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Kindheit und Zeitgenossenschaft

Eine soziologische Skizze

Studien zum Thema Kinder und Religion sind fast immer zustimmend oder kritisch auf entwicklungspsychologische Ansätze fixiert. Die folgenden Überlegungen sollen Denkanstöße für eine andere Perspektive geben. Heinz Hengst

Meine Mama sagt, dass Gott die Kinder macht‘, sagt Jennifer am Tisch.

‚Es gibt keinen Gott‘, sagt Mikael.

‚Damit kann es jeder halten, wie er möchte‘, wirft der Sozialpädagoge Hans-Erik ein. ‚Jeder kann glauben, was er will.‘

‚Glaubst Du an Gott, Jennifer?‘

‚Nein, aber es gibt jemanden im Fernsehen, der an Gott glaubt.‘

‚Es gibt keinen Gott‘, sagt jetzt auch Benny.

‚Aber früher‘, sagt Jennifer mit Nachdruck.

‚Ja in den alten Zeiten‘, schaltet sich Khalil, der libanesische Junge, ein, ‚da war es wohl so.‘

‚Aber Du, Khalil, feierst Du Weihnachten oder ähnliche Feste?‘, fragt Hans-Erik. ‚Du glaubst an Allah.‘

‚Uh-hm.‘“

(Daun, 51)

Diese kleine Konversation, die Anfang der Achtzigerjahre in einer schwedischen Kindertagesstätte aufgezeichnet wurde, ist ein guter Impulsgeber, nicht nur für das Nachdenken über Kinder und Religion, sondern ganz allgemein über Kinder und Kindheit in Gegenwartsgesellschaften.

Zunächst ist an dieser Konversation bemerkenswert, dass die Vielzahl der Bedingungen und Instanzen durchscheint, unter und mit denen Kinder heute in (west)europäischen Gesellschaften aufwachsen. Da sind die Eltern, die Gleichaltrigen, die Erzieher und die Medien. Da sind unterschiedliche Institutionen bzw. soziale Bühnen. Und da ist – als Ergebnis der Migrationsbewegungen – der multikulturelle Kontext, mit dem sich nicht nur westeuropäische Kinder in Gegenwartsgesellschaften auf die eine oder andere Weise arrangieren (müssen). Diese Instanzen und Erfahrungsräume warten mit sehr unterschiedlichen Informationen und Deutungen auf – hier zur Frage der Existenz Gottes.

Offensichtlich ist die Zeit vorbei, in der Kinder in Fragen des Glaubens und der Religion mit übereinstimmenden Vorstellungen in ihrem gesamten Umfeld rechnen konnten, Eltern, Priester, Pfarrer, Erzieher, Lehrer, Nachbarn und Gleichaltrige mit einer Stimme sprachen. Widersprüchliche Informationen und Deutungen sind für komplexe Gesellschaften charakteristisch. Unter solchen Bedingungen müssen Kinder für viele Phänomene eigene Antworten, eigene Synthesen, finden. Nicht zuletzt durch die Allgegenwart von immer mehr Medien ist das auch bei Themen der Fall, die frühere Kindergenerationen gar nicht erst erreichten. Die Folgen für die Kinder sind ambivalent: Größere Toleranz ist möglich, aber auch massive psychische Verunsicherung.

Heinz Hengst

Dr. phil habil., Professor für Sozial- und Kulturwissenschaften an der Hochschule Bremen (i.R); Arbeitsschwerpunkte: zeitgenössische Kindheit, Kinderkultur und Generationenverhältnis unter besonderer Berücksichtigung der Medien, des Konsums und des internationalen Vergleichs.

Zum Alter der Kinder, die sich an der Konversation über die Existenz Gottes beteiligen, gibt es keine Angaben. Das mag damit zusammenhängen, dass es sich um Kindergartenkinder handelt und der Autor die Altersdifferenzen für vernachlässigenswert hielt. Aber bemerkenswert ist schon, dass die Konversation die zeittypischen Rahmenbedingungen, unter denen die Kinder ihre Vorstellungen konstruieren und artikulieren, ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt.

