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ОглавлениеObwohl das armenische Land schon im Anfang des dritten Jahrhunderts Christen zählte — ein Bischof Meruzanes 1 sah eine organisierte Kirche um sich, Tertullian 2 weiß um Christen in Armenien — und Ende des dritten Jahrhunderts unter Trdat III. Armenien als erstes Land der Erde das Christentum zur Staatsreligion erhob, stammen die ältesten christlichen Literaturwerke aus dem fünften Jahrhundert 3. Im ersten Drittel desselben schenkte Mesrop, ein gelehrter Priester und nachmaliger Patriarch oder Katholikos seinem Volke eine eigene, der nationalen Sprache angepaßte Schrift 4 Damit war der Boden für das Entstehen einer nationalen wie einer kirchlichen Literatur geebnet. Rasch kam es zu einer ansehnlichen literarischen Tätigkeit. Man kann sich daher wundern, daß die vorangegangenen 130 (und noch mehr?) Jahre armenischen Christentums keine Literatur im armenischen Volke erstehen sahen. Nationale Sagen und Lieder, deren Reste noch vorhanden sind, bezeugen den poetischen und nationalen Geist, dem die Überlieferungen der Vorzeit teuer waren 5. Die ältesten christlichen Nachrichten aus Armenien setzen Aufzeichnungen schriftlicher Art in der Zeit Trdats III. und Gregors des Erleuchters über die kirchlichen Ereignisse jener Zeit voraus. Aber auf uns gekommen sind solche nicht. Wenn diese Voraussetzungen verwirklicht waren, liegt die Annahme nahe, daß diese Aufzeichnungen in griechischer Schrift und vielleicht auch in griechischer Sprache gemacht worden sind. Die armenische Sprache ließ sich zur Not mit griechischer Schrift unter Zuhilfenahme einiger diakritischer Punkte schreiben 6. Allein seit 385 unterstand der Großteil des armenischen Landes und Volkes persischer Oberherrschaft. Da Armenien durch das Christentum geistig eng mit dem benachbarten griechischen Reich und seiner Kultur verbunden war, sah die persische Oberherrschaft sich veranlaßt, den kulturellen und religiösen Zusammenhang der Armenier mit den Griechen zu unterbinden, um die Verschmelzung Armeniens mit Persien sicherer durchzuführen. Zu diesem Zwecke verbot Persien in Armenien den Gebrauch der griechischen Sprache und Schrift.
Erlaubt blieb die syrische Sprache und Schrift im kirchlichen Leben des armenischen Volkes. Da die syrische Schrift zum Ausdruck der armenischen Laute weniger geeignet und die syrische Sprache bei den Armeniern weniger bekannt war, empfand das Volk den Gebrauch des Syrischen als lästig und aufgezwungen. Man hatte einst unter Gregor dem Erleuchter, dem nationalen Bekehrer des Volkes, mit Wonne die Anwendung der armenischen Sprache in der Predigt des Evangeliums begrüßt. Umso drückender empfand man nun die syrische Schrift und Sprache als Organ kirchlicher Mitteilung und gottesdienstlichen Lebens. Im Hinblick darauf versuchte Mesrop eine armenische Schrift herzustellen und erreichte auch glücklich sein Ziel. Sahak, der gleichzeitige Katholikos oder Patriarch von Armenien, unterstützte diese Bestrebungen Mesrops. Als beide ihre Pläne dem damaligen König Wramschapuh offenbarten, stand auch er den beiden geistlichen Männern tatkräftig zur Seite, auf daß die von Mesrop ersonnene Schrift rasch verbreitet und zum Werkzeug geistlicher und geistiger Mitteilung im armenischen Volke werde 7. Es wurden Knaben mit guter Stimme ausgesucht und unter Mesrops Anleitung in den Gebrauch der neuen Schrift eingeführt. Sie dienten den geistlichen Führern des Landes als Helfer zur Förderung der christlichen Kultur und Wissenschaft. Aus der Dringlichkeit, mit der das Bedürfnis nach einer armenischen Schrift sich geltend machte, als der Gebrauch der griechischen Schrift und Sprache von Persien verboten wurde, ist wohl ein Rückschluß auf den früheren Gebrauch der griechischen Schrift und Sprache zuständig. Was immer es aber auch damit für eine Bewandtnis gehabt haben mag, soviel ist sicher, daß Geisteswerke der Armenier in griechischer Sprache oder griechischer Schrift aus dem dritten und vierten Jahrhundert nicht existieren.
