Читать книгу Als U-Boots-Kapitän gegen England - Günther Georg Freiherr von Forstner - Страница 6

Wie es unter Wasser zugeht

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ie Sichtweite unter Wasser durch die in die Panzerwand des Kommandoturmes eingeschnittenen Seitenfenster wechselt. Es ist selbstverständlich, dass wir in schönem klaren Wasser auf hoher See weiter sehen als in trübem, schmutzigem Wasser, wie etwa in oder dicht vor unseren Flussmündungen. Außerdem beeinflusst die Art des Meeresgrundes die Sichtweite durch das Wasser. Dicht über einem hellen Sand kann man immer weiter sehen als über dunklem Schlickgrund oder schwarzen Felsen. In den oberen Wasserschichten spielt natürlich die Helligkeit der Luft eine gewisse Rolle. Sonnenschein macht sich viele Meter unter Wasser noch bemerkbar.

Immerhin ist die Sichtweite unter Wasser auch unter den allergünstigsten Umständen eine nur sehr geringe und reicht kaum über einige Meter hinaus. Helle leuchtende Gegenstände sind weiter zu sehen als dunkle.

Niemals aber können wir selbst helle Gegenstände, die weiter von unseren Turmfenstern entfernt sind als die äußersten Schiffsenden, unter Wasser sehen. Zumeist wird unter Wasser eine Sichtweite bis zu unserem Vor- oder Achterschiff nicht mehr vorhanden sein.

Es ist somit klar, dass wir niemals so weit sehen werden, um, durch den eigenen Blick gewarnt, uns begegnenden Schiffen, unter Wasser liegenden Wracks oder Steinen und sonstigen Hindernissen ausweichen zu können. Wir würden diese immer erst zu spät erblicken und müssen uns anders helfen. Die Mannschaft sieht überhaupt während der ganzen Tauchfahrt nichts von allem, was im Wasser vorgeht. Nur der Kommandant hält oben im Kommandoturme ab und zu Rundschau mit dem Sehrohr, das auch ihm nur einen kleinen Sektor des Horizontes zeigt. Durch Herumdrehen des Sehrohres vermag er nach und nach den ganzen Horizont abzusuchen. Diese Arbeit ist körperlich nicht ganz leicht, und bei langen Fahrten macht sich die Anstrengung recht bemerkbar. Die Sehrohre dürfen sich nämlich in ihren Führungen durch die obere Decke des Kommandoturmes nicht zu leicht drehen lassen, da sie sonst auf großen Tiefen nicht genügend gegen den Wasserdruck abdichten würden. Die Dichtungen in diesen Führungen sind also stark angezogen. Es muss Mühe machen, die runden Sehrohre in ihnen herumzudrehen.

Wenn möglich, lässt der Kommandant daher bei gewöhnlichen ruhigen Übungsfahrten, wenn die Nähe anderer Fahrzeuge kein Ausweichen nötig macht, wohl einen der Wachoffiziere oder den Steuermann zeitweise statt seiner diese Arbeit übernehmen. Melden lässt er sich aber, sobald irgendetwas oben gesichtet ist. Das will er selbst sehen und weitere Maßnahmen ergreifen.

Im Kriege, wie auch schon bei Angriffsübungen im Frieden, darf der Kommandant nur allein diese Tätigkeit ausüben. Würde er außer sich noch jemand in der Nähe des Feindes hindurchschauen lassen, so müsste das Sehrohr überflüssig lange aus dem Wasser ragen und könnte das angreifende U-Boot verraten.

Ein hohes Maß von Vertrauen muss die Besatzung ihrem Kommandanten daher entgegenbringen, wenn sie ruhig und sicher bei der Tauchfahrt ihren schwierigen Obliegenheiten in dem Inneren des Bootes nachgehen soll.

Der Kommandant allein sieht, was vorgeht, und die Mannschaft muss wissen, dass er gut aufpasst und allen Gefahren zu begegnen weiß. Ich könnte mir nicht denken, dass ohne dieses Vertrauen in den Kommandanten ein U-Boot leistungsfähig wäre.

