Читать книгу Der exzellente Butler Parker 32 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 3

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»Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, Mister Parker!« stellte Agatha Simpson mit erhobenem Zeigefinger klar und sah unternehmungslustig auf die grüne Waldlichtung.

»Wie Mylady wünschen«, entgegnete der Butler höflich und reichte seiner Herrin einen leeren Weidenkorb.

»Ich werde mich auf Trüffeln und Steinpilze konzentrieren«, kündigte sie an und stapfte los.

»Sind die nicht herrlich, Mister Parker?« ließ sie sich gleich darauf vernehmen und zeigte auf eine Gruppe Pilze mit weißen Pusteln auf den prachtvollen roten Hüten.

»Falls man nicht gründlich irrt, dürfte es sich um Exemplare der Gattung Amanita muscaria handeln, die auch unter dem Namen Fliegenpilz bekannt ist, Mylady«, warnte der Butler. »Der Genuß ist nicht selten tödlich.«

»Wie auch immer. Hübsch sind diese Bienenpilze auf jeden Fall«, reagierte Lady Agatha enttäuscht und setzte die Suche fort.

Parkers Aufmerksamkeit wurde in diesem Moment von einem Gebilde gefesselt, das auf den ersten Blick wie der olivgrüne Hut eines großen Pilzes wirkte. Doch dieser »Pilz« bewegte sich...

Entschlossen beseitigte der Butler letzte Zweifel am Wesen des merkwürdigen Gebildes, das sich langsam unter den tiefhängenden Zweigen einer jungen Fichte herausschob, indem er mit gewissem Nachdruck seinen schwarzen Lacklederschuh daraufsetzte. Der halb erstickte Jaulton, der postwendend unter der grünlichen Halbkugel aus dem Waldboden quoll, hörte sich eindeutig menschlich an.

»Was ist denn da los, Mister Parker?« wollte die ältere Dame wissen und kam erwartungsvoll näher. Argwöhnisch musterte sie den ungewöhnlichen Fund, der sich heftig zu schütteln begann, sobald Parker den Fuß zurückzog.

»Los, treten Sie raus aus dem Dickicht!« unterbrach die passionierte Detektivin das Schnauben zu ihren Füßen. »Sie sind umstellt. Gegenwehr ist zwecklos.«

Zögernd kam das unbekannte Wesen der Aufforderung nach. Unter dem olivgrünen, mit Zweigen besteckten Stahlhelm erschien ein lehmverschmiertes, mit Tannennadeln gespicktes Gesicht.

Nach und nach schob sich der athletisch gebaute Körper eines jungen Mannes aus dem Dickicht. Der Fremde steckte in einer Art Kampfanzug aus grünlichem Tuch und war mit einem Infanteriegewehr älterer Bauart ausgerüstet.

»Was sagen Sie dazu, Mister Parker?« verwunderte sich Agatha Simpson. »Durch Wachsamkeit und Taktik habe ich einen hinterhältigen Anschlag auf mein Leben vereitelt.«

»Quatsch!« knurrte der Mann und raffte sich mühsam auf, derweil Parker vorsorglich das Gewehr an sich nahm. »Ich wollte von Ihnen doch gar nichts. Aber Sie hätten mir fast das Genick gebrochen.«

»Spielen Sie nicht den Harmlosen, junger Mann!« entgegnete die resolute Dame, während der Unbekannte seinen Nacken massierte. »Gangster Ihrer Sorte erkenne ich immer.«

»Gangster?« wiederholte der Mann unter dem Stahlhelm. »Das ist eine Beleidigung, Madam.«

»Was eine Beleidigung ist, weiß ich besser«, sagte Mylady in einem Ton, der jeden Widerspruch als gefährlichen Leichtsinn erscheinen ließ. »Wenn Sie nicht unverzüglich mit der Wahrheit herausrücken, müßte ich mich beleidigt fühlen. Und das hätte unangenehme Folgen für Sie.«

»Was meine Wenigkeit aus reicher Erfahrung nur bestätigen kann«, fügte der Butler mit einer angedeuteten Verbeugung hinzu.

»Moment mal, was wird hier eigentlich gespielt?« erkundigte sich der Fremde irritiert.

»Gespielt wird überhaupt nicht, junger Mann«, fuhr Agatha Simpson ihm über den Mund. »Das Verhör ist bitterernst. Ich möchte sofort die Wahrheit ...«

»Was für eine Wahrheit wollen Sie denn eigentlich hören, Madam?« unterbrach der Mann im Kampfanzug gereizt.

»Daß Sie sich heimtückisch angepirscht haben, um mich durch einen Schuß aus Ihrem Gewehr ins Jenseits zu befördern!« grollte Mylady.

»Unsinn«, widersprach der Entwaffnete. »Das Gewehr ist ja nicht mal geladen.«

»Der dreiste Lümmel lügt wie gedruckt, Mister Parker«, ereiferte sich die ältere Dame. »Aber eine Kriminalistin führt man nicht hinters Licht.«

Mit grimmiger Miene stellte sie ihren Pilzkorb weg, um den perlenbestickten Pompadour besser handhaben zu können. Dabei handelte es sich um einen ledernen Beutel, der mit den zierlichen Damenhandtäschchen der Jahrhundertwende nicht viel mehr als den Namen gemein hatte.

