gegen die er nichts einzusetzen hatte.

Unwiderstehlich fiel er gegen die Tür, die noch weiter aufschwang. Parker erkannte gerade noch die Umrisse einer Gestalt, erhielt einen harten Schlag gegen den Hals und verlor augenblicklich das Bewußtsein.

Er sah leider nicht mehr den Mann, der vorsichtig über ihn hinwegtrat, einen Moment zögerte und dann schnell auf dem Gang verschwand.

Parkers Natur ließ sich allerdings nicht so leicht unterkriegen. Schon nach wenigen Minuten kam er wieder zu sich und fand sich sofort wieder zurecht. Er. massierte sich seinen mißhandelten Hals, stand auf und machte sich Vorwürfe. Er hatte diese Verfolgung etwas zu sehr auf die leichte Schulter genommen.

Er schaltete jetzt endlich das Licht ein und sah ausdruckslos auf den Toten, der vor dem Wandschrank lag. Parker nahm sich erst gar nicht die Mühe, den Mann zu untersuchen. Daß dieser Mann tot war, hatte er auf den ersten Blick gesehen. Die Rückenwunde, die von einem breiten Messer herrühren mußte, redete ihre eigene, deutliche Sprache.

In Trotters Kabine sah es wüst aus.

Es gab keinen Behälter, den man nicht geöffnet und geleert hatte. Hier hatte man alles gründlich auf den Kopf gestellt und nach bestimmten Dingen gesucht. Da auch kleinere Schubladen aufgezogen und entleert worden waren, ließen sich gewisse Rückschlüsse ziehen. Das, wonach man gesucht hatte, konnte nicht groß sein. Möglicherweise hatte es sich um ein gewisses Schriftstück gehandelt. Parker drückte auf die Klingel, die den Steward herbeirief. Während er wartete, zündete er sich eine seiner Zigarren an und starrte auf den Matrosen Clark, den das Schicksal so schnell getroffen hatte. Warum war er wohl erstochen worden? Hatte er ein Geheimnis mit in seinen Tod genommen? Hing dieses Geheimnis damit zusammen, daß er angeblich gesehen haben wollte, wie Trotters über Bord gefallen war?

Der Steward erschien.

Seine dienstbereite Miene verwandelte sich in die Maske des Grauens und Entsetzens, als er den Toten sah. Es war der Steward, den Parker dabei überrascht hatte, als er Trotters Kabine verließ.

»Rufen Sie den Kapitän, Mister Strander und Mister Rander«, sagte Butler Parker. »Hier geschah ein Mord …!«

»Ja … Sir … Ja …!«

»Worauf warten Sie noch?« fragte Parker milde. »Hat Clark Ihnen sehr nahegestanden?«

»Ich … ich werde die Herren sofort jetzt verständigen«, sagte der Steward mit heiserer Stimme. Er drehte sich auf dem Absatz herum und eilte hinauf an Deck. Parker zog die Tür etwas zu und überlegte.

Der Tote hatte einen recht knappen Vorsprung vor ihm gehabt, wenn man unterstellte, daß er es gewesen war, den Parker beobachtet hatte. Oder hatte dieser Mann, der an Deck erschienen und dann schnell hinter die Brücke gelaufen war, diesen Mord verübt? Auch dann war der Vorsprung recht gering gewesen. Dann konnte er sich vielleicht noch hier irgendwo in einer der Kabinen aufhalten.

Parker verließ die Kabine Trotters und schritt zu der Eisentür, die den Gang nach hinten abschloß. Sie war fest verschlossen, aber auf der weiß gelackten Füllung waren deutlich Fingerspuren zu erkennen, die von Ruß oder Kohlenstaub herrühren mußten.

Schritte waren auf dem Niedergang zu hören.

Kapitän Sanders, ein hochgewachsener, breitschultriger Mann mit klaren Augen, erschien zuerst. Ihm folgten dann Strander und Mike Rander.

»Der Steward sagt, es sei ein Mord verübt worden«, sagte Sanders aufgeregt. »Das ist doch ausgeschlossen …! Wer sollte an Bord einen Grund haben, einen Mord zu begehen …?«

»Vergewissern Sie sich, Sir, daß es auf keinen Fall ein Unfall war«, erwiderte der Butler. »Der Seemann Clark wurde in Trotters Kabine erstochen. So habe ich es wenigstens festgestellt.«

»Ja, was ist denn hier passiert«, sagte Strander überrascht. »Hat man Trotters Kabine etwa durchsucht?«

»Ich pflichte Ihnen bei, Sir«, antwortete Parker. »Der Ermordete oder der Mörder hat nach bestimmten Dingen gesucht …, oder irgendeiner hat es vor dem Mord getan.«

Parker hatte das wie absichtlich gesagt und vermied es, den Steward anzusehen, der mitgekommen war. Der Mann würde ihn aller Wahrscheinlichkeit nach auch so verstehen.

»Sanders … nun sagen Sie mir bloß, was wir jetzt zu tun haben«, sagte Strander fassungslos. »Ein Mord an Bord meiner Yacht … Ich kann das noch immer gar nicht fassen …!«

»Ein Stich, der sofort tödlich gewesen sein muß«, sagte Mike Rander, der sich neben den Toten niedergekniet hatte. »Kapitän, wir müssen eine Untersuchung anstellen … Sie sind an Bord das Gesetz …«

»Verdammt, daß das ausgerechnet mir passieren muß«, sagte Sanders gereizt. »Ich kann gar nicht verstehen, warum man Clark ermordet hat. Der Junge war doch recht friedlich … Ob sich die Jungens vielleicht gestritten haben?«

»So wird es gewesen sein«, schloß sich Strander dem Kapitän an. »Vielleicht sind sie sich beim Kartenspiel in die Haare geraten.«

»Sir, ich will nicht bestreiten, daß so etwas möglich sein kann«, schaltete sich Butler Parker ein, »aber ich glaube nicht, daß die Streitenden sich Trotters Kabine ausgesucht haben, um ihre Meinungsverschiedenheiten mit dem Messer auszutragen.«

»Das würde bedeuten …?«

»Daß nicht nur die Mannschaft verdächtigt ist«, sagte Mike Rander. »Wir alle stehen unter Verdacht.«

»Aber das ist doch reiner Unsinn«, reagierte Strander aufgeregt. »Ich kenne doch meine Gäste … Ich traue keinem von ihnen einen Mord zu … Zudem saßen wir ja alle im Salon …!«

»Nicht alle«, erwiderte Mike Rander.

»Etwa nicht?« fragte Strander überrascht. »Ich muß zugeben, daß ich darauf natürlich nicht besonders geachtet habe.«

»Zufällig kann ich da mit einer Auskunft dienen«, sagte Mike Rander sachlich. »Sie, zum Beispiel, Mister Strander, verließen vor zehn Minuten zusammen mit Miss Grade den Salon. Sie kamen vor etwa vier Minuten wieder zurück, kurz danach erschien der Steward.«

»Äh …, richtig …, ich hatte …, also ich hatte mit Miss Grade etwas Internes zu besprechen …«

»Wo hielten Sie sich auf?« fragte Parker.

»Was soll das heißen?« fragte Strander fauchend und wendete sich zu dem Butler um.

»Sir …«, meinte Parker mahnend, »es liegt mir fern, mich in Ihre Privatangelegenheiten zu mischen. Ich bin kein Untersuchungsbeamter.«

»Unsinn, ich habe nichts zu verbergen«, sagte Strander. »Ich war mit Miss Grade in meinen Privaträumen. Ich zeigte ihr …«

»Mister Rander«, sagte Parker, den Schiffseigner unterbrechend, »wer befand sich noch außerhalb des Salons …?

»Ich werde Ihnen sagen, wer sich im Salon aufhielt«, erwiderte Mike Rander, der sich mit seinem Butler wieder einmal prächtig verstand. »Richard Strollen unterhielt sich mit mir … Vellers beteiligte sich am Gespräch, aber wollte frische Luft schöpfen und ging etwa fünf Minuten, bevor ich geholt wurde.«

»Sie, Kapitän, hielten sich auf der Brücke auf …?« fragte Parker.

»Ich will Ihnen mal etwas sagen«, schickte Sanders voraus, »ich denke, daß ich die Untersuchungen zu führen habe, oder? Und ich lehne es ab, auf solche Fragen zu antworten …«

»Das ist tatsächlich Ihr gutes Recht«, sagte Parker höflich.

»Wo haben Sie denn eigentlich gesteckt?« fragte Sanders weiter, der Auftrieb bekommen hatte. »Schließlich haben Sie den Mord ja entdeckt …, gingen also aus freien Stücken in Trotters Kabine. Was haben Sie hier gesucht?«

»Ich bin entzückt über ihre Fragestellung«, begeisterte sich der Butler. »Sie treffen tatsächlich den Kern der Sache.«

»Freut mich zu hören«, sagte Sanders grimmig, »aber jetzt könnten Sie mit der Antwort herausrücken.«

»Ja, wirklich …«, schaltete sich Strander erleichtert ein. Für ihn schien der Fall bereits geklärt und erledigt zu sein. Mike Rander hingegen grinste nur. Er kannte ja schließlich seinen Butler.

»Ich werde mit meiner Antwort natürlich nicht hinter dem Berg halten«, sagte Butler Josuah Parker und sog unbewußt an seiner Zigarre, was er bisher aus Höflichkeit unterlassen hatte. Der Erfolg war frappierend. Ein allgemeines Husten begann. Mike Rander stürzte zum Bullauge und öffnete es.

»Na, wollen Sie sich erst etwas Nettes einfallen lassen?« fragte Kapitän Sanders.

»Ich war auf der Suche nach dem Mörder, der Trotters über Bord geworfen hat«, sagte Parker in gleichmütigem Ton.

»Wie bitte …?«

»Trotters wurde ermordet, wie Clark«, erwiderte der Butler. »Hören Sie sich meine bisherigen Ermittlungen an!«

Josuah Parker machte es recht knapp. Er beschränkte sich auf die wichtigsten Einzelheiten. Als er geendet hatte, sah er Strander und Sanders fragend an.

»Ja, zum Teufel«, sagte Sanders, »was Sie sagen, hat Hand und Fuß …! Ich könnte mich ohrfeigen, daß ich nicht selbst darauf gekommen bin. Mister Strander, ich pflichte Parker bei … Hier an Bord befindet sich ein brutaler Mörder …«

»Wirklich nur einer?« fragte Parker und blies den Rauch seiner Zigarre aus Gründen der Gesundheit durch das geöffnete Bullauge …

*

Man hatte sich im Salon versammelt.

Die Stimmung war gedrückt, der Mord an Clark hatte sich bereits herumgesprochen. Die Gäste Stranders saßen in der Clubecke und sahen ihren Gastgeber abwartend und fragend an. Die beiden Stewards hatten Getränke serviert und wollten jetzt den Salon verlassen.

»Aber nein …«, sagte Parker freundlich. »Sie brauchen nicht zu gehen, Sie sind zu dieser Besprechung selbstverständlich herzlichst eingeladen …«

»Tun Sie das, was Mister Parker sagt«, meinte Strander gereizt. Er stand auf, als wollte er eine Rede halten, doch dann ließ er sich wieder zurücksinken und gab Mike Rander ein Handzeichen. Rander nahm einen Schluck und sah sich bedeutungsvoll in der Runde um.

»Der Mord an Clark ist bekannt«, sagte er. »Der Matrose wurde erstochen, als er in Trotters Kabine eingedrungen war, in der er nichts zu suchen hatte. Das bitte ich aber nicht wörtlich aufzufassen, es sieht nämlich so aus, als habe er nach etwas ganz Bestimmtem gesucht … Er und der Mörder … Mister Strander und ich sind übereingekommen, daß wir Kapitän Sanders bei den Ermittlungen behilflich sein werden … Mister Parker, der die notwendigen Fachkenntnisse besitzt, wird Ihnen jetzt sagen, was anliegt.«

»Meine Damen und Herren«, begann der Butler feierlich. »Ich möchte mit dem Mord an Mister Trotters beginnen …«

Weiter kam er vorerst nicht.

Ein allgemeines Tuscheln setzte ein. Die Gäste hörten diese Version zum ersten Mal und waren selbstverständlicherweise sehr erstaunt. Als sich das Gemurmel beruhigt hatte, redete Parker weiter:

»Mister Trotters, ein bekannter, guter Schwimmer, soll angeblich über Bord gefallen sein. Sie werden sich selbstverständlich an die Rettungsmanöver erinnern … Trotters ist angeblich sofort ertrunken und unter der Wasseroberfläche verschwunden … Das war ein Punkt, der Mister Rander zum Nachdenken veranlaßte. Es ergaben ich aber noch weitere Verdachtsmomente, auf die ich aus Gründen der Ermittlungen nicht näher eingehen will … Kurz, Trotters ist mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ermordet worden …

Der Mann nun, der ›Mann über Bord‹ rief und der den Unglücksfall gesehen haben wollte, ist das zweite Opfer des Mörders. Clark machte sich, aus welchen Gründen auch immer, in der Kabine Trotters zu schaffen. Dort wurde er entweder vom Mörder erwartet oder aber überrascht. Ich möchte annehmen, daß Clark den Mörder Trotters kannte, also auch seinen eigenen Mörder.«

»Dann los«, sagte Walter B. Winchel, der Filmproduzent, »schnappen Sie sich die Mannschaft und stellen Sie ein Verhör an … Ich wette, daß Sie den Mörder dann schnell finden werden …!«

»Sehr richtig«, schaltete sich Liz Talbot ein. Sie wollte noch mehr sagen, überlegte sich den Fall aber anders und schwieg.

