Читать книгу Mord im Kowloon-Park - Ludger Koenders, Günter Wilkening - Страница 6

1. Kapitel

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Es war an einem Freitagabend Ende November, fünf Minuten vor achtzehn Uhr, als der nahezu voll besetzte Lufthansa - Jumbo seine Position am Anfang der Startbahn West in Frankfurt erreicht hatte, um seinen weiten Flug nach Hongkong anzutreten, der nach den Berechnungen der Piloten elf Stunden und etwa dreißig Minuten dauern sollte. Diese Flugzeit war den Passagieren auf dem Weg zur Startbahn von einer Flugbegleiterin über Lautsprecher mitgeteilt worden.

Der 24 Jahre alte, schlanke, sportlich wirkende und gut aussehende Jan Sander, der am frühen Nachmittag dieses Tages mit einem kleineren Flugzeug der Lufthansa von Hamburg nach Frankfurt geflogen und dort nach einer Wartezeit von etwa zwei Stunden in den Jumbo umgestiegen war, saß ganz hinten im Flieger am Fenster, und zwar dort, wo der Rumpf nicht mehr so breit war wie vorn und in der Mitte und wo sich an den beiden Fensterseiten nur zwei statt drei Plätze nebeneinander befanden. Der Platz neben ihm war frei.

Jan hatte erst vor zwei Wochen erfolgreich sein Studium in Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen und hatte vor, im nächsten Monat mit seiner Doktorarbeit zu beginnen.

Er blickte zur Uhr, als der Flieger angehalten wurde, und schaute dann nach draußen in die Dunkelheit. In der abgedunkelten Kabine herrschte eine angespannte Stille. Nur das leise Summen der in den Leerlauf geschalteten vier Triebwerke war zu hören.

Es war, als wollte das riesige Flugzeug erst einmal tief Luft holen, bevor es zum Start ansetzte.

Obwohl es nur knapp eine halbe Minute auf dieser Position stand, kamen sie dem jungen Mann, der zum ersten Mal in einem solch großen Flieger saß, fast wie eine Ewigkeit vor. Er spürte, wie sich seine auf den Knien liegenden Hände leicht verkrampften und wie sein Herz auf Grund seiner inneren Anspannung schneller zu schlagen begann. Für ihn war es ein Rätsel, wie ein derart großes Fluggerät mit etwa dreihundertfünfzig Personen an Bord und sicherlich ebenso vielen Koffern im Gepäckraum vom Boden abheben und fliegen konnte. Der Gedanke daran hatte ihm vor einem Start schon immer Unbehagen bereitet, auch bei kleineren Flugzeugen, an diesem Tag aber wegen der Größe des Fliegers und der vielen Menschen an Bord ganz besonders.

Dann war plötzlich ein sattes, dumpfes Sausen der auf vollen Schub geschalteten Triebwerke zu hören. Ein kurzes, schwaches Vibrieren ging durch den Rumpf des Flugzeugs, als es sich in Bewegung setzte und danach schneller und schneller wurde.

Obwohl er bei zunehmender Geschwindigkeit gegen die Rücklehne seines Sitzes gedrückt wurde und obwohl er aufgeregt war, blickte Jan aus dem Fenster. Er sah Lichter vorbeihuschen, konnte aber keine Konturen erkennen, und er spürte, wie sich die geringen Unebenheiten der Startbahn auf das Flugzeug übertrugen und es in leichte, kaum merkbare Schwingungen versetzten.

Dann, nach mehreren scheinbar unendlich langen Sekunden, neigte sich der vordere Teil des Fliegers plötzlich etwas nach oben, und es waren mit einem Mal keine Unebenheiten mehr zu spüren. Der Koloss hatte von der Startbahn abgehoben, und die Lichter der Straßen und Häuser waren jetzt unten, als zögen sie unterhalb des Flugzeugs vorüber. Gleich danach war ein Rumpeln zu hören, verursacht durch das Einfahren des Fahrwerks. Dann waren nur noch das sonore Brummen der Triebwerke und das Sausen der Luft zu vernehmen, die das Flugzeug durchflog, ein Geräusch, das wie ein dumpfes Zischen klang.

Die Lichter in der Tiefe verschwanden zwischendurch mal für Sekunden, tauchten dann plötzlich wieder auf und waren mit einem Mal ganz weg. Der Jumbo befand sich in den Wolken, was für einen Augenblick eine geringe Turbulenz, ein leichtes Rütteln des Flugzeugs, zur Folge hatte. Danach flog es völlig ruhig. Nur die Geräusche der Triebwerke und das Strömen der Luft waren zu hören, die es durchflog.

Jan spürte, wie sich seine innere und äußere Anspannung allmählich löste, und er blickte erneut durch das kleine, ovale Fenster nach draußen. Aber er sah nur Dunkelheit.

Auf dem Monitor über dem zweiten Sitz vor ihm wurde die Route angezeigt, die der Flieger auf seinem weiten Flug nach Hongkong nehmen sollte. Sie führte - wie er zu erkennen glaubte - über einen Teil Russlands, über Kasachstan und dann über China bis zum Zielort im tiefen Süden dieses großen Landes.

Jan lehnte sich entspannt gegen die Rücklehne seines Sitzes, die er inzwischen durch einen Knopfdruck etwas nach hinten gestellt hatte, so dass er sich fast in einer bequemen Liegeposition befand, und horchte auf die Geräusche, die ihn umgaben. Und er beobachtete interessiert seine in der Nähe sitzenden Mitreisenden in der jetzt nicht mehr abgedunkelten Kabine. Dabei hatte er den Eindruck, dass sich auch bei ihnen die Anspannung gelöst hatte, unter der sie vor und während des Starts wahrscheinlich ebenfalls gestanden hatten. Einige unterhielten sich mit ihren Nachbarn, andere lasen und einzelne hatten sich sogar schon von ihren Sitzen erhoben und gingen auf den Gängen entlang.

Für Jan war das alles außerordentlich interessant, und seine Neugier auf die unbekannte große Stadt, der sie sich immer mehr näherten, besonders aber auf die Menschen, die in ihr lebten, wuchs von Minute zu Minute. Dann wurden seine Gedanken an Hongkong, wurde seine wachsende Spannung auf diese Stadt unterbrochen, weil ihn Flugbegleiterinnen ablenkten, die nach etwa einer halben Stunde Flugzeit die Getränkewagen durch die beiden Gänge schoben und den Passagieren etwas zum Trinken anboten. Jan wählte ein Bier, weil er hoffte, dadurch etwas müde zu werden und ein bisschen einschlummern zu können. Aber dazu kam es zunächst nicht, weil schon bald nach dem Getränkeangebot ein Essen serviert wurde, das ihn bis zum Abräumen etwa eine Stunde lang hellwach bleiben ließ und an einen oberflächlichen Schlaf hinderte. Mit einem Tiefschlaf rechnete er inmitten seiner interessanten und geräuschvollen Umgebung ohnehin nicht.

Etwa gegen zwanzig Uhr, als sie sich nach der Anzeige auf dem Monitor bereits über Russland befanden, wurde ihm bewusst, dass es in Hongkong inzwischen drei Uhr morgens war. In einem Reiseführer, den er intensiv studiert hatte, hatte er nämlich gelesen, dass der Zeitunterschied zwischen Deutschland und Hongkong in dieser Jahreszeit sieben Stunden betrage. Und er rechnete aus, dass das Flugzeug bei einem Flug von elf Stunden und etwa dreißig Minuten gegen zwölf Uhr dreißig Ortszeit auf dem Flughafen in Hongkong landen würde. Jan hatte also noch viele Stunden Zeit, sich mit einigen Einrichtungen des Fliegers vertraut zu machen und sich innerlich auf Hongkong einzustellen, auf eine Stadt, die schon beim Studieren des Reiseführers ein großes Interesse in ihm geweckt und wegen der zahlreichen farbigen Fotos darin geradezu eine Faszination auf ihn ausgeübt hatte.

“Was werde ich in dieser Stadt erleben?” fragte er sich. “Wie werde ich in ihr zurechtkommen ohne chinesische Sprachkenntnisse, nur mit meinem Schulenglisch, das ich jedoch inzwischen weitgehend vergessen habe, weil ich nach dem Abitur kaum Gelegenheit hatte, Englisch zu sprechen? Und wird Susanne am Flughafen sein und dich abholen? Ohne sie werde ich mir wahrscheinlich völlig verloren in Hongkong vorkommen, in dieser Metropole mit mehr als sechs Millionen Einwohnern. Aber sie hat versprochen, bei deiner Ankunft da zu sein und dich ins Hotel zu bringen. Dieses Versprechen wird sie sicherlich auch halten.”

Bei der Vorstellung jedoch, dass sie trotz ihres Versprechens nicht am Flughafen sein würde, sicher unbeabsichtigt, vielleicht wegen eines Staus oder eines Unfalls, wurde er etwas unruhig. Er versuchte aber, den Gedanken an diese Möglichkeit zu verdrängen, und beruhigte sich damit, dass sie ja das Hotel kannte, in dem er zwei Wochen übernachten sollte. Sie selbst hatte es ausgesucht und für ihn ein Einzelzimmer gebucht. Spätestens dort würden sie sich wiedersehen, falls sie sich am Flughafen verpassen sollten. Und bis zum Hotel könnte er notfalls mit einer Taxe fahren. Sicherlich würde es am Flughafen eine Information geben, bei der er auch mit seinen geringen Englischkenntnissen Auskunft darüber würde erhalten können, wo er den Taxistand finden und wie viel eine Fahrt zum Hotel kosten würde. Mit Deutsch, davon ging er aus, würde er wohl nicht weiterkommen. Bei der Auskunft würde man ihm, wenn nötig, sicher auch den Namen des Hotels für den Taxifahrer in Chinesisch auf einen Zettel schreiben. Und er würde bei der Information auch in Erfahrung bringen können, wo er sein deutsches Geld in Hongkong - Dollar würde umtauschen können.

