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II. Erfahrungen

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»Der Meister sagte: »Den ganzen Tag über aß ich nicht und verbrachte die Nacht ohne Schlaf - mit Nachdenken beschäftigt.

Es war sinnlos.

Lernen ist die bessere Methode.««

Konfuzius – Gespräche XV, XXX

Die Besatzung des japanischen Walfängers wurde allmäh­lich ungeduldig. Bereits seit mehr als zehn Minuten schien der junge Brydewal nun schon mit ihnen Verstecken spie­len zu wollen. Jedesmal wenn sie kurz davor waren, ihm die Sprengharpune in den zehn Meter langen Leib zu ja­gen, tauchte er blitzschnell unter, nur um gleich darauf an einer völlig anderen Stelle des Meeres wieder aufzutau­chen.

Sobald der Kutter ihn dann wieder erreicht hatte, wieder­holte sich das Spiel von neuem. Fast schien es so, als ob er über eine ihnen überlegene Intelligenz verfügte, doch das konnte ja nicht sein. – Schließlich war er nur ein Wal!

Und so versuchten die Jäger ihr Glück wieder und wie­der, jedoch ohne Erfolg. Nach einer Stunde Jagd, die sie vom Süden des Japanischen Meeres nach Nordwesten – in Richtung China – führte, wollten sie es schon aufgeben und sich nach einer anderen Beute umsehen, da schien es end­lich zu gelingen.

Als sie ihr Beutetier wieder einmal ins Visier nahmen, tauchte der Wal wieder Erwarten nicht ab, sondern blickte dem Trawler entgegen. Es hatte den Anschein, dass er auf sie wartete.

Die Fischer nutzten die Gelegenheit und schossen.

Sie meinten auch, getroffen zu haben, doch offensichtlich war das ein Irrtum, denn obwohl sie einen deutlichen Wi­derstand verspürten, war auch nach mehreren Minuten noch kein Blut zu sehen.

Sie folgten dem großen Säugetier, das nun tauchte und seine Fluke wie zum Abschiedsgruß noch einmal empor reckte, in ihrem Schlauchboot. Die stets straff gespannte Schnur verriet seinen Weg.

Plötzlich ließ die Spannung nach, der Wal musste direkt vor ihnen sein. Da tauchte er auch schon wieder auf und musterte seine Verfolger aus nächster Nähe.

Die beiden Fischer erzählten ihren Kollegen später, dass sie seine Augen gesehen hätten, die wie zwei Sonnen schie­nen, dann schwamm er davon. Diesmal spannte sich die Schnur nicht, und das Tier machte auch nicht den Ein­druck, verletzt zu sein.

Die Fischer kehrten schließlich ohne Beute auf den Traw­ler zurück. Sie verstanden die Geschehnisse nicht und fin­gen an diesem Tag auch keinen anderen Wal mehr.

*

John hatte sich wieder etwas beruhigt. Doch galt das zu­nächst nur äußerlich. »In drei Tagen..., oder jetzt nur noch in anderthalb, willst du die Menschheit prüfen!«, murmelte er noch immer leicht schockiert.

»Ich will nicht die Menschheit prüfen, ich will nur sehen, ob die Bilder, die wir uns von euch machen, zutreffend sind!«, korrigierte A'ísha ihn in ruhigem Ton. »Und außer­dem bin ich ja nicht allein, mein Bruder ist wie gesagt auch auf der Erde!«

»Na, du machst mir ja Spaß! Was soll das alles? Warum die Geheimnistuerei, gestern mit Melissa und im Tennis-Club, das hättest du doch wohl kaum nötig gehabt! Und die Maskerade! Ich komme aus Schweden! Was sollte das?«

»Ich konnte doch nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, sondern musste mir erstmal einen Überblick verschaffen!«, erklärte sie bestimmt.

»Und? Hast du dir einen verschafft? – Ich persönlich bin nämlich nicht der Ansicht, dass du in der kurzen Zeit aus­reichend viel gesehen hast, um dir ein reelles Bild von un­serer Kultur machen zu können!«

»Habe ich auch nicht«, schüttelte A'ísha den Kopf, »aber die Zeit ist ja auch noch nicht rum!«

»Ah so! Und was steht in der anderen Hälfte der Frist an? Du kannst dir ja schlecht an einem Tag L. A. und San Diego vornehmen, und an einem anderen den gesamten Rest von Amerika! Wie weit sollst du eigentlich gehen?«

Sie war irritiert: »Was heißt wie weit?«

»Na, bis wohin? Nur Amerika oder auch noch andere Staaten, Kanada oder Mexiko...?«

»Das ist nicht genau festgelegt«, ließ sie ihn mit einem kurzen Achselzucken wissen, »die USA auf jeden Fall, wenn es geht auch noch Mexiko..., aber allgemein den ame­rikanischen Kontinent!«

»Wow! Dann hast du ja noch einiges vor dir! Das dürfte zeitlich aber ein bisschen eng werden!«

»Wieso? Ich kann mit meinem ska'ba... – Raumschiff«, verbesserte sie mit einem Lächeln, »so schnell fliegen, dass ich den kompletten Kontinent an einem Tag erkunden könnte, und die Instrumente zeichnen alles auf, liefern Hintergrunddaten und werten die Erkundungstour auch noch aus. Ich muss es nur noch dem Rat präsentieren und meinen eigenen Eindruck schildern!«

»Das mag ja sein, aber warum bist du dann nicht zu einer offiziellen Stelle, wie der SETI oder zur Regierung gegan­gen? Warum diese Geheimnistuerei mit irgendwelchen un­bekannten Leuten, die in ihrem Land nicht mal eine wichti­ge Position innehaben?«

»Weil das die Klientel ist, die ich prüfe! Ich soll einen un­voreingenommenen Bericht abliefern, der von keinerlei po­litischen oder wirtschaftlichen Interessen geleitet ist, und dafür ist mein Lösungsweg gar nicht so schlecht!«

Sie sah ihm mit einem strahlenden Lächeln in die Augen: »Und ich meine, es gibt widrigere Umstände als die, unter denen wir uns kennen gelernt haben, oder?«

John musste an den vorherigen Abend und die Nacht denken: »Oh ja, die gibt es bestimmt! – Aber wenn ich überlege, dass wir quasi gleich am ersten Abend nach dei­ner Ankunft ins Bett gestiegen sind...«

A'ísha zuckte mit den Schultern: »Na ja..., und? Es hat uns beiden gefallen! Was ist dabei?«

»Auch 'ne gesunde Einstellung! – Denken so alle bei euch?«

»Nein, nicht alle! Mein Bruder zum Beispiel ist da auch eher zurückhaltender als ich..., aber es kommt nun mal wie es kommt!«

»Danke, wie wäre es denn, wenn wir jetzt mal weiter­kommen und den Rundgang beenden?«

»Oh ja, entschuldige«, schaute sie ihn belustigt an, »das ist hier bestimmt nicht der ideale Ort zum Geschichten er­zählen!«

Sie stieg eine weitere Treppe hoch, die vier Stufen auf­wies und fest installiert war. Er kletterte hinterher und sah direkt vor sich zwei Türen, eine rechter und eine linker Hand, ähnlich der, die zum Kontrollraum führte.

»Da rechts ist ein WC, genau wie dahinten«, zeigte sie kurz.

Er drehte sich um und erkannte, dass eine zweite Tür auf Treppenhöhe zu einem gleich kleinen Raum, also einem weiteren WC führte.

