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Anja Slauf – Aus dem Schatten

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Meine Schritte sind vorsichtig. Der Boden ist von trockenem Laub bedeckt und ich habe nicht vor, durch verräterische Geräusche auf mich aufmerksam zu machen. Langsam schleiche ich näher.

Da bist du. Deutlich zu erkennen trotz des spärlichen Lichts, das dich erhellt. Du bist alleine. Obwohl du dich vollkommen unbeachtet fühlst, ist jede deiner Bewegungen voller Grazie. Deine Lippen bewegen sich, höchstwahrscheinlich führst du mal wieder Selbstgespräche.

Ich lächle und mache einen weiteren Schritt auf dich zu. Immer wieder wirfst du einen Blick auf die Uhr, dann wendest du dich der Stange zu, die seit einigen Monaten dein Wohnzimmer ziert. Für viele ist es eine Trendsportart, für andere ein Weg, sich zu profilieren. Für dich jedoch scheint es so viel mehr zu sein. Jede deiner Bewegungen wirkt perfekt und es ist mir unmöglich, meine Augen auch nur für Sekunden von dir abzuwenden.

Nur leise dringt die Musik an meine Ohren. Dein Lächeln wirkt entrückt, als wärst du in deine eigene Welt abgedriftet, eine Welt, die andere oftmals als ein wenig seltsam empfinden. Doch dich stört das nicht und mir gefällt diese Selbstverständlichkeit, mit der du deine kleinen Eigenarten lebst.

Wieder mache ich einen Schritt näher. Meine Fingerspitzen legen sich auf die Barriere zwischen uns. Das Fensterglas ist kalt und ein sanftes Schaudern durchfährt mich. Du siehst mich nicht. Wie immer ist das Licht auf deiner Veranda kaputt, und ich verschwinde nahezu zwischen den Schatten der Bäume und der einbrechenden Dunkelheit. Das perfekte Versteck.

Wieder wirfst du einen Blick auf die Uhr. Du lässt von der Stange ab und beginnst stattdessen, dich zu dehnen. Während der letzten Wochen hast du große Fortschritte gemacht und ich sehe dir die Freude daran an. Der menschliche Körper ist mehr als nur faszinierend. Und immer wieder schielst du zur Uhr.

Ein oder zwei Minuten lang werde ich dir noch zusehen. Maximal fünf. Länger wirklich nicht. Ich starre dich an, nehme jedes noch so kleine Detail deiner Präsenz in mir auf. Viel zu früh werden diese unbemerkten Augenblicke wieder vorüber sein. Ein tiefes Durchatmen und ich löse meine Finger von der Scheibe.

Kaum hörbar knistern die Blätter unter meinen Schuhsohlen. Langsam nähern sich meine Schritte deiner Haustüre. Meine Hand hebt sich und ich klopfe.

Ich höre wie du aufspringst und zur Tür läufst. Stürmisch reißt du sie auf. Ein Strahlen liegt auf deinem Gesicht, als du mich mit einer Umarmung begrüßt. Du bist es gewohnt, dass ich mich verspäte und ich werde mich hüten, dir den Grund dafür zu verraten.

24 kurze Albträume

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