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ОглавлениеFaith, Anwesen der Familie Jax
Ich konnte nur hoffen, dass es meinen Schwestern besser erging als mir. Eine Prinzessin, eine Dienstmagd und eine Nonne. Was für eine Kombination.
Hoffentlich hatten sie mehr Erfolg als ich.
Die Nachrichten schienen nur noch über Trinity zu berichten. Das Kleid an ihrem ersten öffentlichen Auftritt war einfach spektakulär. Sie hatte ihr Haar nie zu mehr als einem Zopf oder einem Pferdeschwanz gebunden, als sie aber die Treppen in Mutters Palast hinaufstieg, hatte sie wie eine Königin ausgesehen.
Sie sah so wunderschön aus, dass ich weinen musste, und das kam äußerst selten vor. Und damit nicht genug, denn Zel, der Garde, dem wir in der ersten Nacht das Leben gerettet hatten, hatte sich als faules Ei herausgestellt und Trinity bei ihrem großen Empfang entführt. Fast wäre er damit durchgekommen. Junge, danach musste ich vielleicht heulen. Von einer vagen Gefahr zu wissen war eine Sache, echte Bedrohungen und Bösewichte aber? Ich war am Ausflippen. Ich hatte stundenlang geweint. Dann aber hatte ich mich zusammengerissen, wie ein großes Mädchen. Eine Prinzessin. Und jetzt fiel es mir erstaunlicherweise noch leichter, einfach einen Witz zu reißen und die Sache zu vergessen.
Weitermachen. Das war mein Motto gewesen, bis meine Schwestern und ich nach Alera gekommen waren. Jetzt saß ich in meinem selbst gewählten Gefängnis fest. Als Dienstmagd im Hause Jax. Wegen Zel war das Haus Jax jetzt in den Fokus der Optimus-Einheit geraten. Das hatte ich auch in den Nachrichten gehört. Und es machte mich etwas nervös, schließlich schnüffelte ich bei Leuten herum, die gerade offiziell untersucht wurden. Ich war keine ausgebildete Spionin und mein Erfolg hielt sich in Grenzen.
“Kannst du mir etwas zu trinken bringen? Ich bin am Verdursten.” Lord Jax, der Senior—wie ich ihn nannte—hatte vor dem Kamin in seinem Büro die Füße hochgelegt, und zwar in voller Reitermontur nach seinem Nachmittagsausflug. Und auf seinem Schoß ruhten zwei Kreaturen, die wie übergroße Katzen mit Zebrastreifen aussahen. “Und ein paar Snacks.”
Er hielt einen leeren Becher nach oben und ich nahm ihn aus seiner Hand. “Gewiss, mein Lord.” Die Katzenkreaturen waren faszinierend und wunderschön, und sie schienen nicht zu schnurren—nicht genau jedenfalls. Das Geräusch, das sie von sich gaben erinnerte mich an einen Dieselmotor im Leerlauf, nur klang es nicht ganz so laut und sie rochen auch nicht so schlecht.
Ich trug den Becher zu einer Anrichte und füllte ihn—nicht mit Wasser, was wohl seinen Durst gelöscht hätte—, sondern mit Wein. Der Lord liebte seinen Wein. Und seine Haustiere. Und er liebte es, mit seinem Sohn anzugeben, dem großartigsten, vollendetsten Exemplar der männlichen Spezies. Wenn man dem alten Mann glauben wollte, müsste man denken sein Sohn, Thordis Jax, war eine Art Superman.
Im Flur hing sein Porträt. Und zugegeben, er sah umwerfend aus. Eher wie der Schauspieler aus Captain America als der dunkelhaarige Adonis vom Planeten Krypton. Aber ich hatte den heiß geliebten Sohn nie kennengelernt. Und ich wollte auch gar nicht, besonders, nachdem ich erfahren hatte, dass er mit Zel aufgewachsen war und die beiden früher beste Kumpels waren. Er lebte auf seinem eigenen Anwesen am anderen Ende der Stadt, was auch besser so war. Wenn er so intelligent und aufmerksam war, wie sein Vater ständig behauptete, dann würde ich hier niemals mit meiner Arbeit hinterherkommen. Und er könnte ein Verräter sein. Jeder in dieser Familie könnte insgeheim planen meine Familie auszulöschen.