An dieser Akzentsetzung möchte ich festhalten. Beobachtbar ist eine Tendenz der Aufhebung der Einheit von Lebensphase und Lebensform. Es entwickelt sich ein „Modell der offenen Grenzen“. Man hat, unabhängig davon, welcher Altersgruppe man angehört, die Option, Anleihen bei Identitäts- und Lebensformen anderer Altersgruppen zu machen. Das „Alters-Selbst“ kann ein Mischmodell unterschiedlicher Lebensabschnitte sein.

DIFFERENZIELLE ZEITGENOSSENSCHAFT

Bezugspunkt meiner Arbeiten ist seit Langem die soziologische Kindheitsforschung, die zu Beginn der Neunzigerjahre von britischen und skandinavischen Forschern initiiert wurde (vgl. dazu Hengst/Zeiher). Der gemeinsame Nenner dieser Forschungsrichtungen ist die Negation zentraler Aspekte der (bisher) dominierenden Kindheitskonzepte, die von Kindern in der Terminologie von „noch nicht“ handeln. Der Slogan, mit dem die neuen kindheitssoziologischen Ambitionen programmatisch lanciert werden, ist „konzeptuelle Autonomie“ von Kindern und Kindheit.

Konzeptuelle Autonomie bedeutet unter anderem die Ersetzung der Vorstellung der traditionellen Forschung, die in Kindern nur künftige Erwachsene sieht, durch die Konzentration auf ihre Gegenwart, ihre Position in der Gesellschaft, ihre Rechte, ihre Ressourcen, ihren Alltag, ihre Aktionen und ihre Deutungen von Welt und Umwelt.

Die aktuelle sozialwissenschaftliche Kindheitsforschung ist ein facettenreiches work in progress, auf das ich hier nur sehr selektiv eingehen werde. Zuzuordnen sind meine Überlegungen dem Konzept „differenzielle Zeitgenossenschaft“ (vgl. Hengst). Dieses Konzept ist offen für Unterschiede und Ungleichheiten zwischen Kindern und Erwachsenen, schreibt aber die Dimension, in der Unterschiede und Ungleichheiten sich manifestieren, nicht vorab fest. Kollektive Subjekte (Kinder, Jugendliche, Erwachsene) sind im Rahmen dieses Konzepts vor allen anderen Zuordnungen als Zeitgenossen, also altersübergreifend als Kinder ihrer Zeit definiert.

Das heißt: Es gibt unter Bedingungen raschen und umfassenden soziokulturellen Wandels vieles, was zwar ohne Zweifel für Kinder gilt, aber auch auf Erwachsene zutrifft. Gegenwartsgesellschaften sind Übergangsgesellschaften. Soziale Identitäten werden neu ausgehandelt und definiert. Einige verlieren an Bedeutung, andere sind nur zeitweise oder nur in bestimmten Kontexten relevant, und wieder andere werden an neuen Kriterien festgemacht. Die Kindheitsforschung kann es unter solchen Bedingungen nicht bei der Auseinandersetzung mit der Frage belassen, was Kinder zu Kindern macht. Ihr Thema sind die Antworten, die Kinder in ihrem Denken, Fühlen und Tun auf zentrale Herausforderungen zeitgenössischer Gesellschaften geben.

In diesem umfassenderen, offenen Rahmen können (dann) die Differenzen zwischen Kindern und Erwachsenen sowie die Bedeutung generationaler Ordnungen zeitdiagnostisch sensibel bestimmt werden. Die traditionellen „Entwicklungsaufgaben“, von denen in der Kinder- und Jugendpsychologie die Rede ist, werden gewissermaßen von „Meta-Entwicklungsaufgaben“ überlagert. Zur Meisterung der neuen Herausforderungen steht den Zeitgenossen, Kindern wie Erwachsenen, keine „road map“, kein Script zur Verfügung. Soziologen und Kulturwissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von „kultureller Freisetzung“.

MULTIPLES WERDEN

Alternativen zu den traditionellen Entwicklungstheorien sind Mangelware. Die neueren Ansätze belassen es in der Regel bei der Dekonstruktion der alten Konzepte. Eine Ausnahme macht der englische Kindheitssoziologe Nick Lee (2001), der als Alternative zu den teleologisch konzipierten Entwicklungstheorien das Konzept einer „Multiplizierung des Werdens“ bzw. „multiplen Werdens“ ins Spiel gebracht hat. Mit diesem Konzept können Kompetenzen und Defizite zeitdiagnostisch sensibel bearbeitet werden.

