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Erster Brief

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Zeitz, den 19ten October 1813

Ich schreibe hier aus dem Gasthofe zur Traube, wo wir diesen Abend in der Dunkelheit ankamen, Alles im kriegerischen Gewühl fanden, und von dem Wirthe als eine fremde Erscheinung angestaunt wurden, da wir seit sechs Wochen, wie er versicherte, die ersten friedlichen Reisenden waren, die bei ihm Logis nahmen.

Mancherlei Scenen wechselten am heutigen Tage, sie sind vielleicht Vorboten von noch wichtigeren, denen wir Morgen entgegen gehen.

Sie wissen, daß wir gestern in W[eimar] durch sichere Hand die Nachricht erhielten, daß Leipzig schon am 16ten mit Sturm von den siegreichen Alliirten genommen, und die französische Armee sich fliehend nach Magdeburg gewendet habe. Dieses bestimmte uns zur Abreise nach Leipzig. Wir verließen gestern Abend W[eimar] gegen Mitternacht. Die Nacht war schön, die Pferde gut, der Postillon rasch, unsere Phantasie mit dem stolzen Gefühl erfüllt, daß wir nicht mehr Rheinbündner, sondern wieder Deutsche geworden, so vereinte sich Alles, um uns schnell nach Eckartsberge zu bringen, wo das muntere Posthorn die vom Mondenlicht schauerlich beleuchtete alte Ruine frohlockend begrüßte.

In Eckartsberge schon fanden sich aber Schwierigkeiten. Der Postmeister erklärte: die Kösener Brücke sey von den Oesterreichischen Vorposten stark besetzt, und selbst des Nachts gesperrt, so daß Niemand dann passiren könne. Wir mußten daher bis zum Tages Anbruche warten, wo es weiter gieng; doch weder auf der Kösener Höhe, (dieser oft nicht genug beachtete Schlüssel der Saalposition,) noch im Thale an der Brücke, trafen wir Truppen. Diese hatten sich schon am vorigen Abend auf ihr Haupt-Corps nach Naumburg zurückgezogen. In Naumburg lebte Alles in der größten Spannung. Die früher erhaltene Nachricht, daß Leipzig schon am 16ten von den Alliirten genommen worden, bestätigte sich nicht. Im Gegentheil hörten wir bis Mittags gegen 1 Uhr eine heftige Kanonade gegen Leipzig hin. Es waren gestern Abend Meldungen eingegangen, daß sich ein retirirendes französisches Corps von Leipzig nach Weißenfels zöge, und einzelne Versprengte waren schon vorwärts erblickt worden. Deswegen hatte der Commendant von Naumburg, Major Graf Gatterburg, die bis Schulpforte und Kösen vorpoussirten Oesterreichischen Detachements an sich gezogen, und marschirte mit seiner Besatzung, welche aus fünf Compagnien Erzherzog Ludwig Infanterie und etwas Cavallerie, beides von der Division Murray des Giulayschen Corps, (welche Division die Saal-Gegend bei Naumburg und Weißenfels beobachtete,) bestand, sogleich vorwärts zu einer Recognoscirung gegen Weißenfels.

Noch war er nicht zurück, als wir diesen Morgen mit einer großen Volksmenge in Naumburg vor dem Thore nach Weißenfels an der Chaussee standen. Die Gefechte schienen sich zu nähern, denn vor unsern Augen wurden auf der ersten Anhöhe zehn bis zwölf versprengte Franzosen von den Kosaken und Oesterreichischen Dragonern gefangen genommen. Alles harrte mit banger Erwartung auf den Ausgang. Eine heransprengende Ordonnanz kündigte an, die Oesterreicher hätten die Franzosen zurückgedrängt, Graf Gatterburg werde mit den Truppen sogleich zurückkehren. Dieses geschah auch, er kam an der Spitze von leichter Infanterie, und wurde von den biedern Naumburgern, welche in den Oesterreichern, so wie in den Alliirten die längst ersehnten Befreier vom fremden Joche, welches eisern wie auf ganz Deutschland, so ganz vorzüglich auch auf Sachsen gelastet hatte, erblickten, jubelnd empfangen. Graf Gatterburg hatte durch zweckmäßig-genommene Stellungen das weitere Vordringen der Franzosen verhindert, und ihnen glaubend gemacht, daß ein starkes Corps entgegenstünde. Beruhigt kehrten jetzt Alle zur Stadt zurück. Bald darauf zog eine Abtheilung Preußischer Jäger und Kosaken ein. An ihrer Spitze ritt, mit zahlreichem Gefolge, ein Kosakenchef; sein Gepäcke trug ein Kameel, mit bunten Teppichen behangen, und Glöckchen verziert; das Ganze bildete eine malerisch-morgenländische Gruppe.

