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Kriegsfürst Nyko von Atlan, Sektor 437, Kampfgruppe Karter, Infanterie, Planet Latiri 4

Kleinere, feindliche Aufklärer wuselten in Schwärmen über die Hügel von Latiri 4, wie sie es schon seit über zwei Stunden getan hatten. Egal, wie viele der Bastarde wir auch in Stücke rissen, es kamen immer mehr.

Immer wurden es mehr.

“Rückzug!” Die Stimme des Kriegsfürsten Wulf, unseres Kommandanten, tönte wie ein Kanonenfeuer übers Schlachtfeld; das tiefe Grollen einer vollendeten Bestie. Er war über zwei Meter fünfzig groß, seine Schultern und Arme waren weiter als der Felsbrocken an seiner Seite. Unsere speziell angefertigten Panzeranzüge passten sich unserer Figur, unserem Kampfstil und der Verwandlung, die der Übergang in den Bestienmodus mit sich brachte, mühelos an.

Wie Hammerschläge auf Felsgestein stießen meine Kampfstiefel auf den harten, steinigen Untergrund, als unsere Truppe Atlanischer Bestien auf die letzte intakte Transportplattform zustürmte, um hier verdammt nochmal raus zu kommen.

Wir wurden überrannt und waren zahlenmäßig unterlegen. Der Planet hatte ein Netzwerk aus magnetischen Felsschluchten und Gesteinsbrocken, die unsere Scanner und unser Kommunikationssystem störten. Die Aufklärungsdrohnen hatten die Anzahl der Hive-Kämpfer mindestens um ein Zehnfaches unterschätzt, oder sie hatten Nachschub hineintransportiert, nachdem wir unseren Angriff gestartet hatten. Dass wir im Bestienmodus waren, tat dabei nichts zur Sache. Dass wir jedem Hive, der uns in die Quere kam, den Kopf abreißen konnten—und würden—tat nichts zur Sache. Es waren zu viele. Während die Bestien sich blind in den Kampf stürzten, so benutzten die Atlanen dahinter weiterhin ihren Verstand. Diese Mischung hielt uns am Leben, damit wir einen weiteren Tag kämpfen konnten. Und heute mussten wir uns zurückziehen, uns umorganisieren und mit mehr Waffen, mehr Kämpfern und mehr Panzerung zurückkehren. Sehr viel mehr war nötig.

Wir alle würden sterben, wenn wir hier unten bleiben würden. Ich hatte das schon viele Male erlebt. Wir würden abhauen, neue Pläne schmieden und binnen Stunden wieder auftauchen. Dieser Planet musste wieder von der Koalitionsflotte kontrolliert werden, damit die Hive ihn nicht länger als Ausgangspunkt für Überfälle und Sammelmissionen auf geschützte Planeten in den umliegenden Sonnensystemen missbrauchen konnten.

Die Integrationseinheiten der Hive, also die speziell ausgerüsteten Feinde, die die Gefangenen folterten und ihnen Hive-Technologie injizierten, um ihren Willen zu brechen, würden auf einen anderen Planeten weiterziehen. In ein anderes Sonnensystem. Zur nächsten unterentwickelten oder hilflosen Zivilisation, die bereit war, geerntet zu werden.

Und wir würden ihnen folgen. Wir würden ihnen hinterherjagen, genau wie Karter, jener Prillonische Kommandant, der diese Kampfgruppe anführte. Alle Krieger der Flotte waren aus demselben Grund hier; um ihren Heimatplaneten und ihre Lieben zu beschützen. Um alle Planeten vor den Hive zu beschützen. Die Hive-Zivilisation eroberte nicht, sondern sie verschlang. Sie fraßen alles und jeden, bis nichts mehr übrig blieb. Nicht einmal mehr der Verstand eines Mannes.

Die Kriegsfürsten an meiner Seite, meine Freunde, dienten allesamt einem bedeutsamen, noblen Anliegen. Ich diente, weil mein Ehrgefühl es verlangte und einem Hive-Aufklärer die Arme oder den Kopf auszureißen, schenkte mir eine Art makaberes Vergnügen, gab meinem ansonsten trostlosen Leben eine Art Sinn.