»Also das Klo immer in Sichtweite«, grinste er, »ihr seid ja richtig menschlich!«

»Ja, unglaublich, nicht?«, erwiderte sie sein Grinsen und drehte sich in die andere Richtung: »Das ist die Wohnabtei­lung, erst kommt das Bad mit Dusche und Waschkabine, daneben die Verpflegung, also Essen und Trinken, und da­hinter sind die Schlafgelegenheiten«, erläuterte sie und fügte lächelnd hinzu: »Für maximal vier Personen.«

»Aha!« Er trat auf eine der Türen zu. Sie öffnete sich, und er riskierte einen Blick ins Innere. Vor ihm lag ein relativ langer, schmaler Gang, der an seiner rechten Seite einen größeren Schrank beherbergte und am Ende in einen groß­en Raum mündete. »Wow, hier drinnen kannst du ja tan­zen!«

»Nun ja, das ist es zwar nicht gerade, was uns so vor­schwebt«, meinte sie vergnügt, »aber wenn man will, dann kann man sicherlich auch das!«

Er schritt auf eines der Betten zu. Alle vier waren zwei­einhalb Meter lang und anderthalb Meter breit. Eine silbri­ge Decke, die nur einen Zentimeter dick aber über zwei Quadratmeter groß war, bedeckte jedes, und ein Kissen lag an dem Wandende eines jeden Bettes.

Er ließ sich auf das erste Bett fallen und stellte fest: »Hier liegt man aber saubequem! Da könnt' ich's auch eine Weile drauf aushalten!«

»Wenn du schlafen willst, von mir aus«, spottete sie, »ich fliege dann mal weiter und wecke dich nachher!«

»Sehr witzig«, gab er zurück, »woraus bestehen die Din­ger denn? Fühlt sich irgendwie nicht so an wie unsere Mat­ratzen!«

»Die Betten bestehen aus einer Art Kunststoff«, erklärte A'ísha, »mit Wasser vermischt und über den Regler an der rechten Seite von »hart' bis »weich' einstellbar.«

John langte direkt an die bezeichnete Seite, fand den Reg­ler und probierte es sofort aus.

»Die Decke besteht ebenfalls aus einer Art Kunststoff«, erklärte sie indes weiter, »und ist dadurch superleicht. Aber durch gewisse Einarbeitungen verhindert sie zuver­lässig, dass der Körper friert oder schwitzt. Es sind kleine Sensoren integriert, die alle Körperfunktionen überwachen. So passt sich die Decke dem Schlafenden und seinen Be­dürfnissen schnell und unmerklich an.«

Er hatte weniger auf ihre Ausführungen geachtet, son­dern inzwischen die vier verschiedenen Stufen des Bettes der Reihe nach eingestellt. Dieses veränderte sich merklich und er meinte: »Wow! Ist ja wie 'ne Massage!«

»Ja, du hast jetzt von »hart' auf »weich' geschaltet, da vollzieht das Bett die Einstellungen natürlich alle mit. Das geht aber sehr schnell, dauert maximal zwei Sekunden. – Und, wie liegt es sich nun?«

»Oh, noch besser als vorher, wollen wir nicht mal zusam­men Probe liegen?«

»Danke. Ich weiß, wie man da liegt..., ich habe schon etli­che Nächte auf solchen Betten verbracht!«

»So war das eigentlich nicht gemeint, ich hatte mehr ge­dacht, dass du vielleicht auch...«, blickte er sie an.

»So, du hast gedacht?«, klang eine leichte Ironie in ihrer Stimme mit, als sie sich dem Bett näherte.

»Jo! Und ehrlich gesagt, der Gedanke gefällt mir immer mehr«, versuchte er sie mit seiner Hand am Arm zu ergrei­fen und aufs Bett zu ziehen.

Sie entwich ihm jedoch mit einer schnellen Körperdre­hung: »Nicht so schnell, mein Freund! Wir haben noch eine Menge zu tun!«

»Du meinst, du hast noch eine Menge zu tun...«

»Ja, aber das schließt dich mit ein! Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass ich ein unbekanntes, irdisches Wesen hier oben in meinem Bett allein lasse, während ich durch die Lande fliege, oder?«

»Och, ich bin dir also fremd, ja?«

»Ja, ein bisschen!«

John erhob sich vom Bett und kam gespielt drohend auf A'ísha zu: »Wieviel bisschen denn?«

Ihre Augen funkelten. Sie hob die rechte Hand und spreizte Daumen und Zeigefinger in einem Abstand von drei Zentimetern: »Soviel!«

Er hatte sie erreicht, ergriff ihre Hände und legte sie sich auf die Schulter, wo er sie fest hielt: »Gibt es denn gar nichts, was man dagegen tun kann, damit ich dir ein biss­chen näher kommen könnte?«

»Na, du bist mir eigentlich schon recht nahe«, funkelten ihre Augen noch immer.

»Ich meine ja auch nicht im körperlichen Sinne...«, kam er ihrem Gesicht noch ein bisschen näher.

»So? Wie denn dann?«

Der Sarkasmus in ihrer Stimme verwirrte ihn, doch ein Blick in ihre Augen brachte ihn schnell auf die richtige Spur: »Ich..., ach man, sind bei euch alle Frauen so schwie­rig?«, schimpfte er dann scheinbar zornig und machte ei­nen Schritt rückwärts.

»Nein, und ich bin doch nicht schwierig«, flüsterte sie, zog ihn wieder an sich und küsste ihn.

»Aber du gibst gern den Ton an«, stellte er fest und schloss seine Arme hinter ihrem Rücken.

*

»Officer! Sie müssen mir unbedingt glauben! – Wir waren mitten im Park..., und da haben wir diesen Schrei gehört..., und dann sind wir da hingelaufen und haben dieses Ding gesehen!«

Betty Sullivan kam sich nicht ganz ernstgenommen vor und genau das war auch der Fall. Sie stand mit ihrem Freund Ralph seit einer halben Ewigkeit in einem Revier des Los Angeles Police Department und hatte nun bereits dreimal ihre Aussage wiederholt, die Ralph jedesmal durch ein »Ja, so war es.« und ein »Ja, ich habe es auch gesehen.« bestätigt hatte.

Doch sie erzielte bei dem mit Officer titulierten Sergeant, der ihre Aussage aufnahm, offensichtlich nicht die er­wünschte Wirkung: »Also Miss Sullivan, Sie wollen allen Ernstes behaupten, dass Sie und Ihr...«

»Freund! Er ist mein Freund!«, half sie ihm mit überaus gereiztem Unterton auf die Sprünge.

»... Sie und Ihr Freund, Mister...«

»Shearer, Ralph Shearer«, warf dieser ein, »und ich habe dieses Ding auch gesehen!«, erklärte er nachdrücklich.

Sergeant Todd Robins seufzte. Er hatte sich eigentlich auf eine ruhige Nachtschicht eingestellt, aber als er diese an­trat, musste er feststellen, dass der Kaffeeautomat kaputt war und seine Frau ihm zwar viele Brote, aber keine Ther­moskanne mit Kaffee mitgegeben hatte.

Und nun diese beiden, die wer weiß was gesehen hatten!

Vielleicht wollten sie sich auch einfach nur wichtig ma­chen – oder es war ein Gag von Berufskollegen, die ihn mal gründlich auf's Glatteis führen wollten!

»Aber die beiden sehen eigentlich ganz normal aus, keine Vor­strafen, nicht mal unbezahlte Parkscheine!«, stellte er per Com­puter schnell fest.

»Und?«, unterbrach ihn Ralph in seinen Gedankengän­gen, »was gedenken Sie nun zu unternehmen?«

»Ich...«

In diesem Augenblick betrat der Chief das Büro.

