Читать книгу Die Gefährtin des Commanders - Grace Goodwin - Страница 9

3

Оглавление

Commander Karter, Schlachtschiff Varsten, Sektor 438

„Ronan? Scheiße, ich dachte, du bist tot. Vor fünf Jahren auf Latiri 4 umgekommen.“

Mein alter Freund erhob sich, und ich sah die zerfetzten Überreste seiner Uniform, das Blut an seiner Schläfe und seiner Brust. Er war der Schlacht nicht unversehrt entkommen, was hieß, dass er auf diesem Schiff gewesen war, als es angegriffen wurde. Warum war er hier gewesen, und warum war er jetzt hier? „Warum hat der Hive die Toten zurückgelassen? Und wie hast du überlebt?“

Er machte einen Schritt auf mich zu, und Bard trat zwischen uns, seine Ionenflinte in der freien Hand gezückt. Ronan zog die Brauen hoch, und ich sah Härte in seinen goldenen Augen.

Ronan hob langsam die Arme zur Seite, um zu zeigen, dass seine Hände leer waren und er keine Bedrohung darstellte. „Im Ernst? Du wirst ihm den Befehl geben, mich zu erschießen?“

Ich rührte mich nicht, zuckte mit keiner Wimper. Ich hatte schon Dinge gesehen, die er sich gar nicht vorstellen konnte.

Aber inzwischen konnte er das ja vielleicht.

„Ich habe dich fünf Jahre lang nicht gesehen“, entgegnete ich und hob das Kinn. Egal, wie erfreut—und erstaunt—ich darüber war, ihn lebend vorzufinden: es musste einen Grund für sein Verschwinden geben. „Du bist als auf Latiri 4 gefallen verzeichnet worden. Es kann sein, dass du verseucht bist, vom Hive kontrolliert, dein Verstand nicht dein eigener. Es kann sein, dass du voller Hive-Implantate bist. Und in dem Fall würdest du nicht zögern, uns alle zu töten und dein eigenes Volk zu verraten.“

Er nickte knapp. „Das ist nur zu wahr. Ich kann es dir nicht vorwerfen, alter Freund, nicht nach dem, was hier gerade vorgefallen ist.“ Das Feuer wich aus seinem Blick, und er sackte zusammen, setzte sich wieder hin und ignorierte die Ionenpistole, die auf ihn gerichtet war.

Bard ließ seine Waffe sinken, aber er trat nicht zurück sondern blieb einsatzbereit. Bei all dem Scheiß um uns herum waren wir alle angespannt, auf der Hut, auf weitere Zerstörung gefasst.

„Was ist hier vorgefallen, Ronan? Wie zum Teufel ist der Hive so nahe an ein Schlachtschiff herangekommen?“

Es war zwar jedes Schiff in einer Kampfgruppe ein potenzielles Angriffsziel für den Hive, aber noch nie zuvor war ein Schlachtschiff so tief im Raum der Koalition angegriffen worden. Nicht so. Die übliche Orbit-Distanz war—zumindest bisher—zu groß gewesen, als dass Hive-Waffen wirksam eingesetzt werden konnten. Die Abwehranlagen in unseren Außenzonen machten es zusammen mit unseren Angriffsschiffen schwierig, wenn nicht unmöglich, den Hauptkern unserer Flotten anzugreifen. Bis jetzt zumindest.

Ronan fuhr sich mit der Hand durchs Haar und musterte das Blut, das danach seine Handfläche bedeckte. Starrte auf den dunklen Fleck. „Sie sind nicht durch das Verteidigungsnetz gekommen. Keines der vorausfliegenden Späher-Schiffe war angegriffen worden. Es gab keine Warnung. Keine Schiffe. Gar nichts. Der Hive war nicht mal hier, Kaed.“

Er verwendete meinen Spitznamen. Einen, den ich schon lange nicht mehr gehört hatte. Niemand nannte mich je bei meinem Geburtsnamen, Makaed. Nicht mehr. Schon seit Jahren nicht. Jener Name gehörte einem ehrgeizigen, hoffnungsvollen jungen Prillon-Mann, der, wie es sich anfühlte, schon in einem früheren Leben vernichtet worden war.

„Der I.C. weiß, dass der Hive an einer Art Langstreckenwaffe arbeitete, aber wir wussten nicht, was sie war. Oder wo sie sich befand.“

Ich verzog das Gesicht, stemmte die Hände in die Hüften. „Eine Langstreckenwaffe? Was redest du da? In den Kommandoberichten stand nichts von einer neue Bedrohung.“ Diese Berichte kamen direkt von Prillon Prime und wurden täglich an die aktiven Flottenkommandanten verschickt, manchmal sogar zweimal täglich, je nachdem, wie heiß es auf den Schlachtfeldern zuging.