Entschlossen unsern Weg nach Leipzig fortzusetzen, wählten wir, da Weißenfels noch von den Franzosen besetzt war, nach dem Rathe des Postmeisters, den Weg nach Zeitz. Die Chaussee dahin geht bekanntlich eine Stunde von Naumburg bei dem Dorfe Wethau von der nach Weißenfels führenden Straße Rechts ab. Bis dahin trafen wir noch einzelne Truppen-Abtheilungen der Alliirten, welche noch mehrere Gefangene einbrachten.

Von Wethau bis Zeitz war die Straße vollkommen ruhig. Auf diesem Terrain hatten schon am 10ten October heftige Gefechte Statt. Der Feld-M. Lieut. Fürst Moritz Lichtenstein, welcher mit der ersten leichten Division sich mit dem Streif-Corps des Gen. Lieut. von Thielemann vereinigt hatte, sollte den Marsch des Marschalls Augereau, welcher mit 10,000 Mann Infanterie, und 3000 (aus Spanien kommende) alter Eliten-Cavallerie aus Zwickau durch das Saalthal zur französischen Haupt-Armee eilte, beobachten und möglichst aufhalten. Fürst Lichtenstein ließ deswegen in der Nacht vom 9ten das schon vom Feinde besetzte Dorf Wethau durch das 7te Jäger-Bataillon unter dem Oberst Veyder nehmen, und hielt dadurch den am 10ten mit seinem ganzen Corps von Naumburg in Schlachtordnung anrückenden Marschall Augereau bedeutend auf. Als aber die zahlreiche Cavallerie des Feindes die linke Flanke des Fürsten Lichtenstein umgieng, so zog sich dieser in bester Ordnung zurück, zuerst bis Stößen, dann bis Pretsch. Da entstanden mörderische Cavallerie-Gefechte, wo von beiden Seiten ruhmvoll gekämpft wurde, aber der Verlust auch ansehnlich war. Die Spuren dieser Gefechte waren zu beiden Seiten der Straße noch allenthalben sichtbar.

Die Chaussee endigte ungefähr eine Stunde vor Zeitz, die verdorbenen Wege hielten aber unsere Fahrt auf, und erst in der Dunkelheit kamen wir bei dieser Stadt an. Ringsum brannten die Wachtfeuer des Giulayschen Corps, welches hier größtentheils bivouacquirte. Wir waren an der angeschwollenen Elster, die Fuhrt war nicht zu wagen, doch glücklicherweise fand der Postillon eine militärische Nothbrücke, über die er uns, nicht ohne Gefahr, doch sicher brachte.

Die Brigade des General-Majors von Salins liegt hier in der Stadt, sie rückt noch diese Nacht in die Position von Teuchern, und wird die Franzosen, wenn sie durchbrechen sollten, kräftig empfangen.

Noch kann uns der Oesterreichische Commendant, von dem wir so eben kommen, nicht mit Gewißheit sagen, ob Leipzig in den Händen der Alliirten sey. Unsere Pässe sind weiter auf das Kais[erlich] Oesterr[eichische] Hauptquartier nach Rötha visirt worden, wohin wir Morgen früh abgehen.


Wanderung nach dem Schlachtfelde von Leipzig im October 1813

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