Ich begnügte mich mit den Aufgaben, für die sie mich angeheuert hatten. Dazu gehörte nicht aufzufallen und einem Verräter auf die Schliche kommen.
Keine große Sache, oder? Für eine Prinzessin, die sich als Dienstmagd ausgab. In Wirklichkeit war es gar nicht so schlimm und niemand hatte mich bisher als Magd bezeichnet. Ich musste kein raues Baumwollkostüm anziehen und Wäsche schrubben, bis meine Finger einrissen und blutig waren. Ihre Technologie übernahm die meiste Arbeit. Die spontanen Materiegeneratoren, oder S-Gen-Einheiten, stellten jeden Tag neue Kleider her. Passgenau. Sauber, was bedeutete, dass es keine Wäsche zu waschen gab. Kein schmutziges Geschirr. Die S-Gen-Anlage recycelte alles auf atomarer Ebene, sie zerlegte Gegenstände in ihre energetischen Grundbausteine und bediente sich dieser Bausteine, um den nächsten Artikel herzustellen.
Ich war eine Bedienstete. Eine Magd. Ich diente. Schließlich kam es nicht infrage, dass diese Adeligen selber zur S-Gen-Anlage rüberliefen und Knöpfe drückten. Der Wein aber? Das war eine andere Geschichte. Er wurde vom Planeten Atlan importiert, so hatte man es mir jedenfalls gesagt.
Die Dame des Hauses hatte mir mehr als deutlich gemacht, dass kein anständiger Mann Wein aus einer S-Gen-Anlage trank.
Zum Teufel damit. Ich hatte fast jeden Abend seit meiner Ankunft den Wein aus der Maschine getrunken und er schmeckte völlig in Ordnung. Der Rebensaft nahm mir die Anspannung, wenn es an der Zeit war, mich in mein kleines Zimmer zurückzuziehen und schlafen zu gehen. An den meisten Abenden half er auch, aber nicht ausreichend. Ich würde trotzdem schweißgebadet aufwachen, mit Bildern der Killer vor den Augen und meinen blutverschmierten Händen …
Scheiße. Ich zitterte. Wo war mein Humor geblieben, wenn ich ihn am dringendsten brauchte?
Ich nahm das Glas und den kleinen Teller, den der Koch jeden Nachmittag für ihn bereitstellte—eine Art Fischhäppchen mit Crackern, die er einfach liebte … und auch gerne mit seinen Katzen teilte.
“Bitte schön, Sir. Randvoll, wie sie es am liebsten mögen.” Und das tat er auch. So voll, dass ein falscher Tritt den Wein über meine Hände und den vornehmen Elfenbeinteppich vergossen hätte. “Und ihr Lieblingssnack.”
“Ausgezeichnet. Gute Arbeit, Faith. Sehr gut.” Er nahm einen Cracker mit dem stückigen weißen Belag und schob ihn sich in den Mund. “Mmm, hast du den Fisch schon probiert? Einfach vorzüglich.” Er nahm einen weiteren Happen vom Teller und fütterte ihn der Katze.
“Nein danke, mein Lord. Ich esse kein Fleisch.”
“Oh?” Er blickte zu mir auf. “In der Tat. Die Tiere lieben dich zu sehr, als dass du sie essen könntest.”
Er grinste und nahm einen weiteren Cracker mit Fisch und spülte ihn mit einem Schluck Wein runter.
Er war ein recht netter Mann. Er musste um die sechzig sein und hatte nicht besonders viel zu tun. Sein Sohn hatte vor einigen Jahren das Firmenimperium übernommen, also hatte er genügend Zeit, um reiten zu gehen und zu trinken und—in eher angeheitertem Zustand—seine Partnerin zu ficken. ‘Glaub mir, mein alter Schwanz funktioniert noch. Er füllt sie aus und lässt sie kreischen, genau wie in meinen jungen Jahren. Mein Schwanz hat sie noch nie enttäuscht. Nie!’
Das war viel zu detailliert für mich gewesen, aber er war mehr als zufrieden mit sich. Und er war seiner Frau seit über dreißig Jahren restlos erlegen. Also hatte ich nur gelächelt und zugesehen wie er seinen Wein runterspülte und ihm bestätigt, wie großartig sein Schwanz tatsächlich sein musste.