»Warum soll der Doppelmörder nur innerhalb der Mannschaft zu finden sein?« fragte der abgedankte Schauspieler Strollen. »Ich denke doch, daß wir uns alle verdächtig gemacht haben …«

»Na, hören Sie mal«, sagte Makler Vellers, »das soll wohl ein Witz sein, wie? Was haben wir mit dem Mörder zu tun?«

»Selbstverständlich werden wir auch die Mannschaft noch verhören«, erklärte Butler Parker.

»Ich vermute, daß wir also jetzt erst einmal verhört werden sollen«, sagte Vellers empört.

»Ich freue mich über ihre Einsicht«, erwiderte der Butler salbungsvoll. »Ich möchte feststellen, daß Sie mir selbstverständlich nicht zu antworten brauchen, nicht wahr? Ich bin nur ein interessierter Privatmann, der keinen Anspruch …«

»Machen Sie schon«, sagte Produzent Winchel nervös. »Ich sage Ihnen aber gleich, daß ich nicht der Mörder bin …«

»Es handelt sich darum, wer zur Zeit des Mordes im Salon war«, begann Butler Parker. »Eine Untersuchung des Toten hat ergeben, daß er kurz vor meinem Niederschlag erdolcht wurde … Die Todeszeit ließe sich somit recht gut feststellen … Mister Randers und Sie, Mister Strollen, befanden sich im Salon, ja?«

»Darf ich mich erkundigen, wo Sie sich aufgehalten haben, Mister Strander?« fragte Parker.

»Nun, ich war mit Miss Grade gerade in meinen Privaträumen«, erklärte Strander bereitwillig. »So war es doch, Miss Grade, nicht wahr?«

»Wie …? Ja, natürlich …!«

Sie hatte es sehr schnell gesagt, fast etwas zu schnell.

»Und Sie, Mister Winchel?«

»Ich war zusammen mit Miss Talbot an Deck. Wir redeten über ein Filmprojekt.«

»Genauso war es«, sagte Liz Talbot gleichgültig.

»Mich brauchen Sie erst gar nicht zu fragen«, sagte Makler Vellers seltsam gereizt. »Ich wollte frische Luft schnappen und war an Deck.«

»Ich stand auf der Brücke«, sagte Kapitän Sanders. »Wenn Sie aber einen Zeugen haben wollen, dann kann ich damit nicht dienen. Der Rudergänger wird mich nicht gesehen haben. Ich stand auf der Treppe, die zum Brückennock hinaufführt …«

»Bleibt also nur noch Mister Smalden«, sagte Butler Parker. Alles sah den Steuermann und Ersten Offizier an, als sei er bereits des Verbrechens überführt worden. Und erstaunlicherweise wurde Smalden unter den Blicken rot im Gesicht. Er schien es selbst gemerkt zu haben, denn er preßte die Lippen trotzig zusammen.

»Ich war unter Deck, « sagte er. »Ich wollte den Maschinenraum kontrollieren.«

»Eine dringende Notwendigkeit, die ich auf keinen Fall bezweifeln würde«, sagte Butler Parker. »Sie besorgen das immer um diese Zeit, wenn ich mich nicht irre, wie?«

»Nein …, aber ich wollte nur mal nachsehen, wie das eben so ist …!«

»Ich kann mir vorstellen, daß man sich in Ihrer Stellung immer im Dienst befindet«, redete Butler Parker weiter. »Wieviel Leute bedienen die Maschinen?«

»Nur ein Mann …, an Bord ist alles mechanisiert. Wir haben Ölfeuerung und …«

»War dieser Mann auf dem Posten. Ich meine, haben Sie mit ihm einige Worte gewechselt …?«

»Wie …? Nein … ich …«

Bevor Smalden sich verheddern konnte, hatte Butler Parker sich bereits an die beiden Stewards gewendet.

»Wir waren in dem Raum hinter der Bar und putzten Geschirr«, sagte der Mann, der Trotters Kabine bereits aus eigenem Antrieb besichtigt hatte. Er sah seinen Kollegen hilfesuchend an.

»Ja, das stimmt …«, sagte der Mann, »das heißt …«

»Legen Sie sich nur keine Hemmungen auf«, sagte Parker freundlich, »ich schätze Ihre Mitarbeit, wie sie sich denken können …«

»Na …, also Often«, er wies mit dem Kopf auf den Steward, der in Trotters Kabine gewesen war, »ging mal zehn Minuten weg …«

»Es waren höchstens fünf Minuten«, sagte Often erregt.

»Nun erregen wir uns nicht«, sagte Parker begütigend und sehr harmlos. »Es wird sich ja alles aufklären … Sie verließen also den Raum, Often … Mußten Sie dazu durch den Salon gehen?«

»Nein, wir haben eine gesonderte Tür, von wo aus wir sofort das Deck erreichen können«, sagte der zweite Steward eilfertig.

»Sie gingen also«, nahm Parker den Faden wieder auf und sah Often dabei fragend an.

»Ich habe mit dem Mord nichts zu tun«, erwiderte Often heftig. »Ich habe weder Trotters noch Clark umgebracht.«

»Darf ich daraus folgern, daß Sie unten im Kabineneingang waren?« fragte Parker sanft.

»Ich war unten«, erwiderte Often.

»Wie ich vermute, hatten Sie dort dienstlich zu tun, nicht wahr?«

»Ich …«

»Mann, geben Sie schon zu, daß Sie der Mörder sind«, polterte Makler Vellers los. Er wollte aufspringen, auf den Steward eindringen. Doch der Butler hielt ihn zurück.

»Wo waren Sie wirklich Often«, wendete er sich wieder an den Steward. »Ich wette, daß Sie mir diese Aussage nicht verweigern werden.«

»Doch, ich verweigere die Aussage«, sagte Often zur allgemeinen Bestürzung. Er drehte sich um und verließ den Salon. Rander zwinkerte Parker zu, der sich aber nichts anmerken ließ.

»Den Kerl bringe ich um«, keuchte Vellers, der sich kaum noch beruhigen konnte.

»Später, Sir, später«, sagte Butler Parker warm und herzlich. »Sagen Sie, Steward, demnach befanden Sie sich allein im Anrichtezimmer hinter der Bar, ja?«

»Natürlich, Sir …, ich …, ich war allein zurückgeblieben … Aber ich habe nicht …«

»Soweit sind wir doch noch gar nicht«, meinte Parker und lächelte. »Ich wollte nur feststellen, daß Sie genausowenig wie Often einen Zeugen dafür haben, was Sie getan haben.«

»Ich habe nichts getan«, sagte Strings wütend. »Sie wollen mir nur einen Strick drehen … Aber das lasse ich mir nicht gefallen. Das mache ich nicht mit.«

»Sie können jetzt gehen, Mister Strings«, sagte Parker. »Aber seien Sie vorsichtig, an Bord der ›Sulla‹ befindet sich ein Mörder.«

Der Steward sah den Butler einen Moment an und verschwand dann aus dem Salon. Mike Rander erhob sich.

»Falls noch irgendeiner etwas nachzutragen haben sollte, dann dürfte jetzt der richtige Zeitpunkt sein«, sagte er. »Falls nicht, können wir die Sitzung wohl schließen … Ich rate jedem, seine Kabine gut zu verschließen. Vergessen wir alle nicht, daß zwei Morde verübt wurden, und zwar von einem Mörder, der uns noch nicht bekannt ist …«

Als Rander und Parker den Raum verließen, hörten sie hinter sich ein aufgeregtes Reden und Schimpfen. Stranders Gäste diskutierten den Fall lautstark und ausgiebig.

»Na, Parker, was halten Sie von der Geschichte …?« fragte Mike Rander, als er zusammen mit dem Butler das Deck erreicht hatte. Sie standen an der Reling unterhalb der Kommandobrücke.

»Sir, haben Sie etwas dagegen einzuwenden, daß ich mir jetzt eine Zigarre anzünde?«

»Der Wind steht günstig, also genieren Sie sich nicht …«

Parker zündete sich umständlich eine seiner geliebten Zigarren an. Als sie brannte, zog er den beizenden Rauch genießerisch in sich hinein. Rander wunderte sich immer wieder darüber, daß sein Butler dieses Kraut vertrug.

»Nun …?« fragte er wieder.

»Solange wir das Mordmotiv nicht kennen, bleibt alles in der Schwebe«, antwortete der Butler nachdenklich.

»Sehen Sie, Sir, einige Leute an Bord haben sich verdächtigt gemacht, aber erfahrungsgemäß besagt das noch lange nichts … Ich glaube aber, man müßte sich dem Doppelmord von einer anderen Richtung nähern … Trotters wurde über Bord gestoßen und war zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich bereits tot … Warum kann man ihn ermordet haben …? Habgier des Mörders dürfte ausscheiden … Trotters war Angestellter, der nicht über ein ansehnliches Barvermögen verfügt haben dürfte.«

»Sie liegen ausgesprochen richtig«, meinte Mike Rander, der aufmerksam zugehört hatte. »Trotters dürfte meiner Meinung nach von gewissen Dingen gewußt haben, die dem Mörder gefährlich werden konnten, sehr gefährlich sogar, sonst wäre es nicht zu einem Mord gekommen …«

»Das ist auch meine Meinung, Sir«, sagte Butler Josuah Parker. »Da der Matrose Clark in den Fall einbezogen wurde, lassen sich weitere Rückschlüsse ziehen. Hinzu kommt die Durchsuchung von Trotters Kabine. Das Mordmotiv muß aus einem Gegenstand bestehen, den man in einer kleinen Schublade unterbringen kann, die von dem Mörder durchsucht wurde.«

»Schriftstücke, Fotos, was meinen Sie …?«

»Oder vielleicht ein Päckchen …?« schlug Parker vor.

»Nun ja, ein Päckchen könnte es auch gewesen sein«, sagte Mike Rander nachdenklich. »Verdammt, Parker, dieser Fall wird uns noch Nerven kosten.«

»Mit dem Verlust seiner Nerven muß auch jeder Doppelmörder rechnen«, erwiderte Parker trocken …

*

»Ach, Sie sind es«, sagte der Erste Offizier, der den Salon verlassen hatte und an ihnen vorbei mußte, um auf die Brücke gehen zu können. Er wollte sich vorbeidrücken, doch Rander hielt ihn zurück.

»Mister Smalden, können Sie dafür sorgen, daß wir das Personal im Aufenthaltsraum antreffen …? Einschließlich der beiden Köche, ja!«

»Der Rudergast muß aber auf der Brücke bleiben«, sagte Smalden.

»Selbstverständlich … Wer hat augenblicklich Dienst?«

»Manners …«

Smalden ging nach vorn zu den Unterkunftsräumen der Mannschaft. Butler Parker hatte die Ohren gespitzt, als der Name Manners gefallen war. Wenn er sich nicht täuschte, war das der Freund von Clark gewesen.

»Sir«, sagte er schnell, »darf ich Sie allein nach vorn zur Mannschaft bemühen … Ich würde mich gern mit Manners unterhalten.«

»Was führen Sie im Schild, Parker?«

»Nur ein etwas abseitiges Interesse«, sagte Parker murmelnd. Rander, der seinen Butler kannte, grinste nur und war natürlich einverstanden. Jeder wußte, daß er sich auf den anderen felsenfest verlassen konnte. Während Mike Rander also nach vorn ging, stieg der Butler langsam und würdevoll zur Brücke hinauf.

Parker begann nicht sofort ein Gespräch mit Manners, nein, er stellte sich nur an eines der heruntergeklappten Fenster der Brücke und sog genußreich an seiner schwarzen Zigarre. Parker wußte, daß Manners mehr auf ihn, als auf den Kompaß schaute, aber das hatte er ja gerade beabsichtigt.

»Hallo … Sir …?« fragte Manners schon nach einigen Minuten.

»Sprachen Sie gerade mit mir?« fragte Parker, sich an Manners wendend.

»Stimmt es, Sir, daß Clark ermordet worden ist?« fragte Manners. »Ich habe so etwas läuten gehört.«

»Doch, ja …, leider … Clark wurde erstochen, und zwar unten in einer der Kabinen.«

»Weiß man schon, wer es getan hat?«

»Noch nicht, aber lange wird es wohl nicht mehr dauern«, meinte Parker. »Machen Sie sich nur keine Sorgen, Manners … Sie sind ja nicht betroffen …, hoffentlich …«

»Wieso, Sir?«

»Nun, ich denke daran, daß Sie immerhin mit Clark sehr befreundet waren, nicht wahr?«

»Doch, ja …«

»Wo waren Sie eigentlich innerhalb der vergangenen Stunde?«

»Ich hatte Ruderwache …, hier oben am Steuer.«

»Eine durchaus verantwortungsvolle Aufgabe, wie ich mir denken kann«, sagte Parker und trat interessiert an die Ruderanlage heran. »Sinnverwirrend für einen Laien, finde ich …«

»Nur halb so schlimm«, sagte Manners. »Sir, könnten Sie etwas näher zu mir kommen …? Ich möchte nicht, daß man mich hört.«

»Aber gern.«

Parker stellte sich neben den Rudergänger.