Matthew Sheridan war ein fünfundfünfzigjähriger Farbi­ger und sah bei einer Größe von einem Meter neunzig mit seinen fast zweihundertvierzig Pfund Gewicht und den großen, dunklen Augen in einem fein geschnittenen Ge­sicht eigentlich nicht wie ein Polizeichef aus, eher wie ein lieber, guter Onkel – aber der Eindruck täuschte. Diesem Eindruck verdankte er bereits eine ganze Reihe von Fest­nahmen an der Westküste, denn auch Ganoven fühlten sich bei ihm relativ sicher.

Solange sie nicht wussten, wer er war!

Denn er legte bei gewissen Ereignissen mehr Jagdinstinkt an den Tag als ein Großwildjäger bei der Löwenjagd in Afrika, und gewöhnlich gab er nicht eher auf, als bis er am Ziel war.

»Was gibt's denn hier?«, trat er nun zu den Dreien an den Tresen. Seine dröhnende Stimme schien in proportionalem Verhältnis zu seinem Leibesumfang zu stehen. Er stemmte die Hände in die Hüften und schien Herr der Lage zu sein.

»Oh, Chief«, murmelte der Sergeant verlegen. Er hätte diese Entwicklung am liebsten verhindert, denn wenn sich der Chief auf so etwas stürzte, konnte es leicht passieren, dass aus einer Mücke ein Elefant gemacht wurde.

Aber seine Hoffnung, ihn mit ein paar Worten zufrieden stellen zu können, schwand sofort als Betty mit weiblicher Spontaneität die Gunst der Stunde nutzte: »Sind Sie der Chef von diesem Laden?«

Sheridan stutzte kurz, doch dann nickte er freundlich: »Ja, so könnte man sagen.«

»Gut! – Ich habe diesem Wachtmeister schon fünfmal versucht klarzumachen...«

»Viermal«, unterbrach der Sergeant, »und ich bin kein Wachtmeister sondern Sergeant...«

Sie warf ihm einen herrischen Blick zu, und er zog es vor zu schweigen.

»... klarzumachen, dass wir beide«, sie deutete auf Ralph an ihrer Seite, »mein Freund Ralph Shearer und ich, heute Abend im Griffith Park ein fremdes, außerirdisches Raum­schiff..., ein UFO, gesehen haben!«

Der Chief sah sie überrascht an, doch sie verstand es of­fenbar als Aufforderung weiter zu berichten: »Wir waren im Griffith Park, als ich auf einmal einen leisen Schrei hör­te, und dann sind wir...«

»Leisen Schrei?«, hakte Sheridan kurz nach.

»Ja«, entgegnete Betty unwillig, »so als ob jemand seine Aufregung nicht ganz meistern kann, einen leisen oder ir­gendwie unterdrückten Schrei halt!«

»Ach so! – Und dann?«

»Wir haben uns zunächst nichts dabei gedacht, doch als später noch mal ein Schrei...«

»Noch ein Schrei? Was denn für einer? Ein Hilferuf etwa?« Sheridan schien sich für die Sache nach und nach deutlich mehr zu erwärmen als sein Sergeant, der nun überzeugt war, dass dies keine ruhige Nacht werden wür­de.

»Nein, eher so wie ein unterdrückter Überraschungsruf«, gab Ralph Auskunft.

»Aha, und dann?«

»Dann sind wir da hin und haben es gesehen!«

»Es?«

»Das Raumschiff! Das UFO!«

»Aha«, artikulierte Sheridan.

Betty blieb nicht verborgen, dass er zwar noch immer leichte Zweifel an dem Gesagten hegte, aber für das unge­wöhnliche Thema prinzipiell viel aufgeschlossener schien als sein Untergebener. Das ermutigte sie, noch eindringli­cher zu werden: »Ja, es war sehr groß – über zehn Meter..., und silbern!«

»Ja, silber war es, und bestimmt fünf oder sechs Meter hoch«, bekräftigte Ralph, dem ebenfalls nicht entgangen war, dass der Chief erheblich mehr Interesse an diesem Fall zeigte als der Sergeant.

»Okay«, sagte der Chief und musterte die beiden noch mal intensiv. Er stellte jedoch fest, dass beide trotz aller Nervosität – die er ihnen unter den gegebenen Umständen auch nicht verdenken konnte – einen insgesamt recht glaubwürdigen Eindruck machten, und schließlich wusste er etwas, was der Sergeant nicht zu wissen schien.

Kurz entschlossen forderte er Betty und Ralph nun auf: »Also, ich möchte, dass Sie mit mir jetzt da hinfahren! – Trauen Sie sich zu, die Stelle wiederzufinden?«

Die beiden blickten sich überrascht an, und nach einigem Zögern nickten sie beide. Der Sergeant guckte ebenfalls reichlich verdutzt: »Jetzt haben wir den Salat! Auf zur Elefan­tenjagd!«

Der Chief winkte ihm jedoch kurz, und sie traten einige Schritte abseits: »Haben Sie die Meldung von gestern mit­tag gelesen?«

»Nein, Chief! – Was für eine Meldung?«, fragte der Ser­geant respektvoll.

»Ein Bericht von einer Streife, die gestern einen Rentner angehalten hat. Er hatte weit über sechzig Sachen drauf und behauptete steif und fest, ein UFO gesehen zu haben!«, informierte Sheridan seinen Untergebenen.

»Ach?« Der Sergeant konnte den Ausführungen seines Chefs noch immer nicht ganz folgen.

»Ja! Und raten Sie einmal, wo das war?«

Jetzt schaltete Robbins: »Im Griffith Park?«

»Bingo!«, sagte sein Chef. »Aber still! Die beiden sind eine weitere und zurzeit noch unabhängige Quelle..., mal sehen, ob die mich zu dem Ding führen können. Dann wer­de ich der Sache mal auf den Grund gehen!«

»Okay, Chief, da scheint ja wirklich etwas dran zu sein!« Der Sergeant konnte den Gedankengängen seines Chefs nun endlich folgen.

»Allerdings! Und ich werde der Sache nachgehen, bis sie aufgelöst ist!«, bekräftigte Sheridan und wandte sich wie­der den späten Gästen zu.

»Da wette ich drauf!«, dachte der Sergeant, und wenig spä­ter war er wieder allein in seinem Büro. Doch machte sich jetzt auch bei ihm eine gewisse Abenteuerlust bemerkbar, und er erkannte, dass er sehr viel lieber mit zum Griffith Park gefahren wäre, als sich hier die Nachtschicht ohne Kaffee um die Ohren zu schlagen.

*

John und A'ísha standen engumschlungen vor dem Bett und küssten sich. »Na, den ersten Schock scheinst du ja recht schnell überwunden zu haben!«, meinte sie.

»Ja, das habe ich wohl«, entgegnete John lapidar.

»Muss ich denn davon ausgehen, dass das jetzt so bleibt und alles okay ist oder kommt da noch irgendwas?«

»Tja, ich weiß auch nicht so genau. – Vielleicht hast du mich gestern Nacht davon überzeugt, dass du keine ge­fährliche Person bist..., vielleicht ist mir aber auch schnell klar geworden, dass mein Leben bisher entsetzlich lang­weilig war!«

»So so! – Tja, also für ein bisschen Abwechslung werde ich mit Sicherheit sorgen«, lachte sie. »Wie wäre es denn, wenn du mir dein ganz persönliches Amerika zeigen wür­dest? Dann würde ich sicherlich eine Menge Zeit sparen, da ich mir nicht alles erst erarbeiten muss, und danach ha­ben wir vielleicht noch ein bisschen Zeit...«

»Zeit? Wofür denn wohl?«

»Ach, ich glaube uns fällt da schon was ein«, lachte sie ihn mit blitzenden Augen an.