Es lag nahe, daß nach Einführung einer eigenen Schrift für die heimatliche Sprache die Geistesmänner des armenischen Volkes zunächst das Bedürfnis empfanden, die bedeutenden Geistesprodukte der älteren christlichen Nationen ihrem Volke in der heimischen Sprache zu vermitteln. In Betracht kamen in erster Linie die in griechischer und syrischer Sprache verfaßten Werke. Wurden sie dem christlichen Volke von Ararat zugänglich gemacht, dann erhob es sich mit einem Male auf die geistige Höhe der im Christentum fortgeschritteneren Nachbarvölker. Daher sollten diese Werke nun in die armenische Sprache übersetzt werden. Selbstverständlich stand an der Spitze dieser Werke die Heilige Schrift. Der Bestand an syrischen und griechischen Literaturwerken in den Händen der Armenier scheint kein großer gewesen zu sein. Ihr griechischer Literaturbesitz dürfte ein Opfer persischer Zerstörung geworden sein, als das Land unter persische Oberhoheit geriet. So versteht es sich, daß der Katholikos Sahak und Mesrop aus ihren Schülern eine Reihe tüchtiger junger Leute in das syrische und griechische Sprachgebiet, hauptsächlich nach Edessa und Konstantinopel schickten8, damit sie in den Sprachen dieser Gebiete sich tüchtig schulten, Handschriften von Väterwerken abschrieben oder übersetzten und dann mit literarischen Schätzen bereichert nach Armenien zurückkehrten. Die bedeutendsten dieser als „Übersetzer" bezeichneten Männer waren Eznik, Joseph, der spätere Katholikos, Johannes von Egheghia, Koriun, Joseph von Paghen, Levond. Die armenische Überlieferung zählt im ganzen 70 solcher Übersetzer. Der älteren Periode gehören 26 kirchliche und 2 in weltlicher Stellung tätige Männer an 9. Außer den obengenannten sind es Abraham der Bekenner, später Bischof, Ananias der Siuner, ebenfalls Bischof, Ginth, Bischof, Jeremias, Moses, Muschegh, Samuel, Ter Chordsennatzi, Aghan der Artsunier, Ardzan, Giut, Danan, Enoch, Jeremias jerez, Thadik, Chosrow, Musche von Taron, Johann, Jonathan, Tirair. Nur wenige von diesen Übersetzern haben sich durch Abfassung eigener Geisteswerke unter die Väter der armenischen Patrologie eingereiht. Der Tätigkeit dieser Übersetzer ist es aber zu verdanken, daß die bedeutendsten kirchlichen Autoren der vorangegangenen Zeit wie Ignatius von Antiochien, Aristides, Gregorius der Wundertäter, Athanasius, Cyrill von Jerusalem, Basilius, Gregor von Nyssa, Gregor von Nazianz, Ephiphanius, Euagrius aus Pontus und Johannes Chrysostomus, auch Ephräm der Syrer und andere syrische kirchliche Schriftsteller in Armenien heimisch wurden. War aber das Streben, den Zusammenhang mit der griechischen christlichen Kultur zu erhalten und über den syrischen Kulturkreis hinauszuwachsen, ein wesentlicher Antrieb gewesen, sich eine eigene Schrift zu geben, so wurde nach Herstellung dieser Schrift dem Einfluß der griechischen Literatur der größte Spielraum eingeräumt. Während der syrische mit dem fünften Jahrhundert zum Abschluß kam, dauerte der griechische noch mehrere Jahrhunderte fort. Aber auch das Abendland durfte der armenischen Kirche eine literarische Beisteuer reichen. Ihm entstammen die Apologie des römischen Senators Apollonius10, die Werke des Irenäus, von denen die armenische Übersetzungsliteratur nicht nur die Bücher adversus haereses umschloß 11, sondern auch die Expideixis, den Beweis der apostolischen Predigt, für die christliche Welt gerettet hat 12. Zur gleichen Gruppe zählen die Übersetzungen von Schriften des Hippolytus. Wann diese Schriften im einzelnen übersetzt wurden, ist vielfach noch zu untersuchen. Die bedeutsamsten werden mit gutem Grund für die ältesten gehalten, soweit nicht sprachliche Gegengründe im Wege stehen. Allem Anschein nach haben noch während des fünften christlichen Jahrhunderts die meisten der genannten Autoren mit einzelnen ihrer hervorragendsten Meisterwerke in die Übersetzungsliteratur der Armenier Eingang gefunden.