»Sir, ich glaube, ich weiß, wer der Mörder ist«, sagte Manners geheimnisvoll.

»Was Sie nicht sagen«, meinte Parker freundlich. Mehr sagte er nicht.

»Clark war seit Tagen verändert«, sagte Manners. »Wir haben sonst immer zusammengesteckt, aber seit Puerto Rico ist alles anders gewesen.«

»Erstaunlich, erstaunlich …«

»Ja, er war sehr nervös, sonderte sich ab und wollte immer allein sein. Ich habe ihn natürlich gefragt, was los ist, er hat mir darauf aber keine Antwort gegeben.«

»Das ist beklagenswert«, bemerkte der Butler.

»Soll ich Ihnen verraten, wer der Mörder ist?« fragte Manners. Er hatte seine Stimme gedämpft.

Parker beschränkte sich auf Schweigen.

»Der Koch«, verkündete Manners. »Ich wette, daß es der Koch gewesen ist …«

»Interessant, sehr interessant.«

»Ja, Chi-Fu hatte einen Riesenkrach mit Clark … Ich hörte das zufällig, als ich an der Mannschaftskombüse vorbeikam.«

»Beschwerte sich Clark über das Essen?«

»Wie …? Nein …, Sir, er sagte etwas von hereinlegen und so. Und er sagte auch noch, er würde zu Trotters gehen und Krach schlagen.«

»Welch eine Meinung«, murmelte Parker und schüttelte den Kopf.

»Und später habe ich auch gesehen, daß Clark wirklich zu Trotters gegangen ist«, erzählte Manners weiter. »Ich finde, daß ich Ihnen das sagen mußte.«

»Sehr richtig«, bestätigte Butler Parker, »Ihre Aussagen können unter Umständen von größter Wichtigkeit sein … Sagen, Sie, Manners, versetzen Sie sich mal in die Nacht zurück, als Trotters über Bord fiel …«

»Ja … Sir …!«

»Wo waren Sie zu der Zeit?«

»Ich …?«

»Ganz recht …«

»Nun, ich hatte Ruderwache, genau wie jetzt …!«

»Und wo stand Clark, als er Alarm schlug?«

»An Backbord …«

»Vor oder hinter der Brücke?«

»Vor der Brücke …, aber ich habe von dem Unfall selbst nichts gesehen, Sir … Ich hörte nur den Ruf ›Mann über Bord‹ und gab gleich Stop an die Maschinen. Sofort danach erschien Mister Sanders auf der Brücke. Er hatte sich mächtig beeilt, die Treppe raufzukommen.«

»Er kam von Deck her?«

»Ja, Sir … sonst hätte er ja nicht so gekeucht.«

»Dann drehten Sie bei, wie?«

»Jawohl Sir … Mister Sanders übernahm sofort das Kommando und ließ beidrehen.«

»Während Mister Smalden damit beschäftigt war, die Rettungsmanöver einzuleiten?«

»Der kam erst später, Sir … Mister Smalden wurde von Sanders mächtig angepfiffen, weil er nicht auf der Brücke war.«

»Vielleicht wollte er eine Tasse Kaffee trinken, oder?«

»Nein, er war unter Deck, ich glaube, bei den Maschinen …, aber das weiß ich nicht so genau.«

»Ist Ihnen irgend etwas aufgefallen, als Sie Ruderwache hatten? Ich meine kurz vor dem Unfall?«

»Nein, nicht daß ich wüßte, Sir …«

»Befand sich auf dem Vorderdeck vielleicht einer von Mister Stranders Gästen …?«

»Doch, ja …, Sir«, stieß Manners hervor. »Jetzt, wo Sie mich danach fragen, fällt es mir wieder ein … Warten Sie mal, wenn ich mich nicht irre, war das dieser Makler …, ich glaube, er heißt Vellers … Ich habe ihn an seinem bellenden Husten erkannt.«

»Sehr schön, in der Tat sehr schön«, lobte Josuah Parker den Rudergänger. »Ich muß Ihnen ein Kompliment machen, Manners, Sie haben sehr gut aufgepaßt … Wirklich okay …!«

Manners sah Parker verblüfft nach, der seine Melone gelüftet hatte und jetzt zur Treppe ging. Manners verließ einen Moment das Ruder und stellte sich an das Fenster. Er war nun doch sehr gespannt, ob Parker zur Mannschaftskombüse gehen würde, um den Koch Chi-Fu zu verhaften.

Zu seiner grenzenlosen Überraschung aber wurde der Butler nicht sichtbar. Parker hatte es vorgezogen, zurück zu den Kabinen zu gehen. Er stieg nach unten und betrat die Kabine Trotters, die nicht verschlossen worden war.

Nachdem Parker Licht eingeschaltet hatte, drückte er die Tür hinter sich zu und schob den Riegel vor. Dann legte er den Regenschirm ab und setzte sich auf den Rand des Bettes.

Er hatte auf den ersten Blick gesehen, daß in der Zwischenzeit wieder ein fremder Besucher in der Kabine gewesen sein mußte. Josuah Parker erinnerte sich sehr genau daran, daß er als letzter die Kabine verlassen und sie geschlossen hatte. Absichtlich natürlich, wie sich am Rande verstehen dürfte.

Und bevor er gegangen war, hatte Parker die Asche seiner Zigarre sorgfältig genau hinter der Tür auf dem Boden abgelegt. Dieser Aschekegel war jetzt zertreten worden.

Parker hatte beim Eintreten selbstverständlich darauf geachtet. Er schüttelte nachdenklich den Kopf und trat an das Bullauge. Welches Geheimnis mochte diese Kabine noch bergen? Umsonst war der Mörder nicht zurückgekommen und hatte wieder nach irgendwelchen Dingen gesucht.

Parker legte seine Zigarre in den Aschenbecher und machte sich nun selbst daran, die Kabine zu durchsuchen. Er ging wie üblich, ungewöhnlich methodisch vor. Er legte eine Fach- und Sachkenntnis an den Tag, die überraschend war.

Nichts war zu finden. Die glatten Wände enthielten keine Geheimfächer. Es gab keinen doppelten Boden und Falltüren.

Parker näherte sich im Verlauf der Suche nun der Verbindungstür, hinter der sich der Duschraum befand. Als er hier den Boden nach Spuren absuchte, fand er Aschekrümel, die von seiner Zigarre herrühren mußten.

Parker beendete aber dennoch erst die Suche in der Kabine, bevor er in den Waschraum hinüberwechselte.

Auch hier boten sich auf den ersten Blick nun wirklich keine Geheimnisse an.

Gleich links neben der Tür befand sich ein großes Waschbecken, rechts der Tür war die Dusche eingebaut worden. Die eigentliche Toilette war hinter einer Kachelwand verborgen.

Über dem Spiegel gab es ein kleines weißlackiertes Schränkchen, dessen Inhalt im Waschbecken lag. Verbandsrollen, etwas Watte, Rasierwasser und Puder. Obgleich alles sehr übersichtlich war, ließ Parker sich nicht daran hindern, auch hier sehr sorgfältig zu suchen.

Als er einen Blick in das Duschbecken warf, stutzte er, bückte sich und förderte aus seinen unergründlichen Taschen eine Lupe zutage, die er auseinanderklappte und sich vor das Auge hielt.

Das war ohne Zweifel Blut!

Es handelte sich nur um wenige Spuren, die man in der Eile des Wegwischens übersehen hatte. Parker richtete sich auf, holte seine Zigarre aus der angrenzenden Kabine und zündete sie sich wieder an.

Blut …, ließ das darauf schließen, daß Trotters hier im Waschraum ermordet worden war?

Oder hatten die Spuren eine ganz andere Bedeutung, waren vielleicht harmloser, als er jetzt annahm. Immerhin war Trotters sofort abgesunken, wenn man den Berichten glauben wollte. Sein Chef Rander hingegen hatte zwei Stunden vor dem Unfall dieses Geräusch außenbords hören können, das ihn hatte mißtrauisch werden lassen.

Gut, wenn er annahm, daß Trotters hier im Waschraum ermordet worden war, dann aus dem Grund, weil man ihn daran hindern wollte, etwas zu tun. Das Durchsuchen seiner Kabine deutete natürlich darauf hin, daß Trotters irgendwelche Dinge in der Hand gehabt haben mußte, die dem Mörder gefährlich werden konnten.

Parker beschloß das Problem von einer anderen Seite aus anzusehen und auch anzugehen. Er war mit seinem Latein noch lange nicht am Ende. Ja, er erwärmte sich zusehends an diesem Fall, der ihm alles an Witz, Kombination und Raffinesse abzwang.

Angenommen, Trotters war hier im Waschraum ermordet worden, dann war er doch bestimmt dabei gewesen, sich für die Nacht herzurichten. Vielleicht hatte er sogar unter der Dusche gestanden.

Parker ging zurück in die Kabine und kontrollierte noch einmal den Inhalt des Kleiderschrankes. Er holte sein Notizbuch hervor und notierte sich sämtliche Kleidungsstücke, die er vorfand. Nachdem er die Liste aufgestellt hatte, deponierte er erneut Zigarrenasche auf dem Boden der Kabine und verließ sie. Natürlich schloß er sie nicht ab.

Wie hatte der Mörder Trotters an Deck bekommen?

Der kürzeste und einfachste Weg war der über der Treppe. Aber dieser Weg war sehr gefährlich, da sämtliche Kabinen passiert werden mußten.

Gab es einen anderen Weg …?

Parker wendete sich der Eisentür zu, die, oval geschnitten, in einem starken Rahmen saß. Er entsann sich der rußigen Fingerspuren und suchte nach ihnen.

Aber das weißlackierte Metall war blitzblank. Die Spuren waren verschwunden. Der Mörder hatte sich noch nicht die Initiative aus der Hand nehmen lassen.

Leider ließ sich die Tür nicht öffnen.

Parker bemühte sich erst gar nicht, sein Spezialbesteck aus der Tasche zu holen. Der Butler war wirklich alles andere als ängstlich, aber allein wollte er diese Nachforschungen nicht anstellen. Dem Mörder sollte es nicht zu leicht gemacht werden.

Parker ging zurück in seine Kabine und wartete auf seinen Chef Mike Rander, der nach einer guten Stunde erschien. Auf den ersten Blick wußte der Butler, daß Mike Rander nichts Wesentliches in Erfahrung hatte bringen können.

Genauso war es dann auch.

»Sie wissen alle von nichts«, sagte Mike Rander. »Die Freundschaft zwischen Clark und Manners wurde mir bestätigt … Die Leute haben auf mich auch tatsächlich einen vollkommen harmlosen Eindruck gemacht.«

»Ich glaube auch kaum, daß wir den Mörder dort zu suchen haben«, sagte Parker. »Die Anlage der beiden Verbrechen deutet auf ein geschultes Gehirn, der Mörder ist ein Mensch, der zu denken versteht … Er wird sich Clark als Helfershelfer engagiert haben … Hören Sie sich an, Sir, was ich mir erlaubte, ausfindig zu machen.«

Parker faßte sich kurz, dennoch dauerte es fast eine halbe Stunde, bis er geendet hatte.

»Okay, Parker, ziehen wir also die Schlußfolgerungen«, meinte Mike Rander. »Nach Lage der Dinge dürften der Mörder und Clark den ermordeten Trotters an Deck geschleift haben.«

»Genauso sehe ich es ebenfalls«, sagte Parker. »Ich denke, man darf sogar davon ausgehen, daß Clark Trotters umbrachte, dann aber aus Gründen der Sicherheit von dem Mörder und Auftraggeber selbst umgebracht wurde …«

»Und zwar in einer erstaunlich kurzen Zeit«, sagte Rander, »denn Sie haben doch immerhin den Mann verfolgt, der aus dem Mannschaftslogis kam und zur Brücke ging …«

»Wobei ich allerdings nicht sicher bin, ob es Clark wirklich war«, antwortete Parker. »Aber dieser Punkt dürfte ja wohl morgen zu klären sein … Wenn es nicht Clark war, wird sich ja irgend jemand an Bord melden müssen.«

»Falls ihm die Angst nicht den Mund verschließt … Was halten Sie eigentlich von diesem chinesischen Koch Chi-Fu, Parker?«

»Ich würde mich gern einmal mit ihm unterhalten, aber jetzt dürfte es wohl dazu schon zu spät sein … Desweiteren erlaube ich mir, vorzuschlagen, Sir, das Schiffsinnere genauestens zu durchsuchen. Ich vermute, daß der ermordete Trotters auf einem Umweg an Deck gebracht worden ist. Der Transport über den Gang war zu gefährlich.«

»Das glaube ich auch, Parker … Doch machen wir für heute Schluß …«

»Wie Sie wünschen, Sir … Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht. Darf ich bei dieser Gelegenheit Vorschlägen, die Kabinentür vorsichtig sorgfältig verriegeln zu wollen …?«

»Na schön, ich werde den Riegel vorlegen«, sagte Mike Rander.

Butler Parker ging hinüber in seine eigene Kabine und vergaß nicht, ebenfalls gut abzuriegeln. Da er endlich allein war und keinen Besuch zu befürchten brauchte, gönnte er sich eine Zigarre …

Josuah Parker genoß diese Stunde des Friedens.

