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Katharina erstarrte. Die Zeit schien still zu stehen. Martin und Veronika blickten sich an. Ihnen war sofort bewusst, was zu tun war. „Schnell, ruf die Polizei!“, flüsterte Martin Veronika zu. Sogleich verschwand Veronika. Katharina saß wie versteinert neben dem Leichnam. Ihre Augen waren verschlossen und sie atmete nur flach. Martin strich ihr über den Rücken. Leise sagte er: „Es tut mir leid, Katharina.“ Dann nahm er Abstand von ihr, blieb aber in der Garage, für den Fall, dass sie Hilfe benötigte. Sie steht unter Schock, dachte er. Ihr Körper ist angespannt und zittert leicht. Martin beobachtete, wie sie langsam in sich zusammen sackte. Schnell war er zur Stelle und hielt sie in seinem Arm. Sie hatte das Bewusstsein verloren. Martin überprüfte, ob sie noch atmete. Dann legte er sie vorsichtig in die stabile Seitenlage, nahm eine Decke, die er in einem der Regale fand und deckte sie zu, damit sie nicht auskühlte. Die Sekunden vergingen nur langsam.

Plötzlich hörte er Schritte. Er konnte die dunklen Silhouetten mehrerer Personen draußen auf der Terrasse erkennen. Dann sah er, wie Olaf, der Regisseur, einen Schritt ins Licht trat und in die Garage kam. Er starrte auf den Toten. „Also ist es wahr, was die Frau eben sagte? Es ist furchtbar!“ Er erblickte Katharina und erschrak: „Oh mein Gott, und was ist mit Katharina?“

Gerade wollte Olaf Martin zu Hilfe kommen, da sagte dieser: „Sie ist in Ohnmacht gefallen. Sie wird bald wieder zu sich kommen. Ich kümmere mich um sie.“

Martin hörte, wie draußen leise jemand zu weinen anfing. Dann sagte er: „Bitte, geht wieder ins Theater, es gibt hier nichts zu sehen. Die Polizei wird gleich da sein. Ich bitte euch.“

Langsam und stumm ging die Gruppe wieder hinein. Die Musik wurde abgestellt und im Theater wurde es still. Veronika kam wieder zurück: „Die Polizei wird gleich hier sein.“

„Gut. Wir müssen uns um Katharina kümmern.“

Veronika strich ihr über die Wange. Dann hörten sie einen leisen Seufzer. Katharina kam wieder zu sich. Sie blickte Martin in die Augen. Schlagartig war ihr wieder bewusst, was geschehen war. Sie bat flehend „Ich muss zu meinen Kindern. Bitte, lasst mich nach Hause gehen. Ich will meine Kinder sehen, bitte!“

Martin versuchte sie zu beruhigen und nahm sie in seinen Arm. Daraufhin fing sie zu weinen an: „Warum nur? Warum tut jemand so etwas? Was soll nur jetzt geschehen?“

Martin und Veronika konnten die Frage nicht beantworten. Überhaupt konnten sie in dieser Situation nichts Sinnvolles sagen, was Katharina in ihrem Schmerz hätte helfen können. In der Ferne hörte man Sirenen heulen. Es dauerte keine fünf Minuten bis mehrere Polizisten und ein Notarzt in die Garage kamen. Der Arzt beugte sich über den Toten und fing an, ihn zu untersuchen. Die Polizisten baten, dass vorerst alle am Abend beteiligten Personen im Theater warten und sich für Verhöre bereithalten sollten. Katharina stütze sich auf Martin. Veronika ging voran. Als sie in den Theaterraum eintraten, sahen sie, wie die Gruppe zusammen saß, teilweise gefasst, teilweise mit Tränen in den Augen. Gerald kam auf Martin zu: „Wie konnte das nur geschehen? Es ist unfassbar! Wer konnte Udo so etwas Grausames angetan haben? Die arme Katharina.“

„Das weiß ich nicht, Gerald. Die Polizei wird es hoffentlich herausfinden. Lass mich erstmal einen Schluck Wasser trinken.“ Er nahm sich einen Becher und goss sich ein. Dann fragte er in die Runde: „Sind denn alle hier versammelt oder fehlt noch jemand?“

Olaf sah sich um: „Es sind einige bereits gegangen. Das hier war der harte Kern.“

Martin schaute in die Runde. Es waren fast alle Schauspieler hier geblieben außer Margot, die das Buffet angerichtet hatte und Kimberly, die Blanche spielte. Angehörige und Freunde der Schauspieler waren ebenso frühzeitig gegangen. Nur noch er, Veronika und Leni waren mit den Schauspielern hier geblieben. Mit Veronika und mir sind es elf Personen, die also zu später Stunde noch anwesend waren, dachte Martin. Laut fragte er: „Wer hat Udo als letztes noch lebend gesehen?“

Die Gruppe sah sich an.