Den Beginn der Tätigkeit bezeichnet die Zeit unmittelbar nach dem Konzil von Ephesus 431. Nach demselben kehrte der genannte Eznik mit den erworbenen Schätzen nach Armenien zurück. Unter diesen befanden sich die Beschlüsse des Konzils und eine Handschrift der griechischen Übersetzung bzw. Textes der Heiligen Schrift.
Während die ausgesandten Schüler ihre Aufgabe lösten, waren Sahak und Mesrop, deren Meister, in Armenien nicht müßig gewesen. Was der Kirche am nötigsten war, stellten sie an den Anfang ihrer Arbeit, die Ubersetzung der Heiligen Schrift. Da sie aber keine griechischen Texte besaßen, mußten sie sich an den syrischen halten und taten es, bis Eznik mit der griechischen Bibel in sein Vaterland zurückkehrte.
Der Vergleich ihrer Übersetzung mit dem griechischen Text gab ihnen Veranlassung zur Revision des bereits Übersetzten und zur Fortführung der Übersetzung nach dem griechischen Texte. Die heimgekehrten Sendlinge arbeiteten nun mit Sahak und Mesrop zusammen an der Übersetzung der Heiligen Schrift. Besonders sind dabei Eznik und Koriun zu nennen. An die Übersetzung der Heiligen Schrift schloß sich die Übersetzung bzw. Bearbeitung der Meßliturgie, und zwar nicht nach syrischem Vorbild, sondern unter Zugrundelegung der griechischen Liturgie des heiligen Basilius, desgleichen wurden die übrigen gottesdienstlichen Texte und Riten ins Armenische übertragen. Indem die Überlieferung hauptsächlich Mesrop oder Maschtotz diese letztere Übersetzung zuschrieb, nannte sie das Rituale geradezu den Maschtotz. Doch wäre es falsch, alle Riten des heutigen Maschtotz diesem Manne zuzuschreiben. Denn nach geschichtlichem Zeugnis haben auch spätere Väter rituelle Texte geschaffen, die in offizielle Übung übernommen wurden. Im fünften Jahrhundert werden solche auch Johannes Mandakuni zugeschrieben.
Durch die Übersetzung der Liturgie und des Ritus und die nationale Schrift gewann die haikanische Sprache eine große nationale oder politische Bedeutung. War seit 385 der größere Teil des Volkes unter persische, der kleinere südwestliche unter griechische Herrschaft geraten, so sollte am Ende des ersten Drittels vom fünften Jahrhundert der der persischen Herrschaft unterworfene Teil des Landes das ihm bisher gelassene suzeräne Königtum verlieren, indem Wramschapuhs Nachfolger, der schwache Artasches, von den Persern abgesetzt wurde und persische Statthalter, Marzpane, die Regierung des Landes übernahmen. Die Gefahr für das Aufhören einer selbständigen Existenz des armenischen Volkes war groß geworden. Daß es seine nationale Eigenart rettete, verdankt es dem mit der Gewinnung der nationalen Schrift ermöglichten Besitz einer eigenen Sprache und deren selbständigem Lebensgebiet im kirchlichen Ritus und in der kirchlichen Liturgie. Durch diese wahrte sich die armenische Nation ihre Eigenart gegenüber anderen Völkern und ihren späteren Unterdrückern. Die einst zur Staatskirche erhobene Religion wurde nach dem Untergang der staatlichen Selbständigkeit nun Trägerin des nationalen Charakters und Gedankens. Kein Wunder, daß sich Religion und Nation fast zur Untrennbarkeit verschwisterten. Bis heute ist die armenische Schrift sogar derart Schutz der nationalen Zugehörigkeit geworden, daß Volksglieder, welche selbst die armenische Sprache nicht mehr kennen, wenigstens in armenischer Schrift schreiben und drucken, was sie in türkischer oder arabischer Sprache ihrem Geiste zuführen. Leider hat diese Stellung der Religion stark zur Lostrennung von der einen katholischen Kirche geführt. Der Bestand der unierten armenischen Kirche dürfte zeigen, daß solche Konsequenzen der kirchlichen Sonderstellung in Liturgie und Ritus nicht notwendig waren.
