Читать книгу Der Schoppenfetzer und der Tod des Nachtwächters - Günter Huth - Страница 6
ОглавлениеPROLOG
Es waren drei Männer mittleren Alters, die sich, zitternd vor Angst, hinter die dichten Büsche drückten. Mit Verzweiflung im Herzen verfolgten sie die Szene, die sich nur einen Steinwurf von ihnen entfernt im unwirklichen Licht des halben Mondes abspielte. Sie beobachteten die Bewegungen der vier Schergen, die dabei waren, ein ausreichend großes Erdloch auszuheben, um die Leichen der drei Gottesmänner zu verscharren, die sie vor wenigen Minuten erschlagen hatten. Die Mörder waren offenbar angetrunken. Ihre Reden waren unflätig und ihre Motorik grob und fahrig. Es handelte sich um einfache, ungebildete Waffenknechte im Dienste des Herzogs, die ihre grausige Arbeit unberührt ließ. Rohe Gesellen, denen man für diese Mordtat eine für ihre Verhältnisse großzügige Entlohnung gezahlt hatte. Diese Kerle waren es von Jugend an gewohnt, das Schwert todbringend einzusetzen und fühlten keine Gewissensbisse. Im Gegenteil, sie prahlten voreinander mit der Wirkung ihrer Schwerthiebe. Zwischendurch nahmen sie immer wieder Schlucke aus einem Tonkrug, den sie neben dem ausgehobenen Erdhaufen abgestellt hatten. Er enthielt sicher kein Wasser. Fluchend über den steinigen Boden trieben sie die Grube immer tiefer.
Die Zeugen des Geschehens waren bis tief in ihr Innerstes aufgewühlt. Die Todesschreie der drei Erschlagenen hallten noch immer in ihren Köpfen wider. Im Mondlicht konnten sie die gekrümmt auf der Erde liegenden Körper der Ermordeten erkennen. Zutiefst schämten sie sich ihrer Feigheit, die sie daran gehindert hatte, diesen Männern zu Hilfe zu kommen. Aber sie waren keine Kämpfer, nur einfache Bürger, die sich vor nicht allzu langer Zeit durch die Taufe zu der neuen Lehre bekannt hatten. Die Überzeugungskraft der drei irischen Mönche hatte ihrem Leben einen völlig neuen Sinn gegeben, und mit Begeisterung hatten sie den dreien Unterkunft und Nahrung geboten.
Oftmals hatten sie die Iren vor dem Zorn und der Heimtücke der Herzogin gewarnt, deren Ehe mit Gosbert die drei Mönche in aller Öffentlichkeit als gotteslästerlichen Zustand angeprangert hatten. Doch sie hatten sich nicht beirren lassen.
Die Schergen hatten mittlerweile tief genug gegraben. Sie warfen ihre Grabwerkzeuge zur Seite und zerrten die drei Leichen zur Grube, wobei sie über die schweißtreibende Arbeit fluchten. Die Angelegenheit, so hatte man ihnen eingeschärft, musste vor der Morgendämmerung erledigt sein. Niemand am Hofe sollte wissen, was mit den drei Mönchen geschehen war. So konnte die Herzogin behaupten, sie seien bei Nacht und Nebel abgereist.
Nachdem die Männer den Tonkrug ein weiteres Mal hatten kreisen lassen, warfen sie das Erdloch wieder zu und traten den Aushub fest. Als sie eine halbe Stunde später fertig waren, war außer einer frischen Grabstelle und einigen Blutspuren auf der Erde kein Hinweis auf die Mordtat mehr zu erkennen.
Die Mörder wechselten noch einige grobe Worte über die zurückliegende Arbeit, dann schnappte sich einer die Bibel, die sich der Anführer der Mönche vor seinem Tod schützend über den Kopf gehalten hatte. Drei gingen gemeinsam in eine Richtung, einer schlug einen anderen Weg ein.
Die drei Männer hinter den Büschen unterhielten sich flüsternd, dann fassten sie trotz ihrer Angst einen Entschluss. Vorsichtig folgten sie dem einzelnen Waffenknecht, der in Richtung Main marschierte. Sein Gang war der breitbeinige Schritt eines Angetrunkenen.
In einer dunklen Baumgruppe, in deren Schutz ihre Gesichter nicht zu erkennen waren, holten sie ihn ein und umringten ihn überraschend. Der Mann, dessen trainierte Kampfinstinkte durchaus noch funktionierten, griff automatisch zum Schwert, das in einer Lederscheide an seiner linken Seite hing.
Einer der Verfolger hielt entschlossen die Schwerthand fest, die beiden anderen bedrängten den Mörder so eng, dass er sich kaum bewegen konnte.
„Was wollt ihr?“, knurrte der Mann, wobei er eine Wolke stinkender Atemluft ausstieß.
„Gib uns dein Schwert!“, forderte der älteste der drei Bürger, „dann kannst du gehen.“
„Den Teufel werd ich tun“, grölte der Knecht wütend und begann, am Griff seiner Waffe zu zerren. „Ich schlage euch eure verdammten Schädel ein!“
„Beruhig dich“, forderte der Anführer der drei Verfolger laut, um den Tobenden zu übertönen, „hier hast du Geld. Nimm es und gib uns dein Schwert. Für die Summe kannst du dir beim Waffenschmied drei neue anfertigen lassen.“
Das Wort „Geld“ drang zum Verstand des Wütenden durch und er beruhigte sich etwas. Einen Augenblick stand er still und stierte in die Nacht, um seine Gegner zu erkennen. Da dies nicht möglich war, griff er langsam zum Gürtel und löste das Waffengehänge. Polternd fiel das Schwert zu Boden.
„Her mit dem Geld“, knurrte er und griff nach dem Lederbeutel, in dem es metallisch klirrte. Ohne sich noch einmal umzudrehen, trottete er weiter.
Einer der drei Männer hob das Schwert vorsichtig auf und barg es unter seinem Umhang. Schnell entfernten sich die drei und suchten ihre Behausungen auf. Noch in dieser Nacht versteckte der Älteste das Schwert an einem geheimen Ort. Das Blut Kilians klebte noch immer daran.