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Vorwort

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Verlage in den USA legen ihren Autoren häufig ans Herz, ihre Bücher mit einer persönlichen »Story« zu beginnen. Leser sollen die persönliche »Reise« der Autoren kennenlernen, was sie getan haben und wie ihr Leben aussah, bevor sie sich hinsetzten und das Buch zu schreiben begannen. Wir sind keine ausgesprochenen Fans dieser Idee, weil all das für die Botschaft keine Relevanz hat. Wir sind der Meinung, dass die Aussagen in diesem Buch zu radikalen Gesellschaftsreformen und Klimawandel auf Fakten und gut durchdachten Erkenntnissen beruhen sollen, nicht auf dem Auf und Ab im Alltag unseres bisherigen Lebens.

Für die Leserinnen und Leser der deutschen Ausgabe bieten wir daher eine adaptierte Fassung der im englischen Buch erschienenen Einleitungsgeschichte. Wer an dieser persönlichen Schilderung kein Interesse hat, möge den folgenden Teil zwischen den Sternen einfach überspringen.

* * *

Wenn man mit dem Tod bedroht wird, steckt man das nicht so einfach weg. Wenn einem gesagt wird, man werde leblos liegend im Schlamm, den Körper voller Schlangengift enden, nur weil man einen Regenwald retten will, ist das starker Tobak. Mit dem Papst zu frühstücken war da wesentlich erbaulicher.

Erfahrungen wie diese ziehen sich durch unser Leben.

Vor der Finanzkrise 2008 arbeiteten wir beide für Unternehmen in China und Südostasien, und dort war es auch, dass wir uns zum ersten Mal fragten: Was tun wir hier eigentlich? Wir erkannten tiefe Diskrepanzen zwischen dem, was wir mit eigenen Augen sahen, und dem Narrativ vom Fortschritt, das uns in Büchern, in den Nachrichten, und in unseren Unternehmen vorgesetzt wurde.

Diese Länder verzeichneten zwar jede Menge Wirtschaftswachstum, das tägliche Leben aber blieb für die meisten Menschen sehr hart. Der öffentlichen Statistik zufolge waren Millionen von Menschen offiziell der Armut enthoben, doch die Mehrheit davon hatte eine bis dahin nachhaltige Lebensgrundlage verloren. Diese Menschen waren nun in die Geldwirtschaft gedrängt worden und mussten täglich bis zu 15 Stunden arbeiten, bloß um zu überleben. Die Auswirkungen all dieses Wirtschaftswachstums auf die Umwelt waren ebenfalls verheerend und unübersehbar. Berge von Plastikmüll, von Ölteppichen überzogene stehende Gewässer, stinkende, brennende Giftmüllhalden und boomende Megastädte hatten die üppigen, grünen Reisfelder ersetzt, die wir 20 Jahre zuvor gesehen hatten. Wir begannen uns daher zu fragen: Ist es das, was wir mit Wirtschaftswachstum erreichen? Unsere Freunde und Arbeitskollegen, unter anderem beim Wirtschaftsmagazin The Economist, für das wir damals arbeiteten, wussten da­rauf keine Antwort.

Wir befürchteten, Teil einer Maschinerie zu sein, die, statt Fortschritt zu bescheren, vielmehr die Ursache der Misere war. Damals erkannten wir, dass wir auf der Suche nach objektiven Antworten erst einmal ein wenig Distanz gewinnen mussten. Unsere Fragen führten uns daher von Hongkong nach Wien, von der Welt der Wirtschaft und der Finanzen in die Welt der Universitäten und der Umweltbewegung. Mitten in unserem Berufsleben sattelten wir um und befassten uns mit Fortbildungen in Klimachemie, internationalen Beziehungen und Umweltrecht.