Armin antwortete: „Ich habe ihn draußen mit Gerald auf dem Hof rauchen sehen. Das mag vielleicht so gegen 23 Uhr gewesen sein.“

„Stimmt, das kann ich bezeugen. Das habe ich auch gesehen“, bestätigte Erik.

„Und später? Hat ihn noch jemand anderes gesehen?“

Alle blickten sich an, doch niemand sagte etwas.

„Also niemand?“, fragte Martin.

„Es ist schwierig genau zu sagen, wo jemand war, denn alle tanzten durcheinander und tranken und unterhielten sich. Also, ich kann nicht mit Sicherheit sagen, wen ich wo gesehen habe“, wandte Frederick ein.

Die anderen nickten zustimmend. Ja, das ist wohl wahr, dachte Martin. In dem Trubel konnte man wirklich nicht genau sagen, wer sich wo aufgehalten hatte. Er setzte sich nun zu Gerald, Leni und Veronika an den Tisch und verstummte. Die Tür ging auf und zwei Polizisten betraten den Raum. Nach einer angemessen dezenten Begrüßung, baten sie förmlich alle Anwesenden nacheinander zu einer Befragung ins Foyer 2 zu kommen. Jeder musste seine Personalien angeben und ausführlich aus eigener Sichtweise beschreiben, was am Abend und in der Nacht geschah.

Als Martin ins Foyer eintrat, hatte er ein ungutes Gefühl. Er konnte nach seinem Dafürhalten nichts Nennenswertes bei der Befragung beisteuern. Er kannte niemanden näher außer Gerald. Auch war ihm nichts weiter aufgefallen. Er konnte es sich nicht erklären, wie der Mord stattgefunden haben könnte. Als der Polizist ihn fragte, ob er jemanden mit Udo zusammen gesehen hatte, versuchte er sich den Abend bildlich noch einmal vorzustellen. Ja, es hatten mehrere Leute mit Udo gesprochen. Auch war Udo zwischendurch aus dem Theaterraum verschwunden. Aber er tauchte immer wieder auf. Es war ein Kommen und Gehen. Auf die Frage, welche Stimmung herrschte, konnte Martin nicht eindeutig antworten. Es war im Grunde eine ausgelassene Stimmung, jedoch konnte er sich auch daran erinnern, einige ernstere Gespräche beobachtet und ernstere Gesichter gesehen zu haben. Freundlich bedankte sich der Polizeibeamte.

Nachdem alle ihre Aussage gemacht hatten, verabschiedeten sich die Polizisten mit der Bitte, sich für eventuelle Verhöre bereit zu halten. Außerdem durfte niemand die Stadt verlassen. In einem Leichenwagen wurde der Leichnam Udos abtransportiert.

Als die Polizei gegen vier Uhr morgens die Muschel verließ, waren nur noch Martin, Gerald und Olaf zurückgeblieben. Die Übrigen waren schon nach Hause gegangen.

„Wir müssen die weiteren Vorstellungen absagen“, sagte Gerald matt.

Olaf nickte. „Ja, ich kümmere mich gleich morgen darum.“

„Vielleicht sollten wir auch einen gemeinsamen Gottesdienst feiern, im Gedenken an Udo.“

„Das ist eine gute Idee. Das werde ich in die Wege leiten.“ Nach einer Pause sprach Olaf weiter: „Es ist einfach nur schrecklich. Ich weiß nicht, wie so etwas Furchtbares überhaupt geschehen konnte.“ Er stand auf, nahm sein Jackett und verabschiedete sich. Gerald und Martin entschieden sich, auch Schluss zu machen. Gemeinsam schlossen sie das Theater ab.

Als Martin gegen fünf Uhr in seinem Bett lag, dachte er über das Geschehene nach. Er konnte es sich nicht vorstellen, aber logisch betrachtet gab es nur eine Erklärung. Der Mörder musste jemand gewesen sein, der am späten Abend noch anwesend war. Jemand, der in Verbindung mit Udo gestanden hatte. Und irgendwer müsste etwas gesehen haben, befand er. Da war er sich ganz sicher. Morgen würde er sich noch einmal mit Gerald treffen und vielleicht würde er etwas unternehmen.