Andere Atlanische Krieger hatten Familie, hatten eine Partnerin, die zu Hause auf Atlan auf sie wartete, um ein neues Leben zu beginnen. Sie hatten Brüder und Schwestern, Eltern und Cousins. Ich hatte nichts, keine Familie, keine Partnerin, keinen Grund weiter zu kämpfen, außer jener Bestien, die an meiner Seite kämpften. Diese Einheit war meine Familie, sie war es seit vier Jahren und ich hatte nicht das geringste Interesse, zu gehen.

Aber mein Körper würde mir einen Strich durch die Rechnung machen. Selbst jetzt, als die Hive ausschwärmten und uns nachstellten, tobte die Bestie in mir. Mit jedem Tag wurde sie stärker. Sie wollte eine Partnerin. Bei mir brach das Fieber aus und schon bald würde ich eine echte Partnerin finden müssen. Oder ich würde sterben.

Schon bald würde sich die Bestie mit ihren Trieben gegen mich wenden und ich würde alles und jeden töten, der mir in die Quere kam, egal ob Freund oder Feind. Das Paarungsfieber brodelte, es vergiftete mein Blut und weder bloße Willenskraft noch eigensinniger Stolz konnten die Bestie bezwingen, die wie ein Monster in meinem Inneren lauerte. Sie kannte nur ihren Paarungstrieb, sonst nichts. Für das Schlachtfeld war sie perfekt, aber zurück auf dem Raumschiff würde sie eine Bedrohung darstellen.

“Hive!” Mein Kumpel Angher rempelte mich mit der Schulter an, als er an mir vorbeirannte, um drei Hive-Soldaten anzugreifen, die neben einem Felsklotz aufgetaucht waren und uns den Weg abschneiden wollten, oder uns von hinten aufgabeln wollten. Sie waren größer und kräftiger als die Aufklärer, die wir die letzten Stunden über zerfetzt hatten.

Es war so viel schwerer, sie totzukriegen.

Meine Bestie brüllte angriffslustig, als ich Ang hinterhereilte; zwei riesige Atlanische Kriegsfürsten am Abgrund, im Blutrausch. Sein prekärer—und unberechenbarer—Zustand war der Grund, warum er vor wenigen Wochen das Testprotokoll fürs interstellare Bräute-Programm durchlaufen hatte. Ich hätte es ihm gleichtun sollen, aber das Fieber hatte mich damals noch nicht so stark im Griff wie heute.

Das Paarungsfieber war jetzt heftiger denn je und ich fürchtete, dass meine Braut mich nicht mehr retten konnte. Wer auch immer sie war. Wo auch immer sie war. Und der tödlichen Rage nach zu urteilen, die mein Kumpel Ang versprühte, würde er vielleicht dasselbe Schicksal erleiden. Man würde ihm eine Braut zuteilen und ihn zügig verpartnern, damit das Fieber vollständig abklingen konnte. Was mich betraf, so würde ich in Gewahrsam genommen und hingerichtet werden, sollte ich nicht bald eine Partnerin finden; ich wäre eine Gefahr für mich selbst und jeden, der sich in meine Nähe wagen sollte.

Nur der Tod konnte eine Atlanische Bestie im Paarungsfieber stoppen.

Der Tod, oder eine Partnerin. Und unverpartnerte Frauen waren innerhalb der Flotte eine Seltenheit, diejenigen, die auf den Raumschiffen lebten, waren entweder verpartnert oder es handelte sich um Soldatinnen, die so verdammt widerspenstig waren, dass ich jedenfalls nichts mit ihnen zu tun haben wollte. Eine insbesondere hatte mir schon mehr als eine schlaflose Nacht beschert, weil ich dermaßen wütend auf sie war.

Megan Simmons. Sie war ein Mensch und seit zwei Jahren als Koalitionssoldatin in der Kampfgruppe. Vom Rang her war sie ein Captain, aber sie wechselte ständig von Einheit zu Einheit, immer auf dem Sprung. Sie war aufsässig und labil und schien ziemlich geheimniskrämerisch. Zuletzt war sie zusammen mit Captain Seth Mills in der ReCon-Einheit 3 unterwegs. In den letzten Monaten haben wir sie mehr als einmal eskortiert und beschützt. Jedes Mal hatte es den Anschein, als wollte sie absichtlich meine Geduld auf die Probe stellen. Selbst Seth, ein Mensch, den ich schätzte und respektierte und dessen Schwester mit einem meiner Atlanischen Brüder verpartnert war, konnte sie nicht im Zaum halten. Er würde ein böses Gesicht machen oder grinsen, sie aber nicht davon abhalten, mir oder sonst wem an Bord des Schiffs frech zu kommen.