Lee schlägt vor, menschliches Leben, von Erwachsenen wie von Kindern, als Verwicklung in multiples Werden zu verstehen, und Differenzen zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Alters- und Bevölkerungsgruppen unter anderem im Rekurs auf die Extensionen zu bestimmen, in die Zeitgenossen jeweils eingebunden sind. Extensionen des Ichs sind in McLuhans (1964) Verständnis nicht nur Medien im engeren Sinne, also Bücher, Zeitungen, Fernsehen, Kino, Radio, Computer, Internet und Smartphone, sondern alle Einrichtungen, mit denen Menschen ihre Erfahrungsräume erweitern.

Lee skizziert die Entwicklung im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts mit der Zunahme und signifikanten Veränderungen der Ich-Extensionen. Die signifikanten Extensionen der Kinder – so die Argumentation – waren unter den Bedingungen moderner Kindheit bis in die Sechzigerjahre hinein vor allem Erwachsene. Solange der Produktionssektor bedeutsamer war als der des Konsums, war diese Extensionsform ziemlich konkurrenzlos.

Wenn Kinder heute aktiv und relativ eigenständig an der Medien- und Konsumwelt partizipieren, dann ist das vor allem der Präsenz von Extensionsformen geschuldet, die in wichtigen Punkten eine Alternative zur Extension durch Erwachsene und deren Wissen darstellen. Lee sieht den Beginn einer Entdifferenzierung von Kinder- und Erwachsenenkulturen, und damit von Kindheit und Erwachsensein, de facto in der Etablierung des Fernsehens, das die Familie in eine ambigue Institution verwandelte: Einerseits festigt das Fernsehen die familiäre Wohnung als einen von der Außenwelt abgeschotteten Kokon. Andererseits fungiert bzw. „agiert“ das Fernsehen im Innern dieses Kokons als Schaufenster, Satellit und Schaltstelle der Konsumgesellschaft…

Multiples Werden ist ein ausbaufähiges Konzept. Ein, für die Überlegungen in diesem Beitrag, wichtiger Aspekt ist die mit dem pluralen und multiplizierten Werden verbundene Vorstellung einer Horizontalisierung. Impliziert ist in dieser Vorstellung die Auffassung, dass Werden nicht nur in der Zeit stattfindet, sondern auch im Raum, in realen und virtuellen Räumen, und damit die Anerkennung der Bedeutung der synchronen Ebene für Erfahrungskonstitution und Personwerdung.

Werden findet nicht nur in der

Zeit statt, sondern auch im Raum.

Die Verschiebung der Aufmerksamkeit: (weg) von einer statusorientierten, lebensgeschichtlichen Vertikalsicht, (hin) zu einer aktivitäts- und prozessorientierten Horizontalperspektive ist eine fällige Antwort auf die Multiplizierung der Mikrowelten in Gegenwartsgesellschaften. Die bloße oder primäre Konzentration auf die vertikale Dimension ist auch deswegen problematisch – und das erscheint mir im Zusammenhang mit multiplem Werden besonders wichtig –, weil diese Vorstellung die Bewegung in verschiedenen sozialen Bereichen, und damit die Bedeutung von Grenzüberschreitungen, von „boundary crossing“, vernachlässigt.

Zu „boundary crossing“ kommt es, weil die Menschen – und wie nie zuvor die Zeitgenossen – in vielfältige Aktivitäten involviert sind und sich in und zwischen verschiedenen Erfahrungsräumen bewegen. Selbst ganz kleine Kinder sind – wie die Konversation zu Beginn dieses Beitrags illustriert hat – heute in keiner anderen Situation als die Angehörigen anderer Alters- und Bevölkerungsgruppen. Die Kinder der Gegenwart agieren u. a. in der Familie, in Kindergarten oder Schule, in Gleichaltrigengruppen in und außerhalb von Institutionen. Und sie machen Erfahrungen mit einer vielgestaltigen, omnipräsenten und sich ständig verändernden Medienwelt. Sie agieren wie Erwachsene als „plurale Akteure“.

