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Einleitung

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„IN UNS EXISTIEREN WUNDERSCHÖNE WIE AUCH WILDE KRÄFTE.“

Mit diesen Worten beschreibt der Heilige Franziskus von Assisi das Mysterium und die Kraft, die jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind, das in diese Welt geboren wird, innewohnen.

Der islamische Mystiker und Sufi Dschalal ad-Din ar-Rumi beschreibt die Größe dieser Kraft, indem er sie mit einem großen Ruder vergleicht, das uns im Wasser des Lebens vorantreibt. „Wenn du deine Seele mit diesem Ruder verbindest“, erklärt er, „wird die Kraft, die das Universum erschaffen hat, deinen Körper nicht von außen betreten, sondern durch ein heiliges Königreich, das in deinem Inneren lebt.“1

Mit der Sprache der Dichtkunst beschreibt sowohl Rumi als auch der Heilige Franziskus etwas, das über die Tatsächlichkeiten unseres normalen Alltags hinausgeht, etwas, das unsere Ahnen als stärkste Kraft im Universum bezeichneten: die Kraft, die uns mit dem Kosmos verbindet. Heute kennen wir diese Kraft als „Gebet“. Weiter führt der Heilige Franziskus zum Gebet aus, dass das Ergebnis des Betens das Leben selbst ist. Das Gebet schenkt uns Leben, weil es die Erde und das Herz nährt.

Die Brücke zu unserer Vergangenheit

Wissen ist die Brücke, die uns mit allen Menschen verbindet, die jemals vor uns gelebt haben. Von Zivilisation zu Zivilisation, von Menschenleben zu Menschenleben leistet jeder mit seiner eigenen Geschichte einen Beitrag zur Entstehung der Geschichte des Kollektivs. Wie auch immer wir das Wissen aus der Vergangenheit bewahren, sind die Worte der Einzelgeschichten letztlich nicht mehr als bloße Informationen – und zwar bis zu dem Moment, in dem wir ihnen Sinn und Bedeutung verleihen. Durch die Art und Weise, wie wir das Wissen aus der Vergangenheit umsetzen, wird es zur Weisheit der Gegenwart.

Über tausende von Jahren beispielsweise bewahrten unsere Vorfahren das Wissen über das Gebet, die Gründe, weshalb es funktioniert, und die Art, wie wir es in unserem Leben anwenden können. In gewaltigen Tempeln und verborgenen Grabmälern, durch Sprache und Gebräuche, die in den letzten 5000 Jahren nahezu unverändert blieben, hielten unsere Ahnen das kraftvolle Wissen über das Beten am Leben. Das Geheimnis liegt jedoch nicht in den eigentlichen Worten eines Gebets. Ebenso wie ein Computerprogramm aus weit mehr als nur der Sprache besteht, in der es geschrieben wurde, müssen auch wir tiefer suchen, um mit der wahren Kraft in Berührung zu kommen, die uns erwartet, wenn wir beten.

Es ist möglicherweise genau diese Kraft, die der Mystiker George Gurdjieff als Ergebnis seiner lebenslangen Suche nach Wahrheit entdeckte. Nachdem er lange Jahre alten Hinweisen gefolgt war, die ihn von Tempeln in Dörfer und von Lehrer zu Lehrer geführt hatten, fand er sich schließlich in einem geheimen Kloster in den Bergen des Nahen Ostens wieder. Dort sprach ein großer Meister die beglückenden Worte, für die sich seine Suche gelohnt hatte: „Du kennst nun die Bedingungen, unter denen der Wunsch deines Herzens zur Wirklichkeit deines Daseins werden kann.“ Ich bin fest davon überzeugt, dass Beten einen Teil der Bedingungen ausmachte, die Gurdjieff entdeckt hat.

Um die „wunderschönen und wilden Kräfte“ in uns, von denen der Heilige Franziskus spricht, zu entfesseln und die Bedingungen zu finden, unter denen der Wunsch unseres Herzens Wirklichkeit werden kann, müssen wir zunächst unsere Beziehung zu uns selbst erkennen und begreifen sowie unsere Beziehung zur Welt und zu Gott. Die alten Überlieferungen vermitteln uns das Wissen, das dazu erforderlich ist. In seinem Buch „Der Prophet“ schreibt Khalil Gibran, dass es nicht möglich ist, etwas zu lernen, das wir bereits wissen. „Niemand kann euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern eures Wissens schlummert.“

Es ist sehr einleuchtend, dass wir tief in unserem Inneren bereits die Kraft besitzen sollen, mit der Macht zu kommunizieren, die für unsere Existenz verantwortlich ist! Damit wir das jedoch auch tun können, müssen wir zunächst herausfinden, wer wir wirklich sind.