In der Hoffnung, mit diesem Wissen etwas Nützliches bewirken zu können, landeten wir einige Jahre später wieder in Asien, diesmal in Singapur. Dort sahen wir die qualmenden Schwaden von Rauch, die von den brennenden Regenwäldern in Indonesien herüberzogen. Und wieder fragten wir uns: »Warum?« Dieses Mal schlug uns Desinteresse und sogar Feindseligkeit entgegen, insbesondere von jenen in Machtpositionen. Sogar unsere Arbeitskollegen am Jane Goodall Institute zogen es vor, nicht darüber zu reden, warum der Lebensraum seltener, uralter Primaten in Rauch aufging.

Also schürften wir noch tiefer, engagierten uns noch stärker, machten uns mit noch mehr Energie daran, mehr zu erfahren und mit noch mehr Nachdruck für Veränderungen zu kämpfen. Wir schrieben Bücher, eine von uns promovierte sogar mit einer Doktorarbeit darüber, warum die Bemühungen zur Beendigung der Abholzungen nicht greifen, der andere stieg als Generalsekretär des Club of Rome an die Spitze einer der weltweit führenden Umweltdenkfabriken auf. Wir wandten uns an die Vereinten Nationen, trafen uns mit dem Papst, taten uns mit Influencern zusammen und setzten uns mit Präsidenten, Premierministern und Zentralbankgouverneuren aus aller Welt an einen Tisch. Jetzt würden wir das Problem doch bestimmt, endlich, wirklich verstehen.

Und so war es auch. Wir erkannten, dass Entscheider, Regierungsoberhäupter und Konzernbosse allesamt viel zu sehr darauf versessen sind, Profite zu machen, statt sich Erklärungen anzuhören, wie die Natur und die menschliche Gesellschaft zugrunde gerichtet werden, oder was passieren wird, wenn man so weitermacht wie bisher.

2019 fühlten wir uns ausgelaugt, erschöpft und entmutigt. Wir hatten alles gegeben und zu wenig erreicht. Die Zeit war bereits zu knapp, um den Kollaps zu verhindern, und nicht genug Menschen hörten uns zu. Wir brachen unsere Zelte in der Schweiz ab, in der Absicht, ein Jahr in Taiwan zu verbringen, fernab von allem, was wir kannten. Kurz danach setzte das Coronavirus zu seinem tödlichen Vorstoß rund um den Globus an.

Als die Krise immer weiter um sich griff, sahen wir eine allerletzte Chance für Veränderungen.

* * *

Die sozialen, politischen und ökologischen Herausforderungen der Welt lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Jahrzehntelang haben die meisten wirtschaftlich dominanten Staaten der Welt, allen voran die USA, ihre Pflichten gegenüber der Mehrheit ihrer Bürger nicht erfüllt. Die hilflose, herzlose und inkompetente Reaktion vieler dieser Länder auf das Coronavirus war relativ leicht vorhersehbar. Sie fügte sich nahtlos in ein etabliertes Muster ein, das die Bedürfnisse der Wirtschaft vor die Bedürfnisse der Menschen setzt.

Es ist nicht möglich, die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Systeme dieser Länder so zu reformieren, dass sie zum Wohl der Mehrheit funktionieren. Oder, in den Worten des Menschenrechtsaktivisten Malcolm X: »Ein Huhn kann eben kein Entenei legen.«1

Im kommenden Jahrzehnt wird die Menschheit zunehmend und aus gänzlich eigenem Verschulden von einer Serie ineinander verketteter Umweltkrisen überrollt werden. Deren Auswirkungen werden jene der Covid-19-Krise vollkommen in den Schatten stellen. Für diese Probleme gibt es keine marktwirtschaftliche Lösung. Solarpanele, Teslas und diverse bis dato noch nicht bekannte Technologien werden uns nicht retten. Retten kann uns nur noch eine Gesellschaft, die aufbegehrt und radikale Reformen der sozialen und wirtschaftlichen Strukturen durchsetzt. Covid-19 macht es möglich.

