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„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“

„Ich schäme mich Deutschlands. Was werden die anderen Nationen sagen, die so schon unsere Dummheit zu verachten pflegen?“ Wer sagte das? Es war der Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld (1591-1635), der es als einer von ganz wenigen wagte, gegen den Hexenwahn Stellung zu beziehen, auch wenn er dies aus Sicherheitsgründen nur anonym tun konnte. Spee hatte als Beichtvater einige Zeit lang verurteilte „Hexen“ zu betreuen gehabt und machte sich dabei ein eigenes Bild von deren angeblicher Schuld. Heute wird der ebenso nachdenkliche wie mutige Jesuit gerne als leuchtendes Beispiels des „Widerstands“ seiner Kirche gegen die Hexenverfolgung gepriesen – wobei man unter den Teppich kehrt, dass es ein Dominikanermönch war, Heinrich Kramer, der diese grauenhafte Verfolgungswelle mit seinem „Hexenhammer“ (1486) erst so richtig in Schwung gebracht, und ein Papst, Innozenz VIII., der sie mit seiner „Hexenbulle“ (1484) fast gleichzeitig mit dem angeblichen Segen des „Allerhöchsten“ versehen hatte.

„Ich schäme mich Deutschlands“. Historiker rätseln bis heute, weshalb mehr als die Hälfte aller verbrannten „Hexen“ und „Zauberer“ (ein Drittel waren Männer) auf dem Gebiet des damaligen „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ ihr grausames Ende fanden. War es der gemeinsame Schachzug von Papst und Karolingern, diesen Landstrich durch die Krönung des neu erfundenen „Kaisers“ durch den Papst an die Kirche zu ketten, der hier seine verhängnisvolle Spätwirkung entfaltete? War es die – vom Vatikan maßgeblich mit hervorgerufene – Zerrissenheit des Landes, die dessen Bewohner dazu verleitete, ihre Zuflucht zu fanatischem Glaubenseifer zu nehmen?

„Ich schäme mich Deutschlands“. Könnte Graf Spee, wenn er wiederkäme, diesen Satz heute ad acta legen? Oder müsste er ihn wiederholen, wenn er z.B. sieht, wie in seinem Heimatland der Filz von Staat und Kirche heute noch dazu führt, dass die Steuerzahler nicht nur eine, sondern zwei steinreiche Großkirchen mit mehr als 14 Milliarden Euro Subventionen pro Jahr zu alimentieren haben, und dass Politiker sämtlicher Parteien dazu verschämt schweigen?

In den Bücherschränken der deutschen Bildungsbürger stehen seit Jahrzehnten und Jahrhunderten die Größen der Literatur und Philosophie in feines Leder gebunden. Doch was diese großen Geister zu diesem leider uralten Thema zu sagen hatten: zur verhängnisvollen Macht der Kirche, das nimmt bis heute kaum jemand zur Kenntnis.

Bis heute – doch die Zeiten ändern sich! Gerade weil im deutschen Sprachraum der Filz zwischen Staat und Kirche besonders undurchdringlich, gerade weil die Naivität und Dummheit deutscher Politiker gegenüber den Kirchen hier immer schon besonders abstoßend war und bis heute ist, gerade deshalb verfügt der deutsche Sprachraum inzwischen über eine eigene Literaturgattung von Weltgeltung: Nirgendwo sonst gibt es eine derartige Fülle von fundierten und blitzsauber recherchierten kirchenkritischen Werken. In welchem anderen Sprachraum kam bisher jemand auf die Idee, um nur das erstaunlichste Beispiel zu nennen, eine zehnbändige „Kriminalgeschichte des Christentums“ in Angriff zu nehmen – und sie dann auch noch zu schreiben? Neben Karlheinz Deschner sind aber auch Autoren wie Hubertus Mynarek, Horst Herrmann, Carsten Frerk, Ernst Klee und viele andere längst zu Markenzeichen der Aufklärung geworden.

„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, sagt Hölderlin. Immer mehr Menschen erkennen die Gefahr, die darin besteht, die Vermittlung von Ethik und Moral, von inneren Werten wie Anstand, Benehmen und Stil ausgerechnet Institutionen anzuvertrauen, die durch die Geschichte längst bewiesen haben, dass sie alles andere als christlich sind. Die derzeitig bekannt werdenden Kinderschänderverbrechen durch Priester und Pfarrer sind nur ein weiterer Beleg dafür.

Es wird Zeit, wieder auf die Stimmen zu hören, Stimmen aus aller Welt und aus vielen Jahrhunderten, die uns dabei helfen können, die Unterscheidung der Geister neu zu erlernen – und die bitter nötige Wachsamkeit angesichts der größten Heuchelei der Weltgeschichte: den Namen des Jesus, des Christus, zu missbrauchen, um das Gegenteil von dem zu lehren und zu tun, was Er wollte. Die hier angeführten Zitate sind nur eine kleine Auswahl – eine Auswahl, die dazu anregen kann, selber auf weitere literarische Entdeckungsreisen zu gehen. Denn wem Anstand und Benehmen, Ethik, Moral und Stil wirklich am Herzen liegen, der sollte das Gärtnern nicht länger den Böcken überlassen, sondern es selbst in die Hand nehmen.

Große Geister dachten anders

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