Alle diese Gedanken gingen ihm durch den Kopf und verdrängten seine Befürchtungen, eventuell allein auf dem sicher sehr großen Flughafen in Hongkong zu stehen. Er lehnte sich noch weiter zurück und kuschelte sich geradezu in seinen Sitz. Dann schloss er die Augen und dachte an Susanne, die von ihren Angehörigen und Freunden Suska genannt wurde und die ihn wiederholt gebeten hatte, sie in Hongkong zu besuchen, und deren Bitten er nach Rücksprache mit seinen Eltern, die für die Reisekosten aufgekommen waren, schließlich nachgegeben hatte. Aber er hatte sich auch deshalb zu der Reise entschlossen, weil er auf Grund ihrer Erzählungen immer neugieriger auf diese Stadt geworden war und weil er Suska wiedersehen wollte, in die er sich verliebt hatte - wie bisher in keine Frau.

Ach ja, Suska, diese bildhübsche, lebensfrohe und feinfühlige Eurasierin aus dem fernen Hongkong, ohne die er niemals auf die Idee gekommen wäre, diese Stadt zu besuchen.

Jan schmunzelte, als er sich daran erinnerte, wie er sie kennen gelernt hatte. Eigenartig war das damals gewesen vor etwa zwei Monaten, als er sich noch mitten im Examen befunden hatte.

Er sah sich wieder in einem Park in Hamburg joggen, wie er das schon vorher fast jeden Tag getan hatte, und er erinnerte sich, wie er sich damals, vom Laufen verschwitzt, einer Kreuzung genähert hatte und plötzlich auf Suska aufmerksam geworden war, die sich unmittelbar vor der Kreuzung befunden hatte, aber auf einem anderen Weg, und ihren Kopf und ihren Oberkörper tief gebeugt und ihre Unterarme auf ihren etwas eingeknickten Knien gestützt hatte, ebenfalls verschwitzt und ziemlich außer Atem. Er hatte zunächst weiterlaufen wollen, hatte dann jedoch zurück geblickt, als er gerade an ihr vorbei gewesen war, weil er plötzlich die Befürchtung gehabt hatte, dass es der Joggerin nicht gut gehen könnte, dass sie Hilfe benötigte und sie aus diesem Grunde in der ungewöhnlichen Haltung verharrte. Er hatte daraufhin seinen Lauf unterbrochen, war die wenigen Schritte bis zu ihr zurückgekehrt und hatte sie gefragt, ob bei ihr alles in Ordnung sei, ob es ihr gut gehe oder ob er ihr helfen solle.

Ja, und dann hatte Suska sich aufgerichtet, hatte ihn etwas außer Atem angelächelt und gesagt: “Danke. Ich habe keine Beschwerden. Ich habe nur etwas Luftnot, weil ich wohl zu schnell gelaufen bin und nicht so gleichmäßig, wie man das beim Joggen tun sollte.”

An sich hätte er nun seinen Lauf fortsetzen können; aber er hatte es nicht getan. Der Grund für sein damaliges abwartendes Verhalten war ihm bis heute unerklärlich. Er war einfach stehen geblieben und hatte sie, ebenfalls lächelnd, angeblickt und hatte gefragt, in welche Richtung sie denn weiterlaufen wolle. Zunächst wolle sie ein bisschen gehen, hatte sie auf seine Frage geantwortet und hatte in die Richtung gezeigt, die auch er hatte einschlagen wollen. Dann hatten beide einen Moment geschwiegen und hatten sich interessiert angeschaut, bis er etwas zögernd die Frage gestellt hatte, ob er sie begleiten dürfe, er wolle in dieselbe Richtung laufen oder gehen, aber ihm würde es auch gut tun, wenn er sein Laufen mal unterbreche und etwas gehe. Sie hatte darauf erklärt, dass sie gegen seine Begleitung nichts einzuwenden habe, und hatte ihn dabei angestrahlt. So war es gekommen, dass beide nebeneinander her gegangen waren und sich dabei lebhaft unterhalten hatten. Im Verlauf des Gesprächs hatte er dann erfahren, dass sie vor kurzem ihre Lehre in einem Großhandelsunternehmen in Hamburg abgeschlossen habe und in vier Wochen wieder nach Hongkong zurückfliegen wolle, wo sie geboren sei und an sich auch wohne. Während der drei Lehrjahre habe sie bei ihrer Großmutter, der Mutter ihrer Mutter, gelebt, die Witwe sei und in Hamburg wohne, nicht weit von hier, und trotz ihrer dreiundsiebzig Jahre noch allein in ihrem eigenen Haus lebe. Allerdings wohne in der ersten Etage ihr Sohn mit seiner Familie. Während ihres Urlaubs sei sie jedoch regelmäßig zu ihren Eltern nach Hongkong geflogen und habe die Urlaubstage bei ihnen verbracht. Das sei mindestens zweimal im Jahr der Fall gewesen, da sie den gesamten Urlaub nie auf einmal genommen habe. Auf seine Frage, wie sie denn überhaupt nach Hongkong gekommen sei, hatte sie freimütig erzählt, dass ihre Mutter früher mal für eine Hamburger Firma dort gearbeitet habe, wegen ihrer sehr guten Englischkenntnisse, und dass sie während dieser Zeit ihren Vater, einen Chinesen, kennen gelernt habe. Beide hätten geheiratet. Aber ihre Mutter habe schon alsbald danach ihren Beruf aufgegeben und habe drei Kinder bekommen. Zwei ältere Brüder seien in der Firma ihres Vaters beschäftigt, und sie als jüngstes Kind habe eine kaufmännische Lehre in Hamburg absolvieren sollen, aber auch wollen, nachdem sie zuvor an einem internationalen Gymnasium in Hongkong das Abitur gemacht habe.

Jan erinnerte sich, dass er damals erstaunt zugehört hatte und auf Grund einiger Fragen auch noch erfahren hatte, dass sie außer Deutsch, das sie von ihrer Mutter, ihrer Oma, in der Schule und natürlich während ihrer Lehrjahre gelernt habe, auch noch fließend Chinesisch und Englisch spreche. Aus ihrer Erzählung hatte er seiner Zeit geschlossen, dass sie zweiundzwanzig Jahre alt sein müsste, was auch zutreffend gewesen war.

Ihre Mutter, so hatte sie noch erzählt, die natürlich Deutsch, aber auch fließend Englisch und ziemlich gut Chinesisch spreche, habe mit den Kindern mindestens zweimal im Jahr ihre Mutter, also Suskas Oma, in Hamburg besucht, jedenfalls als sie noch zur Schule gegangen seien, und immer während der Ferien. In der Regel sei einmal im Jahr auch ihr Vater dabei gewesen, der allerdings nicht fließend Deutsch spreche, der sich aber inzwischen ganz gut in dieser Sprache unterhalten könne. Außerdem spreche er ein sehr gutes Englisch. Bis zum vergangenen Jahr sei ihre Oma sogar noch regelmäßig einmal im Jahr nach Hongkong gekommen und habe sie, also ihre Eltern und Geschwister, dort besucht. Dieses Jahr sei sie allerdings wegen ihres Alters noch nicht bei ihnen gewesen. Sie habe aber vor, im nächsten Jahr noch einmal den langen Flug zu wagen.

Natürlich hatte auch Jan von seinem Werdegang erzählt, von seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder, die in einem Dorf in der Nähe von Hamburg wohnten, und Suska hatte interessiert zugehört und hatte Fragen gestellt, die er ebenso freimütig beantwortet hatte wie sie seine.

Ja, und dann waren sie an einen Parkplatz gekommen, auf dem sie ihr Auto abgestellt gehabt hatte. Beide hätten sich nun verabschieden können; aber sie hatten herumgedruckst und darauf gewartet, dass der andere fragen würde, ob sie sich wiedersehen könnten. Schließlich hatte Jan dann mit leicht zitternder Stimme diese Frage gestellt, und Suska hatte sofort zugesagt. Am übernächsten Tag hatte es sein sollen, auch bei Regenwetter, auf dem Parkplatz, an dieser Stelle und zu dieser Uhrzeit. Beide hatten wieder joggen wollen.

Und Suska war damals pünktlich erschienen, und Jan, der schon zehn Minuten vor der verabredeten Zeit gekommen war und voller innerer Spannung auf sie gewartet hatte, war erleichtert gewesen, als sie mit ihrem kleinen Auto auf den Parkplatz gefahren war. Sie hätten damals zwar joggen wollen, aber die meiste Zeit waren sie anschließend gegangen und hatten sich angeregt unterhalten, was beim Laufen kaum möglich gewesen wäre. Über drei Stunden waren sie seiner Zeit zusammen gewesen, und nicht eine Minute hatten sie geschwiegen oder sich gelangweilt. Danach war es selbstverständlich für beide gewesen, dass sie sich wieder verabreden würden, dieses Mal aber an einem bestimmten Platz an der Elbe und schon am nächsten Tag.

Jan öffnete die Augen, richtete sich etwas auf und blickte aus dem Fenster. Es war noch dunkel. Weit unten sah er einzelne Lichter und vor sich eine große erhellte Fläche. Offensichtlich näherten sie sich einer größeren Stadt. Jan war von diesem Anblick derart fasziniert, dass er so lange hinaus schaute, bis die vielen Lichter unter ihm aus seinem Blickfeld gerieten. Dann zog er die Jalousie vor dem Fenster herunter und kuschelte sich wieder in seinen Sitz.