ALLTAGSPRAKTIKEN ALS ANALYSEEINHEIT

Als Konzeptdach, unter dem man die hier angesprochenen Aspekte zusammenbringen kann, bietet sich eine gegenwartssensible Theorie sozialer und kultureller Praktiken an. Praxeologische Ansätze zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie Alltagspraktiken zur Schlüsseleinheit sozialwissenschaftlicher Forschung erklären. Sie sind offen für Flüchtiges und Konstantes, für neue Konfigurationen von Interessen, Aktivitäten, Akteuren, Materialien, Medien und Kontexten. Subjektformation ist in diesem Forschungsansatz eine Abfolge sozialer und kultureller Praktiken.

Den Praxistheoretikern geht es nach Jahrzehnten der Dominanz des Textuellen und Diskursiven in den Sozialwissenschaften nicht zuletzt um eine Rehabilitierung der Materialität des Sozialen. Sie betrifft zwei Instanzen: Körper und Artefakte. Zu den Basisannahmen der Theoretiker sozialer Praktiken gehört die Vorstellung, dass alle – auch die abstraktesten – Fähigkeiten und Kompetenzen aus körperlichen Praktiken resultieren (vgl. Reckwitz).

Praxistheoretische Ansätze eignen sich nicht zuletzt zur Konkretisierung dessen, was „differenzielle Zeitgenossenschaft“ ausmacht. Wenn soziale Praktiken zur (wichtigsten) Analyseeinheit werden, dann sind prinzipiell alle Zeitgenossen gleichgestellt, Kinder und Erwachsene konzeptuell auf Augenhöhe.

Will man Werden praxistheoretisch analysieren, dann ist es notwendig, Theorien sozialer Praktiken als transdisziplinäres Phänomen in den Blick zu rücken. In diesem Punkt wird man in soziologischen Beiträgen nicht fündig. Anders sieht es in der Kulturpsychologie US-amerikanischer Provenienz und in der Aktivitätstheorie in der Tradition Vygotskys aus (vgl. Hengst, 28-36). Was alle diese Ansätze verbindet, ist die Zurückweisung individualpsychologischer Ansätze zugunsten einer soziokulturellen Konzeption von Entwicklung. Ihr Thema ist „social becoming“.

Im Zusammenhang mit (differenzieller) Zeitgenossenschaft interessieren nicht zuletzt mentale und tätige Auseinandersetzungen mit makrosozialem Wandel in den Mikrowelten des Alltags. Man könnte solche Aktivitäten in Analogie zu konstruktivistischen Slogans wie doing gender und doing childhood auf die Formel doing contemporariness bringen. Sie beginnen – wie neuere kindheitssoziologische Studien zeigen – in frühen Lebensjahren und reichen von Netzwerkkonstruktionen als Antworten auf den Wandel der Familie und die Zerbrechlichkeit von Ehe- und Partnerbeziehungen über die Neudefinitionen kollektiver Identitäten unter dem Einfluss von Fernsehen und Unterhaltungsmedien und globalen Konsumkreisläufen bis hin zu neuen Akzentsetzungen beim Lernen und bei der Wissensorganisation.

ENTGRENZTES LERNEN

Eine besonders interessante Akzentsetzung praxistheoretisch orientierter Psychologen und Anthropologen ist deren Beitrag zur Lerntheorie: die Ablehnung des traditionellen Lernbegriffs und seine Ersetzung durch das Konzept wechselnder Partizipationen in den kulturellen Settings des Alltags. Lernen ist in dieser Perspektive aktive Teilnahme am Alltagsleben. Soziale Lerntheorien schreiben der Partizipation die zentrale Bedeutung für nachhaltiges, signifikantes, identitätsstiftendes Lernen zu. Sie gehen davon aus, dass Menschen den Großteil ihres Wissens und ihrer Kompetenzen in Situationen erwerben, in denen (formelle) Instruktion eine untergeordnete Rolle spielt.