Myladys Pompadour enthielt auch keine Toilettenartikel, sondern ein veritables Pferdehufeisen, das sie zärtlich ihren »Glücksbringer« nannte. Aus humanitären Gründen war es in eine dünne Lage Schaumstoff gewickelt.

»Nichts liegt meiner bescheidenen Wenigkeit ferner, als Mylady zu widersprechen«, meldete sich Parker in diesem Moment zu Wort. »Dennoch sieht man sich zu der Mitteilung genötigt, daß das Gewehr des Herrn tatsächlich nicht geladen ist.«

»Dann hat der Lümmel die Munition schnell in die Tasche gesteckt, als er sich entdeckt fühlte«, behauptete Lady Agatha unbeeindruckt. »Durchsuchen Sie ihn, Mister Parker.«

»Finger weg!« knurrte der Mann. »Das geht entschieden zu weit.«

Der Bedauernswerte ahnte nicht, daß er mit dieser widerborstigen Äußerung zu weit gegangen war – jedenfalls nach Agatha Simpsons Meinung. Als der Fehler ihm bewußt wurde, war es schon zu spät.

Die ledernen Halteriemen des Pompadours durchschnitten die Luft. Ein dumpfer Ton erschwoll, als Myladys sogenannter »Glücksbringer« sein Ziel erreichte.

Stöhnend verdrehte der Unbekannte die Augen und sackte zusammen wie eine Marionette.

Nach dieser »kleinen Belehrung«, wie Agatha Simpson den Vorgang lächelnd nannte, ließ der Mann es widerspruchslos geschehen, daß Parker seine Taschen durchsuchte. Patronen kamen zur Enttäuschung der Detektivin allerdings nicht zum Vorschein.

*

»Verdammt, mein Schädel«, brummte der Stahlhelmträger, als er wieder zu sich kam.

»Seien Sie nicht so wehleidig, junger Mann!« reagierte die resolute Dame ungerührt.

»Das werden Sie büßen«, schwor der Unbekannte. »Anzeigen werde ich Sie.«

»Wollen Sie sich etwa bei der Polizei darüber beklagen, daß Sie durch eine kleine Lektion daran erinnert wurden, wie man sich in Gesellschaft einer Dame benimmt?«

»Kleine Lektion?« wiederholte ihr Gegenüber vorwurfsvoll.

»Ich kann auch anders, junger Mann«, teilte Lady Agatha gelassen mit und ließ neckisch ihren Pompadour wippen.

»Was meine Wenigkeit nur mit allem Nachdruck bestätigen kann«, meldete Parker sich zu Wort. »Es dürfte in Ihrem wohlverstandenen Interesse liegen, wahrheitsgemäß auf Myladys Fragen zu antworten, Mister ...?«

»Walker. Patrick Walker«, nannte der Mann seinen Namen. »Aber was denn für Fragen, verdammt noch mal?«

»Auf der Stelle will ich wissen, wer Sie in Marsch gesetzt hat.« Mylady stampfte ungeduldig mit dem Fuß. »Welche Kreatur hat Sie beauftragt, mich heimtückisch zu ermorden?«

»Niemand«, gab Walker mit deutlichen Anzeichen von Irritation zurück. »Ich wollte ...«

»Der Lümmel will sich herausreden, Mister Parker«, wandte Agatha Simpson sich grollend an ihren Butler. »Ich denke, ich werde ihn einer verschärften Behandlung unterziehen.«

»Das sind doch alles Hirngespinste«, protestierte Walker. »Ich kenne Sie ja nicht mal.«

»Eine Kriminalistin führt man nicht aufs Glatteis, junger Mann«, beschied ihn die ältere Dame. »Die Situation war eindeutig. Sie können froh sein, daß ich keine Notwehr angenommen habe.«

Selbst die Lehmkruste in seinem Gesicht konnte nicht verbergen, daß Walker bei diesen Worten ausgesprochen blaß wurde.

»Öffnen Sie Ihren Mund«, verlangte die Detektivin. »Wie heißt Ihr Auftraggeber?«

»Den gibt’s nicht«, beteuerte der Mann mit hilfloser Geste. »Ich hatte überhaupt keine Absicht, Ihnen was zu tun, Madam.«

»Unter diesen Umständen darf man möglicherweise auf eine plausible Erklärung hoffen, was Ihre nicht alltägliche Art angeht, sich in der freien Natur zu bewegen, Mister Walker«, griff Parker in das festgefahrene Frage- und Antwort-Spiel ein.

»Ich bin Mitglied in einem Sportclub«, gab der Mann im Kampfanzug Auskunft. »Heute nachmittag stand eine Geländeübung auf dem Plan.«

»Das muß ja ein merkwürdiger Verein sein, der seine Mitglieder mit Stahlhelm und Gewehr durch den Wald schickt«, höhnte Agatha Simpson. »Habe ich so was schon mal gehört, Mister Parker?«

»Mylady dürften gelegentlich von sogenannten Wehrsportgruppen erfahren haben«, gab der Butler zur Antwort. »Vereinigungen der genannten Art dienen jedoch weniger der körperlichen Ertüchtigung als der Durchsetzung politischer Ziele, die man nur als radikal bezeichnen kann und muß.«

»Keine Belehrungen, Mister Parker«, winkte Mylady ab. »Natürlich weiß ich, was eine Lehrsportgruppe ist.«

»Verzeihung, Mylady«, korrigierte Parker mit höflicher Verbeugung. »Man war so frei, von Wehrsportgruppen zu sprechen, falls der Hinweis erlaubt ist.«

»Nichts anderes habe ich doch gesagt, Mister Parker«, behauptete Agatha Simpson umgehend und wandte sich wieder dem Mann im Stahlhelm zu: »Sie geben also zu, ein politischer Krimineller zu sein?«

»Ich ein Krimineller?« entrüstete sich Walker. »Ich sagte Ihnen doch, daß ich Mitglied in einem Sportclub bin.«

»... der illegale Ziele verfolgt«, ergänzte Mylady.