Das durch die Übersetzungen geweckte Geistesleben suchte seinen Ausdruck auch in selbständigen Geistesschöpfungen armenischer Geistlicher. Wer nach der Analogie anderer Länder erwartet, daß die Bibliotheken uns große Bestände theologischer Werke der geistlichen Führer, dieser Periode, Sahaks und Mesrops, bieten werden, wird enttäuscht sein. Abgesehen von der armenischen Bibelübersetzung und den liturgischen Arbeiten, die auf Sahak zurückgehen mögen, ist uns von diesem Führer des religiösen Lebens nur wenig literarisches Gut überliefert. Dieses wenige selbst erfreut sich nicht durchaus kritisch gesicherter Zuverlässigkeit. In den Sopherkh haikakankh II ist eine Vision Sahaks, sein kanonisches Schreiben an eine Synode von Wagharschapat, ferner je ein Brief an Proklus, an Kaiser Theodosius II., an Attikus, an Akakios und an den Statthalter Anatolius 13 enthalten. Nicht viel reicher erscheint der literarische Nachlaß des Mesrop, soweit selbständige Abhandlungen in Betracht kommen, so reich, wie erwähnt, seine Tätigkeit als Übersetzer für die Heilige Schrift und den armenischen Ritus ist. Erst die neuere Kritik weist ihm die von der Überlieferung dem Illuminator zugeschriebene Predigtsammlung Hatschachapatum zu 14. Dennoch bleibt ihnen der Ruhm, die armenische Literatur begründet zu haben. Denn alles, was aus dieser Zeit herstammt, rührt von ihren Schülern her. So kann man mit N. Fink richtig sagen, daß fast die gesamte literarische Leistung des fünften Jahrhunderts, deren Armenien sich rühmen kann, als ein Denkmal ihres Geistes erscheint 15.
Die von den Schülern Mesrops und Sahaks stammenden Originalarbeiten teilen sich in geschichtliche, theologische, exegetische, homiletische und philosophische Werke. An die Spitze der geschichtlichen Werke ist Agathangelus zu stellen. So ist das anonyme Legenden- und Geschichtswerk benannt, welches uns die Einführung des Christentums in Armenien beschreibt 16. Sein Hauptzweck ist die Darstellung des Lebens und Wirkens Gregors des Erleuchters. Es ist noch nicht festgestellt, aus welcher Zeit die heutige Fassung des Werkes stammt. Die Erzählung ist wesentlich Heiligengeschichte. Die Kritik vermutet, daß sie das erst im Verlauf der Zeit geworden ist und daß dabei dem ursprünglichen Erzählungsinhalt eine große Zahl legendenhafter Zutaten beigefügt worden ist. Gutschmid hat versucht, das Werk in seine Bestandteile zu zerlegen und das Legendarische und Geschichtliche voneinander zu scheiden 17 Man wird ohne Zweifel einen großen Teil des Werkes für geschichtlich ansehen müssen, während ein anderer Teil nur als Spiegelbild des späteren volkstümlichen Bewußtseins über jene Vorgänge gelten zu können scheint. Die Frage nach dem Verfasser des Buches ist neuester Zeit von Sarghissean dahin beantwortet worden, daß er Koriun, den Bischof der Iberer als Verfasser des Buches erklärt 18. Dabei bleibt die Möglichkeit offen, daß das Werk noch nach seiner Zeit mit Zutaten bereichert worden ist. Ein zweites Geschichtswerk aus dem fünften Jahrhundert ist die Geschichte der Armenier von Faustus von Byzanz 19, einer im übrigen ganz unbekannten Persönlichkeit. Dieses Werk behandelt die armenische Geschichte von 344 bis 392. Die theologische Herkunft des Werkes spiegelt sich in der breiten Berücksichtigung der Kirchengeschichte des Landes und der Parteinahme für die national-kirchliche Richtung und den Führerberuf der Familie Gregors des Erleuchters. Die Darstellung verharrt im allgemeinen auf dem Boden des Tatsächlichen, ist objektiv und offen ohne