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ОглавлениеDestiny, Festung des Priesterordens in den Bergen von Mytikas
Auf der Erde nannte man Mitternacht auch die Geisterstunde. Hier aber, hinter den Mauern des Priesterordens war es eher die Gesangsstunde. In fast jedem Raum der endlos langen Gänge versammelten sich die Priester—im Training oder nicht—und sangen. Sie gaben einfach keine Ruhe mehr. Und als sie schließlich verstummten, ging das Meditieren los. Priester blieben lange auf, ihre Körper hatten sich irgendwie dem schimmernden Mondschein auf den Aleranischen Blumen angepasst, die außerhalb der Zitadelle wuchsen. Alles war sehr gemeinschaftlich und hippiemäßig. Verdammt nervig für all diejenigen unter uns, die in ihrem Leben nicht besonders viel Zeit in einer Kommune zugebracht hatten. Sie schienen mehr Geduld im kleinen Finger zu haben, als ich im gesamten Leibe aufbringen konnte.
Aber seit Faith sich dem Planeten vorgestellt hatte, gab es hier sehr viel weniger Singsang und mehr Getuschel, und das war genau was ich mir erhofft hatte. Eine Bande Introvertierter, die endlich alles rausließ. Sie diskutierten über die wundersame Rückkehr der Prinzessinnen Trinity und Faith und sie spekulierten über den dritten leuchtenden Turm und den Verbleib ihrer Königin.
Das wirklich Verrückte daran war allerdings, dass ich die dritte Prinzessin war, über die sie alle schwatzten. Wenn sie mich jetzt erwischen würden, dann würde ich ehe ich mich erklären könnte, im Kerker sitzen. Oder tot sein. Es war durchaus denkbar, dass sie mich auf der Stelle umbringen würden.
Ins Büro der Oberpriesterin einzubrechen war strengstens verboten.
Wie ich—auch von diesem aufgestauten Klatsch—gehört hatte, wurde dieses Vergehen vor ein paar hundert Jahren mit dem Tode bestraft. Da seitdem keiner mehr erwischt worden war, konnte ich nicht genau sagen, ob sie ihr Regelwerk geändert hatten oder ob es seitdem niemand mehr versucht hatte.
“Dann werde ich wohl sehr, sehr vorsichtig sein müssen.” Ich redete mir gut zu, als ich mich an die Rebstöcke klammerte, die sich am höchsten Turm innerhalb der Festungsmauern rankten. Ich kam mir vor wie Romeo unterwegs zu Julia, wie damals in der Schulaufführung.
Ich blickte mich um und stellte sicher, dass mich niemand sah … ehe ich etwas hinrichtungswürdiges tat, dann öffnete ich ein Fenster und hangelte mich nach oben. Ich schlang erst mein Bein und dann den Rest von mir durch die Öffnung. Das Büro befand sich mindestens im dritten Stock, aber die Reben waren dick und ich war zierlich. Es war fast schon zu einfach.
Fast lautlos landete ich auf dem dünnen Teppichboden und bemerkte, dass der Raum immer noch schön warm war. Die alte Frau, die hier regierte, hatte gebrechliche Knochen und sie schien hier oben in den Bergen der Hauptstadt nicht gerne zu frieren. Die Festung war allerdings vor Urzeiten errichtet worden und sie hatte keine andere Wahl, als mit der Witterung klarzukommen. Der Priesterorden war zur selben Zeit wie die royale Blutlinie gegründet worden. Die allererste Königin, die von der Zitadelle auserkoren worden war, hatte den Schwur des ersten Priesters akzeptiert, und so hatte alles seinen Anfang genommen. Generation für Generation hatten die Priester Alera gedient, in Rechtsangelegenheiten und zum Schutze des Königreichs. Sie waren die Schreiber und Archivare und wurden mit Wissen betraut, das nur wenigen zugänglich war. Sowohl der Priesterorden als auch die royale Blutlinie standen irgendwie mit der Zitadelle in Verbindung, aber beide hatten ihre Geheimnisse. Und die Priester dienten der königlichen Familie—meiner Familie—seit Jahrtausenden.