Martin betätigte den Klingelknopf. Nach ein paar Minuten öffnete Gerald verschlafen die Tür. Er schaute verdutzt, als er Martin zu so früher Stunde sah. Mit einem derart schnellen Wiedersehen hatte er nicht gerechnet. Nach einer zurückhaltenden Begrüßung führte er Martin ins Wohnzimmer. Er bot ihm einen Platz und eine Tasse Kaffee an. Es dauerte nicht lange, bis der Kaffee aufgebrüht war und sich beide auf der Couch gegenüber saßen.

„Wieso bist du so früh schon wach? Es ist erst neun Uhr! Ich würde am liebsten im Bett liegen bleiben und nie mehr aufstehen“, befand Gerald. „Und alles vergessen, was gestern geschah!“ Ihm wurde etwas übel.

„Ich konnte nicht schlafen. Ich bin total aufgeregt. Mir gingen die Geschehnisse von gestern nicht aus dem Kopf.“ Er stand auf und ging ziellos im Zimmer umher. „Ich habe lange darüber nachgedacht. Es klingt absurd, aber es kann einfach nicht anders sein.“ Er machte eine Pause und schaute Gerald an: „Der Mörder muss jemand sein, der gestern an der Feier teilgenommen hat. Jemand, der nach 23 Uhr noch in der Muschel war. Ich glaube nicht, dass ein Fremder Udo aufgespürt und in der Garage erstochen hat.“

Gerald blickte Martin ungläubig an. „Wieso denn nicht? Man kann außen um das Gebäude herum auf die Terrasse gehen. Jeder hätte kommen und Udo erstechen können!“

„Ja, das könnte schon sein, aber mein Gefühl sagt mir, dass es anders ist. Denn warum sollte ein Fremder ausgerechnet an der Premierenfeier sein Opfer aufsuchen? An einer Feier, bei der so viele Menschen anwesend waren? Das wäre doch viel zu unsicher und er oder sie musste Gefahr laufen, gesehen zu werden. Nein, ich glaube nicht daran. Wenn ich der Mörder wäre und wollte Udo umbringen, dann würde ich mir einen Moment aussuchen, an dem ich mit dem Opfer alleine wäre.“

„Der Mörder könnte aber auch versuchen es jemand anderem anzuhängen. Weißt du, was ich meine? Er könnte ihn gerade deswegen bei der Premierenfeier getötet haben, weil eben viele Leute anwesend waren.“

Martin zögerte kurz. Das wäre auch eine Möglichkeit. Trotzdem mochte er daran nicht glauben. „Stimmt, so könnte es gewesen sein. Dennoch glaube ich nicht, dass es so war. Ich denke, der Mörder war einer von denen, die gestern Abend im Theater mitgefeiert haben.“

Gerald stockte: „Das hieße, dass deiner Einschätzung nach einer aus dem Ensemble der Täter ist?“

Unsicher antwortete Martin: „Ja, es könnte so sein.“

Gerald schüttelte den Kopf: „Also nein, das kann nicht sein! Wieso sollte jemand von uns das Risiko eingegangen sein? Wir sahen Udo doch jeden Tag bei den Proben. Und nach den Proben waren wir auch oft unterwegs.“

„Ich weiß es nicht. Es muss gestern Abend etwas passiert sein, was den Mörder zu der Tat gezwungen hat. Irgendjemand tat oder sagte etwas und der Mörder musste spontan reagieren. So stelle ich es mir vor.“ Er stützte nachdenklich seinen Kopf auf die Hände. „Und weißt du, auch die Wahl der Tatwaffe spricht für meine Theorie. Der Mörder muss im Affekt nach etwas Passendem gesucht haben. Und da sah er in der Garage den Schraubenzieher liegen, nahm ihn und stach zu. Ja, ich glaube der Mord war nicht geplant, sondern spontan im Affekt ausgeführt.“

Gerald musterte ihn lange. Die Situation war für ihn fremd und surrealistisch. Beide saßen auf der Couch und sprachen über den Mord, wie zwei Kriminalkommissare oder zwei Privatdetektive. Er wusste aus Martins vielen Erzählungen, dass Martin schon früher mehrmals in Mordfälle verwickelt war. Dass er über Erfahrungen verfügte und mitgeholfen hatte, diese Morde erfolgreich aufzuklären. Bis gestern Abend hielt er Martins unglaubliche Geschichten für Flunkereien. Er hatte ihm nicht alles geglaubt und ihn belächelt. Aber jetzt war alles anders. Nun war ein echter Mord geschehen. Wenn Martin einen Verdacht oder ein beunruhigendes Gefühl hatte, so sollte er seine Meinung ernst nehmen. Für ihn war die Vorstellung, dass einer seiner Bekannten ein Mörder war, vollkommen unglaublich. Dennoch sagte er langsam: „Kimberly und Margot, die beiden waren schon früh nach dem offiziellen Teil gegangen. Sonst waren alle aus dem Ensemble da. Du, Veronika und Leni seid bis zum Ende geblieben.“