»Nicht die Spur, Madam«, versicherte Walker treuherzig. »Wenn Sie’s nicht glauben, kann ich Sie ja zum Commander führen.«

»Commander?« wiederholte die Detektivin.

»Eigentlich heißt er Eric Millstone und ist unser Übungsleiter«, erläuterte Walker. »Aber wir nennen ihn Commander.«

»Eine bemerkenswerte Gepflogenheit für Mitglieder eines Sportclubs«, ließ der Butler sich vernehmen. »Falls man nicht sehr irrt, dürfte Mylady durchaus interessiert sein, Mister Millstone näher kennenzulernen.«

»Selbstverständlich, Mister Parker«, nickte die ältere Dame. »Ich werde diesen Mister Killbone unter die Lupe nehmen.«

»Millstone, Madam«, meldete Walker sich schüchtern zu Wort. »Nicht Killbone.«

»Reden Sie, wenn Sie gefragt werden, junger Mann«, reagierte Agatha Simpson frostig.

Wenig später saß Parker am Steuer seines hochbeinigen Monstrums, Patrick Walker auf dem Beifahrersitz. Mylady teilte sich den Fond mit dem üppigen Picknickkorb, dessen Inhalt noch unberührt war.

»An der Waldarbeiterhütte rechts ab und dann immer geradeaus«, wies Walker den Weg, während Lady Simpson sich eingehend einer knusprig gebratenen Hühnerkeule widmete.

*

»Ich hoffe, Sie haben alle nötigen Vorkehrungen getroffen, damit ich einen eventuellen Hinterhalt erkenne, Mister Parker?« vernahm der Butler Agatha Simpsons Stimme.

»Mylady rechnen mit einer Falle?« erkundigte er sich.

»Sie nicht, Mister Parker?«

»Myladys Besuch dürfte für Mister Millstone ohne Zweifel überraschend kommen, falls die Anmerkung erlaubt ist.«

»Wie auch immer, Mister Parker. Ich traue dem Lümmel nicht über den Weg«, erwiderte die passionierte Detektivin, ohne von Walkers Anwesenheit Notiz zu nehmen.

»Mit einem begeisterten Empfang dürfte kaum zu rechnen sein«, bemerkte Parker, während er sein eckiges Gefährt über eine schmale Forststraße lenkte.

»Da ist es schon«, sagte Walker in diesem Moment und deutete nach vorn. »Das ist Oakhill Manor.«

Der Wald öffnete sich. In einer flachen Talmulde war ein burgähnlich befestigter Landsitz auszumachen, der nach Parkers Einschätzung aus dem 18. Jahrhundert stammte. Die Gebäude machten einen leicht heruntergekommenen, aber durchaus wehrhaften Eindruck. Umgeben war das Gemäuer von einem ringförmigen Wassergraben, der von einer offenbar noch intakten Zugbrücke überspannt wurde.

Mit Besuch schien Eric Millstone nicht zu rechnen. Der Wachposten, der es sich auf einem Mauervorsprung neben dem Tor in der Sonne bequem gemacht hatte, schreckte erst aus seinem Schlummer, als das hochbeinige Monstrum schon über die Brücke rollte.

»Was halte ich denn davon, Mister Parker?« fragte die ältere Dame irritiert, während der Butler sein altertümlich wirkendes Vehikel auf dem gepflasterten Innenhof zum Stehen brachte.

»Mylady dürften sich auf einer Art Exerzierplatz befinden, sofern der Augenschein nicht trügt«, gab Parker zur Antwort.

Schätzungsweise drei Dutzend junger Männer waren in Reih und Glied auf dem Burghof angetreten. Sie hatten ihre Gewehre geschultert und trugen Kampfanzüge und Stahlhelme wie Patrick Walker.

Wie elektrisiert fuhr der untersetzte Mittfünfziger, der das Kommando führte, auf dem Absatz herum und sah den Ankömmlingen mit unverhohlenem Mißtrauen entgegen.

»Das ist der Commander«, erklärte Walker, der sich nicht besonders wohl in seiner Haut zu fühlen schien.

»Mylady halten nach wie vor an der Absicht fest, Mister Millstone einer Befragung zu unterziehen?« erkundigte sich der Butler vorsichtshalber.

»Selbstverständlich, Mister Parker«, erwiderte die resolute Dame. »Ich werde diesem Killbone und seiner Privatarmee schon zeigen, was eine Harke ist. Oder zweifeln Sie daran?«

»Keineswegs und mitnichten, Mylady«, versicherte Parker und verließ in würdevoller Haltung das Fahrzeug.