Auch der Dienst der Mannschaft während der Tauchfahrt erfordert Erziehung und Selbstbeherrschung. Wir wissen voll und ganz, dass es nicht leicht für sie ist, zumal in Kriegszeiten, ohne selbst etwas zu sehen, vom Kommandanten durch feindliche Gewässer geführt zu werden. Doch sie kennen sich gegenseitig, die ganze Besatzung eines kleinen U-Bootes. Vom Kommandanten bis zum jüngsten Matrosen und Heizer wissen sie, dass ein jeder an seiner Stelle der richtige Mann ist, und in diesem Gefühl versehen sie ruhig ihren Dienst.

Ein kleines Beispiel möge beleuchten, wie sehr es immer der Wunsch der Leute unten im Boot ist, auch einmal während der Tauchfahrt nach oben sehen zu dürfen.

Lange vor Ausbruch des Krieges sollte ein Heizer meiner Besatzung zur Entlassung kommen. Er hatte sich seinerzeit, ungefähr bei der Gründung unserer U-Boots-Waffe, freiwillig für diesen Dienst gemeldet und seine ganze dreijährige Dienstzeit auf dem ersten deutschen U-Boote abgeleistet. Er war ein prächtiger Kerl, dem man alles anvertrauen, auf den man sich in jeder Hinsicht, auch in schwierigster Lage, verlassen konnte.

Ungern sahen wir ihn daher scheiden, auch er selbst hatte oft geschwankt, ob er nicht seinen Zivilberuf opfern solle, um weiter auf Beförderung zum Deckoffizier zu dienen. Verhältnisse in seiner Familie ließen ihn aber den Gedanken aufgeben. Als einziger Sohn musste er die Schlosserei seines schon kränklichen alten Vaters übernehmen.


Innenansicht eines U-Bootes.

An dem Tage vor seiner Entlassung machten wir noch eine längere Übungs-Tauchfahrt. Ich fragte ihn, ob er noch einen besonderen Wunsch hätte. Ich hatte dabei gedacht, dass er noch einmal uns allen seine Geschicklichkeit zeigen wolle.

Doch nichts derartiges. Treuherzig bat er mich nur: „Herr Kapitänleutnant! Ich bin nun die ganzen drei Jahre auf einem Unterseeboot gefahren, aber ich habe noch niemals unter Wasser durch das Sehrohr kucken dürfen. Könnte ich das vielleicht einen ganz kurzen Moment einmal machen?” Sichtbar beglückt schaute er dann. Lange ließ ich ihn ruhig gewähren. Über die Oberfläche des Meeres sah er zum allerersten Male nach oben auf die weite, weite Wasseroberfläche, unter der er den größten Teil seiner dreijährigen Dienstzeit vollbracht hatte.

Noch später schrieb er mir aus seiner Heimat, dass dieser Tag für ihn doch der schönste seiner ganzen Dienstzeit gewesen sei, und dass er es niemals vergessen könnte, wie herrlich es doch wäre, so von unten über das Wasser hinaus sehen zu können.

Das kleine Erlebnis kennzeichnet den glühendsten Wunsch unserer Leute. Mich hat es darauf aufmerksam gemacht, eine wie große Freude ich meiner Besatzung hierdurch leicht bereiten konnte. Wenn es sich bei Übungsfahrten machen ließ, holte ich deshalb später mit der Zeit immer einen nach dem anderen herauf zu mir in den Kommandoturm, bis sie alle einmal unter Wasser durch das Sehrohr geschaut hatten.

Späteren U-Boots-Kommandanten kann ich nur raten, gelegentlich das gleiche zu tun. Die brave Mannschaft wird das stets dankbar empfinden.

Nur selten sehen wir bei Tauchfahrten durch das Wasser Fische. Sie werden durch das Geräusch des an den Bootswänden vorbeistreichenden Wassers und durch das Lärmen der Schrauben aus unserer Nähe geschreckt. Der einzelne Fisch kann uns sehr schnell aus dem Wege gehen.

Anders ist es, wenn wir in große Schwärme von Fischen kommen. Diese können nicht so schnell ausweichen, da sie sich alle gegenseitig behindern. Versuchen tun auch sie es natürlich.