Schonung für die Fehler in der Nation. Ob das Werk ursprünglich griechisch geschrieben war und dann ins Armenische übersetzt wurde, läßt sich nicht sicher feststellen. Die Sprache zeigt so originelles Gefüge, daß eher an eine armenische Bearbeitung eines etwaigen griechischen Originals zu denken wäre. Für die armenische Volks- und Kirchengeschichte ist es für den beschriebenen Zeitraum fast die einzige Quelle. An Faustus schließt inhaltlich die Geschichte der Armenier von Lazar von Pharp an20, der die Schicksale es Landes von 388 bis 485 beschreibt. Das Werk umfaßt den großen Zeitraum der kirchlichen Reorganisation mit der Zeit der Freiheitskriege gegen Persien. Sein Werk erscheint als „Zeugnis geraden Sinnes und selbständiger Auffassung“, ein würdiger Abschluß der Leistungen des goldenen Zeitalters. Ein Dokument zur Zeitgeschichte der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts ist der Brief Lazars an Wahan, der dem Geschichtswerk beigedruckt ist. Zu einem Ausschnitt der von Lazar behandelten Epoche lieferte der Amatunierbischof Εlische, eine Paralleldarstellung in seiner „Geschichte des wardanischen Krieges 21.“ Dieses Werk ist in 8 Büchern eine auf unmittelbarer Anschauung beruhende Beschreibung des heldenhaften Glaubenskrieges, den die Armenier in den Jahren 449—451 unter Wardan dem Mamikunier als Feldherrn gegen die Glaubensverfolgung Jesdegerds geführt haben. Der Verfasser zeigt gute Wahrnehmung, plastische Gestaltungskraft, dichterische Begeisterung, festen christlichen Glauben. Nach dem Krieg, an dem er als Bischof persönlich teilgenommen hatte, zog sich der Verfasser in das Einsiedlerleben zurück. Gleichzeitig mit ihm schrieb * Koriun* eine „Erzählung vom Leben und Tod Mesrops“22. Kurz und gedrängt, voll Verehrung, ernst und teilnahmsvoll, ohne sich hervorzudrängen, manchmal schwer verständlich, schreibt er, was er größtenteils als Augenzeuge zum Ruhme seines Lehrers der Nachwelt überliefern will. Am umfänglichsten hat sich Moses von Choren23 die Aufgabe des armenischen Geschichtschreibers gestellt. Seine Geschichte Armeniens geht auf die ersten Anfange des Volkes zurück. Das erste Buch erzählt die „Geschichte“ von den Uranfängen bis auf Arschak. Das zweite behandelt die Zeit der Arsaziden bis zum Tode des Tiridates und des heiligen Gregors des Erleuchters. Das dritte Buch ist der Geschichte bis zum Tode Sahaks und Mesrops gewidmet. Da das Werk den Fürsten Sahak aus dem Hause der Bagratunier gewidmet ist und diesen als Lebenden anredet, muß es, vorausgesetzt, daß keine Fiktion obwaltet, vor dem Jahre 482 geschrieben sein; denn dieser Fürst fiel in diesem Jahre auf dem Schlachtfeld. Andererseits schien das Werk abhängig von einer Schrift über das Leben des heiligen Silvester, die im 7. Jahrhundert ins Armenische übersetzt worden ist, und von der Kirchengeschichte des Sokrates, der im Anfang des 6. Jahrhunderts ins Armenische übersetzt wurde. Auch führt es den Terminus Armenia IV, der von Justinian 536 geschaffen worden ist. Aus diesem Grund neigte man längere Zeit zur Annahme, daß das Werk erst in erheblich späterer Zeit verfaßt worden sei, vielleicht erst im 9. Jahrhundert, wo ein Sprößling des Hauses der Bagratiden zur Herrschaft über Armenien gelangt war und Interesse hatte, daß seine Dynastie im Schimmer geschichtlichen Glanzes und Ruhmes erscheine. Die extreme kritische Auffassung hat seither einer nüchternen Beurteilung Platz gemacht. Die Berufung auf die Abhängigkeit von Sokrates und der vita Silvestri gilt als hinfällig. Nur der