In der Kabine herrschte inzwischen ein abgedunkeltes Licht. Viele Passagiere schienen zu schlafen, andere lasen und einige gingen auf den Gängen hin und her, wohl deshalb, weil sie sich nach dem Essen und vor dem Schlaf, der bei vielen wahrscheinlich nur ein versuchter sein würde, die Beine vertreten wollten. Von den Flugbegleiterinnen und den Flugbegleitern war niemand mehr zu sehen.

Jan schloss wieder die Augen und versuchte zu schlafen. Und tatsächlich nickte er für einige Zeit ein. Wie lange er geschlafen hatte, war ihm aber nicht bewusst.

Als er wieder wach wurde, schob er die Jalousie vor dem Fenster etwas nach oben und stellte fest, dass es inzwischen hell geworden war. Die Sonne stand bereits über dem Horizont.

Er blickte nach draußen und sah weit unten eine karge, bergige Landschaft, dazwischen größere Ebenen, eine Art Steppe, wie er zu erkennen glaubte, die wie die Berge von Schnee überpudert waren. Nach seiner Vorstellung musste es da unter bitter kalt sein. Und nirgendwo bemerkte er einzelne Häuser oder Ortschaften. Die Gegend war öde und nach seinen Beobachtungen menschenleer. Auf dem Monitor sah er, dass sich der Flieger über Kasachstan, etwa im Bereich der Grenze zu China befand.

“In Deutschland wird es jetzt noch dunkel sein,” dachte er, zog die Jalousie wieder herunter, lehnte sich zurück, schloss die Augen und dachte erneut an Suska, mit der er nach dem zweiten Treffen fast jeden Tag am späten Nachmittag bis in die Abendstunden zusammen gewesen war. Schon nach einigen Tagen hatten sie Zärtlichkeiten miteinander ausgetauscht, und als er sie eines Abends mit in sein kleines Apartment in Hamburg genommen hatte, war es zum ersten Mal zum Verkehr mit ihr gekommen. Beide hatten gegenseitig erklärt, dass sie sich liebten. Jan hatte danach den Zeitpunkt der jeweiligen Verabredungen kaum erwarten können, und er hatte unter der Sehnsucht nach ihr gelitten. Solche Gefühle hatte er bis dahin nicht gekannt. Vor der Begegnung mit Suska hatte er zwar bereits einige Freundinnen gehabt, aber in keine war er richtig verliebt gewesen. Suska war seine erste große Liebe geworden. Das spürte er jeden Tag mehr und mehr.

Etwa in dieser Zeit hatte sie zum ersten Mal davon gesprochen, dass er sie in Hongkong besuchen solle. Sie würde glücklich sein, wenn er zu ihr komme. Sie habe ihre Eltern inzwischen über ihn informiert, habe ihnen Fotos von ihm geschickt, auch von beiden, und ihre Eltern hätten den Wunsch geäußert, ihn kennen zu lernen. Sie hatte sogar eine Bereitschaft angedeutet, für ihn die Reisekosten zu bezahlen. Zunächst hatte er sich ihren Erwartungen gegenüber jedoch reserviert gezeigt, hatte einen Besuch in Hongkong nicht zugesagt, ihn aber auch nicht völlig ausgeschlossen. Er hatte ihr zu verstehen gegeben, dass er erst einmal mit seinen Eltern darüber sprechen wolle und dass er dann aber, wenn er nach Hongkong komme, die Reisekosten selbst bezahlen werde und auf keinen Fall, wie von Suska vorgeschlagen, bei ihren Eltern wohnen möchte, da er vermeiden wolle, sie durch seinen Besuch zu belasten. Suska hatte dafür Verständnis gezeigt, weil sie überhaupt froh darüber gewesen war, dass er nicht von vornherein einen Besuch in Hongkong ausgeschlossen hatte. Sie hatte versprochen, ihm ein Zimmer in einem zentral gelegenen Hotel zu besorgen und dabei auch seinen Wunsch zu berücksichtigen, dass es kein allzu teureres Hotel sein dürfe. Sie habe eins im Auge, das sehr günstig liege und ihres Erachtens vom Preis her akzeptabel sei.

Dann, an einem Samstagvormittag, hatte sie ihn plötzlich angerufen und ihm gesagt, dass ihre Oma ihn zum Kaffee einladen möchte, um ihn mal kennen zu lernen. Beide sollten so gegen fünfzehn Uhr bei ihr sein. Er war zwar überrascht gewesen, hatte jedoch nichts dagegen gehabt. Suska hatte ihn kurz vorher mit ihrem Auto abgeholt, und beide hatten sie anschließend die Oma aufgesucht und den Nachmittag dieses Tages bei ihr verbracht. Die Oma, die in einem villenartigen Haus in der Nähe der Elbchaussee wohnte. hatte schon den Tisch in ihrem Esszimmer gedeckt, als sie bei ihr erschienen waren. Sie hatte stolz erzählt, dass sie den Kuchen, der auf dem Tisch stehe, selbst gebacken habe. Suskas Oma, eine schlanke, gepflegte Frau, war ihm gegenüber sehr freundlich gewesen, hatte viele Fragen an ihn gerichtet, aber auch viel von sich erzählt, und hatte durch ihr aufgeschlossenes Verhalten ihm gegenüber zu erkennen gegeben, dass sie ihn mochte. Wahrscheinlich hatte das daran gelegen, dass er höflich und sehr zurückhaltend gewesen war und ihre Fragen freundlich, fast brav wie ein Kind, beantwortet hatte. Besonders ältere Frauen mögen so etwas. Das war ihm klar gewesen. Aber sein Auftreten ihr gegenüber hatte seinem Naturell entsprochen. Er hatte sich nicht verstellt.

In der Folgezeit war er noch zweimal bei Suskas Oma zum Kaffee eingeladen worden, und nach seinem Eindruck war sie jedes Mal über seinen Besuch erfreut gewesen.

Dann war für Suska Ende Oktober der Abreisetag gekommen, der für beide eine traurige Angelegenheit gewesen war. Aber seine Zusage, sie Ende November in Hongkong zu besuchen, hatte ihre Bedrückung über die Trennung gemindert.

Nach der Verabschiedung am Flughafen Hamburg hatte ihn Suskas Oma in ihrem Auto nach Hause gefahren und ihn gebeten, sie bei Gelegenheit wieder zu besuchen; er brauche keine Hemmungen zu haben, hatte sie gesagt, er solle aber vorher anrufen, sie freue sich, mit ihm plaudern zu können. Und er hatte damals den Eindruck gehabt, dass sie es ehrlich gemeint hatte. Dann hatten sie ihre Telefonnummern ausgetauscht. Aber zu einem Besuch war es nach Suskas Abreise noch nicht wieder gekommen.

Mit Suska hatte er jedoch fast täglich per E-mail kommuniziert. Auch hatte er wiederholt mit ihr telefoniert. Die Anrufe waren jeweils von ihr gekommen. Auf seine gelegentlichen Bedenken, die Telefonate könnten für sie zu teuer werden, hatte sie ihn beruhigt und erklärt, er brauche sich über die Kosten keine Sorgen zu machen. Ihre Eltern wüssten über ihre Anrufe Bescheid, und ihr Vater habe sie sogar schon einige Male von sich aus animiert, doch mal wieder bei ihm in Hamburg anzurufen. Er war nach alledem davon ausgegangen, dass Suskas Eltern keine finanziellen Probleme hatten. Genaues wusste er jedoch nicht darüber. Nur einmal hatte Suska erwähnt, ihr Vater sei ein Geschäftsmann, ein sehr erfolgreicher sogar, und Jan hatte darauf nicht nach Einzelheiten gefragt.

Jan wurde aus seinen Erinnerungen an Suska und ihre Oma gerissen, als die Flugbegleiterinnen damit begannen, den Passagieren ein heißes, nasses Frotteetuch zu reichen, mit dem sie ihr Gesicht und ihre Hände waschen konnten. Ein Blick auf den Monitor klärte ihn auf, dass der Flieger in zwei Stunden und zehn Minuten in Hongkong landen würde.

Die Tücher wurden nach der Benutzung wieder eingesammelt, und danach wurde ein Frühstück serviert, das bis zum Abräumen etwa eine Stunde in Anspruch nahm. Anschließend hatte Jan den Eindruck, dass seine Mitreisenden - wie er selbst - die noch verbleibende Zeit bis zur Landung in Hongkong in erwartungsvoller Spannung verbrachten.

Die Landung des Jumbos auf der Hongkong vorgelagerten kleinen Insel Chek Lap Kok unweit der größeren Insel Lantau war butterweich. Von Suska hatte er erfahren, dass der Flughafen auf dieser Insel erst vor einigen Jahren gebaut worden sei und dass sie durch Aufschüttungen habe vergrößert werden müssen, weil die ursprünglich vorhandene Fläche für das erforderliche Flughafengelände nicht ausgereicht habe. Der alte Flughafen Kai Tak, dessen Start- und Landebahn man ins Meer gebaut habe, sei nach Fertigstellung des neuen stillgelegt worden. Die Starts und besonders die Landungen auf dem alten Flughafen, der sehr stadtnah gelegen habe, seien abenteuerlich gewesen. Die landenden Flugzeuge seien so dicht über den Dächern der Stadt hereingekommen, dass man als Beobachter jeweils befürchtet habe, sie könnten die Schornsteine der Häuser berühren. Es sei auch schon mal vorgekommen, dass ein Flugzeug nicht rechtzeitig vor dem Ende der Landebahn zum Halten gekommen und auf der Kante am Ende der Bahn über dem Wasser hängen geblieben sei. Das habe sie zwar nicht selbst gesehen, aber es sei erzählt worden und habe auch in der Zeitung gestanden. Ins Meer sei nach ihrer Kenntnis aber noch kein Flieger bei der Landung auf dem alten Flughafen geraten. Jan erinnerte sich in diesen Augenblicken auch daran, dass Suska bei seinem Versuch gelacht hatte, die Namen der beiden Flughäfen richtig auszusprechen.