In seinen dezent gestreiften Beinkleidern, mit schwarzem Covercoat und Melone, den altväterlich gebundenen Regenschirm am angewinkelten Unterarm, stellte Josuah Parker das Urbild eines hochherrschaftlichen Butlers dar.

Makellose Umgangsformen korrespondierten mit seinem äußeren Erscheinungsbild. Das glatte, alterslos wirkende Gesicht spiegelte nur selten eine Gefühlsregung wider.

Steif, als hätte er einen Ladestock

verschluckt, schritt Parker zur Fondtür und half seiner Herrin diskret beim Aussteigen.

Lady Agatha, die die Sechzig längst überschritten hatte, war eine Erscheinung, die man nur als beeindruckend bezeichnen konnte. Zudem wußte sie sich mit dem Pathos einer Bühnenheroine in Szene zu setzen.

Mylady war mit einem derben Lodenkostüm bekleidet, das zwar nicht der neuesten Mode entsprach, dafür aber ihre ausufernde Leibesfülle einigermaßen bändigte. Ergänzt wurde der Aufzug der steinreichen Witwe durch rustikale Schnürschuhe und eine Hutschöpfung von zeitloser Form. Zwei Hutnadeln, deren Format an Grillspieße erinnerte, steckten in dem phantasievollen Filzgebilde.

Aus den Augenwinkeln registrierte Parker, daß Millstones Truppe sich ausgesprochen diszipliniert verhielt. Die Männer standen stramm und hatten die Blicke ins Leere gerichtet.

Sie rührten sich auch nicht, als Agatha Simpson erhobenen Hauptes an ihnen vorüberschritt. Mylady ihrerseits bedachte die Behelmten mit huldvollem Nicken, als handelte es sich um das Abschreiten einer Ehrenformation.

»Mister Patrick Walker war so freundlich, Mylady und meiner Wenigkeit den Weg zu Ihnen zu weisen, Mister Millstone«, sprach Parker den »Commander« an.

Obwohl Millstone sich intensiv bemühte, Haltung und Fassung zu bewahren, war der Ärger, der in seinem Innern brodelte, nicht zu übersehen. Sein Gesicht zeigte ungesunde Rotfärbung. Heftig zuckende Mundwinkel ließen auf eine gewisse Nervosität schließen.

»So, Patrick hat Sie hergeführt«, wiederholte der »Commander« zähneknirschend und bedachte seinen Untergebenen, der wie eine begossener Pudel abseits stand, mit frostigem Blick. »Darf man denn fragen, welchem Zweck Ihr Besuch dient?«

»Zunächst muß ich mich über diesen Rüpel beschweren, Mister Killbone«, nahm Lady Agatha das Wort.

»Millstone«, korrigierte ihr Gegenüber.

»Ich habe Ihren Namen schon richtig gespeichert, Mister Billphone«, entgegnete die Detektivin. »Sie müssen sich verhört haben.«

»Na gut«, ging Millstone einer längeren Diskussion aus dem Weg. »Und was war mit Patrick?«

»Der Schurke hat sich an mich herangepirscht und wolle mich kaltblütig aus dem Hinterhalt erschießen«, breitete Agatha Simpson ihre Sicht der Dinge aus, ohne den verhalten protestierenden Walker eines Blickes zu würdigen. »Als ich ihn dann entdeckt und überwältigt hatte, wollte er sich mit dem dummen Märchen von einem Sportclub herausreden.«

Augenblicklich zeigte Millstones Gesicht einen lauernden Ausdruck. Seine dunklen Augen unter den buschigen Brauen verengten sich zu Schlitzen.

»Was für ein Sportclub?« fragte der »Commander« wie in beiläufigem Ton.

»Das müssen Sie am besten wissen, Mister Killbone«, entgegnete Mylady. »Schließlich sind Sie der Chef, wenn der Lümmel mich nicht belogen hat.«

Millstones Brustkorb hob und senkte sich unter heftigen Atemstößen. Die Rotfärbung seines Teints vertiefte sich.

»Der gute Patrick ist unser Sorgenkind. Er hat die Weisheit nicht gerade mit Löffeln gegessen und redet deshalb manchmal dummes Zeug«, ließ der »Commander« wissen.

»Also hat er mich doch belogen!« grollte Lady Simpson.

»Nicht direkt«, wich Millstone aus. »Am besten sollten wir die Sache in Ruhe unter vier Augen besprechen. Darf ich Sie zu einem Gläschen einladen?«

»Eigentlich rühre ich ja keinen Alkohol an«, schwindelte Mylady ungeniert. »Aber ein Schlückchen würde meinem strapazierten Kreislauf bestimmt guttun.«

»Ihr könnt jetzt in die Unterkünfte abrücken und eure Ausrüstung in Ordnung bringen«, wies der »Commander« seine Leute an. Während die Truppe wortlos dem Befehl Folge leistete, schritt Eric Millstone zu einer Tür, die er seiner Besucherin öffnete.

»Legen Sie Wert darauf, daß Ihr – äh – Butler bei der Unterredung zugegen ist, Mylady?« erkundigte er sich, als Parker sich unaufgefordert anschloß.

»Warum sollte Mister Parker nicht dabei sein?« fragte die passionierte Detektivin überrascht.