Er hatte das Bullauge weit geöffnet. Kühle Nachtluft strömte in die Kabine. Parker entkleidete sich nach einem strengen Zeremoniell. Er brauchte gut zehn Minuten, bis seine Kleidung über einem zusammenfaltbaren Kleiderständer hing, als würde sie zum Verkauf angeboten.

Nach einer ausgiebigen Dusche hüllte sich der Butler in ein Nachtgewand, das erstaunlicherweise diesmal nicht schwarz gefärbt war. Es reichte bis tief zum Boden. Kleine, rote Zierbiesen am Kragen und an der Brusttasche gaben Parker ein geradezu frivoles Aussehen. Seine Füße allerdings steckten wieder in pechschwarzen, altväterlichen Pantoffeln.

Parker ordnete sein Bett. Auch dazu brauchte er einige Minuten. Dann endlich legte er sich nieder.

Er war mit dem Ergebnis des Tages durchaus zufrieden. Er hatte unklare Dinge richtig gestellt, Nervosität gesät und dem Mörder zu verstehen gegeben, daß man ihm auf der Spur war. Parker tat einen letzten Zug an der Zigarre, legte sie behutsam in den Aschenbecher und bettete sein Haupt zur Ruhe. Wenige Minuten später zeigte ein diskretes, fast vornehm zu nennendes Schnarchen an, daß er bereits eingeschlafen war.

Die Nacht verlief ohne jeden Zwischenfall.

Das war selbst für den Butler überraschend, der beim ersten Sonnenstrahl bereits ohne Übergang erwachte, korrekt das Bett verließ und sich duschte. Im Grunde paßte ihm diese Entwicklung gar nicht. Ihm wäre eine Unterbrechung der Nacht bedeutend lieber gewesen.

Hatte er die Nerven des Mörders unterschätzt?

Weit vor den übrigen Gästen stand Parker bereits an Deck und genoß sichtlich den Frieden des Morgens. Nacheinander erschienen nach einer Stunde die Gäste. Sie gingen in den Decksalon, wo inzwischen das Frühstück gerichtet worden war.

»Was halten Sie von der Nacht?« erkundigte sich Rander, der sich bestens gelaunt an den Tisch setzte. »Alle sind vollzählig versammelt, Parker … Der Mörder hat eine Pause eingelegt, scheint mir …!«

»Ich möchte es hoffen, Sir«, erwiderte Parker. »Ich habe übrigens bereits zwei Taschenlampen aus meinem Koffer geholt … Nach dem Frühstück können wir, wie Sie es vorgeschlagen haben, unter Deck gehen.«

»Wie bitte …, was habe ich vorgeschlagen?«

»Sir, ich war der Meinung, Sie hätten angeordnet …«

Mike Rander lachte unwillkürlich auf. Er hatte seinen Butler verstanden. Wenn Parker einen Vorschlag vorzubringen hatte, kleidete er ihn mit Vorliebe in diese Form.

Nachdem das Frühstück eingenommen worden war, verstreuten sich die Gäste.

Strander war von dem Produzenten Winchel in Beschlag genommen worden. Liz Talbot, die Drehbuchautorin, hatte sich ihnen angeschlossen. Sie wollten Strander wohl animieren, Geld in das Filmprojekt zu stecken.

Helen Grade, das Mädchen, das sich mit Vorliebe Schauspielerin nannte, flirtete heftig mit Makler Vellers, der nicht abgeneigt zu sein schien, auf dieses Spiel einzugehen.

Richard Strollen, der alte Schauspieler, lag in einem Liegestuhl und blätterte in einem Rollenbuch. Er war aber nicht ganz bei der Sache, denn er sah immer wieder zu Helen Grade hinüber.

Kapitän Sanders war hinauf zu der Brücke gegangen, sein Erster Offizier Smalden hatte am Frühstück nicht teilgenommen. Parker hatte ihn an diesem Morgen noch nicht gesehen.

»Wollen wir nicht schnell mit den beiden Köchen reden?« schlug Mike Rander vor.

»Sir, Sie nehmen mir das Wort von der Zunge«, erwiderte der Butler. »Hallo, Mister Often …, ja, auch Sie, Mister Strings … auf ein Wort bitte.«

Die beiden angerufenen Stewards näherten sich zögernd dem Butler. Sie schienen nicht viel von ihm zu halten, das heißt, sie fürchteten wohl ein Gespräch.

»Bei wem von Ihnen darf ich mich bedanken, daß die Eisentür am Ende des Kabinenganges wieder geputzt wurde?« fragte Parker und sah die beiden Männer an.

»Ich war es bestimmt nicht«, sagte Often schnell.

»No, Sir, ich habe auch nichts weggeputzt«, sagte Strings. »Wirklich nicht, Sir …«

»Ich bedanke mich«, erwiderte Parker höflich und lüftete seine Melone. Die beiden Stewards verschwanden im Salon.

»Haben Sie die Frage nicht etwas zu naiv gestellt?« erkundigte sich Mike Rander lächelnd.

»Sir, es kam mir darauf an, wissen zu lassen, daß mir die Rußflecke nicht entgangen waren«, erwiderte Parker. »Ich hoffe, daß Strings und Often diesen Wortwechsel weiterkolportieren werden …«

»Na schön, dann sehen wir uns mal die beiden Köche an. Auf den Chinesen bin ich mächtig gespannt.«

»Sir, mir kommt da gerade eine Erinnerung«, meinte Parker versonnen. »Vor Jahren arbeitete ich als Butler in einem Haus, das dem Earl of Banbank gehörte … Dort ereignete sich eines Tages auch ein Mord … Scotland Yard beschäftigte sich mit dem Fall und fand bald den Mörder. Es war der chinesische Koch …«

»Hoffentlich haben wir es ebenso einfach«, meinte Rander.

»Sir, ich bezweifle es«, sagte Parker. »Unsere Ermittlungen leiden darunter, daß wir noch immer nicht das Mordmotiv kennen.«

Sie schritten hinüber zum Bug der »Sulla« und betraten die Mannschaftskombüse, in die die beiden Köche hinübergewechselt waren, nachdem das Frühstück für die Gäste hergerichtet worden war.

Chi-Fu war ein feister Mann von vielleicht fünfzig Jahren. Er trug schneeweiße Berufskleidung und hantierte mit seinen Geräten, als sei er ein ausgebildeter Artist. Er ließ sich überhaupt nicht stören.

Oggers, der zweite Koch, mit dem Parker schon einmal einige Worte gewechselt hatte, kam sofort zu ihnen und sah sie fragend an.

»Wir möchten Chi-Fu sprechen«, sagte Mike Rander. »Ich wette, er hat einige Minuten Zeit für uns.«

»Es macht uns auch nichts aus, zu ihm an den Herd zu kommen«, fügte der Butler hinzu. »Wir möchten auf keinen Fall stören. Ich kann mir vorstellen, daß Sie sehr viel zu arbeiten haben …«

Oggers ging zu dem Chinesen, der, nachdem er zugehört hatte, sofort eilig heranwatschelte.

»Sie wissen, was sich an Bord ereignet hat?« begann Mike Rander.

Chi-Fu nickte und machte ein unglückliches Gesicht.

»Ich …? Sir, großen Streit … Ja …«

»Sie hatten sicher Grund, sich über Clark zu erregen, wie?« fragte der Butler. Er freute sich, daß der Chinese gut Englisch redete. Das erleichterte das Verhör.

»Reden Sie nur«, ermunterte Mike den Koch.

»Clark hatte sich in die Küche geschlichen«, sagte Chi-Fu und begann sich wieder zu erregen. »Keiner von der Mannschaft hat in der Küche etwas zu suchen … Ich stellte Clark zur Rede, er wurde frech und stieß mich gegen den Bauch …«

»In der Tat, eine Frechheit«, sagte Butler Parker. »Ich verstehe noch nachträglich Ihre Empörung … Was suchte Clark denn in der Küche? Hatte er Hunger?«

»Hunger …? Hier an Bord hat keiner Hunger«, erwiderte Chi-Fu. »Nein, Clark wollte stehlen.«

»Sie hatten Streit mit Clark?«

»Ich habe ihm meine Meinung gesagt.«

»Was wollte Clark denn stehlen?« fragte Mike Rander.

»Salz …«, erwiderte Chi-Fu und schüttelte den Kopf. »Und dabei hätte er mich doch nur zu fragen brauchen.«

»Wollte er Sie nicht bei Trotters anschwärzen?«

»Allerdings«, antwortete Chi-Fu. »Er sagte, ich dürfte keinem Menschen etwas von dem Salz sagen, sonst würde er mich wegen der Whiskyflaschen anzeigen.«

»Ich verstehe kein Wort«, sagte Rander.

»Nun, Sir, ich habe etwas geschmuggelt«, sagte der Koch und grinste vertraulich. »Aber wer an Bord tut so etwas nicht …«

*

Butler Parker und Mike Rander befanden sich unter Deck. Sie sahen sich zuerst einmal den Laderaum an, der sich zwischen den Mannschaftsunterkünften und der Brücke befand. Beherrschend stand in der Mitte ein elegant geschnittener italienischer Sportwagen.

Auf Stellagen befanden sich die Großgepäckstücke Stranders und die seiner Gäste. Alles war sehr übersichtlich angeordnet und machte einen sauberen Eindruck. Auch die Beleuchtung war nicht zu tadeln. Parker und Rander hatten bisher auf ihre Taschenlampen verzichten können.

»Parker, mir wird schlecht, wenn ich daran denke, daß sich auf diesem Schiff das verborgen hält, wonach wir suchen. Hinzu kommt, daß wir noch nicht einmal wissen, was wir eigentlich finden wollen.«

»Sir, es handelt sich ja auch wohl nur um eine allgemeine Besichtigung«, sagte der Butler. »Interessant für mich, als Laien, daß es zwischen den Mannschaftsunterkünften und diesem Laderaum keine direkte Verbindung gibt.«

Sie schritten weiter, kamen an ein Schott, das sich ohne weiteres mittels des großen Hebelgriffes öffnen ließ. Sie gingen an Öltanks vorbei, in denen der Brennstoff für die Maschinen gebunkert war und erreichten nach Öffnen einer weiteren Stahltür endlich den eigentlichen Maschinenraum, in dem es so sauber wie in einer Klinik war. Der Ölgeruch wurde von Exhaustoren sofort nach oben befördert.

Ein Matrose, der auf einem Klappstuhl gesessen hatte, stand sofort auf und sah sie fragend an.

»Haben Sie den Ersten Offizier gesehen?« fragte Mike Rander.

»Er war eben noch hier«, erwiderte der Mann. »Ich glaube, er ist nach hinten zu den Vorratsräumen gegangen.«

Er zeigte Parker und Rander den Weg.

Sie kletterten über eine kleine, steile Treppe auf eine Zwischenetage und gingen über Eisenroste, die ihre Schritte dröhnen ließen.

Der Mann, der den Weg gezeigt hatte, sah ihnen erstaunt nach. Es war ihm noch nie vorgekommen, daß Gäste sich unter Deck getraut hatten. Trotz der Lüftung war es ihnen hier unten zu heiß und zu stickig.

Am Ende der Eisenroste gelangten sie an eine ovale Tür, hinter der sich die Wirtschaftsräume, die Kühlanlagen und Wassertanks befanden. Von einem schmalen Gang aus erreichte man die einzelnen Räume, die alle verschlossen waren. Die Beschriftung auf den weiß lackierten Türen verriet ihnen aber, um welche Räume es sich handelte.

»Wenn ich mich nicht irre, befinden wir uns jetzt genau unterhalb der Brücke«, sagte Rander.

»Oder einige Meter dahinter«, erwiderte der Butler. »Bisher hat sich die Einrichtung als erstklassig erwiesen … nur vermisse ich einen Aufzug …!«

»Einen Aufzug …?«

»Um die Vorräte nach oben zu bringen«, sagte Parker. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß man sie dort über die steile Treppe nach oben schleppt.«

»Ich ahne schon, was Ihnen jetzt vorschwebt«, sagte Mike Rander lächelnd. »Weil Sie es so haben wollen, muß es eben so sein. Na gut, suchen wir weiter.«

Butler Parkers Instinkt erwies sich wieder einmal als richtig. Allerdings mußte er diesmal tatsächlich sein Spezialbesteck bemühen, um zu einem Erfolg zu gelangen.

Sie entschieden sich, erst einmal die Tür zum Vorratsraum zu öffnen.

Es war erstaunlich, mit welcher Sicherheit der Butler diese so gut verschlossene Tür zu öffnen vermochte.

»Toll, wie Sie das wieder mal gemacht haben«, sagte Rander anerkennend.

Parkers Blicke wurden magnetisch von einem kleinen Aufzug angezogen, dessen vier Gleitschienen mit starkem Maschendraht verkleidet waren. Dieser Aufzug, der gut einen Quadratmeter groß war, befand sich an der linken Wand des Vorratsraumes. Auf Regalen und in Glas verkleideten Schränken lagerten all jene Dinge, die ein Leben an Bord angenehm machen können. Flaschenbatterien in eigens hergerichteten Fächern und Konserven stapelten sich in Verschlägen, kurz, Strander hatte die »Sulla« so ausgestattet, als wolle er eine Weltreise unternehmen.