Als der Jumbo am Gate angelegt hatte, dauerte es für Jan, da er hinten im Flugzeug saß und alle Passagiere vorn aussteigen mussten, noch einige Minuten, bis er die Kabine verlassen konnte. Er ging anschließend seinen Mitreisenden nach, die den Hinweisschildern “Baggage Claim”, also Gepäckausgabe, folgten, und er erhielt bei der Passkontrolle ein Einreisevisum, das ihn berechtigte, drei Monate in Hongkong zu bleiben. Dann erreichte er nach einem langen Weg im Flughafengebäude das Gepäckband, auf dem die Koffer aus dem Lufthansa - Jumbo zu den wartenden Passagieren befördert wurden.

Nach etwa zehn Minuten hatte er seinen Koffer, und nun stand ein Wiedersehen mit Suska unmittelbar bevor. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er, seinen Koffer hinter sich herziehend, eine Tür durchschritt, über der in großen Buchstaben “Exit” stand und darüber etwas in Chinesisch, was wahrscheinlich ebenfalls “Ausgang” bedeuten sollte. Aber Jan konnte es nicht lesen.

Jenseits der Ausgangstüren standen sehr viele Menschen, die offensichtlich auf ankommende Flugpassagiere warteten, die sie abholen wollten. Für Jan war das alles unübersichtlich und verwirrend.

Als er Suska nach dem Durchschreiten der Ausgangstür nicht gleich entdeckte, reckte er seinen Kopf und hielt unruhig Ausschau nach ihr. Aber er bemerkte sie zunächst nicht, was ihn in eine leichte Nervosität versetzte.

Dann spürte er plötzlich ein Tippen auf seiner rechten Schulter. Er drehte sich um und sah in Suskas strahlendes Gesicht. Er stellte seinen Koffer ab, und beide umarmten und küssten sich.

“Ich bin glücklich, dass du endlich angekommen bist,” sagte sie, und ihre Augen waren dabei feucht. “Die Zeit bis zu diesem Augenblick war viel zu lang für mich. Ich konnte ihn kaum erwarten.”

“Mir ging es ebenso,” stotterte Jan, noch etwas durcheinander von den bisherigen Reiseerlebnissen, und fügte dann staunend hinzu: “Ist das hier ein Betrieb. Meine Güte, die vielen Menschen. Wenn er in der Stadt auch so sein sollte, darfst du nicht von meiner Seite weichen, sonst bin ich wahrscheinlich verloren.”

“Warte ab,” sagte sie lächelnd, hakte sich bei ihm ein, nahm seinen Koffer und zog ihn hinter sich her. Als er dagegen vorsichtig protestierte, meinte sie, er sei ihr Gast, sie sei hier zu Hause und mit einem Transport von Koffern kenne sie sich bestens aus, er solle sich unbelastet umschauen und erste Eindrücke von Hongkong in sich aufnehmen, auch wenn er vom langen Flug wahrscheinlich etwas müde sei.

Jan ließ sie schmunzelnd gewähren.

Dann erreichten sie das Parkhaus, in dem Suska ihren zweisitzigen Sportwagen abgestellt hatte.

“Darf ich bitten,” sagte sie lächelnd, nachdem sie die Türen ihres Autos geöffnet und seinen Koffer im relativ kleinen Kofferraum des Wagens verstaut hatte.

Als Jan neben ihr saß, erwähnte sie, dass ihr kleines Auto, das sie in Hamburg gefahren habe, in einer Garage ihrer Oma stehe. Abgemeldet habe sie es während ihrer Abwesenheit aber nicht, da sie sicherlich bald wieder nach Hamburg fliege und es dann erneut benutzen wolle.

Jan fiel auf, dass sich das Lenkrad nicht links, sondern rechts im Auto befand, und als Suska seine leichte Verwunderung darüber bemerkte, klärte sie ihn auf, dass in Hongkong Linksverkehr herrsche, was noch ein Überbleibsel aus der britischen Kolonialzeit sei.

Während der Fahrt in die Stadt fragte sie zunächst, wie der Flug verlaufen sei und schwärmte dann, als Jan alle ihre Fragen, die nicht allein den Flug betrafen, beantwortet hatte: “Haben wir nicht ein herrliches Wetter heute? Blauer Himmel und klare Luft. Etwa fünfundzwanzig Grad. Du kannst froh sein, dass dein Besuch in den November und Dezember fällt. Diese Monate sind für Hongkong - Besucher ideal. Es ist für sie, aber auch für uns, die beste Jahreszeit. Im Sommer ist es hier häufig sehr heiß und schwül.”

Und dann begann sie etwas schwärmerisch von Hongkong zu erzählen, erklärte Auffälligkeiten, an denen sie vorbeifuhren, und Jan spürte, dass sie diese Stadt liebte. Obwohl er vom Nachtflug und wegen der Zeitumstellung ziemlich müde war - er hatte bisher nie eine ganze Nacht in einem Flugzeug verbracht - hörte er interessiert zu, stellte Fragen und spürte, dass die Faszination, die ihn schon beim Lesen des Reiseführers ergriffen hatte, mehr und mehr wuchs je näher sie der Stadt kamen. Während der Fahrt auf der Autobahn in Richtung Zentrum stellte er fest, dass Hongkong im Norden, Osten und Süden von mittelhohen Bergen umgeben war, die der Stadt eine fast idyllische Lage gaben.

Als sie gerade über eine Brücke fuhren, sagte Suska stolz: “Es ist die längste Hängebrücke der Welt für Straßen- und Schienenverkehr. Sie verbindet den Flughafen und die Insel Lantau über eine Strecke von etwa dreieinhalb Kilometern mit dem Festland und der Stadt. Und der Verkehr auf ihr ist jeden Tag so stark wie du ihn jetzt erlebst. Selbst in der Nacht flaut er nur wenig ab.”

Nach etwa fünfundzwanzig Kilometern Fahrt kamen sie ins Zentrum, nachdem sie zuvor an zahlreichen Hochhäusern, einer Art Satellitenstadt, vorbeigefahren waren, und Jan staunte über die viele Reklame in chinesischen Schriftzeichen und über den Strom der Menschen, die wie Ameisen unentwegt in Bewegung zu sein schienen.

“Ist hier tagsüber immer solch ein Betrieb?” fragte er.

“Jeden Tag,” antwortete Suska, “von morgens bis spät abends. Und während der Dunkelheit ist die Reklame an den Häusern und neben und über den Straßen noch beeindruckender als jetzt bei Hellem. Du wirst es heute Abend selbst erleben. Und morgen werde ich dich meinen Eltern vorstellen. Sie sind sehr gespannt auf dich und freuen sich darauf, dich kennen zu lernen. Ich schlage vor, dass ich dir morgens erst einmal ein bisschen die Stadt zeige und dass wir gegen Mittag zu ihnen fahren. Du bist zum Mittagessen eingeladen.”

Suska blickte kurz zur Seite, und Jan schmunzelte etwas verlegen, als sie von ihren Eltern sprach und er seinen Kopf zu ihr drehte und sie anschaute. Er sagte jedoch nichts dazu.

Dann steuerte sie die Tiefgarage an, die zu dem Hotel gehörte, in dem sie für Jan ein Zimmer reserviert hatte.

“Das Hotel heißt “The Salisbury - YMCA of Hongkong”, sagte sie beim Aussteigen, “und steht an der Salisbury Road. Es ist kein Luxushotel, aber es ist sehr ordentlich und liegt verkehrsmäßig außerordentlich günstig. Eine zentralere Lage gibt es kaum. Du wirst das bald merken. Gleich nebenan befindet sich übrigens das Hotel “Peninsula”, eines der exklusivsten Hotels der Welt. Aber da wolltest du dich ja nicht unterbringen lassen, obwohl ich, wenn es nach mir gegangen wäre, dir auch dort ein Zimmer besorgt hätte.”

“Um Gottes Willen,” stöhnte Jan, “das Zimmer in einem Luxushotel hätte ich nicht bezahlen können. Und dann wüsste ich auch nicht, wie ich mich in einem solchen Hotel bewegen müsste. Derartige Herbergen sind nicht meine Welt.”

Suska lachte und meinte, er würde sich schon sehr bald an eine vornehme Umgebung gewöhnt haben. So etwas gehe schneller als man glaube.

“Wenn du willst, gehen wir dort mal Kaffee oder Tee trinken,” sagte sie noch, “in einer sehr gepflegten Atmosphäre, nachmittags sogar bei Musik, gespielt von einer Kapelle. Erst einmal solltest du dich jedoch ein bisschen mit der Stadt vertraut machen.”

Jan sagte nichts dazu, sondern schaute sie nur lächelnd an.

Beide begaben sich dann in die Lobby und zur Rezeption des Hotels, wobei Suska wieder seinen Koffer zog, obwohl Jan dagegen vorsichtig protestierte. Aber er ließ sie letztlich gewähren, weil er spürte, dass sie sich ihm gegenüber selbst hinsichtlich seines Koffers verantwortlich fühlte. Er sollte wohl in jeder Weise seine Umgebung unbelastet wahrnehmen können.