Er hatte mich angefunkelt und wir beide waren in Gelächter ausgebrochen, als das Objekt seiner Begierde in den Raum spaziert kam.
Sie hatten einen eindeutigen Blick miteinander ausgetauscht und dann hatte er sie Richtung Schlafzimmer geschliffen, sodass ich alleine zurückgeblieben war und den Wein aufwischen konnte, den er in aller Eile verschüttet hatte—und um die Schubladen und Schränke zu durchsuchen.
Bei jeder Gelegenheit durchsuchte ich seine Sachen. Las ich Notizen. Ich suchte nach Hinweisen danach, wer unsere Mutter gekidnappt haben könnte. Ich lauschte Gesprächen und stellte Fragen, alles in der Hoffnung, irgendjemand würde mir etwas Brauchbares stecken. Bisher hatte ich nichts gefunden.
Nichts, was irgendjemanden im Hause mit Zel in Verbindung brachte. Keine Hinweise auf meine Mutter. Gott, ich war so verdammt wütend auf Zel. Zum Glück war er tot. Ich hatte diesem Arschloch tatsächlich auch noch geholfen! Meine Mutter blieb aber weiterhin verschwunden, was bedeutete, dass er nicht alleine gehandelt hatte. Was sowieso unwahrscheinlich war, denn die Optimus-Einheit heftete sich gerade an die Jax-Familie wie das Weiße am Reis. Cassander, der Mann für alle Gelegenheiten, der auf wundersame Weise überlebt hatte? Kam auch nicht infrage. Er war auf irgendein Landgut im Süden geschickt worden, weil eine junge Dame vom Hause Jax der Gluthitze erlegen war. Warum würde er der Prinzessin etwas antun wollen, wenn er den ganzen Tag lang mit willigen Damen Sex haben konnte? Gott, was für ein Leben. Cassander würde sie tagelang nackig unter sich begraben. Was für ein Glück für das Mädchen. “Jetzt bloß nicht die Augen verdrehen.”
“Was war das, Schätzchen?” Lord Jax rieb seine Nase an einer seiner Zebrakatzen und warf mir aus dem Augenwinkel einen Blick zu. Er war nicht töricht, sondern wollte sich nicht zu viel Arbeit machen und war einfach froh, dass er in den Tag hineinleben konnte, während sein Sohn sich um alles andere kümmerte. Ich hatte nicht die Absicht etwas daran zu ändern.
“Nichts. Ich führe wohl Selbstgespräche.” Scheiße. Ich musste mich zusammenreißen. Ich war es nicht gewohnt, meine Zunge im Zaum zu halten. Ich war es gewohnt, jeden Gedanken, der mir durch den Kopf ging, einfach herausplatzen zu lassen und diese Angewohnheit kam mir in diesem Hause nicht zugute. Verdammt, auf diesem Planeten.
“Ich auch, Schätzchen. Wie ich bemerkt habe, bin ich der Einzige, der meinen Sinn für Humor wahrhaftig zu schätzen weiß.” Er schmunzelte, als ob er das irgendwie lustig fand und hätschelte die zweite Kreatur, die jetzt auf den Hinterbeinen kauerte, die Vorderpfoten auf die Brust des Lords gestützt, und seine Wange leckte. Beide Kreaturen surrten laut und ich fragte mich, ob sie ein Pärchen waren. Das Weibchen war größer, aber das Männchen buhlte umso aggressiver um die Aufmerksamkeit seines Besitzers und verlangte ständig nach Zuwendung.
Ich wollte die Biester streicheln. Sie hätscheln. Meine Nase in ihrem Fell vergraben und ihre kuschelige Zuwendung genießen. Ihre Gunst genießen. Aber dafür war ich nicht hierhergekommen und Lady Jax hatte mir erklärt, dass die Kreaturen exotisch und extrem teuer waren und dass niemand außer Lord Jax sie anrühren durfte.