Die radikalen Umstellungen, auf die wir uns einstellen müssen, sind deshalb notwendig geworden, weil korrupte Regierungen der reichen Welt sich gegen notwendige Veränderungen gestemmt haben – in Form von Realitätsverweigerung, Inkompetenz und der Unfähigkeit, Fakten und Fake News auseinanderzuhalten. Jene, die an die Macht gewählt wurden, jene, die sie finanzieren, und jene, die den Großkonzernen der Welt vorstehen, schützen stattdessen lieber ihren (ungleich verteilten) materiellen Wohlstand und ihre Macht. Sie kontrollieren und kolonisieren weiter Rohstoffe und Menschen weltweit und beuten sie für kurzfristige Gewinne aus.

Angesichts der zunehmenden Umweltzerstörung erfüllen diese Regierungen und die Mächtigen nicht einmal ihre grundlegendsten Verpflichtungen. Hunderten von Millionen Menschen wird ein menschenwürdiger Lebensstandard verwehrt. Wenn sich nichts ändert, hinterlassen wir zukünftigen Generationen eine zerrüttete, kaputte Welt.

Handlungen sollten aber nicht erst dann gesetzt werden, wenn sich die Konsequenzen aus Fahrlässigkeit, Inkompetenz und Selbstbedienungsmentalität der Regierungen und Mächtigen so weit ausgewachsen haben, dass sie nicht mehr behoben werden können. Handlungen müssen jetzt gesetzt werden, und ab sofort jeden Tag während des nächsten Jahrzehnts. Das ist nämlich das einzige Zeitfenster, das uns noch bleibt, um radikale Veränderungen im Leben, Denken und Träumen der Menschen zu bewirken.

Danach ist es bereits zu spät. Danach wird man vielleicht noch energischer auf Veränderungen drängen, vor Wut gar eine zornige Revolution anzetteln, aber in diesem Stadium wäre das bereits vergebens.

Die erforderlichen Reformen sollten vor allem von den Jungen angeführt werden, denn sie haben am meisten zu verlieren. Wer heute in seinen 20ern oder 30ern ist, wird den Großteil seines Lebens in einer Welt verbringen, die sich rasch erwärmt – mit all den damit verbundenen Konsequenzen, dem Chaos und der Gewalt. Junge Veränderer sind in der Regel auch weniger von jener Wirtschaftspropaganda vereinnahmt, die den Planeten zugrunde richtet. Wer noch nicht mit diesem gefährlichen, zerstörerischen, die Gesellschaft spaltenden Virus namens Marktwirtschaft infiziert ist, wird in der Lage sein, eine andere, weniger egozentrierte Zukunft für die Menschheit aufzubauen. Wir Menschen haben die Pflicht, eine lodernde Fackel vor uns herzutragen, die den vor uns liegenden Weg so hell erleuchtet, dass ihn alle deutlich sehen können und niemand die Orientierung verliert. Ab dem heutigen Tag, und an jedem Tag im kommenden Jahrzehnt, ist unser Ziel noch erreichbar. Aber auch nur gerade noch.

Jetzt ist die Zeit zum Handeln. Warten Sie nicht so lange zu, bis es zwecklos ist. Sorgen wir alle dafür, gemeinsam und mit vereinten Kräften, dass jeder Tag zählt.

Graeme Maxton und Bernice Maxton-Lee

im Januar 2021

1 »A chicken can’t lay a duck egg« (»Ein Huhn kann kein Entenei legen«) wurde vom US-Bürgerrechtler Malcolm X in den 1960ern geprägt. Er wollte mit diesem Vergleich veranschaulichen, dass ein System immer nur das leisten kann, wofür es konzipiert wurde. Gleichermaßen kann das aktuelle System der Wirtschaftsentwicklung eben nur das leisten, wofür es konzipiert wurde. Es kann nicht einfach »reformiert« oder »nachjustiert« werden. Um das Problem zu lösen, braucht es ein anderes, neues System.

F*ck the system

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