Die Formalitäten an der Rezeption wurden im Wesentlichen von Suska erledigt, die mit dem Hotelangestellten fließend Englisch sprach. Jan, der das selbstsichere Auftreten seiner Freundin beim Einchecken bewunderte, brauchte nur seinen Pass vorzulegen, einige Fragen zu beantworten, die Suska jeweils übersetzte, und eine Unterschrift zu leisten. Er war froh darüber, dass seine Freundin fast alles für ihn erledigte. Er hätte wegen seiner geringen Englischkenntnisse wahrscheinlich Schwierigkeiten mit den Formalitäten an der Rezeption gehabt, zumal er spürte, dass er vom langen Flug, von der Zeitumstellung und von den vielen neuen Eindrücken in der fremden Stadt ziemlich müde war. Dann ließ sich Suska eine kleine Karte geben, auf der das Hotel und die Anschrift in englischer und chinesischer Sprache vermerkt waren. Das Kärtchen übergab sie anschließend Jan mit der Empfehlung, es für alle Fälle stets bei sich zu tragen, um es notfalls jemandem zeigen zu können, wenn er den Namen und die Lage des Hotels vergessen habe. Ihre Handy - Nummer habe er ja. Und wenn er in irgendeiner Weise in Schwierigkeiten sei, solle er sie anrufen, auch nachts, sie sei immer für ihn da.

Als Jan mit Suskas Hilfe an der Rezeption zweihundert Euro in Hongkong – Dollar umgetauscht hatte, sagte sie noch, bevor beide den Fahrstuhl aufsuchten und nach oben fuhren: “Dein Zimmer befindet sich auf der obersten Etage des Hotels. Es ist eins mit Hafenblick und wird dir sicher gefallen. Du hast von dort aus einen phantastischen Ausblick.”

Wahrend der kurzen Fahrt im Fahrstuhl umarmte und küsste sie ihn und sagte: “Ich bin glücklich, dass du endlich da bist. Ich habe mich so nach dir gesehnt. Während der letzten Tage war ich sehr unruhig, weil ich immer mal wieder befürchtete, dass etwas dazwischen kommen könnte und du die Reise absagen müsstest.”

Dann betraten sie das Zimmer, das sehr sauber und gutbürgerlich ausgestattet war.

Jan ließ seinen Koffer mitten im Raum stehen, den er von der Rezeption bis zum Zimmer selbst gezogen hatte, worauf er bestanden hatte, und ging langsam staunend zum Fenster, während Suska etwas abseits verharrte und ihn lächelnd beobachtete.

“Ist das eine Aussicht,” sagte er nach einigen Sekunden der Bewunderung. “Mann, ist das ein Ausblick. Hier könnte ich stundenlang stehen und zu den Hochhäusern jenseits des Wassers hinüberblicken.”

“Bei Dunkelheit, wenn auf der anderen Seite des Hafens die Lichter auf den Straßen und in den Häusern angeschaltet sind, ist der Anblick nach drüben noch phantastischer. Du wirst es heute Abend erleben, besonders wenn ab acht Uhr für mehrere Minuten zahlreiche Laserstrahlen in unterschiedlichen Farben an den Häusern hoch zucken,” klärte Suska ihn auf und schwieg danach eine Weile. Dann fuhr sie fort und zeigte auf die Skyline jenseits des Wassers: “Dort drüben ist Hongkong Island, und wo wir uns hier befinden, ist Kowloon, und alles zusammen ist die Stadt Hongkong. Und der Berg hinter der Skyline ist unser Hausberg und ist etwa vierhundert Meter hoch. Wir nennen ihn Peak, der zu Fuß umrundet werden kann, und zu ihm hoch kann man mit der Peak - Bahn fahren. Wir werden das an einem der nächsten Tage mal tun. Von da oben hast du einen wunderbaren Blick auf unsere Stadt, besonders bei Nacht ist er geradezu atemberaubend.”

Beide schwiegen einen Moment und schauten aus dem Fenster. Dann setzte Suska ihre Aufklärung fort: “Das Wasser zwischen Kowloon und Hongkong Island wird zwar als Hafen bezeichnet; als Victoria Harbour, der Industriehafen, wo die großen Frachtschiffe anlegen, ist jedoch nicht hier, sondern weiter nördlich. Kreuzfahrtschiffe legen aber auch in unmittelbarer Nähe des Stadtzentrums an, am Ocean Terminal, nur einige hundert Schritte vom Hotel entfernt. Wenn wir Glück haben, wirst du heute Abend ein solches Schiff aus unmittelbarer Nähe bewundern können. Und das große, fast fensterlose Gebäude unter uns jenseits der Straße, das mit den gelben Kacheln und dem nach unten geschwungenen Dach, über das wir hinweg blicken können, ist das Kulturzentrum von Hongkong, in dem Konzerte und Theateraufführungen stattfinden und in dem sich auch ein Kunstmuseum befindet. Was sich der Architekt und die für die Genehmigung des Baues zuständigen Leute allerdings dabei gedacht haben, das Haus in dieser einzigartigen Lage fast fensterlos zu gestalten, wissen sie wohl selbst nicht. Und rechts neben dem Kulturzentrum ist die Anlegestelle der Star Ferry, der doppelstöckigen Fähre mit den etwas plump aussehenden weiss - grünen Schiffen, die nahezu pausenlos zwischen Kowloon und Hongkong Island hin und her pendeln und Tag und Nacht zigtausend Menschen zwischen den beiden Stadtteilen befördern. Wir werden sicherlich mehrere Male mit ihr fahren, und jedes Mal wird es für dich, aber auch für mich, ein Erlebnis sein.”

“Und wo wohnt ihr?” fragte Jan.

“Drüben, am Rand der Skyline zum Berg hin.“ antwortete Suska. “Meine Eltern haben dort ein Penthaus, von dem aus man fast ganz Kowloon und einen Teil der Häuser von Hongkong Island überblicken kann. Dann haben wir noch ein Haus im Grünen, in Deep Water Bay, auf der anderen Seite des Berges, ein schönes Ferienhaus, das wir jedoch kaum während der Woche aufsuchen, sondern nur an den Wochenenden, wenn wir mal dem Trubel der Großstadt entfliehen wollen. Es steht auf einem weiträumigen Grundstück, das ganz in der Nähe einer wunderschönen Bucht liegt, wo wir nur wenige Nachbarn haben, alles wohlhabenden Leuten, die sich ebenfalls in der Regel nur an den Wochenenden in ihren Häusern aufhalten. Es ist sehr ruhig und fast einsam dort. Aber nicht weit von unserem Haus entfernt befindet sich ein großer Vergnügungspark, der „Ocean Park” mit sehr vielen Attraktionen. Er ist ganz toll. Den werden wir auch mal besuchen, wenn du möchtest.“

Als sie das alles mit einer zurückhaltenden, aber dennoch erkennbaren Begeisterung sagte, spürte Jan, dass sie ihre Heimatstadt liebte, und er konnte diese Liebe schon jetzt verstehen, obwohl er nur erst einen winzigen Teil von Hongkong kennen gelernt hatte. Er selbst war schon von dem, was er bisher von dieser Stadt gesehen hatte, fasziniert.

“Das Hotel hat auch ein großes Hallenschwimmbad,” sagte Suska, nachdem beide eine Weile schweigend aus dem Fenster geblickt hatten. “Ich zeige es dir nachher. Den Frühstücksraum, in dem man auch zu Abend essen kann, sollten wir jedoch gleich mal aufsuchen, bevor du deinen Koffer ausgepackt hast, damit du weißt, wo er ist. Er befindet sich auf der ersten Etage. Wollen wir das so machen? Bist du einverstanden?”

Jan nickte. Im Grunde war er froh darüber, dass Suska, ohne dabei bevormundend zu wirken, ihm Entscheidungen abnahm und Vorschläge machte, die seinen Aufenthalt im Hotel betrafen, und überhaupt Anregungen zum Ablauf des Tages gab, denen er nur zu folgen brauchte. Er selbst wäre dazu nicht in der Lage gewesen, weil er sich in der völlig fremden Umgebung nicht auskannte.

“Und dann,” fuhr sie fort, “solltest du dich bis gegen sechs Uhr hinlegen und zu schlafen versuchen. Wenn wir jetzt gleich etwas unternehmen würden, wärest du heute Abend wahrscheinlich todmüde und hättest keinen Spaß mehr an dem, was ich dir heute noch zeigen möchte. Ich würde dich so gegen sechs abholen. Bevor wir losmarschieren, könnten wir im Hotel zunächst etwas essen, und zwar entweder in der ersten Etage im Frühstücksraum oder in einem Restaurant im Erdgeschoß, gleich links vom Eingang, das wahrscheinlich auch zum Hotel gehört. Genau weiß ich das allerdings nicht. Bist du einverstanden?”

Jan war es. Er merkte, dass er tatsächlich ziemlich müde war und dass es für ihn gut sein würde, wenn er erst einmal einige Stunden schliefe.

“Du bist sehr besorgt um mich,” meinte er und lächelte sie etwas verlegen an.

“Das muss ich auch sein,” sagte sie darauf. “Du bist in einer völlig fremden Stadt, kennst keinen Menschen hier außer mir und sprichst nicht unsere Sprache. Ich fühle mich für dich verantwortlich. Schließlich war ich es ja, die dich zu der Reise nach Hongkong überredet hat.”

Dann strahlte sie ihn an und fügte hinzu: “Und ich bin glücklich, dass du endlich bei mir bist und ich dir meine Heimatstadt zeigen kann. Aber richtig Freude daran wirst du erst haben, wenn du ausgeschlafen bist - wenigstens einigermaßen. Deshalb brauchen wir künftig aber nicht jeden Abend mit den Hühnern zu Bett zu gehen.”