Während der Butler sich sehr fachgerecht mit den Etiketten der Flaschen befaßte, hatte Mike Rander bereits eine weitere Tür geöffnet, die sich nur sehr schwer aufdrücken ließ.

»Aha, das hier ist der Kühlraum«, meinte Rander, der einen schnellen Blick in den Raum geworfen hatte. »Du lieber Himmel, Parker, wenn wir das Fleisch essen wollen, das hier hängt, dann werden wir noch monatelang unterwegs sein …«

»Sir, darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf diese Tür richten«, rief Parker.

Rander verschloß die Verbindungstür zum Kühlraum und ging zu Parker, der vor einer ovalen Eisentür stehengeblieben war.

»Ich glaube, Sie haben wieder einmal recht gehabt«, sagte Mike Rander, ehrlich anerkennend. »Ich wette, das ist die Tür, die wir vom Kabineneingang her kennen.«

»Ich möchte es auch annehmen«, sagte Parker. »Es scheint mir auch logisch zu sein … Aus Zeitgründen kann man diesen Weg nehmen, wenn man schnell irgendwelche Trinkvorräte ergänzen will … Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich diese Tür gern öffnen.«

»Toben Sie sich ruhig aus«, meinte Mike Rander. Er hatte sich eine Zigarette angezündet und wartete, bis sein Butler auch diese Tür geöffnet hatte.

»Ihre Vermutung war richtig«, sagte Parker in falscher Untertreibung. »Sir, ich glaube, wir wissen, wie die Leiche Trotters an Deck geschafft worden ist.«

»Na …?« fragte Rander nur, als Parker einen Blick hindurchgeworfen hatte.

»Ich wäre dafür, wir würden uns mal ausgiebig nach Blutspuren Umsehen«, sagte Mike Rander. »Mit den Taschenlampen müßten wir das doch eigentlich schaffen …!«

Der Butler schloß die Tür und machte sich auf Spurensuche. Mike Rander interessierte sich für das Metallschild, das am Maschendraht des Aufzugschachtes festgemacht war.

»Der erlaubten Traglast nach zu urteilen ist es eine Kleinigkeit, einen Menschen nach oben an Deck zu befördern«, sagte Rander nach kurzer Überprüfung. »Schade, daß der Korb oben ist … Sagen Sie, Parker, wo mag er wohl enden?«

»Entweder in der Salonküche oder aber im Hinterraum der Bar«, erwiderte der Butler, der verbissen und konzentriert den Boden absuchte.

»Wir werden uns darum zu kümmern haben, wer Zutritt zu diesen Räumen hat«, sagte Mike Rander weiter. »Nach einer alten Regel bekommen die Bordköche ihren Vorrat zugeteilt. Auch die Stewards haben hier nichts verloren.«

»Vielleicht verwaltet Mister Smalden diese Vorräte«, sagte Parker. »Kapitän Sanders ist dazu wieder zu ranghoch.«

»Donnerwetter, nicht schlecht«, meinte Mike Rander nachdenklich. »Die Kreise werden immer enger … Na ja, ich bin gespannt, was wir noch alles finden werden.«

»Sir, ich habe etwas gefunden«, sagte Butler Parker. »Darf ich Sie hierher bemühen?«

»Blutspritzer?«

»Allerdings, Sir … sie sind sogar recht gut zu erkennen. Ich denke, daß ein Irrtum ausgeschlossen ist.«

Er wies auf die Tür.

Mike Rander bückte sich und konnte sogar auf Parkers Lupe verzichten. Einige eingetrocknete Blutstropfen waren deutlich zu erkennen. Ein Irrtum konnte nicht vorliegen.

»Trotters wurde also in seiner Kabine, wahrscheinlich unter der Dusche, ermordet«, sagte er, sich wieder aufrichtend. »Der Mörder schleifte sein Opfer durch diese Tür, verstaute es im Aufzug und brachte es so an Deck. Entweder fuhr er selbst mit nach oben oder aber nahm den normalen Weg über den Kabinengang. Er holte Trotters aus dem Aufzug und warf ihn dann über Bord. Eine vollkommen klare Geschichte …, bis auf die Türen …, die man allerdings, wie ich an Ihnen, Parker, gesehen habe, auch mit einem Nachschlüssel öffnen kann.«

»Sir, ich möchte einen Einwand machen, wenn Sie gestatten«, sagte Josuah Parker. »Ich rede nur ungern von meinen Fähigkeiten, doch ich bezweifle es sehr, daß man das Schloß mit einem normalen Nachschlüssel aufsperren kann. Dazu gehört ein Spezialbesteck, dazu benötigt man gewisse Fähigkeiten, die man sich nur im Verlauf einer langen Praxis anzueignen vermag.«

»Parker, Parker«, drohte Rander spöttisch, »verfügen Sie etwa über diese erwähnte langjährige Praxis?«

»Sir …«, sagte Parker protestierend, »ich meinte das selbstverständlich im übertragenen Sinn …«

»Demnach wurde also der echte Schlüssel zum Öffnen der Tür verwendet?«

»Das möchte ich als sicher unterstellen«, sagte Parker mit fester Stimme.

»Dadurch würde sich der Kreis der verdächtigen Personen weiter verengen«, sagte Rander nachdenklich. »Kommen Sie, Parker, stellen wir erst einmal fest, wo dieser Aufzug endet! Dann wollen wir uns um den Mann kümmern, der die Schlüssel zu diesen Räumen verwaltet. Die Sache kommt endlich in Bewegung.«

Sie verließen die Räume und stiegen über die steile Treppe nach oben und landeten in einem quadratischen Korridor, auf den einige Türen mündeten. Schon am Geruch war leicht festzustellen, daß sich die Hauptküche in allernächster Nähe befand.

»Hier, Sir«, sagte Parker mit Genugtuung und deutete auf einen Wandschrank, »der Aufzug.«

Mike Rander öffnete die beiden Türen und nickte. Vor ihnen befand sich die Ladefläche des Aufzugs.

»So, jetzt sind Sie wieder an der Reihe«, meinte Rander, der zurücktrat. Butler Parker holte seine Lupe aus der Tasche und untersuchte erneut.

Er kletterte fast in den Aufzug hinein. Als sein Oberkörper halb im Schacht verschwunden war, öffnete sich plötzlich eine Tür. Der Erste Offizier, Smalden, der von Deck kam, blieb überrascht und erstaunt stehen.

»Ein wunderschöner Tag, nicht wahr, Smalden«, sagte Rander in harmlosem Tonfall.

»Wie …? Natürlich, Sir … Darf ich Sie fragen, was …?«

»Wir reiten unser Steckenpferdchen«, erklärte Mike Rander, da Butler Parker sich überhaupt nicht stören ließ. »Da Sie gerade hier sind, Mister Smalden, wer verwaltet eigentlich unten die Vorräte? Wer besitzt die Schlüssel zu den Vorratsräumen?«

»Sir, ich kann den Sinn Ihrer Frage nicht verstehen«, erwiderte Smalden zurückhaltend.

»Oh, das spielt keine Rolle«, sagte Mike Rander. »Verlassen Sie sich darauf, daß ich den Sinn gut kenne …«

»Ja, das ist so … Also …«

»Sie spielen also auch noch den Proviantmeister, nicht wahr?«

»Allerdings …, stimmt denn etwas nicht?«

»Was meinen Sie, Parker, stimmt irgend etwas nicht?« wendete sich Mike Rander an seinen Butler.

»Sir, es stimmt alles«, erklärte Josuah Parker, der aus dem Schacht zurückkroch und Smalden freundlich zunickte. »Wirklich, ich bin sehr zufrieden … Mister Smalden, wo verwahren Sie eigentlich die Schlüssel zu den Wirtschaftsräumen? Ich möchte annehmen, daß Sie sie nicht in der Tasche herumtragen.«

»Natürlich nicht … Sie hängen in meiner Kabine in einem Stahlschränkchen … Aber wollen Sie mir nicht erklären, was diese Fragen bedeuten sollen …?«

»Vielleicht kann man es wie folgt ausdrücken«, schickte der Butler voraus. »Wir sind dem Mörder auf der Spur, da wir Spuren des Ermordeten gefunden haben …«

*

Als Parker und Rander im Salon erschienen, wurden sie sofort von Steward Often abgefangen.

»Mister Strander erwartet Sie in seinen Räumen«, sagte er kühl.

»Ausgezeichnet, zu ihm wollten wir gerade«, erwiderte Mike Rander. Sie betraten die Deckswohnung des Schiffseigners und wurden gleich beim Betreten des kleinen Korridors von Helen Grade überrascht, die allerdings ihrerseits sehr peinlich berührt war, so gesehen zu werden. Sie schluchzte und weinte nämlich wie ein kleines Mädchen, dem man ein Spielzeug weggenommen hat.

Parker und Rander sagten kein Wort.

Sie klopften an, hörten ein scharfes »Ja bitte!« und öffneten die Tür.

»Ach, Sie sind es«, sagte Strander und bemühte sich, seine Zornfalten im Gesicht zu glätten. »Aber nehmen Sie doch bitte Platz … Möchten Sie einen Drink?«

»Nicht jetzt«, sagte Rander. »Sie wollten uns sprechen, Mister Strander.«

»Mir liegt dieser Mord im Magen«, sagte Strander offen heraus. »Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie schon etwas erreicht haben. Der Gedanke, daß sich an Bord der ›Sulla‹ ein Mörder befindet, ist mir unerträglich.«

»Oh, ich glaube, daß wir ein gutes Stück weitergekommen sind«, antwortete Mike Rander. »Wir dürfen aber nicht vergessen, daß wir es mit einem raffinierten Burschen zu tun haben …«

»Anzunehmen, anzunehmen«, sagte Strander. »Da ist etwas, was ich Ihnen aber unter dem Siegel der größten Verschwiegenheit mitteilen muß … Wissen Sie, ich fühle mich einfach dazu verpflichtet. Aber ich appelliere an Ihre Diskretion …!«

»Mister Strander, Sie können vollkommen beruhigt sein«, sagte Parker.

»Es handelt sich um Vellers …«, sagte Strander zögernd. »Es ist mir sehr unangenehm, das erwähnen zu müssen … Also, Vellers ist ein Bekannter von mir, den ich eigentlich mehr aus einer Laune heraus mit an Bord genommen habe … Er war früher einmal ein großer Mann, wendete sich in letzter Zeit immer mehr hilfesuchend an mich und dürfte meiner Schätzung nach pleite sein …«

»Wie peinlich für Mister Vellers«, stellte Parker fest.

»Nicht wahr? Aber mehr noch für mich! Vellers ist ein – sagen wir – unbeherrschter Mann, der sich im Zorn zu den unmöglichsten Dingen hinreißen läßt …«

»Ihre Hinweise sind mehr als interessant«, behauptete der Butler.

»Hier an Bord wollte Vellers mich zu einem Geschäft überreden. Nun, ich hatte keine sonderliche Lust, mich mit Einzelheiten abzugeben. Ich verwies Vellers an Trotters, meinen Sekretär. An dieser Stelle muß ich einflechten, daß Trotters größte Handlungsfreiheit besaß … Er war sehr tüchtig und zuverlässig … Kurz, nachdem Trotters sich die Angebote Vellers angehört hatte, kam es zu einem Nein … Sie verstehen, was ich daraus folgern möchte …?«

»Sir, ehrlich gesagt, nicht ganz.«

»Vellers und Trotters gerieten in Streit … Vellers beschuldigte Trotters, er wolle ihm ein Bein stellen. Davon konnte selbstverständlich keine Rede sein … Vellers verlor die Nerven und bedrohte Trotters … Wie mein Sekretär mir später berichtete, redete Vellers von heimzahlen und rächen … Sie verstehen mich?«

»Ihre Beobachtungen werden uns bestimmt weiterbringen«, sagte Mike Rander trocken. »Und selbstverständlich werden wir Ihre Worte diskret behandeln … Da wir aber auch schon dabei sind, gewisse Beobachtungen festzuhalten, würden wir uns gern erzählen lassen, was mit Ihren übrigen Gästen los ist.«

»Es sind alles honorige Leute …«

»Uns würden Ihre Ansichten ausreichen.«

»Nun, da haben wir erst einmal die kleine Grade … Sie sind nicht blind, meine Herren … Sie ist recht nett, aber selbst mir dürfte es schwerfallen, sie beim Film unterzubringen. Und ich habe Beziehungen, wie Sie sich denken können … Also Miss Grade …, nun ja …, auf keinen Fall ist sie eine Mörderin …«

»Kennen Sie sie schon lange?«

»Nun ja«, erwiderte Strander und lachte verlegen auf. »Ich lernte sie eigentlich durch Strollen kennen … Das war auf irgendeiner Party. Genau kann ich mich nicht mehr erinnern.«

»Sie erwähnten gerade den Namen Strollen«, sagte Mike Rander.