„Ja, ich weiß. Es waren elf Menschen anwesend. Eingenommen uns beide.“ Martin sah ihn eindringlich an. Er legte den Kopf auf die rechte Seite. „Ich denke, wir müssen unsere Augen offen halten. Wir müssen jeden aus der Gruppe befragen. Irgendjemand muss etwas Wichtiges gesehen haben und das müssen wir herausbekommen. Vielleicht entdecken wir eine Spur.“

Gerald nickte. „Aber du kennst die Gruppe ja nicht. Wie willst du mit ihnen ins Gespräch kommen?“

„Du wirst es für mich übernehmen. Wir müssen nur einen geeigneten Grund dafür finden.“

„Ich soll das Ensemble wie ein Detektiv ausfragen?“ Gerald schüttelte den Kopf. „Nein, das kann ich nicht. Das traue ich mir nicht zu.“

„Ich sehe keine andere Möglichkeit, Gerald. Ich kenne ja das Ensemble nicht und kann es nicht selbst tun.“

Gerald schluckte und dachte nach. Was würde die Gruppe in Zukunft miteinander verbinden? Welchen Grund hatte er, sich noch einmal mit allen zu treffen, nachdem die Aufführungen nun abgesagt würden? Da kam ihm eine Idee: „Ich könnte sie fragen, ob wir gemeinsam einen Kranz für die Beerdigung stiften wollen. Ich könnte sie deswegen aufsuchen. Wie findest du das?“

Martin befand, dass dies eine gute und geeignete Idee wäre: „Ein persönlicher Besuch ist Anteil nehmend und zeigt, wie sehr dich das Geschehene beschäftigt. Anders, als wenn du nur einfach anrufen würdest. Sehr gut. Und du erfährst in einem persönlichen Gespräch unweit mehr über deren Gefühle, Einstellungen und Haltungen. Ein Blick verrät oft mehr als tausend Worte, oder wie heißt das berühmte Sprichwort noch gleich?“

„Ja, du hast Recht. Das finde ich auch.“

„Gut.“ Martin setzte sich aufrecht hin. Dann bat er: „Erzähle mir etwas über Udo. Wer war er, was hat er gearbeitet. Alles, was du über ihn weißt.“

Gerald überlegte. Es mussten an die zehn Jahre sein, überlegte er, die Udo in der Muschel Theater spielte. Zeitweise war er auch im Vorstand als Schriftführer tätig gewesen. Regelmäßig spielte er in den unterschiedlichsten Inszenierungen mit und da meist die großen männlichen Hauptrollen. Udo war Mitte 40 und mit Katharina verheiratet. Sie war es, die ihn damals mit in die Muschel gebracht hatte. Gemeinsam hatten sie zwei kleine Kinder, Anna und Marie, und ein Einfamilienhaus im Wohngebiet `Augsteiner´, eine sehr gute Wohngegend in Bruchsal. Udo war von Haus aus Bankkaufmann. Später wurde er Filialleiter in Bruchsal, was ihm ein hohes Ansehen verlieh. Udo war ein Mensch, der alles im Leben erfolgreich erreicht hatte: Er hatte eine Frau, zwei Kinder, Haus und Karriere, ein erfülltes Hobby. Es gab nichts, was nicht zusammen gepasst hatte. Nach außen hin hatte er auf Gerald stets einen glücklichen Eindruck gemacht. Nichts bedrückte ihn und er war oft sehr gut gelaunt mit einem lustigen Spruch auf den Lippen. Im Ensemble hatte er seinen festen Platz. Er bekam von allen Seiten Anerkennung für seine schauspielerische Leistung. Gerald konnte sonst nichts Negatives, nichts Außergewöhnliches über Udo berichten.

Martin hörte aufmerksam zu. Er bedankte sich bei Gerald für seinen detaillierten Bericht. Anschließend sollte sich Gerald an die Umstände von gestern Abend erinnern. War ihm etwas Besonderes aufgefallen im Verhalten Udos? Benahm sich jemand anderes auffällig? Alles war wichtig, auch die winzigste Kleinigkeit.