„Das hier ist nicht die erste Attacke. Sie haben vor zehn Tagen schon die gesamte Kampfgruppe Hyrad ausradiert. Jedes einzelne Schiff.“ Ronan schüttelte den Kopf. „Der I.C. hatte nicht genug Informationen, um etwas zu berichten oder irgendeine neue Vorgehensweise zu empfehlen.“

„Was?“ Eine gesamte Kampfgruppe war zerstört worden, und ich wusste nichts davon? „Ihr müsst das den Flottenkommandanten doch melden. Erst Hyrad, und nun Varsten. Ihr setzt tausende Leben in den anderen Kampfgruppen aufs Spiel, wenn ihr sie nicht mit akkuraten Informationen versorgt.“ Mein Zorn auf den I.C. und ihre ständigen Spielchen brodelte heiß. „Ich werde das Primus Nial melden. Dafür wirst du hingerichtet.“

„Primus Nial weiß Bescheid. Er war es doch, der mich hierher geschickt hat.“ Er blickte zu mir hoch, und diesmal lag Reue in seinen Augen. Der I.C. hatte es vermasselt, und zwar gewaltig. Und das wusste er.

„Sag mir, dass du lügst. Warum würde er es dem I.C. gestatten, so etwas vor uns zu verheimlichen?“ Uns, also den Kommandanten in der Koalitionsflotte. Den Kriegern, die dafür verantwortlich waren, über zweihundert Planeten mit Milliarden von Leben zu beschützen. Ohne verlässliche Geheimdienst-Informationen konnten wir nichts zum Schutz dieser Leute beitragen. Dieses Schiff, das kaum noch in einem Stück war, war ein perfektes Beispiel dafür, was alles passieren konnte.

„Er hat mich hierher geschickt, weil sie Hinweise darauf hatten, dass Varsten als nächstes drankommen würde. Wir hatten gehofft, den Hive in eine Falle locken zu können.“

Ich verlor die Beherrschung, und ich verlor sonst nie die Beherrschung. Ich war durchs Zimmer geflogen und hatte nun Ronans Kehle fest in der Hand. Als ich ihn hochhob, kippte sein Stuhl um. Ich drehte mich herum und knallte seinen Rücken gegen die nächste Wand. Ich hob ihn in die Luft hoch und drückte zu.

„Commander Karter.“ Mein zweiter Befehlshaber Bard legte mir seine Hand auf die Schulter und zog mich zurück. Ronan war mein ältester Freund. Wir waren die Korridore in der Kampfgruppe Karter rauf und runter gelaufen, als mein Großvater das Schiff kommandierte. Wir hatten geschworen, Brüder zu sein, einander den Rücken freizuhalten. Er hatte gelobt, mein Sekundär zu werden, sollte ich mir je eine Gefährtin nehmen.

Den Göttern zum Dank war das nie geschehen, und das würde es auch nicht. Nicht jetzt. Ich war schon vor Jahren für eine Braut getestet worden. Und keine Braut war je erschienen. Inzwischen war ich mir sicher, dass das auch nie passieren würde. Ich war ein beschädigter Mann, meine Gefährtin war die Schlacht. Der Krieg. Ich lebte, aß und atmete, um mein Volk zu retten, und nicht, um sie für irgendeine unbekannte Hive-Waffe zu opfern. Und doch standen wir nun hier, Tod und die Nachwirkungen übelster Taten lagen vor unseren Füßen.

Ich lockerte meinen Griff, aber ich gab Ronan nicht frei. „Erzähle mir jedes Detail, und dann bringe ich dich vielleicht nicht um.“

Sein Gesicht war lila angelaufen, und dennoch lächelte er. Aber es lag kein Humor darin. „Commander Varsten wusste alles“, sagte er, die Stimme tief und kratzig von meinem Griff. „Er kannte die Risiken, und genau deswegen hatte er dieses Schiff als Köder auserwählt. Deswegen flog er. Er fasste diesen Entschluss. Das taten sie alle. Sie blieben, und wir schickten so viele wie möglich in ein Versteck.“

Varsten wusste, dass sein Schlachtschiff angegriffen werden würde? Ich dachte an den verwegenen alten Prillon-Kommandanten. Er hatte zwei Söhne und eine Tochter großgezogen, war schon viele Jahre lang Gefährte. Er war so stur wie Eisenerz, und unzerbrechlich. Wenn Ronan sagte, dass er Bescheid gewusst hatte, dann war das so. Das Risiko würde ihn nicht abgeschreckt haben. Und diese Information erklärte so einiges. „Ist deswegen der Großteil seiner Flotte am anderen Ende dieses Sternensystems?“