»Ja – warum eigentlich nicht?« reagierte Millstone mit einem Lächeln, das ein wenig verkrampft wirkte, und ging voran.

*

»Natürlich sind wir kein gewöhnlicher Sportclub, Mylady«, begann Millstone, nachdem er seinen Gästen Plätze in einer Art Salon angeboten hatte. »Unsere Zielsetzung geht über die körperliche Ertüchtigung weit hinaus.«

»Hervorragend!« bemerkte die ältere Dame mit sichtlichem Wohlgefallen.

Der Gastgeber, der diesen Kommentar auf seine einleitende Äußerung bezog, lächelte geschmeichelt. Daß Mylady nur die Flasche feinen, alten Kognaks meinte, die er gerade entkorkte, entging ihm.

»Darf man möglicherweise erfahren, welche Art von Zielsetzung Sie zu meinen belieben, Mister Millstone?« erkundigte sich Parker, während der »Commander« einschenkte.

»Nun ... äh ...« druckste Millstone herum. »Was wir hier tun, könnte man am ehesten mit dem Begriff ›Sozialarbeit‹ erklären.«

»Eine Mitteilung, die man mit einer gewissen Überraschung zur Kenntnis nimmt, Mister Millstone«, merkte der Butler an.

»Sie werden gleich verstehen, was ich meine, Mister Parker«, erwiderte der Hausherr und erhob sein Glas. »Zuerst wollen wir aber einen Schluck trinken.«

»Eine gute Idee, Mister Billphone«, pflichtete Agatha Simpson dem »Commander« bei und schob ihm ihr leeres Glas hinüber.

»Verzeihen Sie meine Unaufmerksamkeit, Mylady«, entschuldigte sich Millstone. »Ich dachte, ich hätte schon eingeschenkt.«

»Sie machen einen etwas zerstreuten Eindruck, junger Mann«, stellte die Detektivin fest. »Meditation oder autogenes Training würden Ihnen bestimmt guttun.«

»Ja, vielleicht«, erwiderte Millstone verwirrt und schenkte kopfschüttelnd in Myladys Glas.

»Unsere wichtigste Aufgabe sehen wir darin, junge Arbeitslose von der Straße zu holen«, begann er dann seine Erläuterungen.

»Man bittet um Nachsicht, Mister Millstone«, unterbrach Parker. »Wären Sie so freundlich, Mylady näher zu erläutern, wen Sie mit ›wir‹ zu meinen geruhen?«

»Wir – das sind die Mitglieder mehrerer Sportclubs, die sich alle einen schwarzen Stier als Symbol von Stärke und Selbstvertrauen zum Wappentier gewählt haben«, gab der Mann nach kurzem Zögern Auskunft. »Darüber hinaus verfügen wir über eine Reihe fördernder Mitglieder, die unsere patriotischen Ziele unterstützen und überwiegend in Kreisen des britischen Hochadels zu finden sind.«

»Bemerkenswert«, reagierte Mylady, und diesmal wußte selbst der Butler nicht, ob sie den Kognak oder Millstones Ausführungen meinte.

Der Gastgeber schien das Lob wiederum auf sich zu beziehen und fühlte sich zu weiteren Erklärungen ermuntert. Seine anfängliche Nervosität wich einer jovialen Redseligkeit, die schon fast vertraulich wirkte.

»Dabei brauchte es gar keine Arbeitslosigkeit zu geben, wenn unser ›Merry Old England‹ nicht von Ausländern überschwemmt wäre, die unserer Jugend die Arbeitsplätze wegnehmen und ihren Leistungswillen aushöhlen«, plauderte er unbekümmert weiter.

»Das ist eine Ansicht, die ich schon lange vertrete, Mister Billphone«, nickte Agatha Simpson und schob dem Hausherrn mit gewinnendem Lächeln ihr leeres Glas hin.

»Leider trifft man heutzutage nur noch wenige Menschen, die über ein derartiges Maß an gesellschaftlicher Einsicht verfügen, Mylady«, schmeichelte Millstone, der zusehends Oberwasser bekam. »Insofern könnte man es eine glückliche Fügung des Zufalls nennen, daß wir uns kennengelernt haben.«

»Meiner Wenigkeit liegt es fern, Mister Millstone, die von Ihnen erwähnten Probleme gesellschaftspolitischer Art wegzudiskutieren«, meldete Parker sich zu Wort. »Da es bisher jedoch an überzeugenden Lösungsvorschlägen fehlt, wäre man dankbar für einen Hinweis, welche Rezepte Sie anzubieten haben.«

Besonders gelegen schien Millstone diese Frage nicht zu kommen. Er bedachte den Butler mit argwöhnischem Blick, ehe er sich zur Antwort bequemte.

»Wir wollen den jungen Leuten wieder eine Perspektive geben und sie motivieren, aus eigener Kraft den Platz in der Gesellschaft einzunehmen, der ihnen zusteht«, erklärte der »Commander«.

»Eine Absicht, die man nur als ehrenwert und verdienstvoll bezeichnen kann«, erwiderte Parker. »Darf man im übrigen die höfliche Frage anschließen, welche Rolle kriegsmäßige Bewaffnung und paramilitärische Geländeübungen im Konzept der ›Schwarzen Stiere‹ spielen?«

Die steile Falte auf Millstones Stirn vertiefte sich kaum merklich. Hilfesuchend sah er zu Lady Agatha hinüber, doch die ältere Dame dachte nicht daran, die aufmüpfigen Fragen des Butlers zu unterbinden.