Er gab sie frei und überlegte kurz: »Okay, dann beenden wir für jetzt erstmal die Erkundungstour deines Schiffes, und dann geht's nach Hause..., damit wir morgen früh für die Tour ausgeruht sind! Bevor wir starten, muss ich nur meinen Chef anrufen, dass ich mir ein paar Tage frei neh­me. Aber das dürfte kein Problem sein, ich habe eh zu viele Überstunden.«

»Einverstanden.«

»Gut, dann will ich noch mal hier reingucken«, trat er vor eine weitere Tür, die sich ebenso wie die anderen sofort öffnete.

»Fantastisch«, schwärmte er, »so müssten unsere Türen auch sein! – Obwohl, kann man die dann überhaupt noch abschließen?« Er drehte sich fragend um.

»Klar, theoretisch geht das schon! – Aber das ist bei uns kaum nötig!«

»Hmm«, trat er nun in den Raum.

Abgetrennt durch eine milchigweiße Wand fand er eine Duschkabine. Oben an der Decke und an den drei ge­schlossenen Seiten konnte er jeweils zwei Duschköpfe er­kennen. »Na, da wird das Duschen ja jedesmal zu einem richtigen Highlight!«

»Naja, wie man's nimmt! Bei uns ist das nunmal Alltag! Bei euch dürfte sich auch so mancher wundern, wenn er in ein fremdes Haus oder in ein Hotel kommt!«

»Das ist wahr«, nickte John, »und wie kriegt man da nun Wasser raus?«

»In den Wänden stecken Sensoren, genau wie in den Waschbecken und Toiletten. Die überwachen den Wasser­bedarf genau und geben erst dann etwas ab, wenn es nötig ist, denn die Ressourcen sind im Weltraum natürlicherwei­se begrenzt!«

»Ja, aber hier auf der Erde doch nicht!«

»Das mag schon sein, aber es muss ja nicht! Ich glaube es könnte gar nicht schaden, wenn ihr alle auf diesem Plane­ten auch mal ein bisschen umweltbewusster zu Werke ge­hen würdet!«

»Tja, wenn du mir die Technik geben würdest, würde ich das bestimmt auch so machen! Ist ja auch nur logisch, dass das Prinzip beibehalten wird!«

»Eben, so sehen unsere Techniker das auch!«

»Okay, dann zeig mir noch mal die Küche!«

»Die Küche?«

»Ja..., den Raum, wo es Essen und Trinken gibt – die Kü­che eben!«

»Ach so..., ja..., die ist gleich hier«, zeigte A'ísha auf eine Ansammlung von kleinen Schränken.

»Das ist alles? Und wo ist der Kühlschrank? Wo sind Ti­sche und Stühle?«

»Ein Kühlschrank ist eingebaut.« Sie klopfte an einen der metallisch aussehenden Schränke und öffnete ihn. Blaues Licht strömte heraus und John sah mehrere Flaschen, in de­nen bunte Säfte aufbewahrt wurden. »Das sind unsere Fruchtsäfte«, erklärte sie, »die schmecken kalt am besten, und natürlich sind sie so auch entsprechend länger haltbar! – Ist wie bei euch!«

»Aha! Und wo gibt's was zu Essen?«

Sie öffnete einen Schrank gegenüber: »Hier! Alles was das Herz begehrt!«

Er erblickte zahlreiche Beutel. »Da ist euer Essen drin?«

»Ja.«

»Aber... das ist alles? Davon kann doch kein Mensch le­ben!«

»Im Ernst, sogar du könntest davon wochenlang leben, aber das ist doch auch gar nicht vorgesehen! Wir entfernen uns nämlich nie sehr weit von einem Mutterschiff, und die haben noch ganz andere Möglichkeiten. – Aber immerhin habe ich hier über ein Dutzend verschiedene Reissorten an Bord. Dazu Gemüse, Gewürze und Kräuter, Obst ist hier nebenan..., und ebenso Fleisch...« Sie öffnete noch einen Schrank. »Und die Platten hier kann man herausziehen und dann daran essen.«

»Alle Achtung! – Naja, ich esse trotzdem lieber in meiner Küche!«

»Ja, ich auch, aber ich habe hier immerhin mehr Platz als du in deinem Auto!«

»Schon, aber der Vergleich ist doch irgendwie unfair! Im­merhin seid ihr uns um etliche Jahre in der Entwicklung voraus!«

»Stimmt! Aber ihr kommt schon auch noch dahin! Eines Tages!«

»Hoffentlich, das ist schon ein tolles Spielzeug«, war John begeistert, »kann ich das behalten, wenn du wieder nach Hause fliegst?«

Sie lachte: »Ich glaube kaum, das wird noch gebraucht, und es ist ja nicht meins!«

»Schade!«

»Na komm, wir gehen wieder runter!«

»Okay«, folgte er ihr zurück in die Kommandozentrale und stellte sich hinter einen Sitz.

»Hier in der Zentrale gibt es zwei transparente Scheiben, eine dort unten, wie du schon bemerkt hast, und eine dort oben«, deutete sie aufwärts und nach vorne.

John folgte ihrer Beschreibung mit seinem Blick und sah unmittelbar die Sterne: »Wow!«

Sie lächelte verstehend: »Ja, stimmt. Das ist schon ein tol­ler Anblick..., der ist überall im Universum gleich! Es ist zwar kein Cabrio, aber voll klimatisiert und mit allerlei technischem Zeug vollgestopft, damit man auch so etwas genießen kann. – Der Bildschirm, den du auch schon gese­hen hast, kann vielerlei Bilder darstellen, einmal von au­ßerhalb des Schiffes, da überall kleine Kameras angebracht sind, aber auch in Verbindung mit den Satelliten, die den Planeten umkreisen, jedes Programm, das du dir vorstellen kannst! Und noch ein paar mehr!«

»Ja..., wenn es da draußen tatsächlich nur so von Leben wimmelt, dann ist das wirklich kein Wunder!«, staunte John ehrfürchtig.

»So isses, aber auch wir empfangen längst noch nicht al­les! Das wäre viel zu umfangreich!«

»Glaub' ich gern! – Es ist einfach total irre!«

»Was?«

»Na..., das alles hier! Ich komme mir wieder vor wie ein kleiner Junge, der seine Träume aus längst vergangener Ju­gend wieder entdeckt! So ungefähr muss es Peter Pan er­gangen sein.«

»Tja..., das ist doch schön, oder?«, lächelte sie.

»Sicher..., aber irgendwie auch irreal..., kaum nachzuvoll­ziehen..., jedenfalls nicht so schnell!«

»Das glaube ich gern..., es muss ja nahezu ein Schock für dich gewesen sein, als sich meine Story dann bewahrheitet hat, oder?«

»Naja, ein bisschen schon..., das stimmt. Aber das wirkli­che Leben..., das läuft dann wohl doch ein bisschen anders ab als wir in der Schule lernen.«

»Klar! – In der Schule bekommt man ja auch nur eine Ba­sis oder einen Grundstock vermittelt. Was nachher mindes­tens genauso wichtig ist, ist die Schule des Lebens, durch die jeder Einzelne gehen muss. Denn schließlich lernt man ja nicht für die Schule, sondern für das Leben!«

»Kluges Mädchen!«, spottete er. Doch er meinte es durchaus ernst.