Die zwei universellen Fragen

Der Paläoanthropologe Louis Leakey wurde einst gefragt, warum seine Arbeit, die darin bestand, den ältesten Nachweis menschlicher Existenz zu finden, so wichtig sei. Er antwortete: „Ich bezweifle, dass wir uns jemals wirklich weiterentwickeln können, ohne zu verstehen, wer wir sind und woher wir kommen.“

Ich denke, in Leakeys Worten liegt eine Menge Wahrheit, und zwar so viel, dass ich den Großteil meines Erwachsenenlebens damit beschäftigt war, danach zu suchen, wer wir sind und wie uns altes Wissen dabei helfen kann, bessere Menschen zu werden und eine intaktere Welt zu erschaffen. Außer in die Antarktis führte mich meine Suche nach dem Mysterium unserer Vergangenheit auf jeden Kontinent unseres Planeten. Von riesigen Städten wie Kairo und Bangkok über abgelegene Dörfer in Peru und Bolivien, von alten Klöstern im tibetischen Himalaja bis hin zu hinduistischen Tempeln in Nepal war in allen Kulturen, die ich

kennenlernen durfte, ein Thema immanent: Die Menschen auf diesem Planeten haben genug von Leid und Ungewissheit, die ihr Leben im zwanzigsten Jahrhundert wesentlich bestimmt haben. Sie sehnen sich nach Frieden und der Aussicht auf eine bessere Zukunft.

So verschieden unsere Kulturen und Lebensweisen nach außen hin auch erscheinen mögen, im Inneren suchen wir doch alle nach ein und demselben: einem Land, das wir als unser Zuhause bezeichnen können, einer Möglichkeit, für unsere Familie sorgen zu können, und einer besseren Zukunft für uns und unsere Kinder. Parallel dazu gibt es zwei Fragen, die mir Menschen aller Kulturen immer wieder stellen, sei es direkt oder mithilfe eines Dolmetschers. Die erste lautet: „Was geschieht mit unserer Welt?“ und die zweite: „Was können wir tun, um die Welt besser zu machen?“ Die Antwort auf beide Fragen ist offenbar in dem einfachen Wissen zu finden, das die Gebetstraditionen unserer Zeit mit den ältesten und anerkanntesten spirituellen Überlieferungen der Vergangenheit verbindet.

Vor vierhundert Jahren wurden im Wüstenhochland des amerikanischen Südwestens die großen Hüter des Wissens der Navajo von der Erde, der Natur und den benachbarten Stämmen schweren Prüfungen unterzogen.

Durch die Grenzen, die ihnen durch Dürre- und Hitzeperioden sowie Nahrungsknappheit immer wieder auferlegt wurden, erkannten die Navajo, dass sie die Kraft ihres inneren Schmerzes dazu nutzen mussten, um die rauen Bedingungen der Außenwelt ertragen zu können. Letztlich hing ihr Überleben davon ab, dass sie lernten, diese Erkenntnis umzusetzen. Sie erkannten nicht nur, dass die Prüfungen des Lebens sie in die Tiefen ihres größten Schmerzes führten, sondern auch, dass eben diese Prüfungen ihre größten Stärken hervorbrachten.

Der Schlüssel zum Überleben lag darin, in die Herausforderungen des Lebens einzutauchen, ohne sich im Erleben zu verlieren. Sie mussten eine Art Anker in ihrem Inneren finden – einen Glauben, der ihnen die innere Stärke verlieh, um die Prüfungen zu bestehen – und das Wissen, dass ein besserer Tag folgen würde. Aus dieser Position der Stärke heraus fanden sie das Vertrauen, Risiken einzugehen, ihr Leben zu ändern und ihre Welt sinnvoll zu gestalten.

Unser Leben heute unterscheidet sich möglicherweise nicht so sehr von dem dieser tapferen Menschen, die das Wüstenhochland des amerikanischen Südwestens bevölkerten, bevor die Vereinigten Staaten von Amerika gegründet wurden. Obwohl sich die Schauplätze und Umstände verändert haben, befinden wir uns dennoch häufig in Situationen, in denen unser Glaube erschüttert, unsere absolute Schmerzgrenze ausgetestet wird und wir herausgefordert werden, über Dinge hinauszuwachsen, die uns zutiefst verletzen. In einer Welt, von der viele sagen, sie würde aus allen Nähten platzen, die gezeichnet ist von sinnlosen Akten der Hasses, unzähligen gescheiterten Beziehungen, zerrütteten Familien und Bedingungen, die das Überleben ganzer Gesellschaften bedrohen, besteht unsere Herausforderung darin, einen Weg zu finden, um jeden Tag in Frieden, mit Freude und dem Gefühl einer guten Ordnung zu leben.