»Strollen ist ein armer Teufel, der von seinem Ruhm lebt und von den Einladungen, die er immer wieder erhält …«

»Ihn kennen Sie schon seit längerer Zeit …?«

»O ja. Das hier ist auch nicht die erste Reise, die er mitmacht. Ich lade ihn eigentlich zu jedem Trip ein …«

»Miss Talbot und Winchel gehören auch zu diesem Kreis?«

»Nein, sie fahren zum ersten Mal mit. Winchel sucht Geld, um einen Film drehen zu können. Winchel kann eine Menge, aber er ist unzuverlässig, verstehen Sie …? Zu viele Frauengeschichten.«

»Miss Talbot schreibt Drehbücher?«

»Das ist so eine Sache … Sie ist Neuling. Winchel hat sie entdeckt. Sie war bislang als Journalistin bei einer Provinzzeitung. Ich habe das Drehbuch gelesen, es scheint mir nicht schlecht zu sein …«

»Sie ist mit Winchel befreundet?«

»Das kann man wohl sagen«, antwortete Strander lachend. »Sie bemüht sich allerdings auch um mich …, aber das kann ich verstehen, ich soll ja schließlich den Film finanzieren.«

»Seit wann kommandiert Sanders die ›Sulla‹?«

»Schon seit zwei Jahren, nachdem ich sie kaufte und umbauen ließ … Sanders ist in der Vergangenheit ein Pechvogel gewesen. Bei den großen Linien kam er nicht mehr recht an …«

»Ein Unfall?«

»Ich glaube, sein Unfall hing mit Schmuggel zusammen. Allerdings habe ich das Gefühl, daß man ihn hereingelegt hat … Ich bin mit ihm sehr zufrieden. Er ist tüchtig, korrekt und sehr zuverlässig, alles weitere interessiert mich nicht.«

»Darf ich Ihnen das Stichwort Smalden geben?«

»Nun, offen gestanden, um das Personal kümmere ich mich recht wenig, das ist Sanders Sache … Smalden ist mir noch nicht unangenehm aufgefallen. Wenn Sie Angaben über das Personal haben wollen, wenden Sie sich doch besser an Sanders, der weiß da besser Bescheid … Glauben Sie, daß meine Angaben über Vellers Ihnen weiterhelfen werden?«

»Aber ganz bestimmt«, sagte Mike Rander im Brustton der Überzeugung. »Sie waren mehr als wertvoll.«

»Allerdings traue ich Vellers keinen Mord zu«, sagte Strander schnell. »Ich hielt es nur für meine Pflicht … Übrigens, müssen wir den Mord an Clark eigentlich der Polizei funken?«

»Unterblieb das bisher?«

»Sanders fragte mich eben danach. Wissen Sie, was Mord angeht, so haben Sanders und ich eben keine Erfahrungen.«

Minuten später standen Parker und Rander an der Reling und sahen auf das Wasser hinaus.

»Ich bin gespannt, wer sich uns noch anvertrauen wird«, meinte Mike Rander nachdenklich.

»Sir, vergessen Sie nicht, daß wir das Stadium der allgemeinen Mitteilungsbedürfnisse erreicht haben. Man wird allgemein nervös, wagt kein offenes Wort mehr und fühlt sich angeklagt …In diesem Stadium zieht man es vor, ganz sicher zu gehen und seinen Nebenmann mehr oder weniger anzuschwärzen.«

»Uns soll es nur recht sein«, sagte Mike Rander. »Kann sein, daß dabei für uns etwas abfällt … Es wird überhaupt Zeit, Parker, daß wir eine Sitzung abhalten … Wir müssen mit dem ersten Sieben beginnen.«

»Sir, diesen Vorschlag wollte ich Ihnen ebenfalls machen«, entgegnete der Butler. »Aber vorher möchte ich gern noch herausbekommen, wen ich in der vergangenen Nacht an Deck gesehen habe.«

»Richtig, das dürfen wir nicht versäumen. Wir werden uns die Arbeit teilen. Übernehmen Sie die beiden Köche und Stewards, ich befasse mich mit der Mannschaft.«

Mike Rander ging nach vorn zu den Mannschaftsräumen, während Butler Parker nach den beiden Stewards sah. Steve Often war im Eßsalon damit beschäftigt, die Tische für das Essen herzurichten. Als er Parker sah, wurden seine Augen unsicher.

»Ich bin sicher, daß Sie einen Augenblick Zeit für mich haben werden«, sagte Josuah Parker freundlich und lüftete seine Melone. »Ich brauche nur eine Antwort auf eine durchaus harmlose Frage.«

»Ja … Sir …«

»Strings und Sie haben sicher hier an Bord sehr viele Pflichten, nicht wahr?«

»Nun ja … Arbeit gibt es genug …«

»Speziell haben Sie sich um Mister Strander zu kümmern, ja? Ich denke da an das Pflegen seiner Kleidung, na, Sie verstehen mich, wie ich voller Freude feststellen kann.«

»Ja, das habe ich zu tun«, sagte Often.

»Kümmerten Sie sich auch um Trotters Kleidung?«

»Ja …, das heißt, natürlich nicht so sehr …, aber ich hielt auch sie in Ordnung. Sie müssen wissen, Sir, ich begleite Mister Strander nicht nur hier an Bord, auch auf anderen Reisen bin ich bei ihm.«

»Ihren Dienst begonnen haben Sie aber an Bord der ›Sulla‹, oder?«

»Ich wurde von Mister Sanders engagiert.«

»Sehr schön, mein lieber Often«, sagte Parker gütig. »Ich halte Sie für einen intelligenten Menschen … Sie wissen doch sicher, welche Kleidung Ihr Chef Strander besitzt, wie? Ich meine, die sich hier an Bord befindet?«

»Allerdings.«

»Auch hinsichtlich Trotters Bekleidung wissen Sie Bescheid, wie?«

»Natürlich, er hatte ja nicht sehr viel für die Reise mitgenommen.«

»Sie würden also feststellen können, was er am Tag seiner Ermordung trug?«

»Ich …« Often zögerte.

»Nun, wir sehen uns jetzt einmal zusammen an, welche Anzüge im Schrank hängen. Derjenige, der fehlt, muß von Trotters getragen worden sein …«

»Ach, so meinen Sie das …, das ist richtig.«

»Wollen wir nicht zusammen nachsehen?«

»Sir …, ich habe hier …«

»Mister Strander würde Sie sofort beurlauben«, sagte Parker milde. »Er weiß durchaus zu schätzen, welche Hilfeleistung Sie mir geben wollen.«

»Jawohl, Sir«, sagte Often steif. Er folgte Parker nach unten zu den Kabinen.

Vor der Tür Trotters blieb der Butler stehen.

»Haben Sie zusammen mit Manners den Toten weggeschafft?«

»Es war fürchterlich«, sagte Often und schüttelte sich förmlich. »Wir haben ihn noch gestern, nach der ersten Untersuchung in den Kühlraum gebracht … Also nicht in den eigentlichen Kühlraum, sondern dahinter in den Raum, in dem die Kältemaschinen stehen.«

»Der arme Clark«, seufzte Parker tragisch auf. »Wie haben Sie ihn denn dorthin geschafft?«

»Manners hat ihn in eine Segeltuchplane eingerollt und dann schafften wir ihn dort durch die Tür … Dahinter befinden sich Vorratsräume und auch der Kühlraum.«

»Wie, Sie haben einen Schlüssel zu der Tür dort …?«

»Nein, den mußten wir uns erst von Mister Smalden holen … Er war dabei, als wir Clark hinüberschafften.«

»Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie Ihnen zumute gewesen sein muß, als Sie Clark wegtrugen«, sagte Parker verständnisvoll. »Nun, sehen wir uns den Kleiderschrank an.«

Er stieß die Tür zu Trotters Kabine auf und warf zuerst einen prüfenden Blick auf die Zigarrenasche, die er auf den Fußboden niedergelegt hatte.

Sie war unversehrt.

Often hatte den Kleiderschrank geöffnet und wollte mit dem Sichten beginnen.

»Mister Often«, sagte Parker da sehr sanft, »lassen wir doch die Anzüge, das ist jetzt nicht mehr so wichtig … Ich weiß inzwischen, wie Trotters ermordet worden ist und wie man ihn an Deck beförderte. Wollen Sie mir nicht sagen, was Sie gestern gegen Mittag in Trotters Kabine gesucht haben …?«

»Das ist eine Lüge«, schrie Often und sprang den Butler wie ein rasendes Tier an …

*

»Aber, aber, mein lieber Often«, sagte der Butler vorwurfsvoll, nachdem er den Steward mit einem seiner bekannten Aufwärtshaken bedacht hatte, »nicht solche Leidenschaft, wenn ich bitten darf … Ich bin schließlich ein älterer Mann, der es mit der Jugend nicht mehr so recht aufnehmen kann.«

Often saß mit angewinkelten Beinen in der Kabinenecke hinter der Tür. Seine Augen waren leicht verglast und seine Arme hingen kraftlos am Körper herunter.

»Falls Sie es nicht allein schaffen sollten, Often, ich bin Ihnen gern behilflich, wieder auf die Beine zu gelangen«, sagte Parker und setzte sich die etwas verschobene Melone wieder gerade. »Man soll mir nicht nachsagen, ich sei nachtragend …«

Often wollte sich nicht so schnell geschlagen geben. Er hatte Parker täuschen wollen. Plötzlich sprang er nämlich hoch, ein Bündel geballter Energie, und drang erneut auf den Butler ein. Diesmal war Often aber wesentlich vorsichtiger. Er wollte seine Kunstgriffe anwenden.

Nun, er hatte sich erneut in Josuah Parker getäuscht. Parker war nicht der Mann, den man mit roher Kraft niederzwingen konnte. Auf einen Trick hin setzte er zwei andere, noch bessere Tricks.

Often kam nicht mehr dazu, sich erneut zu verwundern. Er hatte das zweifelhafte Vergnügen einer kleinen, aber intensiven Luftreise, flog unter leicht prasselndem Krachen gegen die Schranktür und nahm erneut auf dem Boden Platz.

Diesmal dauerte es allerdings wesentlich länger, bis er wieder zu sich kam.

Als Often wieder sehen, denken und handeln konnte, saß der Butler auf dem Rand von Trotters Bett und sog genußreich an seiner Zigarre.

»Darf ich mich nach Ihrem werten Befinden erkundigen?« fragte Josuah Parker. »Übrigens möchte ich an dieser Stelle betonen, daß ich gern bereit bin, Sie ein drittes Mal zu behandeln …«

Often sagte nichts.

Er stand langsam auf und rieb sich den Hinterkopf. Nein, er hatte keine Lust mehr, sich mit Parker herumzuschlagen. Often hatte eingesehen, daß gegen Parker kein Kraut gewachsen war.

»So nehmen Sie doch Platz«, ermunterte der Butler ihn freundlich. »Ich kann mir vorstellen, daß Sie sich etwas müde fühlen … Wenn Sie Wert darauf legen, biete ich Ihnen gern eine meiner Zigarren an.«

»Nein …, nein …«, sagte Often fast entsetzt. »Ich würde lieber eine von meinen Zigarren rauchen.«

»Genieren Sie sich nicht … Nun kommen wir nach dieser kleinen Abschweifung wieder zur Sache, mein lieber Often … Ich war so frei, mich zu erkundigen, was Sie gestern in Trotters Kabine gesucht haben.«

»Sie haben sich geirrt, ich war nicht in der Kabine …«

»Aber liebster, bester Often«, meinte Parker geduldig. »Ich kann mich auf meine Augen verlassen. Ich sah Sie, als Sie die Kabine verließen. Logischerweise müssen Sie demnach in der Kabine gewesen sein.«

»Sie werden kein Wort von mir zu hören bekommen«, sagte Often trotzig und preßte die Lippen zusammen.

»Ich fürchte, Sie unterschätzen Ihre Situation«, erklärte der Butler. »Often, Sie sind dringend verdächtig, Trotters und auch Clark umgebracht zu haben! Zeitlich gesehen, hatten Sie dazu die Möglichkeit …!«

»Dann sperren Sie mich doch ein«, sagte Often wütend. »Ich kann Ihnen nur sagen, daß ich Trotters und Clark nicht ermordet habe. Es wird sich ja herausstellen, daß ich die Wahrheit gesagt habe.«

»Ich verstehe«, sagte Parker sanft. »Sie haben Angst vor dem Mörder, nicht wahr?«

»Unsinn, ich weiß überhaupt nicht, wer der Mörder ist.«

»Ich glaube Ihnen jedes Wort«, meinte Parker in einem leichten Anflug von Spott. »Nun, Sie müssen wissen, ob sich der Mörder an die Vereinbarung hält, die er mit Ihnen geschlossen hat. Im Falle Clark hat er sich allerdings nicht daran gehalten.«

»Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden«, antwortete Steward Often und senkte den Kopf. Jeder andere Mensch hätte in dieser Situation die Nerven verloren.

»Und was halten Sie davon, wenn ich Sie von Kapitän Sanders einsperren lasse …?« erkundigte sich der Butler.

»Bitte, tun Sie es doch.«

»Fühlen Sie sich zwischen vier Wänden sicherer?« fragte Parker.

»Ich habe nichts zu befürchten«, antwortete Often gereizt.

»Nun, dann brauchen wir Sie ja auch nicht einsperren zu lassen«, sagte Parker. »Gehen Sie, Often … und viel, viel Glück … Hoffentlich läßt der Mörder Sie zufrieden.«

Parker hatte gerade noch recht friedlich und gespannt auf dem Bettrand gesessen, aber Bruchteile von Sekunden später schoß er förmlich durch die Luft auf die Kabinentür zu. Often war so verblüfft, daß er den Unterkiefer herunterklappen ließ. Parker riß die Tür auf.