“Nein, nein, sicher nicht,” reagierte Jan darauf. “Es macht mir nichts aus, abends später schlafen zu gehen. Im Augenblick bin ich jedoch wegen der Zeitumstellung, wegen des Nachtflugs und der vielen neuen Eindrücke tatsächlich etwas müde.”

“Na siehst du. Laß uns kurz den Frühstücksraum ansehen, und danach lasse ich dich bis gegen sechs Uhr allein.”

Beide verließen das Zimmer und fuhren mit dem Fahrstuhl auf die erste Etage, wo sie den Raum aufsuchten, in dem Jan morgens frühstücken konnte und in dem auch die Möglichkeit bestand, ein Abendessen einzunehmen. Es war ein großer, lichtdurchfluteter Raum mit mehreren hohen Fenstern, die einen Blick zum gegenüber liegenden Kulturzentrum zuließen und auch auf einen Teil der verkehrsreichen Salisbury Road, an der das Hotel lag.

“Gefällt dir der Frühstücksraum?” fragte Suska.

“Ja, sehr,” antwortete Jan. „Er ist hell und gemütlich eingerichtet.“

“Dann lasse ich dich jetzt allein,” sagte sie, als sie den Raum verlassen hatten. “Ist es dir recht, wenn ich dich gegen sechs Uhr abhole?“

Jan nickte.

„Ich werde zu dir ins Zimmer kommen. Dann bis nachher.”

“Ja, bis nachher.”

Beide küssten sich, und Suska ging unter Benutzung der Treppe ins Foyer und fuhr anschließend nach Hause, während Jan wieder sein Zimmer aufsuchte, seinen Koffer auspackte, den Vorhang vor das Fenster zog, sich entkleidete und ins Bett legte Vorsichtshalber stellte er seinen Wecker auf halb sechs. Er schlief sofort ein und wurde erst durch das Klingeln des Weckers aus seinem Schlaf gerissen. Er fühlte sich danach fast ausgeschlafen, und er war Suska im Stillen dankbar, dass sie ihn nicht gleich auf eine Entdeckungstour mitgenommen hatte.

Als sie gegen sechs Uhr an seine Zimmertür klopfte, hatte er bereits geduscht und war er schon angezogen. Das spannende Abenteuer Hongkong konnte für ihn beginnen.

Nachdem sie sich zunächst umarmt und geküsst hatten, fragte sie und lächelte ihn dabei an: “Wollen wir erst einmal etwas essen, bevor wir uns in das Getümmel der Stadt stürzen?”

Jan war einverstanden und gab ihr das schmunzelnd zu verstehen. Ihm war inzwischen aufgefallen, dass sie nicht einfach bestimmte, was ihrer Meinung nach unternommen werden sollte, sondern dass sie häufig vorab kurze Erklärungen abgab, dann Vorschläge machte oder etwas anregte und ihn danach fragte, ob er einverstanden sei. Und er vermutete, dass sie ihm dadurch seine tatsächlich vorhandene Unsicherheit in der fremden Umgebung nehmen wollte. Jedenfalls empfand er es so, und seine Empfindung entsprach den Tatsachen. Suska hatte von Anfang an bemerkt, dass Jan seit seiner Ankunft in Hongkong naturgemäß unentschlossen und etwas verunsichert war, und sie spürte, dass er deshalb ihrer besonderen Fürsorge bedurfte, jedenfalls während der ersten Tage. Sie konnte sich in seine Lage versetzen, aus der heraus er von sich aus keine Anregungen geben und Vorschläge machen konnte, weil er im Grunde noch nichts von Hongkong wusste und sich erst einmal zurechtfinden musste.

Sie einigten sich, das Abendessen im Frühstücksraum des Hotels einzunehmen. Als sie dort Plätze an einem Zweiertisch gefunden hatten, war es draußen bereits dunkel.

Beim Studieren der Speisekarte, die Jan nicht so recht verstand, obwohl sie neben Chinesisch auch in Englisch ausgedruckt war, regte Suska an, doch mal die eine oder andere chinesische Köstlichkeit zu probieren und das Essen mit Stäbchen zu versuchen. Jan folgte darauf willig ihren Vorschlägen, und alles, was er aß, schmeckte ihm. Nur mit den Stäbchen kam er nicht zurecht, obwohl Suska ihm amüsiert zeigte, wie man damit aß, und er nahm deshalb schon alsbald wie gewohnt Messer und Gabel.

Während des Essens erzählte Suska, dass ihre Eltern gespannt auf ihn seien und sich freuten, ihn morgen kennen zu lernen. Als Jan zum ersten Mal seit ihrer Bekanntschaft vorsichtig fragte, was denn ihr Vater beruflich mache und ob auch ihre Mutter arbeiten gehe, schmunzelte Suska und sagte: „Meine Mutter spielt Tennis und gibt Kindern hin und wieder kostenlos Unterricht im Tennisspielen. Ihr macht das großen Spaß, wie sie sagt. Aber natürlich ist sie nicht dauernd auf dem Tennisplatz. Sie ist schon mit der Versorgung des Haushalts ziemlich ausgelastet, obwohl wir eine Philippinerin als Hausmädchen haben, die aber morgen nicht anwesend sein wird. Sie hat nämlich jeden Sonntag frei. Dann trifft sie sich mit ihren Leidensgenossinnen auf Hongkong Island im Central District. Das ist ungefähr da, wo die Star Ferry auf der anderen Seite des Wassers anlegt. Tausende Mädchen und junge Frauen kommen dort jeden Sonntag zusammen und tauschen Erfahrungen aus, die sie im Laufe der Woche im Haushalt ihrer oft wohlhabenden Arbeitgeber gemacht haben, und träumen gemeinsam von ihrer Heimat und ihren Angehörigen. Ich habe mal in der Zeitung gelesen, dass weit über hunderttausend Mädchen und junge Frauen, hauptsächlich von den Philippinen, in Haushalten in Hongkong arbeiten sollen. Natürlich kommen nicht alle an Sonntagen zusammen; aber es sind derart viele, dass die Polizei jeden Sonntag mehrere Plätze und Straßen im Herzen von Hongkong - Island absperrt, damit die Mädchen in kleinen und großen Gruppen Platz für sich haben, für ihre ausgebreiteten Decken und für ihre Picknick – Körbe. Dann ist die Luft erfüllt von ihrem Geschnatter und Lachen, und man könnte glauben, sie seien alle glücklich. Das sind sie aber mit Sicherheit nicht, jedenfalls viele nicht. Ich kann mir vorstellen, dass sie an den langen Arbeitstagen von Montag bis Sonnabend oft Heimweh haben und an zu Hause denken und oft auch weinen, und viele werden von ihren Arbeitgebern schlecht behandelt und nur gering bezahlt. Sie sind nicht aus Freude an der Arbeit hier, sondern weil sie arm sind und arbeiten müssen, um Geld zu verdienen und auch um zum Unterhalt ihrer Angehörigen beizutragen. Mir tun sie Leid.“

Während der letzten Sätze war Suska sehr ernst und schwieg anschließend einen Moment. Dann fügte sie hinzu: „Du wirst sie morgen sehen, wenn wir zu meinen Eltern fahren, und wirst dir selbst ein Bild von diesen scheinbar fröhlichen Szenen machen können. Von den Einheimischen werden sie übrigens Schwalben genannt.“

„Warum denn das?“ fragte Jan erstaunt, und Suska erklärte darauf: „Weil der Lärm von mehreren Tausend Stimmen wie das Zwitschern vieler Vögel klingt, wenn er von den hohen Häuserfassaden mehrfach zurückgeworfen wird.“

Beide lachten.

„Du fragtest, ob meine Mutter berufstätig sei,“ fuhr Suska dann fort. „Ja, zeitweise ist sie das; denn gelegentlich hilft sie auch noch meinem Vater bei den Büroarbeiten.“

„Und was macht dein Vater?“ fragte Jan erwartungsvoll.

„Der macht sauber,“ antwortete Suska und amüsierte sich über sein verdutztes Gesicht.

„Er macht sauber? Zu Hause?“ fragte er etwas irritiert. „Wie soll ich das verstehen?“

„Nein, nicht zu Hause,“ antwortete Suska, „ er hat eine Reinigungsfirma.“

„Was reinigt er denn,“ wollte Jan, zaghaft fragend, wissen.

