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Vorwort
ОглавлениеPIA A. DÖLL
Innenarchitektin und Präsidentin bdia
Foto: Oliver Schiebener
Liebe Leserinnen und Leser,
mit unserem bdia Handbuch Innenarchitektur 2021/22 halten Sie eine Leistungsschau der Innenarchitekt*innen in Deutschland in den Händen. Der bdia veröffentlicht jährlich das Handbuch Innenarchitektur und gibt den im Verband engagierten Mitgliedern eine Plattform, ihre Projekte zu präsentieren. Unsere diesjährige Jury besteht aus: Ingo Haerlin, Innenarchitekt bdia (Design in Architektur, Darmstadt), Bettina Billerbeck, in ihrer damaligen Funktion als Chefredakteurin der Zeitschrift „Schöner Wohnen“, Tina Freitag vom Callwey Verlag sowie meiner Person. Aus 153 (!) Einreichungen mussten wir bei der Vielzahl sehr guter Arbeiten eine Auswahl treffen und 25 Projekte für das Handbuch auswählen. Das war definitiv nicht leicht! Eine Präsentation der Shortlist findet sich übrigens auf unserer Website bdia.de.
Die besonderen Umstände erforderten es, dass unsere Jurysitzung online stattfand und ja, die gemeinsamen Rundgänge durch die Präsentationen habe ich vermisst. Aber die hohe Qualität und Vielfältigkeit der eingereichten Arbeiten war auch ohne analogen Rundgang klar erkennbar und zu bewerten. Die darauffolgenden, langen Diskussionen waren sehr intensiv. Die ausgewählten Projekte sind ein Best-of in den gewählten Kategorien, um Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die sehr breite Palette der Innenarchitektur zu zeigen. Es wird wieder einmal klar, dass Innenarchitektur kein bloßes Beiwerk ist, sondern die Essenz eines Raumes: Gut gestaltete Innenräume sind Lebensqualität.
Das letzte Jahr hat uns wie in einem Brennglas gezeigt, was es heißt, vor allem in den eigenen vier Wänden sein zu müssen. Gut gestaltete, unseren Bedürfnissen entsprechende Innenräume lassen uns gesund bleiben, produktiv sein und schaffen Erholung. Ganz schön viel, was Innenräume alles zu leisten haben!
Der Beruf des/r Innenarchitekt*in hat eine Menge mit Kommunikation zu tun, und es bedarf einer genauen Analyse, welche Funktionen die Räume haben sollen. Da sind viele Gespräche mit den Bauherr*innen und Auftraggeber*innen, Einfühlungsvermögen und Kreativität essenziell. Ist dies ein Grund, warum es so viele Frauen an die Hochschulen treibt? Aber warum ist eine Mehrheit der Büroinhaber dann doch männlich? Warum sind es meist die Kollegen, die es auf die große Bühne und in leitende Positionen schaffen?
In drei Beiträgen zum Thema „Frauen in der Innenarchitektur – Frau Innenarchitekt“ geht es um diese Fragen. Über 90 Prozent der Studierenden bei Ausbildungsbeginn sind Frauen, schreibt Sabine Keggenhoff, Innenarchitektin bdia (Büro: Keggenhoff | Partner) und Preisträgerin des Deutschen Innenarchitektur Preises 2019. Als zumeist einzige Frau in leitender Position auf Podiumsdiskussionen, bei Besprechungen und auf der Baustelle habe sie in ihrer Karriere letztlich so manches weggelächelt, schreibt Frau Keggenhoff (ab S. 124).
Die intensiven und branchenübergreifenden Diskussionen rund um Frauen und Quote stehen seit einiger Zeit verstärkt auf der Agenda. Das betrifft auch unser Fachgebiet und die Stellung der Frauen in der Architektur. Dieses verstärkte Bewusstsein in der Fach- und allgemeinen Öffentlichkeit kann uns nur anspornen. Das zeigte zum Beispiel die Ausstellung „Frau Architekt. Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im Architekturberuf“, die in Kooperation mit dem Deutschen Architekturmuseum (DAM), Baukultur NRW und der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen im Herbst 2020 in Düsseldorf zu sehen war.
Auch die Ausstellung zu Charlotte Perriand in der Fondation Louis Vuitton in Paris (Oktober 2019 bis Februar 2020) zeigte in einer einmalig ausführlichen Werkschau die über Jahre währende Diskrepanz zwischen Werk und Wahrnehmung der Künstlerin. Als Mitarbeiterin von Le Corbusier stand sie lange im Schatten des großen Meisters; die Ausstellung würdigte sie nun in einer großen Retrospektive.
Mittlerweile gibt es ein Einverständnis aller Akteure, dass den Frauen in den letzten 60 Jahren weit weniger Beachtung geschenkt wurde und ihre planerischen und gestalterischen Leistungen im Berufsstand nicht anerkannt wurden – und wenn, dann oft nur als Beiwerk zu bekannten, berühmten Meistern. An sich ist das nichts Neues, aber es wird nun öffentlich thematisiert, es steht im Fokus, und das Bewusstsein steigt weiter an. Diverse Publikationen zu Frauen in der Architektur, zum Bauhaus-Jubiläum 2020 und der Rolle der Frauen am Bauhaus sowie viele weitere Texte in populären Medien bespielen das Thema.
Einerseits erleben wir eine Art „Wiederentdeckung von Frauen“, andererseits ist das Thema individuell sehr unterschiedlich bei jeder einzelnen Innen-/Architektin. Was braucht es, um in der oft männlich dominierten Welt zu bestehen? „Bauen ist ein hartes Geschäft, das reicht bis in die Innenarchitektur“, schreibt Monika Lepel, Innenarchitektin bdia (Büro: Lepel & Lepel), ab Seite 132. Das heiße auch, sich zu fragen: „Bin ich bereit, die Extrameile zu gehen?“ Am Ende führe immer der- oder diejenige, der bzw. die es kann.
Auch Peggy Kastl, Innenarchitektin bdia (Büro: Baustudio Rostock) betont, dass es Mut braucht: „Auf dem Bau besteht nur, wer sich bewährt. Das obligatorische Spießrutenlaufen am Bau wird sich immer an der geschlechtsunabhängigen Persönlichkeit des Greenhorns entscheiden; da müssen alle durch“, schreibt Kastl (ab S. 139). Aber auch die Rollenbilder in der Gesellschaft spielten weiterhin eine Rolle, und hier dürfe sich noch mehr tun. Frauen stellten den Beruf nicht immer über die Kinder oder den Partner – aber das sei auch gut so, schreibt die Autorin weiter.
Ja, es gibt immer noch strukturelle Ungleichheiten, die es Frauen im Beruf schwerer machen. Wir sollten daher weiterhin auf überholte Rollenklischees hinweisen, sie auf die Tagesordnung setzen – und selbstbewusst unsere Rolle ausleben, unserer Arbeit nachgehen, Netzwerke ausbauen und Vorbilder suchen sowie selbst sein.
Lassen Sie sich auf den folgenden Seiten inspirieren, entdecken Sie Trends und Ideen. Stöbern Sie durch die vielen qualitätsvollen Projekte, die die Innenarchitektinnen und Innenarchitekten des bdia umgesetzt haben.
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre!
Ihre Pia A. Döll