“Ein verfluchter Verräterhaufen.” Nicht alle von ihnen waren schlecht. Seit zwei Wochen hatte ich jetzt mit ihnen trainiert, gegessen und mich als eine von ihnen ausgegeben. Ich war eine Novizin. Ein Neuankömmling. Und sie hatten mich in ihre Mitte aufgenommen. Die meisten von ihnen waren nette, anständige Leute. Sie waren freundlich, hilfsbereit.
Aber längst nicht alle von ihnen. Nein, jemand—oder mehrere jemande—war verdorben bis ins Mark. Oh ja, es gab einen wirklich faulen Apfel, der den ganzen verdammten Haufen stinken ließ. Und ich würde die Verräter schnappen, selbst wenn ich dabei umkommen würde. Sie hatten immer noch Mutter. Sie hatten versucht Trinity und meine Zwillingsschwester Faith zu ermorden, und das mehr als einmal.
Wenn sie wüssten, wer ich bin, dann würden sie bestimmt auch versuchen mich umzubringen. Offensichtlich sollten wir alle sterben. Ich grinste und dachte daran, wie unsere Ankunft auf Alera ihre Pläne durchkreuzt haben musste. Ha!
Als ich flink durch den dunklen Raum schlich, stieß ich mit dem Zeh gegen einen unerwarteten Vorsprung an einem Stuhl. Ich hisste und hüpfte umher. “Verflucht.” Das Wort war kaum mehr als ein Ächzen, draußen aber hörte ich, wie sich als Antwort darauf etwas bewegte. Unter mir. Auf dem Boden.
Dann hörte ich ein Rascheln.
Die Reben.
Scheiße.
Jemand kletterte an den Reben hoch. Etwa Romeo persönlich? Ich war keine holde Julia, die endlich entführt werden wollte. Und Scheiße, draußen kletterte es sogar noch schneller als ich. Mir blieb keine Zeit irgendwohin zu verschwinden und die Tür—wo normale Leute ein und aus gingen—war fest verschlossen. Ich musste mich verstecken und darauf hoffen, dass wer auch immer hierher unterwegs war, mich einen Schritt näher zu meiner Mutter bringen würde. Ich wusste, dass die Priester sie hatten. Irgendwo. Die Gerüchteküche brodelte nur so mit Getuschel und Mutmaßungen über einen streng geheimen Häftling. Das konnte nur Mutter sein. Oder für die Aleraner, Königin Celene. Sie musste es sein.
Denn wenn nicht, dann saß ich in einer Sackgasse fest und wir waren allesamt aufgeschmissen. Mutter würde sterben. Und das würde ich mir nie verzeihen.
Auf meinem schmerzenden Zeh humpelte ich in eine gänzlich schwarze Ecke des Raumes. Regungslos stand ich da und wartete darauf, wer wohl mein unerwarteter Besucher sein könnte. Wie groß standen die Chancen, dass gleich zwei Eingeweihte hier herumschnüffelten?
Das Warten war eine Qual für sich. Ich kannte meinen Körper, ich hielt die Atmung ruhig, versuchte mein rasendes Herz zu beruhigen—aber klar doch—und so still wie möglich zu stehen. Die Aleranische Hälfte meiner DNA hatte letzte Woche beschlossen, dass es an der Zeit war in eine ausgewachsene Gluthitze zu gehen. Ich wusste, was mit mir los war, denn Trinity hatte zuvor schon ihre gehabt. Jeder Millimeter meiner Haut war hochempfindlich. Meine Nippel schmerzten, die Rundung meiner Brüste fühlte sich voll und schwer an. Sie waren klein, was mir ganz recht war und zum Kämpfen passte. Aber jetzt fühlten sie sich doppelt so groß an wie sonst. Meine Muschi war dauerfeucht und mein Gehörsinn schien sich zu einer Art Superkraft verschärft zu haben und war einfach nur nervig. Als ob ich plötzlich zur Sieben-Millionen-Dollar-Frau geworden war. Die notgeile Sieben-Millionen-Dollar-Frau.
Ich konnte Insekten die Wände hoch krabbeln hören. Gespräche in der gesamten Festung; aus diesem Grund kannte ich jeden Klatsch und Tratsch. Mein eigener Herzschlag hatte sich wie eine Congatrommel in meinem Schädel angehört, bis ich gelernt hatte ihn zu ignorieren und irgendwie hatte mir das auch dabei geholfen, genau die Geräusche, die ich hören wollte zu filtern und mich die restliche Zeit mehr oder weniger normal zu fühlen.