Terminus Armenia IV bereitet noch Anstoß. Doch könnte dieser wohl eine Interpolation späterer Hand darstellen. Es ist schwer, ein Geschichtswerk, das bis auf Sahak geführt wird und, vom großen geschichtlichen Sinn seines Verfassers beseelt, bis in die Uranfänge der Geschichte hinaufsteigt, in weit spätere Zeit als das 5. Jahrhundert zu verlegen. Denn es ist nicht einzusehen, weshalb der Verfasser den bedeutsamen Ereignissen der späteren Zeit kein Interesse sollte abgewonnen haben. Schwer ist es auch, anzunehmen, daß der Verfasser im 9. Jahrhundert dieses Werk Moses von Choren hatte unterschieben können, nachdem es bisher trotz seines volkstümlichen Inhaltes ganz unbekannt geblieben war. Da Moses die alte Geschichte vielfach auf Grund der im armenischen Volk lebenden Sagen geschrieben hat, ist es wiederum schwer, das Werk in die spätere Zeit zu versetzen; denn durch das Christentum sind die heidnischen Erinnerungen des Volkes unterdrückt worden, und dies ist so vollständig geschehen, daß nur ganz dürftige Reste heidnischer Sagen und Anschauungen uns in ihrer älteren Form erhalten sind. Daher hatte im 9. Jahrhundert ein Geschichtschreiber kaum noch Erinnerungen der heidnischen Vorzeit in dem Maße zur Verfügung gehabt als sie in Moses von Choren widerklingen. Man kann daher den Worten Finks 24 die Berechtigung nicht abstreiten, mit denen er sein Eintreten für eine frühere Abfassung der Geschichte des Moses von Choren abschließt: „Bedenkt man, wozu im vorliegenden Falle die Annahme einer Fälschung führt, so muß auch diese Konsequenz stutzig machen. Ein Fälscher, der lang entschwundene Tage wieder lebendig werden läßt, sich ausklügelnd und dichtend in die Vergangenheit versetzt, daß keiner seines Betrugs gewahr wird, der von allen seine Zeit bewegenden Fragen abzusehen vermag, als wenn er blutleer und seelenlos den Ereignissen seines Jahrhunderts gegenübergestanden, der aber in den Tagen der Vergangenheit lebt, daß ihm auch das Herz erzittert, wie einem, der dem Sturm noch nahegestanden, ein Fälscher, mit allen Einzelheiten des Lebens der Vorzeit vertraut, nur nicht darüber unterrichtet, daß der Name „Viertes Armenien“ von einem Kaiser geprägt ist, sollte ein solcher Fälscher nicht in das Reich der Märchen gehören? So ist es vielleicht doch geraten, der Überlieferung bis auf weiteres noch Vertrauen zu schenken und die mit ihr unvereinbaren Bestandteile des Werkes für spätere Zutaten zu halten, die bei einem so außerordentlich verbreiteten Buche leichter als bei jedem anderen eingeschmuggelt werden konnten.“
Zur geschichtlichen Literatur des fünften Jahrhunderts ist in gewissem Sinn der Brief Abrahams, Bischofs der Mamikunier an Watschagan, König der Albanier 25, der über das Konzil von Ephesus berichtet, zu rechnen. Dem 7. Jahrhundert gehört das Werk des Bischofs * Sebeos, Geschichte des Heraklius an, das sich über die Zeit von 459 bis 661 ergeht und einleitend eine armenische Königsliste parallel der des Moses aus Marabas mitteilt. Er schreibt kurz und anschaulich, großenteils aus eigenem Miterleben 26. Gleichzeitig schrieb Moses von Kalankatukh* in Uti die Geschichte der Albanier mit zahlreichen Nachrichten über die Hunnen und Chazaren, großenteils von älteren erhaltenen Quellen, aber im 2. Teil doch mit vielen originalen Einzelberichten 27. Eine Chronik des Ananias von Schirak gehört ebenfalls der Geschichtschreibung dieses Jahrhunderts an. Aus dem 8. Jahrhundert ist Leontius zu erwähnen, der die Eroberung Armeniens durch die Araber bis 788 beschreibt 28.