Ronan nickte. „Varsten hat das Hauptschiff verlassen“—er winkte durch die Luft, um dieses nun tote Schiff anzudeuten—„um mit einem Späher-Schiff in den Angriff zu fliegen. Er hat nach meiner Ankunft die gesamte nicht-essenzielle Besatzung wegtransportiert. Alle Gefährtinnen und Kinder, Zivilisten und Mediziner. An Bord dieser paar Späher-Schiffe war nur noch das Skelett einer Crew. Vielleicht fünfzig Krieger. Auf den meisten Schiffen waren nur noch die Piloten und Waffenstationen besetzt. Alles Freiwillige. Wir haben ihnen alles gesagt, Kaed. Wir brauchten genügend Schiffe, um den Hive zu einem Angriff zu ködern.“

Ich blickte zu Bard, und meine Gedanken wirbelten. Er zuckte die Schultern, dachte sichtlich nach. „Es würde die geringe Opferzahl erklären, und den Grund, warum der Hive die Toten zurückließ.“

„Der Hive war nie hier“, sagte Ronan noch einmal. „Der Schlag kam von der anderen Seite des Sterns. Wir hätten gar nicht wissen sollen, was uns da traf.“

„Aber das tust du?“, fragte ich und setzte ihn langsam auf die Füße ab, ohne aber meine Hand von seinem Hals zu nehmen. Ich spürte das Pochen seines Blutes durch die Schlagader unter meiner Handfläche, spürte seine Lebensessenz. Nach all diesen Jahren war er wahrhaftig am Leben. „Bitte sag mir, dass all diese Krieger nicht umsonst gestorben sind. Dass Commander Varsten nicht umsonst gestorben ist.“

„Ich weiß nicht, welche Waffe der Hive da einsetzt. Aber Commander Varsten hat vor dem Angriff eine I.C.-Sonde ausgesandt. Sie sollte alles aus sicherer Entfernung aufgezeichnet haben.“

„Und wo ist diese Sonde jetzt?“, fragte ich, und meine Gedanken blitzten zu den Daten, die geborgen werden könnten. Daten, die mit vielen verlorenen Leben bezahlt worden waren.

Er zuckte mit den Schultern. „Sie sitzt an ihren zugewiesenen Koordinaten, aber sie sendet nicht. Wir müssen ein Tarnkappen-Schiff schicken, klein und schnell, etwas, nach dem der Hive nicht suchen wird, um die Sonde zu bergen. Wenn wir ihren Quantenkommunikator aus der Ferne aktivieren, wird der Hive sie in Stücke schießen, bevor wir an die Daten herankommen.“

Er hatte recht. Welche Informationen auch immer sich auf dieser Sonde befanden, sie mussten um jeden Preis geborgen werden, und doch äußerst sorgsam. Commander Varsten hatte dafür sein Leben gelassen. Fast fünfzig tapfere Krieger waren bereit gewesen, sich dafür zu opfern, diese Informationen zu sammeln. Ein gesamtes Schlachtschiff war zerstört worden, war nun ein treibendes Wrack. Ich ließ ihn los, drehte mich herum und setzte den Helm wieder auf. „Ich hasse diesen verdammten I.C.“

„Es ist der Krieg, den du hasst, Bruder“, sagte Ronan. „Nicht mich.“

In seinen Worten lag so viel Schmerz, dass ich sie nicht ignorieren konnte. Er war mein Bruder, wenn auch nicht im Blut. Und er hatte nur seine Arbeit getan. So wie ich meine tun musste. Ich blickte zu Bard, der seine Waffe gesenkt hatte. „Setzt den Rest von Varstens Flotte in Bewegung. Versichert euch, dass sie sich außer Reichweite dieser Waffe befinden, was immer es für eine ist, bevor wir noch mehr Leute verlieren.“

Bard nickte. „Was ist mit Ihnen, Commander?“

Ich blickte zu Ronan. „Wir haben eine Sonde aufzuspüren.“

Bard öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber ich hob die Hand, um die Argumente aufzuhalten, die ich mir schon denken konnte. „Gehen Sie zurück auf die Karter. Ich brauche Sie dort. Wir haben eintreffende Crew, Schiffe und Verteidigungsvorrichtungen zu koordinieren. Ich habe so das Gefühl, dass wir unsere Ressourcen über beide Sektoren verteilen werden müssen. Primus Nial wird diesen Sektor nicht aufgeben wollen. Er liegt zu nahe an bevölkerten Planeten. Wir werden ihn halten müssen. Und wir müssen das alles an die restlichen Flottenkommandanten weiterleiten.“