„Alles Mögliche,“ war Suskas Antwort. „Er hat fast dreitausend Angestellte. Die genaue Zahl kann ich dir jedoch nicht sagen.“

„Was? So viele Leute sind bei ihm beschäftigt?“ staunte Jan. „Die müssen doch aber ständig Arbeit haben.“

„Die haben sie auch,“ erklärte Suska, jetzt ernst, und fügte hinzu: „Mein Vater hat, als er etwa zwanzig Jahre alt war, in seinem Beruf angefangen, erst ganz allein, wie er schon wiederholt erzählt hat. Und alles begann vor etwa fünfunddreißig Jahren mit dem Säubern eines Restaurants spät abends nach der Schließung. Inzwischen ist er fünfundfünfzig Jahre alt. Ja, und da er seine Arbeit damals zur vollen Zufriedenheit seines Auftraggebers gemacht hatte, wurde er an andere Geschäftsleute weiter empfohlen, und schon bald konnte er das Saubermachen nicht mehr allein schaffen. Er stellte einen Mitarbeiter ein und schon alsbald danach einen zweiten und einen dritten, und so wuchs sein Geschäft mit den Jahren auf etwa dreitausend Angestellte an.“

Suska schwieg einen Moment, und als Jan sie erstaunt und fragend anblickte, erzählte sie weiter, dass diese Angestellten in nahezu allen Stadtteilen von Hongkong eingesetzt würden. Es gäbe inzwischen mehr als zehn Verwaltungsstellen, deren Mitarbeiter sich um weitere Kunden bemühten, die geleisteten Arbeiten des Reinigungspersonals überwachten und abrechneten, die neue Reinigungskräfte einstellten, die Krankheitsfälle bearbeiteten, sich um Beschwerden der Kunden kümmerten und die alle Dinge erledigten, die bei einem derart großen Personalbestand so anfielen. Sie sei froh, dass ihr Vater in ihren zwei älteren Brüdern, die beide in der Firma arbeiteten, eine Unterstützung habe. Er allein würde es nach ihrer Einschätzung nicht schaffen, alles zu organisieren und zu kontrollieren. Sie und besonders ihre Mutter machten sich schon längere Zeit Sorgen um seine Gesundheit. Bereits gegen sieben Uhr morgens verlasse er in der Regel die Wohnung und fahre ins Büro, und erst gegen sechs oder sieben Uhr abends kehre er zurück; manchmal werde es auch acht oder neun Uhr. Sie frage sich, wie lange er das noch durchhalte.

„Mein Vater neigt zur Perfektion,“ ergänzte sie noch. „Er möchte über alles informiert sein, was in der Firma passiert, und er legt größten Wert darauf, dass jeder seine Arbeit ordentlich macht. Nachlässigkeit und Unordentlichkeit mag er überhaupt nicht. Wenn sich gute Kunden beschweren, sucht er sie persönlich auf und bespricht die Angelegenheit mit den Chefs. Und meistens gelingt ihm auch, diese zu beschwichtigen und sie von einem Wechsel der Reinigungsfirma abzubringen.“

Suska lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und lächelte Jan an.

„So, jetzt kennst du meinen Vater schon etwas,“ sagte sie, „aber du brauchst keine Angst vor ihm zu haben. Er ist ein gutmütiger Familienmensch, der Unannehmlichkeiten innerhalb der Familie überhaupt nicht mag, schon gar nicht, wenn sie in irgendeiner Weise mit mir zusammenhängen. Ich bin nämlich sein Nesthäkchen, das er rundherum beschützen und immer glücklich sehen möchte und dem möglichst kein Wunsch abgeschlagen werden darf. Aber ich nutze diese Schwäche von ihm nicht aus. Und das weiß er auch. Das ist sicher ein Grund mit, weshalb er mir gegenüber so weich und nachgiebig ist. Auf den ersten Blick macht er einen ziemlich reservierten Eindruck, jedenfalls bei der Begegnung mit einem Menschen, den er noch nicht kennt. Wenn er aber jemand mag, zeigt er das durch scheinbare Kleinigkeiten. Achte mal darauf.“

Jan hatte Suska fasziniert zugehört, und nach einer Weile des Schweigens fragte er: „Aber sag mal, wo werden denn die vielen Mitarbeiter deines Vaters eingesetzt?“

Suska lachte und antwortete: „Sieh mal aus dem Fenster. Viele Hotels rund herum, öffentliche Gebäude und Geschäfte und sehr viele Fenster, zum Teil sehr große, die alle von Zeit zu Zeit gesäubert werden müssen. Da überall werden die Angestellten meines Vaters beschäftigt. Es gibt Gruppen, die nur auf die Reinigung von Hotels spezialisiert sind, andere auf die Reinigung von Krankenhäusern, von Verwaltungsgebäuden und Museen, von großen und kleinen Geschäften, von Restaurants und von Tausenden von Fenstern. Sogar große Bereiche des Flughafens werden von der Firma meines Vaters betreut, und du wirst es kaum glauben, auch an der Reinigung der Straßen und Parks ist er beteiligt. Es gibt in Hongkong zwar mehrere Reinigungsfirmen, aber die meines Vaters ist die größte.“

Als Jan sie staunend anblickte, ergänzte sie schmunzelnd: „Und jetzt möchtest du sicher noch etwas mehr über meine Mutter wissen.“

Jan lächelte nur und schwieg.

„Sie ist fast das Gegenteil von meinem Vater, sie ist fremden Menschen gegenüber von Anfang an aufgeschlossen und unbekümmert und hat die Fähigkeit, freimütig auf sie zuzugehen. Wenn du mit ihr nicht auskommst, hast du es selber Schuld,“ charakterisierte Suska ihre Mutter. „Sie hat die Gabe, jeden Menschen so zu nehmen, wie er ist, solange er ihr gegenüber nicht beleidigend und anstößig wird. Ihre Familie ist ihr Ein und Alles. Na ja, in einigen Stunden wirst du beide kennen lernen.“

„Von wem hast du denn, was dein Wesen anbetrifft, das Meiste geerbt?“ fragte Jan und blickte sie erwartungsvolle an.

„Von beiden etwas, meine ich jedenfalls,“ lachte Suska. „Aber im Wesen schlage ich wohl mehr auf meine Mutter. Die Gründlichkeit habe ich allerdings von meinem Vater geerbt. Aber beurteile du es morgen und an den nächsten Tagen selbst.“

Als nach etwa einer Stunde die Bezahlung anstand, bat sie den Ober in chinesischer Sprache, den zu zahlenden Betrag auf die Zimmerrechnung zu setzen. Jan bekam das nicht mit, und als er Suska deshalb fragend anblickte, lächelte sie nur und erklärte, es sei alles in Ordnung. Ihr Vater hatte ihr nämlich gesagt, dass er die Hotelrechnung übernehmen wolle. Davon sagte sie Jan jedoch nichts.

„Jetzt geht es los,“ strahlte sie ihn an, „jetzt hinein ins brodelnde Nachtleben von Hongkong.“

Jan schmunzelte nur, als sie das sagte.

Beide verließen den Frühstücksraum und suchten das Foyer auf, wo Suska ihn kurz das Restaurant links vom Eingang zeigte und beide auch einen Blick in das große Hallenbad warfen.

„Wenn du mal Langeweile hast und schwimmen möchtest, kannst du es dort tun,“ meinte sie, „aber ich glaube, dass du zum Schwimmen kaum Zeit haben wirst.“

Dann verließen sie das Hotel, überquerten auf einem Fußgängerüberweg mit einer Ampel die stark befahrene Salisbury Road und begaben sich, vorbei am Kulturzentrum, auf die Promenade, die mehrere hundert Meter am Meer entlang führte und von der aus sie einen atemberaubenden Blick auf die Skyline von Hongkong Island hatten. Als sie am Anfang der Promenade an einem Uhrenturm vorbei kamen, klärte Suska ihn auf, dass der zu einem früheren Kolonialbahnhof gehört habe, der vor Jahren für das Kulturzentrum habe weichen müssen.

Dann schlenderten sie auf der von sehr vielen Menschen bevölkerten Promenade entlang, sich dabei angeregt unterhaltend, blieben wiederholt stehen, beobachteten die auf dem Wasser fahrenden kleineren Boote und blickten zur Skyline von Hongkong Island hinüber. Jan bewunderte den phantastischen Anblick und erklärte, dass er so etwas noch nie gesehen habe. Suska war glücklich darüber, dass es ihm gefiel, und sie gab ihm das auch zu verstehen.

Etwa am Ende der Promenade kehrten sie um, nachdem Suska angeregt hatte, Jan den Anleger der Star Ferry zu zeigen, der sich in unmittelbarer Nähe des Uhrenturms befinde. Vielleicht habe gleich nebenan auch ein Kreuzfahrtschiff angelegt, das sie sich aus der Nähe ansehen könnten. Jan war mit allem einverstanden.

Kurz vor acht Uhr – sie befanden sich noch auf der Promenade – sagte Suska: „Gleich geht es los. Gleich werden Laserstrahlen in verschiedenen Farben an den Hochhäusern von Hongkong – Island hoch zucken und auch das Kulturzentrum wird in verschiedenen Farben angestrahlt. Diese Lichterschau gibt es jeden Abend für mehrere Minuten. Sie lockt immer wieder viele Menschen auf die Promenade.“

Und tatsächlich pünktlich am acht Uhr begann das Lichtspektakel, das beide von einer Bank aus bewunderten. Auch am Kulturzentrum hinter ihnen loderten Lichtstrahlen in verschiedenen Farben in die Höhe.

Als es zu Ende war und beide sich erhoben hatten, zeigte Suska auf eine breite Treppe, die zum Eingang des Kulturzentrums hinauf führte, und sagte: „Wenn wir heute Morgen hier gewesen wären, hättest du mit großer Wahrscheinlichkeit mehrere Hochzeitspaare bewundern können, die fast jeden Samstag mit ihren Gästen auf dieser Treppe stehen und sich fotografieren oder filmen lassen.“

Dann schlenderten sie zum nahe gelegenen Anleger der Star Ferry. Suska nutzte die kurze Wegstrecke, Jan darüber aufzuklären, dass er, wenn er mal allein unterwegs sei, stets Kleingeld bei sich haben müsse, da sowohl bei der Bezahlung der Fährüberfahrt als auch bei der Benutzung eines Busses kein Wechselgeld herausgegeben werde. Das Kleingeld müsse jeweils in einen Behälter geworfen werden, der sich bei den Bussen vorn befinde. Dort sei auch der Einstieg. Bei der nostalgischen Straßenbahn, die regelmäßig an der Nordküste der Insel Hongkong entlang rumpele, sei es insofern anders, als sich der Einstieg und der Behälter für das Fahrgeld hinten befänden. Im Übrigen seien die Fahrpreise für die Fähre, für die Busse und die Straßenbahn aber relativ billig.