Verschiedentlich kamen wir in Herings- oder Sprottenschwärme, und niemals werden wir dieses schöne, herrliche, aber auch komische Bild eines durch uns aufgeschreckten Schwarmes von Fischen vergessen. In höchster Angst versuchen alle, aus unserer gefahrdrohenden Nähe zu entweichen. Jeder stößt hierbei an den Nachbar, und in allen Stellungen nach unten, nach oben, wie nach allen Seiten schwimmend streben sie mit höchster Aufbietung ihrer Schwimmkraft danach, uns so bald als möglich zu entrinnen. Wie ein silbern seidenes Tuch, durch das Wasser an uns vorbeigetragen, glitzert und funkelt das hellstrahlende Kleid eines solchen Fischschwarmes dann vorüber.

Einmal ist es mir nach solch einer Fahrt durch riesige Sprotten-schwärme gelungen, die Fischer eines Ortes, von dem unsere Übungsfahrten ausgingen, auf das Nahen der schon sehnlichst erwarteten reichen Fänge aufmerksam zu machen. Ihr ursprünglicher Ärger, dass wir ihnen die Fische mit den U-Booten verjagen würden, wandelte sich dann am nächsten Tage in große Freude, weil sie mit reicherer Beute als seit Jahrzehnten heimkehren konnten.

Liegen wir aber mit dem Boote auf dem Grunde des Meeres still, so ist es uns öfter vergönnt, dem Leben der Fische zuzuschauen. Kein Geräusch dringt dann nach außen, das die Fische in der Nähe abhalten könnte, den sonderbaren Eindringling in ihr Reich einer genaueren Musterung zu unterziehen.

Das durch die Fensterscheiben des Turmes in das Wasser hinaus-leuchtende Licht der elektrischen Lampen lockt von weitem die Fische, die mit verwunderten Augen zu uns hereinglotzen. Misstrauisch müssen sie schon sein, denn meist kommen sie zunächst nicht bis ganz an die Scheiben der Turmfenster. Haben sie dann nichts Verdächtiges bemerkt, so wagen sie einen weiteren Vorstoß auf die Lichtquelle, bis sie nach einem harten Stoße ihres Kopfes an die Scheiben erschrocken das Weite suchen.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass das im Wasser brennende Licht die Fische ebenso anlockt wie der helle Schein der Laternen in der Luft Vögel und Insekten. Aus Gründen des Fischereischutzes ist es daher in vielen Ländern verboten, dem Fischfange mit unter Wasser leuchtenden Lampen nachzugehen. Das würden auch nur große Fischereigesellschaften mit Fischdampfern tun können und dadurch die kleinen selbständigen Fischer sehr benachteiligen. Auch wäre ein übermäßiges Abfangen von Fischen in einer Gegend zu befürchten.

Stundenlang kann man dem Spiel der Fische und auch dem Vorbeisegeln der Quallen im Wasser zuschauen. Man kommt sich vor wie in einem Aquarium, nur sind die Fische nicht in engen Kästen eingesperrt und können sich frei in der weiten See bewegen, während wir in dem Kasten drin sitzen und an unseren Platz gebannt sind. Allerdings brauchen wir dafür auch kein Eintrittsgeld zu bezahlen.

So gibt es bei unseren schönen Unterwasserfahrten des Interessanten genug zu sehen und zu erleben, auch geht es ganz lustig in „unserer Röhre” zu.

Dies ist eine Bezeichnung für unser Bootsinneres, das vollkommen kreisrund, also von Röhrenform ist.

Die runde Röhrenform ermöglicht es nämlich, bei einer verhältnismäßig kleinen Wandstärke dem größten Wasserdruck zu trotzen, da der Druck auf den runden Körper von allen Seiten gleichmäßig wirkt.

Eine Menge der bekannten Lieder oder Gassenhauer haben wir uns für unsere U-Boots-Zwecke etwas umgedichtet. Oft haben wir dabei unter anderem in frohem Kreise nach der bekannten Melodie: „Immer an der Wand lang” das kleine Verschen gesungen:

„Und so ziehn wir still und leise

Immer auf dem Grund lang,

Immer auf dem Grund lang,

Machen unsere U-Boots-Reise

Immer auf dem Grund lang,

Immer auf dem Grund lang.

Drehen uns herum im Kreise

Immer auf dem Grund lang,

Immer auf dem Grund lang,

Nach der altbekannten Weise:

Immer auf dem Grund,

auf dem Grund entlang!”


Ein deutsches Unterseeboot im Schwimmdock.

Als U-Boots-Kapitän gegen England

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