Wie auch immer. Ich hatte Wichtigeres zu erledigen. Einen Verräter aufzuspüren, denn obwohl Zel tot und begraben war, hatte jemand anderes unsere Mutter, die Königin Celene. Sie hatten sie auf der Erde aus dem Bett gezerrt und seitdem fehlte jede Spur von ihr. Ich konnte es mir nur schwer eingestehen, aber das war sehr, sehr beunruhigend. Wäre ihr Turm in der Zwischenzeit erloschen—die Lichtsäule war dank einer altertümlichen und rätselhaften Alien-Technologie irgendwie mit ihrer Lebensenergie verknüpft—, dann hätte ich jetzt keine Hoffnung mehr, sie zu finden. Ich war realistisch. Sie war seit beinahe zwei Wochen verschwunden. In den Fängen unbekannter Kidnapper. Mörder? Killer? Verräter? Wurde sie gefoltert?
Ich wollte das Zimmer von Lady Jax filzen—sollte die Frau des Lords es je lange genug verlassen, damit ich es gründlich durchsuchen konnte. Ich hatte eigentlich gehofft, sie würden heute Abend zur Party gehen, zum royalen Empfang, der abgehalten wurde, um meine Schwester Trinity den Adeligen des Planeten vorzustellen—und allen anderen. Aber nein.
An ihrer Stelle hatten sie ihren geliebten Sohn geschickt und gehofft, dass die zukünftige Königin ihn erwecken würde. Keine Ahnung, was sie sich davon erhofften. Nicht, wenn die Nachrichten bereits verkündeten, dass Trinity einen Partner hatte. Leo. Und ich kannte meine Schwester. Sie würde nicht fremdgehen, besonders, da die Jax-Familie jetzt im Mittelpunkt einer riesigen Untersuchung stand. Leo war ihr Mann. Sie gehörte zu ihm. Ich hatte ihn getroffen. Mit ihm geredet. Er war ein normaler, überfürsorglicher Alphatyp. Keine Ahnung, was meine Schwester sich dabei dachte, aber sie sah glücklich aus. Vielleicht dachte sie ja nicht …, dass sie jetzt von Lust und Liebe regiert wurde. Und sie war am Leben. Zwei zu null für uns.
Aber das würde eine machthungrige Mutter nicht davon abhalten darauf zu hoffen, dass ihr Sohn meiner Schwester den Kopf verdrehen könnte. Die Frau brauchte wohl ein paar positive Schlagzeilen für den Familiennamen.
Tja, wenn man vom Teufel spricht, denn Lady Jax kam in genau diesem Moment herein. Sie sah die Kreaturen und den Wein, der sich auf den Boden ergoss, als die größere der beiden Katzen dem Lord auf dem Arm herumstieg und seinen Becher fast umschubste. “Mein Lord, du machst wieder eine Schweinerei auf dem Teppich.” Ihre Stimme klang streng, wie eine erboste Nonne im katholischen Gymnasium. Seitdem die Sache mit Zel bekannt geworden war, war sie irgendwie ständig auf hundertachtzig.
“Ich war’s nicht, Liebling. Sie ist schuld.” Lord Jax rieb sein Gesicht am Antlitz der weiblichen Kreatur. “Nicht wahr, Mieze?”
Lady Jax verschränkte mild lächelnd die Arme vor der Brust. Ihr Partner lag ihr ohne Zweifel am Herzen. Er war ja auch ganz sympathisch. Anders als sie, die Auserwählte seines Schwanzes. “Ich glaube, du liebst die Viecher mehr als mich.”
Mit hochgezogener Augenbraue blickte er zu ihr auf. Dann betrachtete er das bodenlange, hellgrüne Kleid, das sie anhatte, die zierlichen Sandalen an ihren Füßen, ihr leicht gewelltes Haar. Sie war eindeutig über fünfzig, aber immer noch attraktiv. “Glaubst du das, Frau?”
“Du weißt, dass es so ist.”
Er stand aus seinem Sessel auf und schob die protestierenden Kreaturen von seinem Schoß. Sie machte einen Schritt zurück, zu spät. “Komm, Liebling. Du siehst gestresst aus. Du brauchst etwas Erleichterung.”
Sie schüttelte den Kopf, ihre Augen aber leuchteten vor Interesse. “Nein.”
“Du sollst deinem Partner gehorchen, Frau.”
“Dann versuch’s doch.” Sie lachte und rannte aus dem Zimmer und der alte Lord heftete sich an ihre Fersen.