Viele Male schon wollte ich dieser kleinen Frau den Hintern versohlen, um ihr ein bisschen Vernunft beizubringen, aber sie gehörte nicht mir und würde es auch nie. Den Göttern sei Dank. Diese Frau bedeutete nichts als Ärger. Sie und ihre Einheit waren jetzt ohne Zweifel auch hier irgendwo unterwegs, sie durchkämmten die Felsschluchten, um versteckte Feinde aus ihrem Hinterhalt zu scheuchen.

Letzte Woche war sie sogar über ein Hive-Trio gestolpert und hatte versucht es eigenhändig zu töten. Ohne die Hilfe eines Atlanen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie und ihre Einheit waren kaum mehr als ein Selbstmordkommando und keiner dieser starrsinnigen Erdlinge schien diese Tatsache einsehen zu wollen. Scheißegal, wenn sie drauf gingen. Insbesondere diese Megan Simmons.

Trotzdem wurde ich ganz wild vor Verlangen danach, sie übers Knie zu legen und ihr deutlich zu machen, dass sie sich umbringen wird. Keine Ahnung, warum ihre Fahrlässigkeit mich dermaßen anpisste. Keine Ahnung, warum ich mehr auf sie achtete, als auf jeden anderen Koalitionskämpfer, egal, ob männlich oder weiblich. Keine Ahnung, warum ich ausgerechnet ihr für ihre Waghalsigkeit den Arsch versohlen wollte.

Irgendetwas stimmte nicht mit mir. Meine Bestie war dabei mich um den Verstand zu bringen, insbesondere, wenn es um Megan Simmons ging. An manchen Nächten würde ich zur Decke starren und an ihre dunkle Haut und ihr schwarzes Haar denken, an die üppige, ausgereifte Rundung ihres Arsches. Sie war groß und muskulös. Kraftvoll für eine Frau.

Schon immer wollte ich eine Partnerin, die sich mir unterwirft, eine sanftmütige, liebevolle Frau, deren Berührungen meinen Körper und Geist besänftigen würden.

Megan Simmons stellte alles und jeden, der ihr über den Weg lief, infrage, egal, ob Atlane, Prillone oder Erdling. Nie konnte sie die Klappe halten und sie war vollkommen furchtlos. Leichtsinnig. Verrückt.

Und dieser Gedanke ließ meinen Schwanz hart wie Stein werden, selbst als ich mich gegen die Vorstellung zur Wehr setzte. Atlanische Frauen zogen nicht ins Gefecht. Sie legten sich weder mit Vorgesetzten an, noch gingen sie zum Angriff über. Sie waren da, um die Bestien in ihren Partnern zu besänftigen, um uns vor dem Durchdrehen zu bewahren, wenn unser Verstand nur noch töten oder ficken wollte.

“Nyko?” Kommandant Wulfs Aufschrei ließ mich kurz halt machen. Fast hatte ich die Hive vor mir erreicht, Ang war mir einen Schritt voraus.

“Los!” Meine tiefe Stimme dröhnte über den Rest unserer Einheit hinweg und Wulf lächelte mir zu, seine Bestie gierte offensichtlich nach mehr Chaos und Zerstörung, als die Männer uns beiden die drei feindlichen Soldaten überließen. Unsere restliche Einheit zog weiter und näherte sich der letzten Transportplattform. Wir mussten von diesem verdammten Planeten runter. Sofort.

Ich wandte mich wieder den Hive-Soldaten zu und ihre verschreckten, silbrigen Augen blickten zu uns auf, als Ang einen von ihnen am Nacken packte und ihn einhändig vom Boden hob. Angs andere Hand fand seinen Hinterkopf und in wenigen Sekunden würde er enthauptet sein. Ang war geübt darin, ihre Körper in Stücke zu reißen. Er hatte letztes Jahr seinen Bruder an die Hive verloren und sein Hass befeuerte die Raserei seiner Bestie, eine Wut, die auch so schon extrem schwer zu kontrollieren war.

Mein Angriffsziel zückte seine Waffe und feuerte wutentbrannt, als ich näher kam. Der Schuss versengte meine Brust und ich spürte atemberaubende Hitze, als ich ihn endlich erreichte.