»Ja..., nicht wahr? – Und wenn man in der Lebens-Schule ein bisschen aufpasst, dann merkt man irgendwann, um was es wirklich geht. Vor allem dann, wenn man die richti­gen Lehrer findet.«

»Nämlich?«

»Bitte?«

»Um was geht es denn im Leben?«

Sie setzte sich ein wenig gerader hin, setzte die Miene ei­ner Universitätsprofessorin auf und erklärte: »Im gesamten Universum herrscht ein Gleichgewicht zwischen Gut und Böse. Mal überwiegt das eine, mal das andere; aber irgend­wie und irgendwann gleicht es sich immer wieder auf die eine oder andere Weise aus. Aber in der jetzigen Zeit hat sich das Böse mal wieder sehr extrem entwickelt. Es ver­sucht das Gleichgewicht zu zerstören und die komplette Herrschaft zu übernehmen. – Daher das alles.«

»Aha!«, nickte John nachdenklich. »Jetzt wird mir so manches klar.«

»Das ist gut« schaute sie ihn an, »denn dann kann es sein, dass es auch bei anderen Menschen auf der Erde der Fall ist. Meine Mutter glaubt, dass bei uns sogar Mitglieder des Ältestenrats solche Ziele verfolgen. Von denen haben auch einige ihre Agenten auf unseren Schiffen postiert, gegen die die Agenten aus eurer Welt wie Amateure wirken..., ganz egal ob sie vom KGB, CIA oder Mossad kommen. Denn sie sind euch technologisch und geistig überlegen..., wahrscheinlich auch körperlich. Und einige der Ältesten wollen, dass ihr vernichtet werdet. Was sie damit aller­dings bezwecken, weiß auch ich nicht...«

»Hmm...«, grübelte er. »Kann es nicht vielleicht sein, dass sich ihre Macht dadurch vergrößert?«

»Ich weiß es nicht. Ich wüsste auch nicht, wie!«

»Tja..., Hauptsache die wissen es«, lachte er.

Aber es war ein bitteres Lachen. Offenbar hatte er sich jetzt endgültig damit abgefunden, dass mit den Außerirdi­schen und ihrer hochentwickelten Technologie nicht zu spaßen war.

»Also..., was kann ich tun?«, blickte er sie an.

»Mit dazu beitragen, dass mein Bericht für euch positiv ausfällt«, erwiderte sie.

»Na gut, dann setz mich mal bei meinem Auto ab, wir treffen uns dann bei mir Zuhause!«

»Ist gut!« Damit flog sie wieder zum Ausgangspunkt der Reise zurück und ließ ihn nach sorgfältiger Beobachtung der Umgebung direkt neben dem Auto raus.

»Niemand mehr zu sehen«, flüsterte er, nachdem er ebenfalls aufmerksam umhergeschaut hatte, »also, dann bis gleich!«

Sie zwinkerte ihm zu, dann schloss sie die Öffnung wie­der und war seinen Blicken entschwunden. Doch er wusste ja, dass sie ihm – unsichtbar für jedermann – folgen würde und stieg in sein Auto.

*

»Also, hier ungefähr muss es gewesen sein«, beteuerte Bet­ty Sullivan und wies mit dem Zeigefinger auf eine Baum­gruppe, die sich trotz des hellen Strahls aus Sheridans Ta­schenlampe noch immer recht dunkel zeigte.

»Hmm«, brummte der Chief, »das ist ja verflucht dunkel hier. Sind Sie sicher?«

»Nun ja«, zögerte Betty und blickte Ralph unschlüssig an, »ich weiß nicht..., ganz sicher bin ich mir nicht!«

»Und Sie?«, wandte sich der Polizeichef an Ralph.

»Ich auch nicht«, gab Shearer zurück, »es ging alles so schnell, und jetzt ist es noch dunkler..., ich kann es wirklich nicht mehr genau sagen!«

»Das ist schade«, seufzte Sheridan, in dem sichtlich das Jagdfieber erwacht war, »aber da kann man nichts machen. Wahrscheinlich bleibt uns für jetzt nichts anderes übrig als vernünftig wieder nach Hause zu fahren und dann morgen in aller Frühe wieder herzukommen und bei Tageslicht nach Spuren zu suchen. Dann werden wir allerdings einen richtigen Suchtrupp mitnehmen und uns die ganze Sache von oben bis unten genau anschauen!«

»Okay«, war Betty schnell einverstanden, und ihr Freund Ralph nickte auch. Beiden war die Sache offensichtlich noch immer nicht ganz geheuer.

»Gut, machen wir, dass wir hier wegkommen«, beendete Sheridan damit das nächtliche Intermezzo und ging zu sei­nem Wagen zurück.

Ihm waren die Gemütsbewegungen seiner Begleiter nicht entgangen. Und auch er hätte sicherlich nicht gewusst, wie er bei der Sichtung eines außerirdischen Raumschiffs hätte reagieren sollen. – Und dann auch noch in Begleitung zweier Zivilisten!

Betty und Ralph folgten ihm. Er nahm sie mit zurück bis zum Polizeirevier, und die drei verabredeten sich gleich für den nächsten Morgen.

*

John war auf direktem Weg nach Hause gefahren, und A'ísha, die beständig hinter ihm hergeflogen war, hatte in­zwischen ebenso die Wohnung erreicht.

Erst jetzt konnte sie die Gegend genau betrachten, in der er wohnte, denn aus der Luft ergab sich ein ganz anderes Bild der hügeligen Landschaft von West Hollywood mit dem S-förmig geschwungenen Sunset Boulevard, wo wei­ter im Nordwesten die Santa Monica Mountains ein gutes Stück Natur in das Häusermeer zauberten, das sich sogar bei Nacht deutlich von den restlichen Häusern abhob.

A'ísha steuerte das Raumschiff neben seine Garage und verließ es unter Beachtung der üblichen Sicherheitsvorkeh­rungen unbemerkt. Anschließend ließ sie es wieder in die Höhe steigen, indem sie ihre Kontrolluhr betätigte, und er­reichte seine Wohnung ohne weitere Zwischenfälle. Er öff­nete ihr die Tür und sie trat ein: »Na, alles klar bei dir?«

»Ja doch, warum nicht?«

»Och, nur so«, meinte sie leichthin, »ich gehe mal gerade für kleine Mädchen.«

»Ist gut, du geheimnisvolle Außerirdische! Dann will ich doch in der Zeit mal gucken, ob ich nicht eine geeignete Route finde, um dir dann morgen etwas von unserem schö­nen Land zu zeigen!«

Sie verschwand in Richtung Bad, und er kniete wieder vor dem Schrank, aus dem er des Morgens die Karten für San Diego und Umgebung herausgeholt hatte. »Ich müsste hier doch eigentlich einen ziemlich aktuellen Reiseführer haben«, überlegte er, »der eine Route zu den Nationalparks enthält! – Ich hoffe nur, ich habe ihn in letzter Zeit nicht verliehen!«

Doch als sie wiederkam, hatte er ihn schon gefunden: »Ist schon über drei Jahre alt, das gute Stück, und es ist noch nie so richtig genutzt worden!« Er schwenkte es stolz hin und her und setzte sich zu ihr an den Tisch.

»Ach, sonst musst du halt als Fremdenführer herhalten«, frotzelte sie.

»Na, das wäre eine Geschichte! – Ich könnte dir zwar eine Menge erzählen, aber die ganzen Daten und Entfer­nungen, die weiß ich nicht alle auswendig..., die kann ich nur mit Hilfe des Buches erklären.«

»Und wozu soll das gut sein?«, fragte sie und deutete auf einen Mini-Camcorder und einen Laptop, die bereits auf dem Tisch lagen.

»Die sind für unterwegs..., das glaubt mir doch sonst spä­ter kein Mensch, was ich mit dir erlebe... – also muss ich's aufnehmen!«, erklärte er. »Der Camcorder entspricht dem absolut neuesten Stand der Technik..., verfügt über einen Speicher von fünf Gigabyte..., damit kann man bis zu fünf Stunden Film aufnehmen. Und er hat nicht mal hundert Dollar gekostet! Damit können wir Jeff und Melissa eine di­gitale Ansichtskarte von unterwegs schicken. Nur sollten wir uns genau überlegen, von wo aus wir das machen!«

Er steckte den Camcorder in seine Hemdentasche. »Und den Laptop brauche ich für Jeff..., ich muss für ihn nämlich morgen an einer Internetauktion teilnehmen«, erklärte er.