Die Bedeutung individuellen Lernens wird (selbstverständlich) nicht geleugnet, gleichwohl aber angenommen, dass der Großteil dessen, was Menschen als Lernende definiert, in Kontexten der Gruppeninteraktion und des Engagements in gemeinsamen kulturellen Praktiken stattfindet. Wenn Lernen in diesem Sinn als Akt der Partizipation verstanden wird, dann verschiebt sich das (analytische) Interesse vom Individuum auf die sozialen und kulturellen Mikrowelten, in die eine Person eingebunden ist.

Sicher ist, dass Lernen heute weniger denn je an Lernorte im traditionellen Verständnis gebunden ist. Es kann fast überall stattfinden. Und es ist oft nur sehr schwer als spezifische Aktivität identifizierbar. Zum Beispiel verschwimmen in Gegenwartsgesellschaften die für das Kindheitsprojekt der Moderne konstitutiven Grenzen zwischen Spielen, Lernen und Arbeiten. Unabweisbar erscheint mir eine paradoxe Gesamtbilanz zeitgenössischen Lernens: Obwohl Kinder und Jugendliche immer mehr Zeit in Schulen und pädagogischen Institutionen verbringen, dominiert Entschulung in nie gekanntem Maße die Lernerfahrungen der Heranwachsenden innerhalb und außerhalb schulischer Einrichtungen.

Dass Lernen heute „life-wide“ stattfindet, ist die eine Seite der Veränderung. Die andere für die Kindheitsforschung mindestens ebenso wichtige Veränderung besteht darin, dass Lernen von den Zeitgenossen bekanntlich „lifelong“ erwartet wird. Anders als beim traditionellen Schullernen erwerben Kinder – z. B. im Umgang mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien – keine Kompetenzen mehr, die es ihnen ermöglichen, nach Abschluss der Schulzeit mit dem Lernen aufzuhören.

Der Status des „Werdens ohne Ende“

stellt den neuen Standard dar.

Dieses „never finished“ ist ein Stück weit verallgemeinerbar. Anders als noch vor ein paar Jahrzehnten ist kein Ende der Lernreise in Sicht. Die vor allem und von allen Zeitgenossen geforderte Kompetenz besteht darin, sich auf unvorhersagbare künftige Anforderungen und Umstände einstellen zu können. Der Zustand des Werdens erfasst den gesamten Lebenslauf. Begriff und Forderung lebenslangen Lernens unterstreichen, dass der Status des „Werdens ohne Ende“ den neuen Standard darstellt.

ERWEITERUNG DER SPIELARTEN?

Die Kinder, die ich zu Beginn meines Beitrags vorgestellt habe, sind inzwischen in den Vierzigern, gehören also zur heutigen Elterngeneration. Ob in den kulturellen Orientierungen und Praktiken der Angehörigen dieser Generation Religion noch eine besondere Rolle spielt, ob sie ihren Kindern noch Religion vorleben, ob sie religiös interessierter oder informierter sind als ihr Nachwuchs, ist zweifelhaft.

Der soziokulturelle Wandel hat dazu geführt, dass die Eltern von heute ihren Kindern in Fragen des Glaubens oft nur wenige oder keine Antworten geben (können). Die Religion von Grundschulkindern setzt sich in Deutschland und anderen europäischen Ländern nicht selten aus den Versatzstücken zusammen, die sie in ihren Alltagswelten mitbekommen und verarbeiten können. Nach dem bisher Gesagten ist keineswegs ausgemacht, dass die entscheidenden Differenzen zwischen den Angehörigen verschiedener Generationen größer sind als generationale Binnendifferenzen.

LITERATUR

Daun, Ake, Ethnological research on children, in: Ethnologia Scandinavica (1982) 42-52.

Hengst, Heinz/Zeiher, Helga (Hg.), Kindheit soziologisch, Wiesbaden 2005.

Hengst, Heinz, Kindheit im 21. Jahrhundert. Differenzielle Zeitgenossenschaft, Weinheim/Basel 2013.

Lee, Nick, Childhood and society. Growing up in an age of uncertainty, Buckingham 2001.

McLuhan, Marshall, Understanding media, London/New York 1964.

Reckwitz, Andreas, Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine sozialtheoretische Perspektive, in: Zeitschrift für Soziologie (4/2003) 282-301.

Lebendige Seelsorge 5/2017

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