»Ein verantwortungsbewußter Patriot sollte im Fall einer akuten Bedrohung für sein Vaterland und seine Ideale eintreten können«, erklärte der Hausherr. »Aber seien Sie unbesorgt! Die Gewehre, mit denen wir die Männer ausgerüstet haben, sind ungeladen und deshalb genauso harmlos wie eine Attrappe. Die ›Schwarzen Stiere‹ sind vaterländisch gesonnene Briten, keine roten Revoluzzer.«

»Sehr beruhigend«, kommentierte Mylady und meinte damit den Kognak.

Millstone jedoch bezog die Äußerung wiederum auf seine abenteuerlichen politischen Vorstellungen und fühlte sich deshalb ermuntert, endlich zur Sache zu kommen.

»Natürlich erfordert die Aufgabe, die wir uns gestellt haben, neben Idealismus auch immense finanzielle Mittel«, schickte er voraus.

»Das erwähnen Sie sicher nicht ohne Grund, Mister Killbone«, mutmaßte die Detektivin, deren Sparsamkeit ebenso sprichwörtlich war wie ihr Reichtum.

»Natürlich nicht, Mylady«, entgegnete der Gastgeber, der den mißtrauischen Unterton anscheinend überhört hatte. »Wer sich so aufgeschlossen für unsere Ziele zeigt, ist bestimmet auch bereit, uns konkret zu unterstützen«.

»Wie meinen Sie das, Mister Killbone?« Der Argwohn in Myladys Stimme wurde überdeutlich.

»Nun... äh…« Millstone wirkte leicht verunsichert, sah aber trotzdem keinen Grund, den eingeschlagenen Weg nicht zu Ende zu gehen.

»Ich dachte an eine Spende, die Ihren finanziellen Möglichkeiten entspricht, Mylady« sagte er. »Sie befänden sich damit in bester Gesellschaft, mit anderen Angehörigen des Adels, denen wir eine großzügige Förderung verdanken.«

»Eine Spende?« wiederholte die sparsame Dame grollend.

»Selbstverständlich können wir Ihnen auch eine Bescheinigung für das Finanzamt ausstellen, falls Sie es wünschen«, schob Millstone eilig nach.

»Das ist ja wirklich die Höhe!« schien Mylady empört. »Sie wollen junge Leute an die Arbeit bringen und wagen es, eine mittellose Witwe schamlos auszubeuten?«

»Aber Mylady!« setzte der Hausherr zu einer Rechtfertigung an.

»Papperlapapp«, fuhr die resolute Dame dazwischen. »Vom ersten Moment an habe ich Sie durchschaut. Und so etwas will Vorbild für die britische Jugend sein.«

Ächzend wuchtete Agatha Simpson ihre Fülle aus dem Sessel und steuerte zum Ausgang. »Mister Parker, ich habe hier nichts mehr zu suchen.«

Eric Millstone sah seine Felle davonschwimmen. Der Zeitpunkt, die Maske des patriotischen Biedermannes fallenzulassen, war gekommen.

»Halt!« brüllte er, sprang auf und eilte zur Tür, um seiner Besucherin den Weg zu verstellen. Sein Pech war, daß er nicht mit Parkers Reaktion gerechnet hatte.

*

Mit ruckartiger Bewegung ließ der Butler den schwarzen Universal-Regenschirm vom angewinkelten Unterarm in die Höhe schnellen. Sekunden später hielt er die Spitze in der schwarz behandschuhten Rechten, und der Bambusgriff beschrieb einen flachen Halbkreis über dem Boden.

Eric Millstone stieß einen völlig unpatriotischen Schrei aus, als die Krücke sich unversehens um seine Fußgelenke ringelte. Umgehend breitete er die Arme aus und schickte sich an, seine Fähigkeiten im Gleitflug zu erproben.

Der Auftrieb, den er durch heftiges Rudern zu erzeugen versuchte, reichte jedoch bei weitem nicht, um der Schwerkraft Paroli zu bieten. Die Folge war, daß der »Commander« die Luftreise im Versuchsstadium abbrach und mit einer harten Landung auf den Fliesenboden aufsetzte. Nur seiner fülligen Statur hatte der bedauernswerte Bruchpilot es zu verdanken, daß die Rückkehr zur Mutter Erde glimpflich abging.

Mit einer Gewandtheit, die jahrelanges Training verriet, rollte sich der Hausherr auf die Seite und faßte blitzschnell in seinen Jackenausschnitt.

Parker, der mit dieser Zuspitzung der Lage gerechnet hatte, war jedoch auf dem Posten und vereitelte die ungastlichen Absichten ebenso gelassen wie wirkungsvoll.

Millstone heulte wie ein liebestoller Wolf bei Vollmond, als er den eindeutig unangenehmen Druck von Parkers schwarzem Lacklederschuh auf seinem Handgelenk verspürte. Bereitwillig spreizte er die Finger und ließ den kurzläufigen Revolver fallen.

Daß die Waffe des »Commanders« im Gegensatz zu den Gewehren seiner Untergebenen geladen war – davon mußte sich der Butler nicht erst überzeugen. Seelenruhig steckte er das stählerne Mordgerät zu sich und gab anschließend die Hand des Hausherrn wieder frei.