Mit einer für sie typischen Eloquenz wird in den Überlieferungen der Navajo eine Lebenseinstellung beschrieben, die die Verantwortung für Glück oder Leid allein in unsere Hände legt. Sie kennen ein „Gebet der Schönheit“, das sich in den verschiedenen Aufzeichnungen und Erzählungen in seinem genauen Wortlaut unterscheidet, wobei die Essenz des Gebetes jedoch in nur drei kurzen Sätzen liegt. Mit weniger als zwei Dutzend Worten übermitteln uns die Navajo-Ältesten tiefe, alte Weisheit. Sie erinnern uns an die Verbindung zwischen unserer inneren und äußeren Welt, die erst kürzlich von der modernen Wissenschaft bestätigt wurde.

Die dreigeteilte Überlieferung ermöglicht uns einen Einblick in unsere Fähigkeit zur Veränderung der Körperchemie und zur Einflussnahme auf viele Situationen in der Welt. Die Worte des Gebets sprechen in ihrer Einfachheit für sich. Die Navajo sagen: „Nizhonigoo bil iina.“ Das bedeutet in etwa so viel wie:

Die Schönheit, mit der du lebst,

die Schönheit, durch die du lebst,

die Schönheit, auf die du dein Leben gründest.²

Mit den Worten eines längst vergessenen Autors schenkt uns die Einfachheit dieses Gebets neue Hoffnung, wenn alles andere gescheitert zu sein scheint. Doch das „Gebet der Schönheit“ ist weit mehr als eine Folge von Wörtern. In seiner Einfachheit liegt der Schlüssel zur Lösung eines der größten Rätsel der Menschheit: Wie können wir mit den Schmerzen und Verletzungen, die uns das Leben zufügt, fortbestehen?

Anstatt uns auf die sichere Seite zu begeben und genau die Situationen zu meiden, die dem Leben einen Sinn verleihen, erlaubt uns die Kraft der Schönheit und des Betens, in das Erleben hineinzugehen mit der Gewissheit, dass jeder daraus resultierende Schmerz nur vorübergehend sein wird.

Im „Gebet der Schönheit“ fanden die Navajo vor langer Zeit Stärke und Trost und eine Möglichkeit, mit dem Leid auf der Welt umzugehen. Welche Geheimnisse bewahrten Kulturen wie die Navajo des amerikanischen Südwestens, die Mönche und Nonnen in Tibet und andere in all der Zeit, in der sich der Großteil der übrigen Welt von der Beziehung zur Erde, der Menschen zueinander und der zu einer höheren Macht entfernt hat? Über welches alte Wissen, das uns heute helfen könnte, bessere Menschen zu werden und eine bessere Welt zu erschaffen, verfügten sie schon damals?

Schmerz, Segen, Schönheit und Gebet

Das alte Wissen unserer Ahnen vermittelt, wie wir unseren Gebeten um Heilung und Frieden wirkliche Kraft schenken können. In frühen Schriften der Gnostiker und Essener bis hin zur Kultur der nordamerikanischen Indianer werden Schmerz, Segen und Schönheit als Hauptaspekte für das Bestehen der wichtigsten Prüfungen beschrieben. Im Gebet finden wir eine Sprache, die uns erlaubt, die Lektionen aus unserem Erleben, unsere Erfahrungen, im Leben umzusetzen.

Aus dieser Perspektive betrachtet, sind die Begriffe „Weisheit“ und „Schmerz“ zwei Extreme, die in derselben Erfahrung wurzeln. Sie stellen den Beginn und die Vollendung ein und desselben Zyklus dar. Schmerz ist eines unserer grundlegendsten Gefühle, unsere natürliche Reaktion auf Verlust, Enttäuschung oder die Nachricht von etwas, das unsere Gefühlswelt erschüttert. Weisheit ist der geheilte Ausdruck unseres Schmerzes. Wir verwandeln Schmerz in Weisheit, indem wir neuen Sinn in schmerzlichen Erfahrungen erkennen. Segen, Schönheit und Gebet sind die Werkzeuge für die Veränderung.