Als theologisches Werk im engeren Sinn ist die Katechese zu nennen, die bei Agathangelus in die Erzählung eingefügt ist und Gregor d. Erl. zur Bekehrung und Belehrung des Volkes in den Mund gelegt wird. Allein diese Katechese gehört mit größter Wahrscheinlichkeit nicht zu den ursprünglichen Teilen des Buches. Ein Werk von theologischem Scharfsinn, sprachlicher Vortrefflichkeit und zweifelloser Echtheit ist die Schrift Ezniks: „Wider die Irrlehren“. Näheres über sie bietet die Einführung zur Übersetzung (s. unten). Inhaltlich dogmatischen Charakters sind die Gregor dem Erl. gewöhnlich zugeeigneten Reden der Sammlung * Hatschachapatum* 29 oder Teppiche, die aber Mesrop mit guten Gründen zugeschrieben werden. Ferner gehören in diese Gruppe die Abhandlungen, die Elische dem Amatunierbischof zugeschrieben werden: Über das Gebet: Vater unser, und die Mahnungen oder Ratschläge über die Einsiedler. Von zweifelhafter Echtheit sind die demselben zugeschriebenen Abhandlungen: Über das Gericht und die Wiederkunft, Über das Gedächtnis der Verstorbenen und Über die Seelen der Menschen und die Abhandlung über die Taufe, die Verklärung, das Leiden und die Auferstehung Christi und sein Erscheinen vor den Aposteln und die Wirksamkeit der letzteren. Doch fehlen die Gründe nicht, sie wenn nicht durchaus Elische zuzuschreiben, so doch jedenfalls sie für ein Produkt des 5./6. Jahrhunderts zu halten. Der sprachliche Ausdruck auf S. 224 oben der Venezianischen Ausgabe ist mit dem Ausdruck S. 9 derselben so ganz gleich gebaut, daß man an denselben Verfasser denkt. Die teilnahmsvollen Erinnerungen an das Mönchsleben (S. 237) sind dem Bischof nicht fremd, der sich entschloß, sein Leben als Einsiedler zu beschließen. Für die Zeit vor der Kirchentrennung unter Babgen spricht die merkwürdige Anerkennung des Primates (S. 348): „Wie Petrus auf Christus sich aufbaute durch sein Todeszeugnis, so ist die Kirche auferbaut auf dem Glauben des Petrus, nicht allein in Rom, sondern in allen Städten und Dörfern, den großen und den kleinen.“ Schaut auch der Verfasser auf Rom, wo damals, d. h. zu Petrus’ Zeit, das Königtum war, und auf Athen, wo damals die Meister der Philosophie waren, so ist daraus nicht zu folgern, daß die Abhandlungen erst geschrieben waren, als es in Rom kein Königtum und in Athen keine Philosophenschule mehr gab, also nach 476 und 529. Erstere Zeit ließe vielleicht noch für Elische Möglichkeit, wenn auch der ganze Hinweis nicht vom Standpunkt der Zeit des heiligen Petrus gesprochen ist, von dessen Auftreten in Rom die Rede ist. Denn es ist beim Königtum das Wort and (damals) beigesetzt, das einen Gegensatz zur Zeit des Verfassers betont. Jedoch war schon zwei Jahrzehnte vor 476 kein geordnetes Königtum mehr in Rom. Da der Zusatz and nur bei Rom steht, greift der Gegensatz nicht auf Athen über, um so weniger als später auch die Unsittlichkeit der Perser im geschlechtlichen Leben erwähnt wird, die vor der mohammedanischen Invasion keine Änderung erfahren hat, also nicht in Gegensatz zur späteren Zeit gestellt erscheint. Daher ist die Möglichkeit, die Abhandlungen dem ausgehenden fünften Jahrhundert zuzuweisen, vorhanden, auch wenn sie nicht mehr von Elische sein sollten. Aus dem 8. Jahrhundert ist als dogmatischer Schriftsteller Johannes von Odsun zu nennen mit seiner Synodalrede auf der Synode von Dwin 718 und seinen Schriften über die Menschwerdung Christi gegen Julian von Halikarnaß und die Phantasiasten und seiner Streitschrift gegen die Paulikianer. Derselbe versuchte sich auch als Dichter und hinterließ eine Sammlung kirchenrechtlicher Kanones 30.