Für Angs Spielchen blieb mir keine Zeit, denn der dritte Soldat zückte seine Waffe und feuerte ebenfalls auf mich.

Meine linke Schulter schmerzte und ich wusste, dass ich den ReGen-Stab in meinem Kampfrucksack benötigen würde, um wieder voll einsatzfähig zu sein. Aber meine Verletzungen konnten warten. Ich hatte Schlimmeres erlebt. Sehr viel Schlimmeres.

Ich packte den nächststehenden Hive am Kopf und schleuderte ihn gegen den Felsen. Das Knirschen seiner zusammenkrachenden Knochen befriedigte mich und ich ließ den reglosen Körper zu Boden fallen und stürmte auf den dritten Soldaten zu.

Diese verfluchten Hive. Immer kamen sie zu dritt. Drei Aufklärer. Drei Soldaten. Drei. Drei. Drei.

Alleine waren sie zu nichts fähig. Sie redeten noch nicht einmal wie echte Leute. Alles was sie von sich gaben, begann mit dem Wort “Wir”.

Ich erreichte den dritten Soldaten, hob ihn von den Füßen und schleuderte ihn nach oben, bis sein Rücken parallel zum Boden lag. Er zappelte wehrhaft, wollte mich packen und mich dazu bringen, ihn loszulassen. Jeder einzelne Hive unterschätzte die Atlanische Bestie. Vielleicht hatten sich unsere Stärke und Übermacht nicht herumgesprochen, weil jeder Hive, der uns über den Weg lief, ausgeschaltet wurde. Dieser hier schien ebenfalls zu glauben, dass er es mit mir aufnehmen konnte.

Richtig.

Stattdessen aber rammte ich seinen Rücken auf den steinigen Boden und verdrehte ihm den Schädel fest genug, um das knack-knack-knack seiner Knochen zu hören, als seine Wirbelsäule und metallischen Implantate zerbarsten und sein Körper im Todeskampf zuckte und buckelte.

Als ich aufblickte, war Ang bereits dabei, unserer Einheit in Richtung Transportplattform hinterher zu eilen.

Ich stand auf und wollte mich ebenfalls auf den Weg machen, als ich einen Schrei hörte.

Ein Mensch. Ich kannte dieses Geräusch. Jemand war in Schwierigkeiten.

Der Laut kam aus einer engen Schlucht hinter dem Felsbrocken, aus derselben Richtung, aus der die jetzt toten Hive-Soldaten gekommen sein mussten, bevor sie uns in die Hände gefallen waren.

Ein kurzer Blick auf meine Einheit zeigte, dass sie mir ein gutes Stück voraus waren. Kommandant Wulf stand jetzt auf einem Hügel, die Transportplattform befand sich dahinter und gleich einem Rammbock, der in eine Puppenstube krachte, war er dabei, mit Hive-Aufklärern und Soldaten nur so um sich zu schmeißen. Körper flogen ihm zu Füßen und die restlichen Kriegsfürsten, fast allesamt im Bestienmodus, hatten die Transportplattform beinahe erreicht. Unsere Krieger stürmten ihnen hinterher, Prillonen und Erdlinge, Trionen und Krieger jeder anderen Rasse oder Spezies, die Teil der Flotte waren, während die Atlanen den Weg freiräumten, damit alle anderen zurück auf das Schlachtschiff transportieren konnten.

“Schnell.” Ich sprach zu niemanden, aber meine Bestie war aufgebracht. Wir wurden Zeuge, wie hunderte Hive-Kämpfer die schmalen Breschen auf weniger als einer Meile vor der Transportplattform überrannten. Sollten sie die Plattform erreichen, bevor unsere Krieger den Planeten verlassen hatten, dann würde es für die Zurückgebliebenen keine Rettung mehr geben.

Wir waren dabei, die Schlacht zu verlieren, denn die Hive schwärmten in sehr viel größeren Zahlen als angenommen aus. Kommandant Karter war kein Dummkopf. Er würde seine Leute zurückrufen, sie umorganisieren und in ein paar Tagen erneut zuschlagen.