Trinity hatte nicht erwähnt, dass ihre Gluthitze mir einem Supergehör einherging, aber Leo hatte sie ziemlich auf Trab gehalten und sie war ständig nackig gewesen und laut kreischend gekommen. Diese bescheuerte Gluthitze machte mir alles zunichte. Es war, als ob ich meinen Körper nicht länger im Griff hatte. Und es gab keine Erleichterung. Verdammt nochmal.
Ich war so aufgegeilt, dass ich fast schon kommen musste, wenn ich nur die Schenkel aneinander rieb. Und ich konnte alles hören, was in der Festung abging. Alles. Inklusive einiger sinnlicher Begegnungen, bei denen ich mich winden musste und mir gewünscht hatte, dass selber Hand anlegen tatsächlich helfen würde. Aber nein. Jeder selbst besorgte Orgasmus machte es nur noch schlimmer. Nach zweien hatte ich es bleibenlassen und mich stattdessen ein paar Stunden lang zu einer Kugel zusammengerollt und darauf gewartet, dass das erdrückende Verlangen nachließ.
Was es nicht tat. Aber ich war irgendwie damit klargekommen. Ich war allerdings nicht sicher, wie lange ich noch durchhalten konnte, ohne vor Lust den Verstand zu verlieren.
Was der Grund war, warum ich jetzt diesen letzten, verzweifelten Versuch unternahm und ins Büro der Oberpriesterin einstieg. Sollte ich nichts Brauchbares finden, dann würde ich zum Palast gehen und einen dieser Gigolos finden müssen, damit er mich entschärfte. Im Moment brauchte ich es einfach und ich war beinahe an einem Punkt angekommen, wo mir so ziemlich egal war, wessen Schwanz ich reiten würde, solange er willig und hart war und die ganze verdammte Nacht lang durchhielt. Oh ja. Ich brauchte es willig und hart.
Ich war am Schnaufen, als zwei große, sehr maskuline Hände auf dem Fenstersims auftauchten. Anschauliche Hände. Lange, dicke Finger. In mir drin. Die mich rieben. Mich fingerfickten.
Scheiße. Ich musste mich zusammenreißen.
Ich konzentrierte mich auf meine Atmung, kriegte mich wieder ein und wartete. Meine Augen hatten sich bereits an die Dunkelheit gewöhnt und ich beobachtete, wie der Eindringling wie eine Katze durch das Fenster schlüpfte.
Gott, für einen so großen Mann war er ziemlich beweglich. Er war kräftig, das war offensichtlich an der Art und Weise, wie er sein gesamtes Körpergewicht nur mit den Armen handhabte und lautlos zu Boden schwang. Er landete in der Hocke, mit einem Knie auf den Boden gestützt, als ob er vor einer Königin kniete. Aber er war nicht dabei sich zu verneigen, sein Kinn war gehoben, seine Atmung war ruhig—auch mit meinem unglaublichen Gehör.
Er hielt den Atem an und lauschte.
Nach was?
“Destiny? Ich weiß, dass du hier bist.” Seine Stimme war tief. Sinnlich. Der satte Klang glitt über meine Haut und ich zitterte buchstäblich, als die Schallwelle direkt in meinen Kitzler wanderte und meinen Körper elektrisierte, als ob er den Mund auf mir hatte.
Was. Zum. Teufel?
Ich rührte mich nicht. Wagte es nicht. Und ich hielt ebenfalls den Atem an. Ich hielt die Luft in meinen Lungen, als ob es um Leben und Tod ging. Ich kannte diese Stimme. Irgendwoher kannte ich sie. Aber woher?
Er stand auf, machte aber keinen Schritt vorwärts, sondern blieb regungslos stehen, wie eine Statue. Er flüsterte, mein hochsensibles Gehör aber vernahm seine Worte mit voller Lautstärke. “Destiny. Ich weiß, dass du hier bist. Deine Schwestern schicken mich. Du hast gesagt, dass du in Gefahr bist. Lass mich dir helfen. Ich werde dich hier rausholen.”