»Kann er das nicht selber machen? – Er ist doch schon groß!«, lachte sie.

»Nein! Es handelt sich um ein Geschenk für Melissa..., ein großes Musikgeschäft in L. A. veranstaltet so etwas ein­mal im Jahr mit vielen bekannten und auch weniger be­kannten Aufnahmen von berühmten Künstlern, und in ih­rem Urlaubsdomizil kann er das vor Melissa natürlich nicht geheim halten...«

»Also hat er dich gefragt, hmm...? – Tja, dazu sind Freun­de da, nicht?«

»Genau!«

»Dann ist ja alles klar..., aber was hältst du denn davon, wenn ich dir später mal eine Kopie von meinem Bericht zu­kommen lassen würde? Denn meine Kameras im Schiff zeichnen ja auch alles auf. – Und die Qualität dürfte doch noch etwas besser sein...«

»Wär' 'n Angebot! Aber trotzdem nehme ich meine Ka­mera mit..., sicher ist sicher. Nachher zensieren deine Leute die Bilder, und ich habe dann doch nix über unsere tolle Tour! Und mindestens vom Yellowstone und dem Grand Canyon will ich auch ein paar eigene Aufnahmen machen!«

»Wenn du meinst..., und der Reiseführer?«, deutete A'ísha auf das Buch.

»Oh, ja..., Moment«, ergriff John das gute Stück wieder und schlug dann den hinteren Teil des Reiseführers auf, der eine große, aufklappbare Karte enthielt. Dieser widme­te er sich für eine Weile recht ausgiebig.

»Ich hab's«, verkündete er schließlich stolz.

»Na gut«, lächelte sie und forderte ihn auf: »Dann lass mal hören!«

»Wir können eine richtig kulturelle Tour machen! – Was hältst du davon, einige Nationalparks anzusteuern, zu­nächst den Yosemite Nationalpark, dann den Redwood Nationalpark, hier in Kalifornien, dann in den nächsten Bundesstaat, rüber zum Yellowstone, und so weiter? Na­türlich darf der Grand Canyon bei dieser Tour nicht fehlen und zum Abend hin fliegen wir dann mit einem richtigen Raumschiff zum Sonnenuntergang, nämlich nach Hawaii!«

Sie machte einen Schmollmund: »Und wo ist da die Kul­tur?«

Er musste lachen: »Aber das ist sie doch! Die Parks gehö­ren alle dem Weltkultur- und Weltnaturerbe der Mensch­heit an! Natürlich noch jede Menge Sachen mehr, aber im­merhin hast du dann schon mal einen tiefen Einblick in die Natur und auch Kultur der Erde.«

»Danke«, konterte sie sarkastisch, »also auch was für die Bildung getan, ja?«

»Jawoll! Und wenn du ganz brav bist, dann kann ich noch ein spezielles Programm für meinen Laptop mitneh­men. Das ist ein ganz ausgefuchstes Ding..., mit dem man alle Staaten und alle Länder der Welt komplett und auf ei­nen Blick miteinander vergleichen kann. Da lernst du dann auch noch ein bisschen was von anderen Kontinenten – im direkten Vergleich.«

»Oh, das wäre echt nett«, schenkte sie ihm einen Blick aus ihren blauen Augen, »da hast du dann was gut!«

»Danke. – Das löse ich aber erst nach unserer Tour ein...«, grinste er sie an, »... die wird nämlich etwas länger dauern!«

»Na gut«, willigte A'ísha mit einem Lächeln ein, »wenn die Zeit dazu ausreicht...«

»Kein Problem, sofern dein Schiff das schafft, schaffen wir das auch..., sind ja nur ein paar Meilen!«

»Na dann...! Einverstanden! – Dann leg doch schon mal alles raus und morgen früh legen wir dann los! Und jetzt gehen wir schlafen!«

»Jawohl, Mylady! Damit wir morgen früh ausgeruht sind!«

»Genau«, gab sie über die Schulter blickend zurück und verschwand im Schlafzimmer.

Er packte noch schnell den Reiseführer auf den Tisch, suchte seinen Laptop und die CD-Rom mit dem Programm heraus, legte beides dazu und folgte ihr dann.

Sie lag bereits im Bett, und er sah sie staunend an. »Was ist?«, fragte sie und lupfte die Bettdecke um ein paar Zenti­meter.

»Ach«, brummte er, »meine Mutter hat mich immer vor Mädchen gewarnt, die von sich aus die Initiative ergreifen und mit denen man am ersten Abend im Bett landet. – Und jetzt hab' ich den Salat!«

Der Schalk blitzte in seinen Augen. Sie war ob seines Ausspruches zunächst ein wenig verwirrt, doch bemerkte dann schnell, wie das gemeint war und löschte das Licht, als er neben ihr lag.

*

Noëmi saß zusammen mit dreiundsechzig weiteren Mäd­chen in einem großen Saal in der Kaserne. Sechzehn von ihnen waren Reservistinnen zwischen Mitte und Ende zwanzig, die übrigen achtundvierzig – genau wie sie – jun­ge Rekrutinnen Anfang zwanzig.

Die Kompaniechefin, Frau Major Rebekka Malka, stand vor den »Neuen«, hatte sie begrüßt und unterwies sie nun: »... werden Sie eingeteilt in Vierer-Gruppen, die jeweils aus einer Reservistin und drei Ungedienten bestehen. Jede Gruppe bildet gleichzeitig eine Stubenbelegschaft für die Dauer der Grundausbildung. Die Ausbildung obliegt ei­nem Sergeant und gilt immer für acht Personen..., also zwei Stuben. – Ich stelle Ihnen jetzt ihre Ausbilder vor.«

Aus dem Hintergrund lösten sich acht Frauen, jede unge­fähr Anfang bis Mitte dreißig, und traten bis hart an die erste Tischreihe. Die Chefin stellte jede einzelne kurz vor und nannte dann die Namen derjenigen, die zu der betref­fenden Stube und Gruppe gehörten.

Sergeant Martha Yaron war eine zierliche Mittdreißige­rin, die allerdings jünger wirkte und recht hübsch war, wie Noëmi feststellte. Sie war ihr und einigen anderen im Saal als Ausbilderin benannt worden. Sie war fast mädchenhaft schlank, trug ihre langen, schwarzen Haare hochgesteckt und nickte ihrer Gruppe nach erfolgter Vorstellung ener­gisch zu. Als die Chefin geendet hatte, verließ sie den Saal. Nun bekamen die Mädchen Gelegenheit, zunächst einmal sich und ihre Ausbilder kennen zu lernen. Die Gruppe ver­sammelte sich in einer Ecke des Raumes.

Noëmi registrierte schnell, dass Sergeant Yaron fast ihre Figur hatte, von allen Ausbildern war sie die kleinste. Aber sie war auch eine der ältesten, ihre schwermütigen, dunk­len Augen mochten schon so manches gesehen haben, dass sich unauslöschlich in ihre Seele eingebrannt hatte.