„Nein. Nicht, bevor wir wissen, womit wir es hier zu tun haben.“ Ronan ignorierte die drei Männer aus meiner Besatzung, die ins Zimmer gekommen waren, vermutlich, um sich neue Befehle zu holen. Sie richteten ihre Waffen auf ihn, den Unbekannten. Ronan ignorierte sie alle und kam auf mich zu, bis wir Nasenspitze an Nasenspitze dastanden. „Gib mir zwölf Stunden. Dann hab ich diese Sonde, und wir haben Antworten.“

Ich starrte in die Augen des Mannes, den ich liebte wie einen Bruder, um dessen Tod ich mehr getrauert hatte als um jeden anderen, außer den meines Vaters. Und ich hasste ihn dafür, dass er wissentlich Leben riskiert hatte. Dass er gewusst hatte, dass ein Angriff bevorstand, und diese Krieger trotzdem geopfert hatte. Hasste, dass er verschwunden war, gestorben, und dann wieder aufgetaucht war. Hasste ihn dafür, zu viele Geheimnisse zu kennen. Dafür, dass er gesagt hatte, was immer es war, um Commander Varsten dazu zu überreden, geradewegs in eine Hive-Falle zu fliegen.

Verdammte Scheiße.

„Hol diese Sonde. Wenn all diese Krieger umsonst gestorben sind, Ronan, dann bringe ich dich höchstpersönlich um.“

„Wenn es umsonst war, sind wir sowieso alle tot“, entgegnete er mit grimmiger Stimme.

Die Endgültigkeit seiner Worte jagte mir einen eiskalten Schauer durch die Adern. Ich kannte diesen Mann, wusste, wie stark er immer schon gewesen war. Er war ein genialer Schlacht-Stratege und einer der härtesten Brocken, die es gab. Ich hatte noch nie Angst gehabt, zu sterben, aber er sprach nicht vom Tod. Er sprach von Ausrottung, und Schlimmerem. Assimilierung. Verlust des Selbst. Milliarden von Leben auf hunderten von Welten, die am Ende unter der Hive-Bedrohung fallen würden, die wir schon seit Jahrhunderten bekämpften.

Bis jetzt hatte ich nie befürchtet, dass wir diesen Krieg verlieren könnten. Und Furcht war kein Gefühl, das ich je wieder empfinden wollte. „Hol diese Scheiß-Sonde. Dann reden wir weiter.“

Er nickte, und dann ertönte ein Summen im System des Schiffs.

„Commander Karter, hier Schlachtschiff Karter. Bitte antworten.“

„Karter spricht“, schnappte ich in meinen Helm.

„Sir, Sie müssen so schnell wie möglich für einen eintreffenden Transport in den Transporterraum kommen.“

Ich blickte zu Bard, der den Kopf schüttelte. Wir waren uns einig.

„Ich sagte doch, keine eingehenden Transporte. Dieses Schiff läuft auf Energiesparmodus und ist immer noch in Gefahr.“ Als die Stimme am Kommunikator schwieg, sprach ich weiter. „Erklären Sie es denen. Die Varsten wurde angegriffen. Die gesamte Kampfgruppe ist kompromittiert. Das Schiff ist nicht sicher für nicht-essenzielles Personal. Ich wiederhole, niemand kommt hierher außer Krieger und medizinisches Personal, wie befohlen.“

„Verstanden, Commander, aber das Transportersystem ist noch betriebsfähig. Ich bedaure, ich konnte sie nicht aufhalten.“

Wen nicht aufhalten? „Wovon reden Sie? Kommen Sie zum Punkt. Ich bin beschäftigt.“

„Ich habe versucht, sie aufzuhalten, Sir, aber es war zu spät.“

„Zu spät?“ Als Kommandant hatte ich gelernt, diese Worte zu fürchten. „Zu spät, um was aufzuhalten?“

„Ihre Braut, Commander. Das Interstellare Bräute-Programm auf der Erde hat Ihre Position über das Transporter-System aufgespürt und automatisch den Transport auf das Schlachtschiff Varsten initiiert. Ihre Braut befindet sich mitten im Transport. Ich kann sie nicht umleiten, ohne ihr Leben zu riskieren.“

„Meine was?“ Mein Verstand weigerte sich, seine Worte zu verarbeiten. Es war ganz einfach nicht möglich.

„Ihre Interstellare Braut, Commander. Gratulation, Sir. Sie wird in den nächsten paar Minuten eintreffen.“

Die Gefährtin des Commanders

Подняться наверх