Ich konnte entweder meiner Einheit folgen und von diesem blutigen Felsbrocken herunter transportieren, oder ich konnte versuchen, dem Erdling in der Schlucht zur Hilfe zu kommen und bis morgen ausharren. Die Extraktionskoordinaten lagen nicht weit entfernt. Ich konnte mich nachts über versteckt halten und morgen einen Transport anmelden, mit einem verängstigten, kleinen Menschen im Schlepptau. Die Hive konnten genauso wenig wie wir die metallischen Felsformationen mit ihren Sensoren überwachen. Mit den Felsen und Spalten als Versteck würden sie uns niemals aufspüren und ausschalten können. Sie würden nur angreifen, wenn sie uns gesehen hätten. Wenn wir ihnen also nicht in die Quere kämen, dann würden wir ziemlich sicher sein.

Noch ein Schrei aus Richtung Schlucht, diesmal vor Zorn, und ich hatte mich entschieden. Oder besser gesagt, die Bestie hatte entschieden und ich war nicht gewillt, mit ihr zu verhandeln. Ich konnte es nicht. Ich war viel zu außer mir.

Ich stürmte um den Felsen herum und preschte in die Schlucht, dunkelgraue und schwarze Felsformationen bildeten einen langen, engen Korridor, der sich etwa über eine Meile erstreckte. Ich konnte den Ausgang am anderen Ende sehen, als ob der Boden sich dort geöffnet hatte, nur ein bisschen, und nur dort.

Hinter mir und überall sonst auf diesem gottverlassenen Planeten waren die Felsen rot oder braun; so weit das Auge reichte ein Meer aus monochromen Farben, eine Wüste aus Stein.

Hier aber war das Gestein schwarz, grau und silbern, das Innere des Planeten war sichtbar geworden, wie Muskeln unter der Hautschicht bei einem tiefen Schnitt. Als ob der Planet aufgeplatzt und seine Innereien hervorgequollen waren.

Vor mir standen drei Hive. Auf halber Höhe der Schlucht hatten sie jemanden in die Falle gejagt. Ich erkannte den zaghaften Körper und die Panzerung eines Menschen, der die Felswand hochkletterte, um ihnen zu entkommen. Er trug die Uniform der menschlichen ReCon-Einheiten. Auf dem Boden verteilt lagen die Leichen von mindestens einem Dutzend Hive-Soldaten und vier weiteren Erdlingen.

Keiner regte sich.

Der Mensch kraxelte an der Felsklippe hoch und klammerte sich insektenhaft an die unebenen Felsvorsprünge. In der Felswand war die Öffnung einer Höhle erkennbar, der Eingang funkelte wie eine Diamanthalskette auf einem weiblichen Dekolleté, wenn das Licht auf ihn fiel. Der Erdling war offensichtlich zur Höhle unterwegs. Ein cleverer Zug, denn die Höhle bot Schutz, zumindest zeitweise. Und sie bot Überblick. Vielleicht wollte der Erdling dort den letzten erbitterten Widerstand leisten.

Warum aber knallten die Hive den Erdling nicht einfach von der Felswand runter? Warum kletterten sie hoch? Warum nicht …

Ich kniff die Augen zusammen und die Bestie sendete ein leises Fauchen durch meinen Brustkorb. Was war hier los? Ich pirschte mich näher heran, diesmal ohne anzugreifen. Selbst meine Bestie hielt sich zurück. Nie zuvor hatte ich so etwas wie diese Hive hier gesehen und ich hatte fast ein Jahrzehnt lang im Kampf zugebracht. Es waren keine Aufklärer oder Soldaten. Es handelte sich um etwas gänzlich anderes.

Sie wirkten nicht nur sonderbar, sondern sie feuerten auch nicht auf den Erdling, nein, sie … stellten ihm nach—

“Kommt schon!” Der Erdling brüllte ihnen zu, verspottete sie und die Ansage kam eindeutig von einer Frauenstimme. Die Bestie in mir erstarrte, als die Stimme durch meinen Körper drang und direkt in meinen Schwanz wanderte.

Mir!

Die Bestie brüllte nicht, sondern flüsterte das Wort, sie rollte es über meine Zunge, als würden wir einen edlen Atlanischen Wein kosten. Sie fragte mich nicht und sie bat mich auch nicht um Erlaubnis oder Zustimmung. Sie informierte mich einfach nur über den Sachverhalt.

Ich ignorierte sie, für den Moment. Jahrelang hatte ich von einer sanften, willigen Frau geträumt, um sie für mich zu beanspruchen. Das Fieber beeinträchtige eindeutig mein Urteilsvermögen, aber jetzt war nicht der passende Zeitpunkt, um sich mit der Bestie anzulegen.