Meine Schwestern? Nee, oder? Das musste die Stimme des Mannes sein, der mit Trin und Faith bei dem Anruf dabei war. Derjenige, der mich unverblümt gefragt hatte, ob ich in Gefahr war. Und ich hatte zweimal geklopft, um mit Ja zu antworten.
Ich hätte schwindeln sollen, aber irgendetwas in dieser verfluchten Stimme hatte mich dazu veranlasst, ihm die Wahrheit zu sagen. Mehr noch, sie hatte bewirkt, dass ich mich direkt durch den Kommunikationskanal hangeln und meinen nackten Leib kreuz und quer über seinen nackten Leib reiben wollte. Nicht, dass er jetzt nackt war. Oh, das wäre toll gewesen, aber nein.
Dieser Gedanke ging eindeutig zu weit. Ich war dabei den Verstand zu verlieren. Romeo kam nicht im Adamskostüm durchs Fenster gestiegen.
“Sei leise oder du wirst uns beide umbringen,” hisste ich.
Er riss sofort den Kopf herum und ich beobachtete, wie er meine genaue Position ausmachte. Ehe ich mich regen oder auch nur denken konnte, stand er auch schon vor mir. Zu nahe an mir dran. Zentimeter entfernt. Ich konnte seine Körperwärme spüren, seinen moschusartigen, maskulinen Duft riechen. Meine Nippel wurden steif und ich schwöre, ich hatte einen Mini-Orgasmus. Ich musste mir ein Winseln verkneifen.
“Destiny, komm mit mir. Ich werde dich zum Palast bringen, in Sicherheit.”
“Kommt nicht infrage,” widersprach ich. “Aber du solltest verschwinden. Sonst werden sie mich noch umbringen. Du bewegst dich wie ein Koloss, groß und schwer und langsam.” Lügen. Lügen. Lügen. Aber er musste von hier verschwinden. Sofort. Ehe ich etwas wirklich Dummes anstellte. Wie zum Beispiel einatmen. Ihn nochmal riechen. Ihn wie einen Baum besteigen. Gott steh mir bei, sollte er mich anfassen. Meine Selbstbeherrschung hing am seidenen Faden. Außerdem war er heiß. Marinesoldaten-Superhelden-Filmstar-Heiß. Ich konnte sein Gesicht sehen. Ein kräftiger Kiefer. Volle Lippen. Augen, die mich so intensiv anstarrten, dass ich den Blick nicht mehr abwenden konnte. Alles an ihm, von der Art, wie er sich bewegte bis zur Art wie er mich anblickte, schrie förmlich nach Raubtier. Er war ein Jäger. Ein Beschützer. Ein Soldat.
Scheiße. Scheiße. Scheiße. Wenn ich je nach den Lenden eines Mannes lüstete, dann ausnahmslos nach denen eines Hengsts in Uniform.
“Du bist in Gefahr hier,” wiederholte er.
“Was du nicht sagst, Sherlock.”
Er runzelte die Stirn. “Ich heiße nicht Sherlock und er wird dich nicht so gut beschützen wie ich. Du musst mit mir kommen. Lass mich die Sache erledigen. Ich werde deine Mutter finden. Versprochen.” Seine Worte durchdrangen meine Haut und wärmten mich, als ob er mich in geschmolzenes Karamell getaucht hatte. Himmel, der Typ war gefährlich. Dämliche, verfickte Gluthitze.
Ich wurde wahnsinnig.
Als ich nichts darauf entgegnete, beschleunigte sich sein Herzschlag. Seine Atmung ebenfalls; ich konnte beides mühelos hören. Ein Schauer fuhr durch ihn hindurch und ich sah verblüfft zu, wie er die Augen schloss. Er biss den Kiefer zusammen, als ob er Schmerzen hatte. Er war in meinen persönlichen Bereich eingedrungen. Zu nahe an mir dran.
“Wer bist du?” Ich hätte nicht fragen dürfen. Ich wusste es bereits. Aber ich wollte Gewissheit. Vielleicht, sobald ich den Job hier erledigt hatte und meine Gluthitze vorbei war, würde ich Trinity bitten, ihn zu durchleuchten. Ihn zu durchleuchten. Ha! Wollte ich gar nicht. Ich wollte ihn gegen die Wand schleudern und durchnehmen. Jetzt sofort.