»Im Umgang mit Feuerwaffen sollte man sich die größte Zurückhaltung auferlegen, falls die Anmerkung gestattet ist, Mister Millstone«, sagte Parker in seiner höflichen Art. »Sie sind keinesfalls geeignet, eine kultivierte Gesprächsatmosphäre zu schaffen. Im übrigen erlaubt man sich, noch einen möglichst angenehmen Tag zu wünschen.«

»Geschieht dem Schurken recht«, bemerkte Lady Agatha mit verächtlichem Blick auf den lebhaft wimmernden »Commander«, der sich am Boden wand und sein schmerzendes Handgelenk massierte. »Erst bettelte er mich an, und dann will er mich auch noch überfallen und berauben. Ein schöner Sportclub ist das!«

Selbstbewußt nahm die Lady Kurs auf das im Hof geparkte hochbeinige Monstrum. Doch plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen und lauschte.

»Was ist das für ein merkwürdiges Geräusch, Mister Parker?« wollte die ältere Dame wissen. »Es hört sich an, wie bei den Fußballübertragungen im Fernsehen.«

»Falls man nicht sehr irrt, dürfte es sich um Mister Millstone handeln, der mittels einer Trillerpfeife seine Mannschaften alarmiert«, gab der Butler Auskunft und hielt seiner Herrin den Wagenschlag auf.

Schon hörte man im Innern der Gebäude Türen klappen. Eilige Schritte hallten durch lange Gänge.

Als Parker einsteigen wollte, stürmte der erste »Schwarze Stier« schon über den Hof. Ein zweiter folgte ihm auf dem Fuß.

Ohne ein Zeichen von Hast drehte der Butler sich auf dem Absatz um und hielt sein altväterlich gebundenes Regendach dem Angreifer entgegen.

Der temperamentvoll nahende »Stier« schien das Hindernis überhaupt nicht zu bemerken. Das änderte sich abrupt, als die bleigefüllte Spitze neugierig seinen Solarplexus betastete.

Unter Geräuschen, die an eine altersschwache Dampflok erinnerten, gab der Mann schlagartig die Atemluft von sich. Röchelnd knickte er in der Hüfte ein und legte ein paar Sambaschritte aufs Pflaster.

Dabei kam der ungeübte Tänzer jedoch seinem Kollegen ins Gehege, der auf diese Einlage in keiner Weise vorbereitet war und nun Schwierigkeiten mit dem Bremsweg hatte. Der Laut, den der zweite »Stier« beim Aufprall auf den ersten produzierte, hatte nur noch entfernte Ähnlichkeit mit einer menschlichen Äußerung.

Da in diesem Moment fast gleichzeitig drei Türen aufflogen, aus denen die »Schwarzen Stiere« nur so herausquollen, zog Parker es vor, sich ans Lenkrad zu begeben und den Motor zu starten.

Gelassen legte er den ersten Gang ein und ließ das ehemalige Taxi anrollen, da waren die spurtstärksten »Stiere« schon heran. Im Laufen versuchten sie, auf die hintere Stoßstange zu springen, doch dabei zeigte sich, daß der schwarze Kasten nicht annähernd so bieder war, wie er für Uneingeweihte wirkte.

Kenner nannten das Fahrzeug ohnehin ein »Trickkiste auf Rädern« und spielten damit auf die zahllosen Überraschungen an, die das hochbeinige Monstrum bereithielt.

Seit Parker das schwerfällig wirkende Vehikel erstanden und nach seinen Vorstellungen umgebaut hatte, verfügte es zum Beispiel über ein Zusatztriebwerk unter der eckigen Haube, über schußsichere Panzerung und über eine Reihe von Vorrichtungen, die der Abwehr von Verfolgern dienten.

Ein Auge nach vorn, das andere auf den Rückspiegel gerichtet, legte der Butler einen der vielen Kipphebel am Armaturenbrett um, deren Funktion nur ihm selbst bekannt war. Postwendend hüllte eine fettige, pechschwarze Rußwolke das Heck seines Privatwagens ein.

Der Angriffswille der wütenden »Stiere« erhielt durch die undurchsichtige Überraschung einen merklichen Dämpfer. Taumelnd rieben sie sich die rußverschmierten Augen und wurden zusätzlich von krampfartigen Hustenanfällen geschüttelt.

Fluchend ließen Millstones Männer von der Verfolgung ab. Ein paar Geistesgegenwärtige schrien dem Brückenwärter noch zu, er solle gefälligst »dichtmachen«. Doch dafür war es schon zu spät.

Mit einem Hechtsprung brachte sich der Brückenwärter in Sicherheit, als das schwarze Gefährt durch den Torbogen schoß. Als der Mann endlich den schweren Elektromotor in Gang setzte, donnerte der altertümliche Kasten schon über die Bohlen der Zugbrücke.

Die Winde arbeitete schnell, aber nicht schnell genug.

»Hoppla!« entfuhr es Mylady, als der Wagen auf dem Festland aufsetzte.

*

»Was halte ich von diesen ›Schwarzen Ochsen‹, Mister Parker?« erkundigte sich die ältere Dame, als Oakhill Manor hinter einer Straßenbiegung verschwunden war.