Ich war zu weit entfernt, um ihre Stimme erkennen zu können. Ich hatte keine Ahnung, wer sie war, aber meine Bestie wusste es scheinbar sehr wohl. Das Ungetüm wollte sie und das Paarungsfieber brodelte mit wiedererwachter Stärke in mir auf, während mein Schwanz unter meiner Panzerung unbequem ersteifte.

Und sie verhöhnte sie, lockte einen von ihnen zu sich hoch. Warum? War sie auf den Kopf gefallen? Wahnvorstellungen? Halluzinierte sie? Oder war sie einfach nur geisteskrank?

Der seltsame Hive näherte sich der Felswand an—aber ja doch—und die Bestie folgte ihm lautlos, wie ein Raubtier schlich sie dem hinteren der Drei hinterher. Ich zwang mich dazu, nachzudenken und den ungestümen Schutzinstinkt meiner Bestie zu bändigen. Nie zuvor hatte ich auf dem Schlachtfeld derartige Lust, einen derartigen Beschützerinstinkt erlebt. Sicher, ich wollte meine Einheit und diejenigen, die wir beschützen sollten in Sicherheit wissen, aber das hier war etwas anderes. Ich verspürte eine glühende Wut, die wie siedendes Teer in meinen Adern brodelte. Es war das Aufbegehren der Bestie, die ihre Partnerin beschützen wollte.

Sie gehörte mir.

Ein bedrohliches, abgrundtiefes und überraschend heftiges Gefühl legte sich über mich wie ein Panzer aus solidem Eis. Zorn und Getobe waren stumpfsinnige Emotionen. Dieses Bedürfnis, die Hive vor mir zu töten war aber nicht stumpfsinnig, es war kalt, berechnend und wohldurchdacht. Sie mussten sterben. Sie wollten sie und ich würde nicht zulassen, dass sie sie anrührten. Sie gehörte mir. Sie war von Kopf bis Fuß in ihren Panzeranzug gehüllt und klammerte sich wie ein Insekt an den Abgrund. Stark. Mutig. Aggressiv. Mir. Sie gehörte immer noch mir.

Die Erdenfrau über mir hatte fast die Höhle erreicht, fast war sie außer Schussweite der Hive. Die allerdings starrten einfach nur zu ihr herauf, als wäre sie ein Kuriosum. Sie feuerten nicht und ich konnte mir nicht erklären, warum sie diesen Erdling verschonten. Warum nahmen sie den Feind nicht unter Beschuss, damit er herunterfiel? Sie waren in der Lage, fast alle Arten von Verletzungen bei ihren Gefangenen zu heilen. Zweifelsohne konnten sie Sturzverletzungen behandeln, selbst aus dieser Höhe und auf hartes Felsgestein. Sie müssten sie nur zu einem ReGen-Tank transportieren und ihren zerbrechlichen, menschlichen Leib wiederherstellen, bevor es mit der Integration losgehen konnte. Warum also ließen sie diesen Erdling davonkommen? Warum stellten sie ihr nach, als ob sie sie lebend und unversehrt in die Finger bekommen wollten?

Den Hive war nur von Bedeutung, dass ihre Gefangenen überlebten.

Während ich mich anschlich, musterte ich den Hive vor mir und mit jedem lautlosen Schritt wuchs meine Neugierde. Sie waren zu dritt, wie immer, aber nie hatte ich drei Exemplare wie diese hier zu Gesicht bekommen.

In der Mitte stand ihr Anführer, er war einen halben Meter größer als seine Gefährten und fast so groß wie ich. Alle drei trugen eine merkwürdige, silber- und grafitfarbene Panzerung, die ich nie zuvor gesehen hatte. Das Trio blickte in die andere Richtung, also konnte ich nicht ausmachen, ob ihre Augen silbrig waren, aber ihre Haut war extrem glatt und hatte eine satte, dunkelblaue Farbe. Jeder von ihnen trug einen sonderbaren Helm auf dem Kopf mit einem geometrischen Design, wie ich es nie zuvor gesehen hatte. Aber das kurioseste überhaupt waren die absonderlichen Apparate, die aus ihrer Rückseite nahe ihrem Schädelknochen herausragten. Die gebogenen Geräte sahen aus wie—nein.

Das war unmöglich.