Makler Vellers, der auf der anderen Türseite gelauscht hatte, stand vollkommen perplex im Gang und wußte kein Wort zu sagen.

»Ich hörte meinen Namen«, behauptete der Butler. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«

»Wie …? Eh …, was wollen Sie eigentlich …«

»Selbstverständlich, Sir«, sagte Parker. »Dann muß ich mich wohl geirrt haben.«

Vellers nickte, wandte sich um und ging zurück zur Treppe, die hinauf zum Deck führte. Often hatte sich inzwischen wieder gefangen, nachdem Parker sich umgedreht hatte. Sein Gesicht war ausdruckslos.

»Lassen Sie sich nur nicht aufhalten, Often«, meinte der Butler. »Ach, richtig, Sie wollen ja noch feststellen, welcher Anzug im Kleiderschrank fehlt …!«

Often entfernte die Reste der Kleiderschranktür und beschäftigte sich mit der Garderobe des Ermordeten.

»Ich bin gespannt, zu welchem Ergebnis Sie gekommen sind«, sagte Parker, als Often sich ihm zuwendete.

»Sir, es fehlt kein Anzug«, sagte Often, der selbst überrascht zu sein schien.

»Sind Sie sicher?«

»Vollkommen sicher, Sir. Es fehlt kein Anzug. Darauf würde ich jeden Eid leisten.«

»Sehr schön, demnach dürfte Trotters nackt gewesen sein, als er über Bord fiel«, sagte Parker mehr zu sich selbst. »Ich finde, daß der Mörder etwas zu sehr überhastet gearbeitet hat … Nun, ich habe keinen Grund, ihn deswegen zu tadeln. Mister Often, ich danke Ihnen für Ihre Mitarbeit.«

»Ich kann gehen?«

»Aber selbstverständlich …, ich hätte ja noch nicht einmal die Amtsbefugnisse, Sie festzuhalten.«

Often verließ die Kabine, während Parker erst später folgte. Das Gespräch mit dem Steward hatte ihn sehr angeregt. Er ging leichtfüßig über Deck bis er Rander traf, der gerade aus dem Mannschaftslogis kam.

»Na, was haben Sie denn herausgefunden?« fragte Rander.

»Um Himmels willen, Sir, ich habe erst gar nicht danach gefragt«, erwiderte der Butler. »Ich hatte mit Often zu tun … Hoffentlich sind Sie zu einem Ergebnis gekommen?«

»Es steht einwandfrei fest, daß Clark das Logis verlassen hatte«, sagte Mike Rander kopfnickend. »Er war es, den Sie gesehen haben müssen. Zeitlich fügt sich das ineinander.«

»Daraus ließ sich folgern, daß der Mörder nur sehr wenig Zeit hatte, Clark zu ermorden«, sagte Parker. »Mein Abstand zu Clark betrug höchstens – zeitlich gesehen – eine Minute … Es fragt sich nur, ob Clark vor meinem Niederschlag oder später erstochen wurde.«

»Selbst wenn wir Ihre Ohnmacht mit drei bis vier Minuten ansetzen«, sagte Mike Rander, »dann war die Zeit für den Mörder immer noch recht knapp.«

»Sie reichte selbst für den Steward Often aus, der für fünf Minuten den Anrichteraum verlassen hatte«, sagte Butler Parker. »Sir, wir sollten uns ausführlich über Often unterhalten … Hoffentlich unterschätzt der Mann nicht die Gefahr, in der er sich befindet …«

»Hoffentlich«, sagte Mike Rander.

»Wir müssen etwas unternehmen, Sir.«

»Setzen wir uns doch in die Bar«, schlug Rander vor. »Ich verdurste förmlich in dieser Hitze …«

*

Da keiner der Schauspielers zu sehen war, mixte Mike Rander zwei scharfe Drinks, versah sie ausgiebig mit Eiswürfeln und schob Parker ein Glas in die Hand.

Es war überraschend, daß Parker sich bedienen ließ, eine Entweihung seiner Berufsauffassung, die er unter normalen Umständen nie zugelassen hätte. Auf der anderen Seite aber bedeutete dies, daß der Butler ein schweres Problem zu durchdenken hatte.

Mike Rander kannte Parker und beschränkte sich darauf, an seinem Glas zu nippen.

»Sir, ich glaube, wir müssen unsere Gedanken umgruppieren », sagte Parker. »Dreh- und Angelpunkt bleibt das uns bisher verborgene Mordmotiv … Wir kamen überein, daß ein gewöhnlicher Raub ausscheidet. Mir geht vor allen Dingen ein bestimmter Punkt nicht aus dem Gedächtnis. Warum stahl Clark Salz aus der Mannschaftskombüse, und warum drohte er dem Koch Chi-Fu, wenn er etwas davon sagen würde …?«

»Warum fragen Sie mich?« meinte Mike Rander lächelnd. »Wozu soll man hier an Bord schon Salz brauchen? Ich habe keine Ahnung. Wichtig muß es aber sein, denn umsonst drohte Clark ja nicht …!«

»Mein Instinkt sagt mir, sofern ich mich nicht täusche, daß dieses gestohlene Salz sehr wichtig war, oder ist.«

Rander schwieg und nippte an seinem Glas.

Parker hatte ausdruckslos in eine Ecke der Bar geschaut, plötzlich jedoch kam Leben in ihn. Er setzte das Glas mit dem scharfen Drink ruckartig an die Lippen und goß den Inhalt in sich hinein.

»Sir …«, sagte er dann aufstehend, »ich glaube, des Rätsels Lösung gefunden zu haben.«

»Ich wußte es«, sagte Mike Rander vertrauensvoll. »Es wurde ja auch langsam Zeit.«

»Das gestohlene Salz sollte einen anderen Stoff ersetzen. Ich erinnere Sie an einschlägige Fälle aus Ihrer Berufspraxis …«

»Donnerwetter, Parker«, sagte Mike Rander und sprang ebenfalls hoch. »Sie haben vollkommen recht.«

»Das gestohlene Salz sollte an die Stelle von Rauschgift gesetzt werden«, redete Parker weiter. »Das Mordmotiv kann nur Rauschgift sein … Danach hat man auch in Trotters Kabine gesucht.«

»Sollte Trotters Rauschgift geschmuggelt haben?« fragte Mike Rander überrascht.

»Ich würde die Frage anders formulieren«, antwortete Parker. »Abgesehen von den Gästen Stranders, wäre er der einzige Angestellte gewesen, der die Mittel hatte, um Rauschgift aufzukaufen.«

»Sehr richtig, aber das eröffnet uns ja völlig neue Perspektiven«, sagte Mike Rander. »Wegen einiger Gramm Gift wird der Mörder bestimmt nicht zwei Menschen umgebracht haben.«

»Ich denke, Sir, daß wir jetzt vorn im Rennen liegen«, sagte Butler Parker, »und wenn Sie es gestatten, würde ich gern heute abend während des Essens einen Bluff ausspielen.«

»Ich kann mir schon denken, wie dieser Bluff ausfallen wird«, meinte Rander. »Der Mörder wird langsam dazu kommen, Blut und Wasser zu schwitzen …«

*

Es war der zweite Abend auf See, den Butler Parker erlebte.

Steward Strings hatte gegongt. Stranders Gäste, die sich in ihren Kabinen erfrischt und umgezogen hatten, erschienen nacheinander im Salon, um das Abendessen einzunehmen.

Die Stimmung war gedrückt und unheilschwanger. Man stocherte lustlos in dem erstklassigen Essen herum. Wenige Worte nur wurden gewechselt, es war fast so, als getraue man sich nicht, laut zu reden.

Schauspieler Strollen raffte sich endlich auf, und begann mit sonorer Stimme und dezenter Gestik Anekdoten aus seiner Theaterzeit zu erzählen. Er merkte aber recht bald, daß man ihm kaum zuhörte. Die Pointen zündeten nicht recht.

Makler Vellers kümmerte sich sehr um Strander, aber der Schiffseigner war nicht in der Laune, um auf Vellers Worte einzugehen. Er hatte wohl das Gefühl, er müsse sich mit einem Mörder unterhalten. Liz Talbot und Walter B. Winchel, die beiden Leute vom Film, tranken eifrig, als müßten sie einen Kummer hinunterspülen.

Helen Grade schien in der Zwischenzeit geweint zu haben. Trotz aller Retuschen waren ihre Augen gerötet und die Lider geschwollen. Sie hatte wohl Streit mit Strander gehabt.

Kapitän Sanders sah wiederholt auf seine Uhr. Er wartete wohl nur auf den Moment, sich empfehlen zu können.

Mike Rander hingegen aß mit gutem Appetit, während Butler Parker einen völlig teilnahmslosen Eindruck machte.

Er wartete, bis die beiden Stewards das Geschirr abräumten. Strander hob als Gastgeber die Tafel auf, und die Gäste setzten sich in die Rauchnische, um einen Mokka oder einen Drink zu nehmen. Mike Rander wartete auf den Moment, wo sein Butler den geplanten Bluff ausspielen würde.

Vorerst blieb Parker aber stumm wie ein Fisch. Als wenig später Smalden, der Erste Offizier, im Salon erschien, um seinem Kapitän eine Meldung zu überreichen, nickte Rander dem Butler zu. Er hatte wohl nur auf Smalden noch gewartet.

Es war Winchel, der ihm die Einführung unbewußt abnahm.

»Ich will ja nicht neugierig sein«, meinte Winchel mit rauher Stimme. »Aber schließlich möchte man doch wissen, ob Sie bereits weitergekommen sind, meine Herren …«

»Wir haben es mit einem sehr schwierigen Fall zu tun«, erwiderte Mike Rander. »Uns sind eine Fülle von Anregungen zugetragen worden, die alle für sich mehr oder weniger aufschlußreich sind …«

»Kommen Sie uns mit Tatsachen«, sagte Winchel ruppig. »Schließlich stehen wir alle ja immer noch unter Mordverdacht.«

»Der Fall hat vor ganz kurzer Zeit eine entscheidende Wendung genommen«, übernahm der Butler die weiteren Antworten. »Wir kennen jetzt das Mordmotiv … Und durch die Aussage eines Mannes erfuhren wir auch …, aber das gehört ja wohl nicht in die Öffentlichkeit. Aber seien Sie versichert, daß der Fall bald gelöst sein wird … Sehen Sie, wir befinden uns jetzt an Bord einer Yacht. Der Mörder kann also nicht entkommen. Er ist unser Gefangener.«

Die Gäste Stranders sahen sich verdutzt an und tuschelten miteinander.

»Hören Sie mal«, sagte Vellers. »Wenn Sie eine Ahnung haben, wer der Mörder sein könnte, dann tun Sie doch etwas. Dieser Bursche darf auf keinen Fall weiter frei herumlaufen. Das wäre ja lebensgefährlich.«

Man rückte allgemein weiter voneinander ab.

»Sie sprachen da eben vom Mordmotiv«, schaltete sich Strander ein. »Kann man das wenigstens erfahren?«

»Rauschgift«, sagte der Butler schlicht und einfach.

»Liebe Freunde …«, schaltete sich nun Strollen ein. »Hören wir doch weiter zu … Ich glaube, Mister Parker wollte uns noch mehr sagen.«

»Wo befindet sich das Gift denn jetzt?« fragte Vellers, als er wieder etwas ruhiger geworden war.

»An Bord«, erwiderte Parker.

»Das war weiß Gott eine Antwort«, sagte Winchel nervös. »Können Sie sich nicht genauer ausdrücken?«

»Es befindet sich an Bord, und zwar im Besitz des Mörders …«, sagte Parker. »Ich hoffe, daß das deutlich genug ist.«

»Ja, zum Henker, warum veranstalten wir dann nicht eine genaue Durchsuchung der Yacht«, sagte Kapitän Sanders. »Irgendwo muß das Zeug doch zu finden sein.«

»Ich schlage vor, zuerst einmal unsere Kabinen zu durchsuchen«, meldete sich Vellers zu Wort. »Wenn diese Suche negativ ausgegangen ist, sind wir wenigstens von dem lastenden Verdacht befreit …!«

»Entschuldigen Sie, aber das halte ich für sehr naiv«, sagte Strollen lächelnd. »Der Mörder wird dieses Gift bestimmt nicht in seiner Kabine aufbewahren.«

»Mister Strollen hat durchaus recht«, erklärte Butler Parker. »Der Mörder hat das Gift an einem sicheren Platz untergebracht.«

Rander und Parker brauchten wieder minutenlang nicht den Mund zu öffnen. Das Stimmengewirr war noch lauter geworden. Parker beobachtete Often und Strings, die beiden Stewards, die an der Bartheke standen und ungeniert zuhörten.