Still musterten sich die Mädchen gegenseitig. »Wir schei­nen ja alle so ungefähr gleichaltrig zu sein«, überlegte Noëmi, »nur die beiden Reservistinnen sind schon etwas älter.« Sie be­trachtete die ihr Gegenüberstehende, die in diesem Augen­blick zu sprechen anfing: »Ich bin Raphaela, sechsund­zwanzig Jahre alt, und absolviere jetzt meine zweite Reser­veübung in diesem Jahr. Ich habe bereits anderthalb Jahre Wehrdienst geleistet und werde im Herbst noch an einer weiteren Reserveübung teilnehmen.«

Noëmi entdeckte den gleichen Anflug von Trauer in den dunklen Augen der Sprecherin wie bei der Ausbilderin. Obwohl sie nur ein paar Jahre älter als Noëmi war, deute­ten Mimik und Gestik der jungen Frau auf eine große An­zahl von ungewöhnlichen Erlebnissen hin.

Jetzt wurde sie in ihren Beobachtungen jedoch gestört, denn die nächste in der Reihe stellte sich vor: »Mein Name ist Anna und ich bin dreiundzwanzig Jahre alt. Ich komme aus Tel Aviv und will später studieren..., möglichst irgend­wo im Ausland, denn ich finde fremde Sprachen und Kul­turen ganz toll!«

Noëmi musste unwillkürlich an Jana denken, mit der sie so viel Zeit in Deutschland verbracht hatte und schenkte den weiteren Äußerungen Annas vorerst keine Beachtung mehr. Erst als diese fast fertig war, richtete sie ihr Bewusst­sein wieder auf die neue Kameradin und betrachtete nun auch sie eingehender.

»Sie ist hübsch!«, dachte sie. Mit ihrem halblangen, schwarzen Haar und den dunklen Augen entsprach sie dem mediterranen Typ vollständig. Noëmi fühlte sich auf eine unbestimmte Art und Weise zu ihr hingezogen. »Glei­che Wellenlänge nennt man das wohl!«

Und seltsam, in dem Moment, als ihr der Gedanke durch den Kopf ging, drehte Anna den Kopf zu ihrer Seite und schaute sie mit einem kleinen Lächeln an. »Ob sie auch so denkt?«, fragte sich Noëmi und brachte ebenfalls ein Lä­cheln zustande.

Drei weitere Mädchen stellten sich vor, doch sie schenkte deren Rede keine größere Aufmerksamkeit, da sie nicht zu ihrer Stubenbelegschaft gehörten. Doch dann kam die zweite Reservistin an die Reihe. Sie war ihrer Stube zuge­teilt worden.

Mila trug ihre Haare zu einem starken Zopf gebunden. Mit ihrer tollen Figur, dem überaus hübschen Gesicht mit den vollen Lippen und den großen, tiefgründigen Augen hätte sie auch als Model eine gute Figur gemacht: »Mein Name ist Mila. Ich bin ebenfalls sechsundzwanzig und Re­servistin. Auch ich habe schon anderthalb Jahre Wehr­dienst hinter mir und absolviere jedes Jahr vier dreiwöchi­ge Reserveübungen in unterschiedlichen Truppenteilen.«

»Ist das nicht übertrieben?«, fragte eine Kleine mit dunk­len Kulleraugen, die neben Anna stand und sich als Isabel­le vorgestellt hatte.

Mila schüttelte den Kopf: »Nein!«, entgegnete sie hart. »Mein kleiner Bruder starb bei einem Attentat! – Ich räche ihn, indem ich mein Land verteidige und so etwas in Zu­kunft verhindere, gegen solche und andere Kräfte!«

»Wie kann ein solch sinnlicher Mund nur so grausame Worte aussprechen?«, dachte Noëmi. »Das ist ja komplett verrückt!«

Mila war fertig, und die Blicke aller richteten sich auf die neben ihr stehende Ruth, die deutlich kleiner war als Mila und in Noëmis Alter sein mochte. »Mein Name ist Ruth«, stellte sie sich vor, »ich bin zweiundzwanzig und komme aus Haifa...«

Den Rest hörte Noëmi nicht mehr, denn sie betrachtete die Sprecherin nachdenklich.

Sie war schön. Ihr schmales aber ausdrucksvolles Gesicht mit den unheimlich sprechenden, dunklen Augen, die ebenfalls schmale, um eine Idee zu lange Nase, der Mund – sie war schon ein »Typ«, wie man zu sagen pflegte, und keine von jenen seelenlos zu nennenden Puppen, die man an jedem Kiosk auf den Titelblättern zahlloser Magazine zu sehen bekam.

Ruth verstummte schließlich, und die Mädchen blickten Noëmi an. Das ließ sie zu der Überzeugung kommen, dass Ruth fertig war und die anderen von ihr erwarteten, dass sie sich nun vorstellte: »Ich heiße Noëmi und bin einund­zwanzig. Bis gestern war ich noch in Deutschland, habe als Au-Pair-Girl gejobbt und ein bisschen Urlaub gemacht, be­vor das jetzt hier losgeht!«

*

»Und ich sage dir, gestern Abend war es noch da!«

»Das ist ja wohl unglaublich! So eine Sauerei! Was soll denn das? Denkst du, du kannst mich verarschen? – Die wird doch nicht über Nacht ihr Schiff geholt und sich ver­drückt haben!«

Engai und Oshoshi schwebten in ihrem Schiff über der Stelle, wo am Abend zuvor noch das von ihnen observierte Raumschiff gestanden hatte. Sie befanden sich in einer hef­tigen Diskussion, denn sie hatten – wie geplant – sehr früh ihre Nachtruhe unterbrochen, um mit den ersten Sonnen­strahlen den Punkt anzusteuern, an dem A'ísha ihr Schiff abgestellt hatte.

Engai hatte ja am Abend zuvor noch kontrolliert, ob es noch da war – und da war es ja auch noch da! Sie wussten nur nicht, dass A'ísha und John später gekommen waren und das Raumschiff aufgrund der Entdeckung durch das Liebespaar Betty Sullivan und Ralph Shearer mit zu Johns Wohnung genommen hatten.

Oshoshi war demzufolge recht zornig und Engai ver­suchte ihm wiederholt klarzumachen, dass er sich das ein­fach nicht erklären könne.

Nachdem sie eine Weile herumgestritten hatten, meldete der Computer, dass mehrere Menschen in unmittelbarer Umgebung seien und so setzten sie sich an die Instrumen­te. Sie gewahrten Chief Sheridan mit einem halben Dut­zend Polizisten und Polizeihunden sowie Betty Sullivan und Ralph Shearer.

Da diese am vorigen Abend nichts mehr erreicht hatten, hatte Sheridan für den nächsten Morgen ein Kommando zusammengestellt und auch Betty und Ralph wieder dazu gebeten. Die Beamten näherten sich nun dem Halteplatz von A'íshas Raumschiff in einem weiten Halbkreis und un­tersuchten den Boden intensiv nach Fußspuren.

»Chief! – Hier ist etwas!«, meldete sich einer der Beamten auch bald. Er stand an einem Baum.

Sheridan trat zu ihm hin und betrachtete die Eindrücke genau: »Zwei Personen..., unterschiedlich groß..., hmm..., ich tippe Mann und Frau – das waren Sie beide«, wandte er sich an Betty und Ralph.

»Ja, stimmt«, bestätigte Ralph, »hier haben wir gestanden und das Ding beobachtet!«

»Aha! – Und wo genau war es?«

»Da, ... weiter geradeaus!« Betty deutete in die Richtung, und die Männer begleiteten sie bis zu einem Punkt, an dem sie stehen blieb.

»Hier war es! Genau hier!«

»So, so«, brummte der Chief und forderte seine Männer auf: »Dann sucht mal ordentlich, irgendetwas muss hier ungewöhnlich sein!«

Doch die Beamten fanden auch nach intensiver Suche keine Spur, nur Bruno, der Deutsche Schäferhund der Truppe, benahm sich recht ungewöhnlich. Er knurrte wie­derholt.