»Darf man vermuten, daß Mylady die ›Schwarzen Stiere‹ zu meinen belieben?« vergewisserte sich der Butler.

»Seien Sie doch nicht immer so kleinlich, Mister Parker«, beschwerte sich die ältere Dame. »Wo liegt denn da der Unterschied?«

Sie gab Parker jedoch keine Gelegenheit, den kleinen Unterschied zu erläutern, sondern redete ungebremst weiter, wobei sie den verbliebenen Inhalt des Picknickkorbes einer eingehenden Inspektion unterzog.

»Mister Killbone sollte seinen Männern eine Mindestmaß an Umgangsformen beibringen, wenn er sie zu anständigen Staatsbürgern erziehen will«, meinte die passionierte Detektivin. »Aber wie soll das klappen, wenn sein eigenes Benehmen zur Mißbilligung Anlaß gibt?«

»Mylady gehen davon aus, daß Mister Millstone die Absicht hat, aus den Schwarzen Stieren‹ anständige Staatsbürger zu machen, wie Mylady sich auszudrücken geruhten?« wollte der Butler wissen.

»Eigentlich nicht«, räumte die ältere Dame nachdenklich ein. »Aber warum sonst sollte er diesen ganzen Firlefanz veranstalten?«

»Meine Wenigkeit bedauert, momentan keine schlüssige Antwort auf Myladys Frage geben zu können«, erwiderte Parker. »Dennoch dürften Mylady zweifellos der Annahme zuneigen, daß Mister Millstone seine ehrenhaften Absichten nur vortäuscht, um andere, möglicherweise weniger ehrenhafte, zu verschleiern.«

»Natürlich, Mister Parker«, nickte Agatha Simpson. »Solche Zusammenhänge bleiben einer Kriminalistin nie verborgen.«

»Darf man vermuten, daß Mylady bereits einen konkreten Verdacht hegen?«

»Verdacht ist stark untertrieben, Mister Parker. Für mich steht unumstößlich fest, daß dieser Billphone ein gerissener Betrüger ist.«

»Eine Mitteilung, die man nicht ohne Überraschung zur Kenntnis nimmt, Mylady.«

»Ihnen fehlen Talent und Erfahrung, auf die ich zurückgreifen kann, Mister Parker. Die Sache liegt doch sonnenklar auf der Hand. Pillbone erschwindelt sich Spenden, indem er hilfsbereiten Menschen das Märchen von der Betreuung der Arbeitslosen auftischt.«

»Eine Möglichkeit, die man keinesfalls von vornherein ausschließen sollte, Mylady. Gegebenenfalls ist jedoch der Hinweis gestattet, daß Delikte der genannten Art nicht unbedingt den Aufbau einer Privatarmee erfordert.«

»In seinen bescheidenen Grenzen ist der Lümmel eben doch schlau, Mister Parker. Er will was zum Vorzeigen haben, falls ein Spender mißtrauisch wird.«

»Myladys kühne Theorien erfüllen meine bescheidene Wenigkeit immer wieder mit tiefer Bewunderung.«

»Ihre Bewunderung spricht für Sie, Mister Parker«, gab die passionierte Detektivin geschmeichelt zurück. »Das zeigt, daß Sie die Kühnheit meiner Gedanken begreifen.«

»Man ist immer bestrebt, Myladys leuchtendem Vorbild nach Kräften nachzueifern. Darf man in diesem Zusammenhang die Frage anschließen, wie Mylady weiter gegen Mister Millstone und die ›Schwarzen Stiere‹ vorzugehen gedenken?«

»Das ist kein Fall für mich, Mister Parker. Ich habe Wichtigeres zu tun, als einem kleinen Spendenbetrüger nachzulaufen.«

»Mylady haben nicht die Absicht, Ermittlungen aufzunehmen?«

»Um diesen Kleinkram soll sich die Polizei kümmern. Ich werde mich nur größeren Herausforderungen stellen, Mister Parker. Nach dem Denkzettel werden die ›Schwarzen Ochsen‹ mich ohnehin in Ruhe lassen.«

»Myladys Äußerungen haben ihr Für und Wider. Dennoch sieht man sich bedauerlicherweise genötigt, auf einen kleinen, aber nicht ganz belanglosen Irrtum hinzu weisen.«

»Unmöglich, Mister Parker!« protestierte die Detektivin. »Oder werde ich etwa verfolgt?«

»Nichts anderes gedachte meine Wenigkeit anzudeuten, Mylady.«

»Ich habe die Lümmel natürlich längst bemerkt, Mister Parker«, behauptete die ältere Dame umgehend. »Ich wollte nur prüfen, ob Sie auch wachsam sind.«

»Mylady wünschen konkrete Anordnungen hinsichtlich der Verfolger zu treffen?«

»Machen Sie es kurz, Mister Parker. Ich will mich mit diesem Gesindel nicht länger aufhalten als nötig.«

»Wie Mylady meinen.«

Ein Blick in den Rückspiegel zeigte, daß die Verfolger inzwischen bis auf wenige Wagenlängen aufgeholt hatten. Zwei Männer saßen in dem nicht mehr ganz taufrischen Ford, dessen hellblaue Farbe von Rostflecken übersät war, die aus der Entfernung wie Sommersprossen wirkten.

Der exzellente Butler Parker 32 – Kriminalroman

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