Ich musste grinsen. Konnte nicht anders. Die Dame des Hauses interessierte mich nicht sonderlich, außer wenn sie mit ihm war, und sie verdiente etwas Erleichterung. Mit Bediensteten, Besuchern und allen anderen Leuten, inklusive der Ermittler, die mehr als einmal in ihr Haus gekommen waren, blieb sie kühl. Berechnend. Nachtragend. Das Wort Diva wurde ihr nicht annähernd gerecht. Mit ihm aber?
Ich nahm seinen Becher und blickte seufzend den Kreaturen nach, wie sie sich durch ihre spezielle Katzentür davon machten. Sie blieben nie da. Ließen sich nie von mir anfassen. So loyal waren sie ihrem einzig wahren Herrchen gegenüber, hatte man mir jedenfalls gesagt.
Ich lief so leise wie möglich über den Flur und folgte dem Lord und der Lady des Hauses und fragte mich, wo die beiden es sich gemütlich machen würden. Meistens trug er sie in ihr Schlafzimmer, was mir keine Chance ließ, es zu durchsuchen.
Und heute?
Vor mir schlug eine Tür zu und durch die dicke Vertäfelung konnte ich ihr vergnügtes Gequietsche hören.
Super! Sie waren in der Bibliothek. Ihr Zimmer war frei!
Ich rannte zum Seitenschrank, stellte das halbvolle Glas ab und machte mich so schnell wie möglich ins Zimmer der Dame auf. Sonst blieb sie immer stundenlang dort drin. Jetzt oder nie!
Ich schloss leise die Tür und betrachtete die hohen Decken und das geräumige Bett mit seinem seidigen Elfenbeinplumeau. Der Teppichboden war so dick, ich müsste ihn auf dem Weg nach draußen aufrauen, um keine Fußabdrücke zu hinterlassen.
Ich begann am Schrank, öffnete und schloss alle Türen und Fächer. Ich durchsuchte Taschen. Schuhe. Dekorative Schachteln. Nichts.
Dann ging ich zum Schreibtisch und wollte die Schublade öffnen. Sie war abgeschlossen. Verdammt.
“Schlüssel. Wo ist der Schlüssel?” Es sah wie ein altmodisches Schloss aus. Das Schloss am Schreibtisch des Lords war sehr viel fortschrittlicher. Ich musste einen Fingerabdruck von einem seiner Weingläser kopieren und seine Stimme aufzeichnen, um es zu öffnen. Aber ich hatte nichts gefunden. Nur Geschäfts- und Bankunterlagen. Alle waren öffentlich zugänglich und wahrheitsgemäß, wie ich in einer stundenlangen Suche in ihrer Version des Internets herausgefunden hatte.
Lady Jax aber? Sie gab mir Rätsel auf und mein Bauchgefühl sagte mir, dass sie sehr viel mehr wusste, als sie sich anmerken ließ.
Ich legte mich auf den Rücken, rutschte unter den Schreibtisch und sah, dass der Schlüssel in einer kleinen Nische zwischen den Holzstützen in einer Ecke eingeklemmt worden war. “Hab’ dich.”
Ich nahm den Schlüssel, glitt unter dem Schreibtisch hervor und schloss die Schublade auf. Noch ehe ich sie öffnen konnte, stoppte mich eine schneidende Frauenstimme.
“Was zum Teufel machst du da?”
Ich erstarrte, dann drehte ich mich langsam um und erblickte Lord und Lady Jax, die mich von der jetzt geöffneten Schlafzimmertür anstarrten.
“Ich mache nur sauber.” Gott, ich musste wirklich an meinem Pokerface arbeiten. Nicht einmal Lord Jax glaubte mir. Er warf mir einen finsteren Blick zu und seine Lippen verjüngten sich zu einer schmalen Linie.
“Nun, mein Lord, wie es aussieht wissen wir jetzt, wer unseren Gegnern die Informationen zugespielt hat.”
Wer, ich? Sie konnte nicht mich damit meinen. Richtig?
Falsch.
Lord Jax wurde ganz rot vor Wut. “Wachen!”
Ich drehte mich zu ihnen um und verschloss mit den Händen hinter dem Rücken die Schublade. “Ich habe das Zimmer geputzt, das ist alles.”