»Was hat Bruno denn?«

»Keine Ahnung, Chief! Ich kann hier nichts erkennen. Vielleicht eine Duftspur oder so«, gab der Beamte, der den Hund führte, zurück.

»So, so, eine Duftspur! – Verursacht von wem oder was? – Dann müssen ja auch irgendwo Spuren am Boden zu fin­den sein, die das verursacht haben, oder wie sehen Sie das?«, zeigte sich Sheridan sehr erregt.

»Sicher, Chief! Wir suchen weiter!«

Engai und Oshoshi beobachteten den Trupp noch eine Weile, doch die Beamten zogen sich schließlich erfolglos zurück. Sie hatten nichts gefunden, auch der Hund letzten Endes nicht.

»Schade«, wandte sich der Chief Betty und Ralph zu, »mich haben Sie zwar überzeugt..., nur die Beweise fehlen leider!«

»Dann glauben Sie uns also?« Betty schien durchzuat­men.

»Aber sicher! Ich kann nur ohne Beweise nichts weiter ausrichten!«

»Aber das reicht uns schon, Chief, danke! Wir hatten uns schon Sorgen gemacht, verrückt zu sein«, gab Ralph zu.

»Keine Panik«, beruhigte ihn Sheridan, »ich bin fest da­von überzeugt, dass es Außerirdische gibt! Es wäre doch geradezu arrogant und hirnrissig von uns, auch nur anzu­nehmen, wir wären in diesem riesigen Universum ganz al­lein, oder?«

»Sicher«, meinte Betty. Sie klang irgendwie erleichtert.

»Na also! – Jetzt bringen wir Sie wieder nach Hause, und Sie gehen wieder ihrem Alltag nach. Aber eines Tages wer­den wir den definitiven Beweis haben, und der wird dann nicht von Geheimdiensten oder irgendwelchen Regie­rungsstellen unter Verschluss gehalten und auch nicht wegdiskutiert werden können, weil er zu offensichtlich ist...«

Engai und Oshoshi hatten genug gehört und drehten mit ihrem Raumschiff ab.

»Also irgendwie sind hier alle ziemlich verwirrt«, meinte Engai.

»Ja..., aber das bringt uns jetzt auch nicht weiter!«, gab Oshoshi zurück.

»Hmm, ja..., so ein verdammter Mist! Was machen wir denn jetzt?«, fragte Engai resignierend.

»Tja..., wie es aussieht, müssen wir wohl dem Rat berich­ten, dass wir die Kleine verloren haben!«

»Tja...«, brummte Engai, »okay, okay, es war mein Fehler, obwohl, ich sage dir, gestern Abend...«

»Ja ja«, unterbrach ihn Oshoshi, »das hilft uns jetzt aber auch nicht mehr! Hast du noch eine Idee, oder soll ich den Rat anfunken?«

Engai schaute seinen Partner nachdenklich an. »Eine letz­te Chance gibt es noch«, erklärte er dann mit fester Stimme. »Vielleicht hat sie ja im Park nur den Standort gewechselt, und ihr Schiff ist jetzt ganz woanders. Wir sollten auf jeden Fall noch mal den Park genau überprüfen! Sicher ist si-cher!«

Oshoshi sah ihn stirnrunzelnd an, erwiderte jedoch nichts. Stattdessen betätigte er einige Kontrollschalter an der Instrumententafel und meinte: »Nun gut, schauen wir uns den Park genauer an!«

*

Tom'ás schreckte hoch.

»Verschlafen!«, durchfuhr es ihn, als er das helle Tages­licht sah und sich durch einen Blick auf die Uhr vergewis­serte, dass es bereits drei Uhr nachmittags war.

Er hatte über einen halben Tag im Bett verbracht!

Rasch stand er auf und nach ein paar gymnastischen Übungen und einer anschließenden Dusche, die seine Le­bensgeister nachhaltig weckte, genehmigte er sich ein grö­ßeres Frühstück mit Müsli, Früchten und Wasser. Anschlie­ßend aß er noch etwas Obst.

Frisch und ausgeruht stieg er bald darauf in die Kom­mandozentrale hinunter. Hier gab es keine besonderen Vorkommnisse, keine Meldungen und keine sonstigen Be­obachtungen seitens der Kontroll- und Überwachungsins­trumente. Beruhigt setzte er sich in seinen Sitz und schaltete wieder auf manuelle Kontrolle.

Nun wollte er den Kurs nach Israel einschlagen, doch da erinnerte er sich an die Worte des alten Mannes: »Wenn du einmal nicht weiter weißt, vertraue auf deine Intuition. Sie wird dich leiten!«

Er brach den Startvorgang ab und überlegte angestrengt: »Was soll ich nur tun?« Und auf einmal schien eine Stimme aus seinem tiefsten Innern zu sagen: »Fliege zu deinen Eltern und frage sie um Rat!«

Er überlegte kurz aber intensiv und wog Für und Wider sorgfältig ab.

Und es dauerte nicht lange, bis er zu einer Entscheidung kam. Er änderte den Plan, direkt nach Israel zu fliegen und schlug augenblicklich den Kurs in Richtung Atlantik ein.

»Mal checken, wo sie inzwischen sind!«

Er betätigte einige Schalter und programmierte bald dar­auf den entsprechenden Kurs zum Mutterraumschiff. Dann schaltete er den Autopiloten ein, denn trotz der langen Ru­hezeit war er irgendwie müde.

*

Die Fischer, die vor noch nicht allzu langer Zeit im Japani­schen Meer zwischen China und Japan einen Wal bemerkt und gejagt hatten, wären äußerst erstaunt gewesen und hätten mit Sicherheit jeden Menschen der Lüge bezichtigt, der behauptet hätte, genau dieses Lebewesen wenig später in der Bucht vor Peking gesehen zu haben.

Und doch war es genau dieser Wal, der direkten Kurs auf die Hauptstadt Chinas nahm, die nun schon seit über einem Jahr fast direkt am Meer lag.

In seinen Augen schienen zwei Sonnen zu blitzen.

Kurze Zeit später schritt ein Mann durch die abendlichen Gassen von Peking. Er war ein Weißer, der allerdings chi­nesische Kleidung trug.

Mit seiner hohen, kräftigen Gestalt zog er die Aufmerk­samkeit aller auf sich, aber er schien es entweder nicht zu bemerken oder es nicht zu beachten. Ein nicht zu starker silberner Vollbart verlieh seinem jugendlich wirkenden Ge­sicht eine ernsthafte Würde, und in seinen Zügen bemerkte man eine immense Lebenserfahrung. Bei seinem Anblick fühlte man sich unwillkürlich an die Erzählungen über die Patriarchen aus der Bibel erinnert. Er mochte ungefähr siebzig Jahre alt sein.

Er schien es nicht allzu eilig zu haben, denn ab und zu blieb er stehen und betrachtete das Leben auf den Straßen. Als er an einer kleinen Hütte vorbei kam, nickte er der da­vor sitzenden, älteren Frau freundlich und fast vertraulich zu, ohne jedoch stehen zu bleiben.

»Er ist da!«, murmelte die Frau in Gedanken vor sich hin und mit einem gütigen Ausdruck auf ihrem Gesicht blickte sie dem Mann hinterher. Es schien so, als ob sie ihn von ei­ner früheren Begegnung her kannte.

Dessen weiterer Weg führte ihn schließlich auf das Tor des Himmlischen Friedens zu. Hier beobachtete er wieder­um für eine Weile das Treiben der Menschen, dann wandte er sich in Richtung Kaiserpalast.

Plötzlich war er jedoch verschwunden. Dafür konnte man ein goldenes Licht erkennen, das sich in geringer Hö-he auf den Regierungspalast zubewegte.

Return of God

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