Der christliche Visionär des zwanzigsten Jahrhunderts Reverend Samuel Shoemaker beschrieb die Kraft des Gebets, Änderungen herbeizuführen, in einem einzigen poetisch anmutenden und geradezu erschreckend einfachen Satz: „Das Gebet mag vielleicht die Dinge für dich nicht ändern, aber es verändert sehr wohl dich in Bezug auf die Dinge!“


Obgleich wir das Rad der Zeit nicht zurückdrehen können, um den Auslöser für unseren Schmerz ungeschehen zu machen, so haben wir dennoch die Möglichkeit, zu verändern, was der Verlust geliebter Menschen, die Erschütterung bei gebrochenen Versprechungen und die Enttäuschungen des Lebens in uns bewirken. Wir eröffnen uns damit den Zugang zu einer heilsamen Auflösung unserer schmerzlichsten Erinnerungen. Wenn wir die Beziehung zwischen Weisheit und Schmerz nicht kennen, kann uns das Ertragen von Schmerz sinnlos erscheinen, mitunter sogar grausam, und das Schmerzerleben kann lange andauern, da der Schmerzzyklus nicht begrenzt ist. Wie aber sollen wir uns so weit von den Verletzungen unseres Lebens distanzieren, dass wir die Weisheit hinter unseren Erfahrungen entdecken können?

Wenn wir beispielsweise durch einen Verlust, Vertrauensbruch, Betrug oder Verrat, der uns noch bis vor einem Augenblick unmöglich erschien, erschüttert werden, wie sollen wir dann Zuflucht vor den eigenen Gefühlen finden, um anders – positiver – empfinden zu können? An dieser Stelle kommt die Kraft des Segens ins Spiel.


Segen ist die Erlösung

„Segen“ ist ein altes Geheimnis, das uns so weit von Schmerz befreit, dass wir ihn durch ein anderes Gefühl ersetzen können. Wenn wir die Menschen oder Dinge, die uns verletzt haben, segnen können, erreichen wir eine vorübergehende Unterbrechung des Schmerzzyklus. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Unterbrechung eine Nanosekunde oder einen ganzen Tag andauert. Unabhängig von der Dauer setzt das Segnen einen Prozess der Heilung und des Fortschreitens im Leben in Gang. Der Schlüssel liegt darin, dass wir für einen bestimmten Zeitraum von unserem Schmerz befreit werden, und zwar lange genug, um Platz für etwas anderes in unserem Herzen und in unseren Gedanken entstehen zu lassen. Dieses andere ist die Kraft der „Schönheit“.


Schönheit ermöglicht den Wandel

Durch die ältesten und heiligsten Traditionen werden wir daran erinnert, dass Schönheit in allen Dingen existiert, und zwar unabhängig davon, wie wir sie in unserem täglichen Leben auslegen.

Schönheit ist immer um uns und stets präsent. Wenn wir unser Umfeld verändern, neue Beziehungen eingehen und an neue Orte ziehen, um unsere sich stetig verändernden Vorstellungen von Ausgleich und Harmonie zu befriedigen, sind die Pfeiler, auf die sich die dazugehörige Schönheit gründet, bereits vorhanden.

Schönheit ist zum einen die bloße positive Beurteilung für Dinge, die unser Auge erfreuen, zum anderen wird Schönheit von weisen Kulturen als eine Erfahrung beschrieben, die unser Herz, unseren Verstand und unsere Seele berührt. Durch unsere Fähigkeit, Schönheit selbst in den „hässlichsten“ Momenten des Lebens wahrzunehmen, können wir eine Ebene erreichen, die es uns ermöglicht, unserem Schmerz eine neue Bedeutung beizumessen. Auf diese Weise wird Schönheit zu einem Auslöser, der uns eine neue Perspektive eröffnet. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass wir sie nur durch unsere Aufmerksamkeit zum Leben erwecken. Schönheit wird nur dann lebendig, wenn wir sie in unser Leben einladen.


Die verlorene Art des Betens

Wir werden konfrontiert mit Erlebnissen, die die Mauern unserer Empfindsamkeit erschüttern und uns als rationale und liebende Geschöpfe an die Grenze des Erträglichen bringen. Wie sollen wir angesichts von Krieg und Völkermord außerhalb unserer Landesgrenzen, aber auch angesichts der Differenzen und des Hasses in unserer eigenen Gemeinschaft, ein Gefühl von Frieden und Heilung empfinden können? Wir müssen eindeutig einen Weg finden, um den Kreislauf von Schmerz, Leid, Wut und Hass zu durchbrechen, wenn wir die Grenzen der Bedingungen, die unser Leben prägen, überschreiten wollen.

In der Sprache ihrer Zeit haben uns die alten Kulturen genaue Anweisungen hinterlassen, wie wir genau das erreichen können. Sie vermitteln uns in den Überlieferungen, dass unser Leben nicht mehr und nicht weniger ist als ein Spiegel dessen, was sich in unserem Inneren abspielt.