„Morgen früh, wenn ich dich abhole, komme ich mit der U – Bahn,“ kündigte Suska an, „dann werden wir mal die Fähre benutzen und auch die Straßenbahn, wenn wir zu meinen Eltern zum Mittagessen fahren.“

Jan staunte über die vielen Menschen, die sich im Bereich des Fähranlegers aufhielten, und er brachte seine Verwunderung Suska gegenüber zum Ausdruck.

„Hier ist jeden Tag bis in die Nacht hinein so viel los,“ sagte sie darauf. „Das liegt aber auch mit daran, dass sich dort drüben ein riesiges Einkaufszentrum mit großen und kleinen Geschäften und vielen Restaurants befindet, die bis spät abends geöffnet haben. Das Ocean Centre, so wird es genannt, ist eines der bekanntesten Einkaufstempel der Stadt, und wenn Kreuzfahrtschiffe unmittelbar daneben anlegen, werden die Passagiere zunächst direkt durch das Einkaufszentrum geleitet, bevor sie die Straßen erreichen. Ich glaube, so etwas gibt es nicht einmal in Hamburg.“

Sie zeigte dabei auf einen großen Gebäudekomplex, der sich etwa gegenüber dem Fähranleger befand und dessen Fassaden von einer prächtigen Weihnachtsbeleuchtung erhellt wurden.

„Hier und auch in anderen Einkaufszentren sowie in den großen Hotels in Hongkong ist jetzt schon vieles auf Weihnachten ausgerichtet, weil wir morgen bereits den ersten Advent haben,“ sagte Suska, die gleich darauf begeistert ausrief: „Und sieh mal, wir haben Glück. Dort liegt ein Kreuzfahrtschiff am Kai. Es ist zum Greifen nahe. Man kann sogar den Namen des Schiffes lesen. Es ist eins von der Star Cruise Line, die hier in Hongkong beheimatet ist.“

Beide blickten zu dem Schiff hinüber, und Jan kam aus dem Staunen nicht heraus. Er kannte zwar die Großstadt Hamburg mit ihrem enormen Verkehr tagsüber auf den Straßen und im Hafen, aber Hongkong war anders. Hier wirkte auf ihn alles konzentrierter, lebendiger und wuseliger, und die Menschen mit ihren asiatischen Gesichtern erschienen ihm überhaupt nicht fremd. Eigenartig, er hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, sich in dieser Stadt wohl fühlen zu können.

„Der auffallend starke Fußgängerverkehr hat neben den späten Einkaufsmöglichkeiten und den angenehmen Temperaturen ihren Grund aber auch darin,“ ergänzte Suska, „dass die weitaus meisten Bewohner Hongkongs sehr beengt in kleinen Wohnungen leben und viele abends nach Feierabend das Bedürfnis haben, aus dieser Enge herauszukommen – glaube ich jedenfalls.“

Danach schlug sie vor, zur nahe gelegenen Nathan Road zu bummeln, zu einer der bekanntesten Einkaufsstraßen Hongkongs, und von hier aus zum Nachtmarkt, den Jan unbedingt kennen lernen müsse. Dieser Markt sei einer der größten von den zahlreichen Märkten in Hongkong, der jeden Abend auf einer Straße aufgebaut werde, zwischen achtzehn und dreiundzwanzig Uhr geöffnet habe und auf dem man viele Dinge preiswert kaufen könne. Er sei auch eine Touristenattraktion, nicht weit von hier entfernt und gut zu Fuß zu erreichen.

Jan war einverstanden. Er wusste ohnehin nicht genau, wo er sich innerhalb Hongkongs befand. Ihm war nur klar geworden, dass sie sich bisher nicht weit von seinem Hotel entfernt hatten.

Und so schlenderten sie zunächst zur Nathan Road, auf der Jan von der schrillen Leuchtreklame in chinesischen Schriftzeichen und zum Teil auch in englischer Sprache über der Fahrbahn und an den Häusern und von dem kaum vorstellbaren Verkehr auf der Straße und auf den Fußwegen ins Staunen versetzt wurde. Das Leben hier war so quirlig, dass er anfangs nicht wusste, wohin er blicken sollte, um seine Umgebung auch nur einigermaßen zu erfassen. Alles, was er sah, war für ihn faszinierend, und Suska, der sein Staunen nicht entging, strahlte ihn an und sagte: „So ist das jeden Tag bis tief in die Nacht hinein. Aber wenn du hier öfter gewesen bist, fällt dir dieser Betrieb schon gar nicht mehr auf; er ist dann auch für dich fast selbstverständlich.“

Sie bummelten langsam auf der Nathan Road in Richtung Nachtmarkt, beobachteten die Menschen, blieben vor einigen Geschäften stehen und betrachteten die Auslagen. Jan ging dabei links von Suska und hielt mit seiner rechten Hand die linke seiner Freundin. Es war, als wollte er sich an ihr festhalten.

„Wenn du etwas erwerben möchtest, sag es mir,“ riet sie ihm „Aber zum Einkaufen haben wir während der nächsten Tage ja noch reichlich Zeit. In vielen Fällen kannst du mit dem Verkäufer oder der Verkäuferin handeln. Du solltest also nicht gleich den angegebenen Preis akzeptieren. Handeln gehört in Hongkong vielfach dazu. Wahrscheinlich werde bei einem Einkauf ja bei dir sein und werde dir helfen können.“

Als links von ihnen hinter einer Straßeneinmündung eine Moschee auftauchte und daneben Treppen in einen fast dunklen Bereich hinauf führten, erklärte Suska: „Jenseits dieser Treppen liegt der Kowloon Park, eine wunderschöne grüne Oase unserer Stadt, mit einem Labyrinth von Wegen, mit Teichen, Brücken, Spielplätzen, Pavillons und vielen Bänken. Wenn du einverstanden bist, gehen wir am Montagmorgen mal hinein. Er liegt ganz in der Nähe deines Hotels. Natürlich gibt es aber nicht nur diesen Eingang zum Park. Ein anderer sehr schöner Park befindet sich auf Hongkong Island, der Hongkongpark. Auch den sollten wir mal besuchen. Aber du hast ja noch viel Zeit, um die Sehenswürdigkeiten meiner Heimatstadt kennenzulernen.“

Als Suska das alles mit einer verhaltenen Stimme sagte, aus der jedoch ein gewisser Stolz zu erkennen war, ahnten beide nicht, dass sie übermorgen, also am Montag, im Kowloon Park ein Erlebnis haben würden, das Jans Besuch in Hongkong eine dramatische, lebensgefährliche Wende für beide bedeuten sollte.

Dann erreichten sie nach wenigen Minuten den Nachtmarkt, wo es für sie kaum noch möglich war, nebeneinander zu gehen, weil hier ein derartiges Gedränge herrschte, dass sie sich nur noch langsam, hintereinander gehend, vorwärts bewegen konnten. Überall rechts und links von ihnen befanden sich Verkaufsstände, die von einem grellen Neonlicht beleuchtet wurden, und im Bereich quer verlaufender Straßen waren Bänke und Tische aufgestellt, an denen asiatisch und europäisch aussehende Menschen saßen und Getränke und Speisen verzehrten. Auf Jan übten die vielen Besucher des Marktes und das Sprachengewirr um ihn herum eine große Faszination aus, die ihn gleichzeitig aber auch etwas verloren erscheinen ließ. Zum Glück war jedoch Suska bei ihm, die voraus ging, sich hin und wieder umblickte und ihn beruhigend anlächelte.

Nachdem sie einmal die relativ lange Marktstraße bis zu ihrem Ende und zurück gegangen waren, ohne allerdings etwas gekauft zu haben, überlegten sie, wie sie den weiteren Verlauf des Abends gestalten könnten. Suska informierte Jan darüber, dass nicht weit vom Nachtmarkt ein „Biergarten“ sei, in dem man deutsche Gerichte und deutsches Bier bekommen könne, und dass es in der Nähe seines Hotels auch eine „Weinstube“ gäbe, die sehr gemütlich sei, in der man allerdings meistens mehr Chinesisch und Englisch als Deutsch höre. Beide kamen jedoch dahin überein, zum Hotel zurückzugehen, da Jan für den ersten Tag seines Aufenthalts in Hongkong schon fast zu viele Eindrücke von dieser Stadt hatte aufnehmen müssen und er die Belastungen des Nachtflugs und der Zeitumstellung noch nicht völlig überwunden hatte.

Sie suchten deshalb das Hotel auf und verbrachten noch etwa zwei Stunden voller Leidenschaft in Jans Zimmer im Bett.

Als Suska gegen Mitternacht zu verstehen gab, dass es nun Zeit für sie sei, nach Hause zu fahren, fragte Jan sie, ob er sie vorsichtshalber in die Garage begleiten solle. Jene erklärte darauf jedoch, dass das nicht nötig sei, sie habe keine Angst, sie sei es gewohnt, auch zur späten Stunde noch eine Garage aufzusuchen. Im Übrigen sei Hongkong eine ziemlich sichere Stadt. Natürlich gäbe es auch hier Diebe, Räuber, Betrüger und sogar Mörder, aber im Vergleich zu vielen anderen Großstädten auf der Welt stehe Hongkong, was Straftaten anbetreffe, sehr gut da. Jan gab sich damit zufrieden, und beide verabschiedeten sich noch im Zimmer, nachdem Suska angekündigt hatte, am nächsten Tag gegen zehn Uhr wieder bei ihm zu sein. Sie werde dann jedoch mit der Untergrundbahn kommen.

Mord im Kowloon-Park

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