»Mister Rander«, bat Strander endlich, als etwas Ruhe eingekehrt war, »können Sie nicht noch etwas ausführlicher werden?«

»Tut mir schrecklich leid«, erwiderte Mike Rander. »Das würde unsere Arbeit stören … Wir würden vor allen Dingen einen Menschen an Bord in Gefahr bringen, der uns ausgezeichnete Hinweise gegeben hat. Dieser Mann darf mit Recht erwarten, daß wir seine Bitte um Diskretion respektieren.«

»Darf ich Ihnen an dieser Stelle noch einige Verhaltensmaßregeln geben«, sagte der Butler. »Verschließen Sie bitte fest Ihre Kabinen und verlassen Sie sie nicht vor Anbruch des Tages … Diese Warnung richte ich an alle, die sich hier im Salon befinden …, ich schließe Strings und Sie, Often, nicht davon aus … Sie wissen, was ich meine

Die letzten Worte hatte Parker in einem Ton gesprochen, den man ausschließlich auf Often, aber auch auf alle Anwesenden beziehen konnte.

»Selbstverständlich werden wir dafür Sorge tragen, daß nichts geschieht«, sagte Mike Rander jetzt. »Kapitän Sanders, bitte informieren Sie auch die Mannschaft.«

»Verdammt …«, stieß Makler Vellers hervor, »wenn Sie eine Ahnung haben, wer der Mörder ist, warum setzen Sie den Kerl nicht fest … Soll denn noch ein dritter Mord passieren?«

»Ihre Frage, Sir, ist wirklich berechtigt«, sagte der Butler treuherzig. »Die Indizien sprechen gegen den betreffenden Mann, aber die wirklichen Beweise fehlen noch … Und es ist das Prinzip von Mister Rander, ohne …«

»Was scheren uns die Prinzipien von Mister Rander«, sagte Vellers unter dem Beifall der Versammelten. »Wir wollen keinen dritten Mord erleben.«

»Mister Rander …«, sagte nun auch Strander, »ich muß Vellers recht geben. Es wäre zu leichtsinnig, den Mörder weiter frei herumlaufen zu lassen. Dieses Risiko können wir nicht eingehen.«

»Nun gut, dann muß Mister Rander entscheiden«, sagte Butler Parker betroffen. »Ich bin nur sein Angestellter, dem es nicht zusteht, Entschlüsse von solch schwerwiegender Bedeutung zu fassen.«

»Einverstanden«, sagte Mike Rander nach gespieltem Zögern. »Aus Gründen der Sicherheit werde ich den Namen des Mannes preisgeben, der den Indizien zufolge die beiden Morde ausgeführt hat …«

Es war selbstverständlich, daß Mike Rander eine Kunstpause von beträchtlicher Dauer einlegte.

Strander atmete erregt und war aufgestanden.

Kapitän Sanders hatte sein Kinn vorgeschoben und schien seine Muskeln zu spannen.

Vellers, der Makler, kämpfte gegen eine fürchterliche Unruhe an. Seine Hände schlossen und öffneten sich wieder in schnellem Rhythmus.

Der Schauspieler Strollen hatte sich vorgebeugt wie ein strafender Richter, der gerade ein Verdammungsurteil ausgesprochen hat.

Walter B. Winchel, der Filmproduzent, atmete hörbar und fast keuchend. Die beiden Frauen standen dicht vor einem Schreikrampf und hatten ihre kleinen Fäuste bereits sicherheitshalber gegen die Lippen gepreßt.

Smalden, der Erste Offizier und Mädchen für alles an Bord, stand sprungbereit an der Tür. Er leckte sich nervös die Lippen.

Steward Strings hatte sich halb hinter die Theke geschoben und war sichtlich in Deckung gegangen. Er wollte wohl nicht riskieren, von dem Mörder angesprungen zu werden.

Often, der andere Steward, hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Er starrte Parker wie eine Erscheinung an. Ob Often gemerkt hatte, wie geschickt der Butler ihn in die Enge hineinmanövriert hatte? Ahnte Often, was geschehen würde …?

»So sagen Sie schon endlich den Namen«, fauchte Vellers plötzlich los und schlug mit der Faust krachend auf den Tisch. »Den Namen will ich hören, Rander …!«

»Often …«, sagte Mike Rander absichtlich leise.

»Nein …«, schrie der Steward sofort. »Das ist nicht wahr … Ich protestiere! Hilfe … Hilfe …!«

Ja, er hatte sich selbst die Suppe eingebrockt, die er jetzt auszulöffeln hatte …

Smalden hatte Often angesprungen und wurde dabei von Vellers unterstützt, der sehr schnell vom Tisch losgekommen war. Mike Rander und der Butler hatten es nicht sonderlich eilig, Often beizustehen.

Die Frauen schrien durcheinander, Strander wollte sich Gehör verschaffen, Strollen mahnte vollkommen nutzlos zur Ruhe, während Kapitän Sanders sich die Ärmel der Dienstjacke hochstreifte und dann eingriff. Er besorgte das so gründlich, daß er wenige Sekunden später einen vollkommen ausgewrungenen Often am Kragen hielt.

»Kapitän«, sagte Parker, »verfügen Sie an Bord über einen sicheren Raum, den wir als improvisiertes Gefängnis benutzen können?«

»Ich nehme ihn mit rauf auf die Brücke und sperre ihn in den Kartenraum«, schlug der Kapitän vor.

»Wie steht es denn mit den Wirtschaftsräumen?« fragte Parker. »Ich habe dort einen Raum entdeckt, in dem die Trinkwasserbehälter angebracht sind …, keine Fenster, keine Bullaugen. Dort dürfte Often vollkommen sicher sein.«

»Kommen Sie, Kapitän«, sagte Rander schnell, bevor andere Vorschläge gemacht werden konnten. »Sie sind doch einverstanden, Sanders, wie …?«

»Ja, natürlich …«

»Gaben Sie nicht gerade Ihre Zustimmung, Sir?« wendete sich der Butler an Strander, der automatisch nickte. Bevor sich die allgemeine Aufregung im Salon gelegt hatte, wurde Often bereits von Mike Rander, Smalden und Butler Parker in das Behelfsgefängnis gebracht. Often protestierte unterwegs gegen die Verhaftung, beteuerte seine Unschuld und war erst still, als sich die Stahltür seiner Behelfszelle geschlossen hatte.

»So, der Schlüssel …, tja, was machen wir mit ihm …?« fragte Mike Rander und wog ihn in der Hand. Er hatte ihn von Smalden erhalten, schien aber keine Lust zu haben, ihn zurückzugeben.

»Den nehme ich an mich«, sagte Smalden und griff schnell nach dem Schlüssel.

Mike Rander ließ ihn sich ohne weiteres aus der Hand nehmen.

»Sollten wir vielleicht eine Wache aufstellen?« fragte Parker.

»Also, von meinen Leuten kann ich keinen entbehren«, sagte Smalden. »Wenn Sie mich fragen, so erübrigt sich die Wache … Diese Tür kann keiner knacken.«

»Da haben Sie sicher recht«, antwortete der Butler mit einem solch scheinheiligen Augenaufschlag, daß Rander um ein Haar laut aufgelacht hätte …

*

»Ganz wohl in meiner Haut ist mir nicht, Parker«, sagte Mike Rander, als sie sich in seiner Kabine befanden. »Falls Often wirklich nicht der Mörder ist, und das müssen wir wohl unterstellen, weil er sich gerade so verdächtig gemacht hat, dürfte er sich in größter Gefahr befinden … Der wahre Mörder muß annehmen, daß Offen ihm auf die Schliche gekommen ist. Er wird alles daransetzen, Offen zu ermorden …, von uns, Parker, ganz zu schweigen.«

»Ich gebe zu, daß wir hoch spielen«, sagte Parker nachdenklich, »aber wie sollen wir sonst den Mörder aus seiner Reserve herauslocken.«

»Wir beide werden natürlich Offen bewachen müssen.«

»Sir, das wollte ich Ihnen allerdings auch vorschlagen … Often darf dem Mörder nicht ausgeliefert werden. Aus welchem Grund mag er wohl seine Aussage verweigert haben? Darüber zerbreche ich mir den Kopf.«

»Vielleicht ist er von dem Mörder bestochen worden …«

»Das wäre eine durchaus denkbare Möglichkeit«, gab der Butler zurück. »Allerdings geben mir die verweinten Augen der kleinen Miss Grade zu denken.«

»Sie glauben an einen Flirt zwischen der Grade und Often?«

»Das würde die Verschwiegenheit Oftens erklären. Ein Mann wird früher oder später zu reden beginnen, wenn er in einen Mordfall verwickelt worden ist … Er wird aber konsequent schweigen – allerdings auch nur bis zu einem gewissen Punkt – wenn es darum geht, die Ehre einer Frau zu schützen.«

»Das haben Sie sehr nett umschrieben«, sagte Rander lächelnd. »Einigen wir uns jetzt erst einmal über die Reihenfolge unserer Nachtwache … Da fällt mir ein, Parker, wir dürfen natürlich auch nicht den Kabinengang unbewacht lassen.«

»Sir …«, protestierte der Butler, »wollen wir dem Mörder keine Möglichkeit zur Entfaltung geben …?«

»Sie glauben also, daß der Mörder hier in den Gästekabinen zu suchen ist?«

»Ich möchte es annehmen«, erwiderte der Butler. »Selbstverständlich wäre es sehr schön, wenn wir den Kabineneingang ungesehen beobachten könnten … das heißt …«

»Was haben Sie denn jetzt gerade wieder ausgekocht?« wollte Rander wissen.

»Mir fiel gerade ein, wie wir den Korridor bewachen können, ohne anwesend zu sein«, sagte Josuah Parker. »Sie können sich wie immer vollständig auf mich verlassen, Sir …!«

»Schön, dann werde ich mich jetzt mal für die ersten zwei Stunden unter Deck zu Often bemühen, sagte Rander. »Ich erwarte Sie so gegen 23 Uhr.«

»Sir, ich werde es nicht versäumen, pünktlich zur Stelle zu sein. Darf ich mich erkundigen, ob Sie eine Waffe mitführen?«

»Worauf Sie sich verlassen können«, meinte Mike Rander und lachte grimmig auf. »Also, Parker, machen Sie es gut …«

Nachdem Mike Rander gegangen war, betrat auch der Butler das Deck und näherte sich auf Umwegen der Salonküche, die jetzt unbesetzt war. Er verschwand in dem guteingerichteten Raum, erschien aber schon nach wenigen Minuten wieder an Deck.

Ohne gesehen zu werden – wenigstens glaubte Parker, daß es so war – huschte er zurück zu den Kabinen und betrat seinen Raum. Er legte die Melone ab, setzte sich korrekt in den weichen Sessel und achtete auf die Geräusche, die wenig später auf dem Deck zu hören waren.

Nacheinander gingen die Gäste vorbei, um sich in ihre Kabinen zurückzuziehen. Die warnenden Worte Randers und Parkers hatten ihre Wirkung nicht verfehlt.

Parker registrierte die Eingänge.

Zuerst kam Schauspieler Strollen und der Makler Vellers. Ihre Stimmen waren deutlich zu unterscheiden.

Wenig später plapperte Helen Grade auf dem Gang, sie schien keinen Kummer mehr zu haben. Auch ihre Tür schloß sich, ebenfalls die von Liz Talbot, die zusammen mit Helen Grade nach unten gekommen war.

Wenig später traf dann auch Walter B. Winchel ein, der ebenfalls nach einem kurzen Gespräch mit Liz Talbot in seiner Kabine verschwand. Mister Strander wohnte in einer Deckwohnung und konnte daher von Parker nicht kontrolliert werden.

Parker nickte zufrieden und beeilte sich, um in seine Kabine zu gelangen.

Als er etwa eine Stunde später ein Geräusch hörte, schwang er sich aus seinem Bett und lief leise zur Tür.

Seine Augen weiteten sich vor Staunen, als er Helen Grade erkannte, die sich über ihren Pyjama einen bunten Frisiermantel geworfen hatte und bereits die Treppe zum Deck erreicht hatte.

Wohin wollte die Schauspielerin?

Helen Grade war inzwischen auf der Treppe nach oben verschwunden. Parker beeilte sich, um aufzuholen. Als er das Deck erreicht hatte, sah er gerade noch, daß das junge Mädchen seitlich zur Brücke ging und leise gegen die Tür von Standers Deckwohnung pochte.

Parker schüttelte über sich selbst den Kopf.

So etwas hatte er sich eigentlich denken können.

Nun, sie brauchte ihn nicht gerade zu sehen.

Parker, ein Muster von Diskretion, wenn er Wert darauf legte, wendete sich ab und ging schnell wieder nach unten in den Kabinengang, um seine Wache erneut aufzunehmen. Ob auch andere Gäste das Öffnen der Tür gehört haben mochten?

Parker vergewisserte sich, daß alles in bester Ordnung war. Umsonst hatte er ja nicht gewisse Vorkehrungen getroffen. Beruhigt wendete er sich seiner Kabine zu, ohne den Mann zu sehen, der ihn belauerte!

Der Mörder stand bereit, den Butler ins Jenseits zu befördern. Parker ahnte von alledem nichts. Er war im besten Sinne des Wortes arglos.

Und es war sein Glück, daß er seine Absichten änderte.

Parker wollte mit seinem Chef Mike Rander reden. Das hing ursächlich mit dem Unbehagen zusammen, das die rauhe See in ihm verursachte. Doch Parker hätte es niemals zugegeben, daß er gerade jetzt Trost brauchte. Er kam sich bei diesem Seegang, der eigentlich keiner war, wenn man die Dinge objektiv betrachtete, verlassen, hilflos und verdammt vor.

Butler Parker Box 9 – Kriminalroman

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