Gerald sah den Theaterraum vor seinen Augen. Die Gruppe, die ausgelassen feierte und tanzte. Er hatte mit Udo draußen im Hof gestanden und sich unterhalten. Udo war sehr zufrieden gewesen mit seiner Leistung. Er machte nicht den Eindruck, als ob ihn etwas bedrückte oder beschäftigte. Es war etwa 23 Uhr gewesen, als Leni ihn bat wieder rein zu kommen. Es wurde das Lied `Raining Man´ gespielt und sie wollte mit ihm tanzen. Das musste der letzte Moment gewesen sein, als sie Udo bewusst lebend gesehen hatten.

Gerald dachte an die anderen. War ihm da etwas aufgefallen? Olaf schien sehr aufgeregt zu sein. Er rauchte und trank auffällig viel.

„Olaf ist der Regisseur, ist das richtig?“, fragte Martin zwischendurch.

Gerald nickte. Er meinte, dass Olaf vielleicht wegen des Stücks aufgeregt gewesen sein könnte. Die Aufführung war zwar sehr gelungen, aber es war auch ein unbequemer Kritiker von der Zeitung da, der sich eher verhalten gegeben hatte. „Ich kann mir gut vorstellen, dass es unheimlich stressig ist so ein Stück auf die Beine zu stellen“, befand Gerald. „Vielleicht war er deswegen hektisch und unausgeglichen.“

In Gedanken ging er weiter die Gruppe durch. Da war noch Erik, der den Steve gespielt hatte. Das war ein unsympathischer Kerl, der stets sehr unzufrieden mit sich war. Er bildete sich ein, dass sein Talent verkannt wurde und er deswegen nur kleine Rollen zu spielen bekam. Er blickte gestern Abend finster drein und konnte sich nicht richtig über den Erfolg des Stückes freuen. Aber ein finsterer Blick macht noch lang keinen Mörder aus ihm, dachte Gerald.

Dann berichtete er über Katharina, Udos Frau. Sie machte anfangs einen sehr glücklichen Eindruck auf Gerald. Bekam sie von allen Seiten Lob und Anerkennung für ihre Leistung. Später schien es so, als bedrückte sie etwas.

Über Armin konnte er nichts sagen. Armin war ganz neu in der Muschel. Er wusste nicht viel von ihm. Ein netter Kerl, fand er. Suchte offenbar Anschluss und die Gruppe nahm ihn offen ohne Vorbehalte auf. Ihm war nichts weiter an seinem Verhalten aufgefallen, außer dass er vielleicht ein bisschen zu tief ins Glas schaute.

Frederick und Manuela, dachte Gerald. Die beiden sind ein schönes Paar. Aber irgendetwas musste Frederick über die Leber gelaufen sein, denn ab einem bestimmten Zeitpunkt saß er nur ganz still auf seinem Platz. Unterhielt sich nicht weiter und tanzte nicht. So, als ob er ganz in sich gekehrt war. Vielleicht fiel ihm die Anspannung ab und er spürte diese Leere in sich, die Gerald auch gut kannte. Manuela war ganz ausgelassen, fasst schon ein bisschen hysterisch. Ihr lautes Lachen konnte man immer wieder vernehmen.

„Und hast du gesehen, wie jemand den Theaterraum verließ?“, wollte Martin wissen.

„Alle gingen mal nach draußen oder auf die Toilette. Es war ein Kommen und Gehen. Leider kann ich dir nicht genau sagen, wer zeitgleich mit Udo den Raum verließ. Darauf habe ich nicht geachtet.“

„Ja, das ist klar. Ich habe selbst nicht darauf geachtet.“

„Und dir, ist dir etwas aufgefallen?“

Martin schüttelte den Kopf. „Nein, für mich waren ja alle neu und unbekannt. Ich habe mich den Abend über gut mit Leni unterhalten. Solange, bis die Musik lauter wurde und alle anfingen zu tanzen.“

Martin verstummte. Schweigend saßen sich die beiden gegenüber. Er nahm einen großen Schluck Kaffee. Dann sagte er: „Also Gerald, es wäre schön, wenn du jeden aus der Gruppe sprechen könntest. Vielleicht bekommst du ja etwas heraus, das uns weiter bringt. Etwas, was einer gesehen oder gesagt hat.“

„Ich werde mein Bestes tun, Martin. Gleich heute Nachmittag werde ich mich darum kümmern und einen ersten Besuch abstatten. Ich tue es für Udo. Ich hoffe sehr, dass wir seinen Mörder finden.“


Dramatischer Tod

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