Der Anführer machte einen Sprung, sein Körper legte mit einem Satz den halben Weg bis zur Höhle zurück und seine Hände und Füße fanden an der Felswand Halt. Er begann nach oben zu klettern.

Die Frau verschwand in der Höhle und der Anführer kletterte ihr mit neuem Elan hinterher, als befürchtete er, dass sie entkommen könnte.

Als der zweite blauhäutige Hive ebenfalls hochsprang, konnte ich mich nicht länger zurückhalten.

Ich preschte vorwärts und meine Bestie tobte, als ich ihm den Kopf von den Schultern riss. Sein Blut bedeckte meine Hände, es war ein dickflüssiger, klebriger schwarzer Schlamm, den ich nie zuvor gesehen hatte.

Die Hive bestanden überwiegend aus integrierten biologischen Lebewesen von den uns bekannten Planeten. Prillon Prime. Everis. Trion und hunderten anderer Welten.

Keine von denen hatten schwarzes Blut.

Als der erste Hive zu Boden sackte hielt der zweite inne, um auf mich herabzublicken. Irgendeine merkwürdige Verbindung zwischen ihnen hatte ihn alarmiert.

Der Anführer stoppte ebenfalls und sie tauschten einen Blick miteinander aus, bis der Anführer kurz nickte, als würde er einen Befehl—oder eine Erlaubnis—erteilen und der untere Hive sprang wieder zu Boden, um es mit mir aufzunehmen.

Noch eine bizarre Erscheinung. Bei den Hive gab es keine Kommandos dieser Art und keiner von ihnen hatte je die Befehlsmacht. Ihre Befehle kamen von einer zentralen Strategie- und Kommandozentrale und diese wurde nie auf dem Schlachtfeld riskiert.

Auf leichtem Fuße landete er direkt vor mir und richtete sich auf. “Lassen sie uns allein, Kriegsfürst.”

Was zum Teufel war hier los? Seine Stimme klang … normal. Wie bei jeden anderem Mann auch. Kein gekünsteltes Gerede. Kein komischer Rhythmus oder computerbasierter Gleichklang. Er hörte sich … einzigartig an. Wie ein Individuum.

Und das entsprach nicht den Hive.

Als der Anführer weiter kletterte und sich Stück für Stück dem Höhleneingang und der Frau, auf die er es abgesehen hatte, näherte, war es meiner Bestie scheißegal, was dieser blaue Typ in seiner Silberrüstung war und was nicht. Die Bestie wollte ihn in Stücke reißen und weiterziehen.

Aber der Mann in mir hatte immer noch das Sagen, gerade so jedenfalls, und ich erkannte, dass das hier etwas extrem Seltenes und Seltsames war. Kommandant Karter würde wissen müssen, was hier vor sich ging, was es mit diesen Kreaturen auf sich hatte.

“Was bist du?” Meine Bestienstimme war kaum mehr als ein Knurren, aber der Hive verstand mich.

“Wir sind Nexus 9.”

Was verflucht nochmal war ein Nexus? Und warum hatte er mir geantwortet? Meine Frage war nur rhetorisch gewesen, denn sie brauchten keine Antwort zu geben. Sie gingen davon aus, zu unterwerfen und dann zu integrieren. Oder er hatte geantwortet, weil er nicht davon ausging, dass ich lange genug überleben würde, um etwas mit seiner Antwort anzufangen.

Von oben ertönte ein Schuss, aus dem Inneren der Höhle, und der Bestie riss der Geduldsfaden.

Wie benebelt holte ich aus, packte ich den merkwürdigen Hive und verdrehte ich ihm das Genick, bis er unter meinem Griff erschlaffte, zuvor aber feuerte er noch einen Schuss. Unachtsam warf ich die tote Masse auf die Felsen. Der Schuss seiner Ionenwaffe musste meine Panzerung erwischt haben. Wieder einmal brannte es, diesmal spürte ich es an der Hüfte, aber der Schmerz war nichts weiter als ein schwaches Stechen.

Nur selten schöpfte ich die ganze Stärke meiner Bestie aus, als ich aber kauernd zum Sprung ansetzte, strömte die Kraft nur so durch mich hindurch, die ungebändigte Kraft der Bestie und ausnahmsweise war ich froh darüber. Mit einem kraftvollen Satz sprangen wir zum Schlund der Höhle hinauf, bereit, sie zu verteidigen.

Im Paarungsfieber

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