Der Schlüssel, um unser Dasein entweder als Schönheit oder als Schmerz zu erleben, liegt einzig und allein in unserer Fähigkeit, selbst zu diesen Qualitäten zu werden, und zwar in jedem Augenblick eines jeden Tages. Immer mehr wissenschaftliche Beweise untermauern die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit dieses alten und tiefen Wissens und auch die bedeutende Rolle, die jeder von uns als Beitrag zu Heilung oder Leid in unserer Welt spielt.

Im ausklingenden 20. Jahrhundert bekräftigten Experimente, dass wir von einem Energiefeld durchflutet sind, das uns mit allen Ereignissen auf der Welt verbindet und unter anderem als Quantenhologramm oder Geist Gottes bezeichnet wird. Die Forschung hat gezeigt, dass die Gebete und Überzeugungen in unserem Inneren durch diese spezifische Energie in die Außenwelt getragen werden. Sowohl die Wissenschaft als auch die alten Kulturen behaupten dasselbe: Wir müssen die Umstände, die wir in der Außenwelt erleben wollen, zunächst selbst verkörpern. Wir finden die Anweisungen zu einer verlorenen Art des Betens, die uns bei der Umsetzung dieser Forderung hilft, verborgen an den abgelegensten und entferntesten Orten auf dieser Welt.

Im Frühjahr 1998 hatte ich die Ehre, eine 22-tägige Pilgerfahrt durch die Klöster Zentraltibets zu leiten auf der Suche nach Hinweisen auf eine alte und vergessene Art des Betens – die Sprache für die Kommunikation mit dem besagten Feld, das alles miteinander verbindet. Die Mönche und Nonnen, die dort lebten, gaben mir die Anweisungen für eine Art des Betens, die der westlichen Welt bereits im 4. Jahrhundert aufgrund frühchristlicher Bibelauslegungen größtenteils verloren gegangen war.³ Diese „verlorene“ Art des Betens wurde über Jahrhunderte in den Texten und Traditionen der Bewohner des „Daches der Welt“ bewahrt. Sie bedient sich keiner Worte und basiert auch auf keinem sonstigen äußeren Ausdruck, sondern einzig auf Gefühl und Empfindungen.

Genauer gesagt, lädt sie uns ein, so zu empfinden, als sei unser Gebet bereits erhört worden, anstatt uns machtlos und von der Hilfe einer höheren Macht abhängig zu fühlen. Neueste Studien belegen, dass es tatsächlich diese Qualität des Fühlens ist, die das besagte Feld „anspricht“, das uns mit der gesamten Welt verbindet. Durch Gebete des Fühlens werden wir dazu befähigt, uns aktiv an der Heilung unseres Lebens und unserer Beziehungen sowie an der Heilung unseres Körpers und der Welt zu beteiligen.


Sein wie Engel …

Um diese Art des Betens anwenden zu können, muss man die verborgene Kraft von Schönheit, Segen, Weisheit und Schmerz erkennen. Jede dieser vier Komponenten spielt eine wichtige Rolle als Teil eines größeren Zyklus, der es uns erlaubt, die tiefsten Verletzungen unseres Lebens zu fühlen, kennenzulernen, loszulassen und schließlich zu transzendieren. Ein unbenanntes Schriftstück, das vor nahezu 2000 Jahren über die Lehren Jesu berichtet, besagt, dass die Macht, sowohl unsere Welt als auch jegliche Hindernisse, die zwischen uns und dieser Macht stehen, zu verändern, in uns selbst liegt: „Die größte Schwierigkeit für Menschen besteht darin, wie Engel zu denken … und auch, wie Engel zu handeln.“4

Das Gebet ist die Sprache Gottes und der Engel. Es ist auch die Sprache, die uns geschenkt wurde, um die Leiden des Lebens durch Weisheit, Schönheit und Gnade zu heilen. Ob wir heute aus dem Internet über die Kraft des Gebets erfahren oder aus einer Pergamentrolle des ersten Jahrhunderts, die Botschaft bleibt dieselbe. Zu akzeptieren, dass wir die Fähigkeit besitzen, eine solch universelle Sprache anzuwenden, mag sich als die größte Herausforderung unseres Lebens herausstellen. Gleichzeitig ist es aber die Quelle unserer stärksten Kraft. Wenn wir uns sicher sind, die Sprache des fühlenden Gebets bereits zu beherrschen, erwecken wir jenen Teil in uns, der uns nie mehr genommen werden kann, den wir niemals verlieren. Dies ist das Geheimnis der verlorenen Art des Betens.

- Gregg Braden

Taos, New Mexico

Verlorene Geheimnisse des Betens

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