Als exegetische und homiletische Schöpfungen erscheinen die Erklärungen des Elische zum Buche Josue und der Richter, die Homilien des Mambre Verzanogh 31 mit seiner Homilie auf die Erweckung des Lazarus, ein Muster schlichter und klarer Darlegung der Gedanken, die große Begebenheit und ihre Gründe gerade durch Vermeidung des Wortprunkes herauszuheben. Auch die zwei weiteren von ihm überlieferten Reden über den Einzug Jesu über den Ölberg und sein Kommen nach Jerusalem verdienen das Lob schlichter und klarer Darstellung. An diese sind die Reden des Ananias, des bei Koriun erwähnten Bischofs der Siunier, anzureihen. Unter ihnen ist die Homilie auf den Propheten Jonas hervorzuheben, die sich in Parallelstellung des Jonas zu Adam und Christus ergeht und sein Leben und Wirken als ein besonderes Werk der göttlichen Vorsehung feiert, die rätselhafte Schicksale mit übermenschlicher Weisheit zu einem göttlichen Ziele führt. Eine zweite Homilie desselben Autors handelt von Johannes dem Täufer als höchstem der Propheten und Vorläufer Christi. Beachtenswert ist in diesen Homilien die Benützung Philos, die aber nicht so weit geht, daß der christliche Ursprung der Rede verkannt werden könnte.
Exegetischen Zwecken diente eine kleine Schrift des Ananias von Schirak 32 im siebten Jahrhundert über die in der Heiligen Schrift genannten Maße und Gewichte, die sich eng an Epiphanias anlehnt.
Als Homileten, bei denen der exegetische Zweck zurücktritt und die Heilige Schrift mehr in Form des Zitats in der Predigt verwendet wird, sind die Verfasser des Hatschachapatum und Johannes Mandakuni anzusehen33. Über beide sind die Einführungen zu vergleichen.
Als Schriftsteller auf philosophischem Gebiet und auf dem Gebiet des Unterrichtswesens ist David der Unbesiegte zu nennen. Er bietet Übersetzungen und Erläuterungen zu Aristoteles und neuplatonischen Schriften und bekämpft den Skeptizismus des Pyrrho von Elis. So scharfsinnig und gelehrt er für seine Zeit war, ebenso wenig ragt er als Stilist hervor, da er das Armenische im Widerspruch zu dessen Sprachgeist gewaltsam nach griechischem Vorbild formt. Vermutlich wollte er dadurch der Treue der Übersetzung vollkommen Rechnung tragen. Philosophischer Belehrung diente augenscheinlich die Übersetzung des Werkes des * Nemesius* von Emesa über die Natur des Menschen. Wenn die Zueignung an Stephanus von Siuni richtig ist, entstammt diese Übersetzung jedoch erst dem 8. Jahrhundert 34.
Auf dem Gebiet des Unterrichtswesens ist Moses von Choren nochmals zu nennen, und zwar wegen* dessen Rhetorik, die in die Regeln der Rhetorik und Stilistik nach griechischen Vorbildern einführt und einem gezierten pathetischen Redestil huldigt. Dieses Werk wirft auf das Pathos in der Geschichte des Verfassers viel Licht und vermag auch die Annahme der Echtheit jener Schrift zu stützen. Auch die Geographie* desselben bewegt sich auf diesem Boden35. Doch ist dieses Werk sehr umgestaltet worden. Es dürfte seine jetzige Gestalt erst im 7. Jahrhundert erhalten haben, wenn es überhaupt mit Recht Moses von Choren in seiner Urgestalt zugeeignet wird.
Als Dichter trat im 8. Jahrhundert der Katholikos Komitas mit einem Hymnus auf die Märtyrerjungfrauen Rhipsime und Gaiana hervor, der von bedeutender poetischer Kraft zeugt 36. Vergleicht man das armenische Schrifttum des fünften Jahrhunderts mit dem Schrifttum der ersten Jahrhunderte des deutschen oder englischen Christentums, so wird man den Fleiß, das Geschick und die Erfolge mit großer Achtung wahrnehmen und zugestehen, daß sich Armenien den andern christlichen Nationen ebenbürtig zur Seite stellte.