“Ich glaube dir kein Wort. So, wie sie den Namen Jax gerade in den Medien auseinandernehmen? Wie wir unsere Integrität, unsere Ehre verlieren? Wegen Leuten wie dir und euren gemeinen, heimtückischen Machenschaften.” Lady Jax kam auf mich zu und zerrte mich von ihrem Schreibtisch weg. Mann, die Frau hatte vielleicht Kraft! Ich nutzte die Gelegenheit und warf den Schlüssel unter den Stuhl hinter mir. Das war die bestmögliche Lösung. Zumindest würde ich ihn nicht in der Hand halten.
“Du wagst es, dich ohne Erlaubnis ins Zimmer meiner Partnerin zu schleichen?” Lord Jax war nicht mehr nett oder liebenswürdig. Jetzt war er ein Mann, der seine Partnerin verteidigte und ich war am Arsch.
Zwei stämmige, gut bewaffnete Garden tauchten an der Tür auf und er trat zur Seite. “Schließt sie in mein Büro ein und ruft meinen Sohn. Und die Polizei.”
Lady Jax ging wieder zu ihm rüber und zitterte wie ein Blatt; scheinbar stellte ich eine außerordentliche Bedrohung für sie dar. Allerdings war es wohl eher Zorn als Angst. Lord Jax blickte jetzt noch finsterer und er legte beschützend die Arme um sie. Beide waren rot im Gesicht, aber selbst für einen Quickie in der Bibliothek hätte die Zeit wohl nicht gereicht. Ich musste annehmen, dass sie sich etwas mehr Zeit lassen wollten und deshalb in ihr Zimmer gekommen waren. Na toll.
“Sollten wir nicht die Palastgarden rufen? Die Optimus-Einheit? Sie leiten die Untersuchung. Sie ist der Spitzel, Liebling. Ihretwegen sind so viele unserer Garden gestorben! Wahrscheinlich hat sie Zel, den Verräter zum königlichen Empfang geschickt, um die Prinzessin zu kidnappen.” Sie klang, als stünde sie kurz vorm Nervenzusammenbruch. Tränen. Zittern. Meine Güte. Die Frau hätte fast einen Emmy verdient.
Aber vielleicht glaubte sie ja wirklich, dass ich der Spion in ihrem Haushalt war. Ich war hier, allerdings suchte ich selber nach ihm. Genau wie die Optimus-Einheit.
Die Garden kamen hereingestürmt und packten mich. Sie gingen nicht zimperlich vor und ich konnte es ihnen nicht verübeln. Wenn sie Lady Jaxs Worten Glauben schenkten—und sie hatten keinen Anlass, ihr nicht zu glauben—, war ich höchstwahrscheinlich der Grund, warum ihre Leute in der Nacht unserer Ankunft auf Alera getötet wurden.
Ich war also doppelt am Arsch.
“Thor soll zuerst mit ihr reden und ich will, dass du die Polizei rufst. Nur für den Fall, dass sie gewalttätig wird. Thor kann dann entscheiden, was er mit ihr macht …, ob er sie der Polizei oder dem Palast übergibt.”
Mit den Palastgarden würde ich klarkommen. Ich könnte einfach nach Trinity fragen. Sie würde mich vor ihren eigenen Garden retten. Aber die Polizei? Wenn sie mich für eine Spionin hielten, würden sie mich dann foltern und eventuell umbringen? Mich in eine Zelle stecken? Mich verschwinden lassen?
Ich könnte ihnen zwar sagen, dass ich eine Prinzessin war, aber sie würden mir niemals glauben. Der ganze Planet suchte nach mir und meiner Schwester Destiny. Alle und jeder, obwohl sie nicht wussten, wie wir aussahen, oder dass wir tatsächlich Prinzessinnen waren. Und ich hatte Bäder geputzt und sie von vorne bis hinten bedient. Hmm. Nicht sonderlich royal. Und abgesehen davon würde der wahre Verräter jetzt vielleicht sein Gesicht zeigen oder zumindest zu mir kommen, um sich zu brüsten.
Ich würde abwarten und sehen, wie die Sache sich entwickelte.
Ohne Widerstand ließ ich mich von den Garden abführen. Und als sie in Lord Jaxs Büro Wache standen und auf Thor und die Polizei warteten, weigerte ich mich Tränen zu vergießen.
Ich war eine verdammte Prinzessin.