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5. Forschungsverfahren 5.1 Grundsatzüberlegungen
ОглавлениеFriederike Klippel
Im zentralen fünften Kapitel dieses Handbuches geht es um das methodische Kernelement von Forschung: zum ersten um die wesentlichen Verfahren und Werkzeuge für die Datengewinnung und -erhebung sowie die Zusammenstellung von Dokumenten (Kap. 5.2.1 bis 5.2.8), zum zweiten um Verfahren und Instrumente für die Aufbereitung und Analyse von Daten und Dokumenten (5.3.1 bis 5.3.13). Dieses Kapitel ist denn auch bei weitem das umfangreichste des Handbuchs. Die einzelnen Teilkapitel wurden von ausgewiesenen Expert*innen für das jeweilige Verfahren verfasst; wie in Kapitel 4 illustrieren auch hier klare Grafiken die zentralen Vorgehensweisen und Elemente der unterschiedlichen Forschungsmethoden. Während Kapitel 4 die grundsätzlichen Forschungsentscheidungen im Hinblick auf das zu wählende Design, auf Fragen des Samplings oder der Forschungsethik behandelt, also Aspekte der Forschungsmethodologie, geht es hier vor allem um einzelne Forschungsmethoden. Wir verstehen den Begriff ForschungsmethodeForschungsmethode bzw. ForschungsverfahrenForschungsverfahren relativ breit; Methoden oder Verfahren der Forschung bedienen sich unterschiedlicher Instrumente oder Werkzeuge. So arbeitet die Methode der Befragung etwa mit dem Instrument Fragebogen, zu dessen quantitativer Auswertung das Werkzeug SPSS in Anwendung kommen kann. Auch das Interview ist ein Verfahren der Befragung; bei seiner Durchführung kann als Instrument der Interviewleitfaden eingesetzt werden. Bei der Inhaltsanalyse etwa ist ein Instrument das Kodierschema; dazu hilft als Werkzeug eine Software wie z.B. MAXQDA. Allerdings lassen sich Werkzeuge und Instrumente nicht für jedes Forschungsverfahren sauber voneinander trennen. Zugleich sind einige Werkzeuge bei der Anwendung unterschiedlicher Verfahren einsetzbar.
Wenn im Folgenden die Verfahren für historische, theoretische und empirische Forschung in dieser Reihenfolge im Einzelnen vorgestellt werden, dann bedeutet diese Reihung keinerlei Wertung. Desgleichen ist mit der vergleichsweise breiten Darstellung von Verfahren für die empirische Forschung nicht ausgesagt, dass diese Art von Forschung grundsätzlich bedeutsamer sei als andere Forschungsansätze. Es ist jedoch unübersehbar, dass sich die aktuelle Diskussion zu und Beschreibung von Forschungsmethoden fast ausschließlich auf empirische Forschung bezieht, während historische und theoretisch-konzeptuelle Forschung in den gängigen Handbüchern nur selten überhaupt beachtet werden. Insofern betritt dieses Kapitel Neuland, indem es auch diese Herangehensweisen unter forschungsmethodischer Perspektive thematisiert.
Die 21 Teilkapitel bieten eine breite Palette an geeigneten Forschungsmethoden für die Fremdsprachendidaktik, wobei wir selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Da sehr viele Autor*innen an Kapitel 5 mitgewirkt haben, ergibt sich an dieser Stelle des Handbuchs eine gewisse Vielfalt der Stile und Sichtweisen. Zudem wird deutlich, dass sich einzelne Instrumente und Werkzeuge nicht nur einem, sondern mehreren Verfahren zuordnen lassen, da gewisse Affinitäten zwischen unterschiedlichen Verfahren bestehen. In einem Handbuch, das Hilfen für die eigene Forschungsarbeit oder zur Betreuung von Qualifikationsarbeiten bereitstellen möchte, sollte es vor allem um eine klare und konkrete Darstellung der einzelnen Verfahren und Instrumente zum gegenwärtigen Zeitpunkt gehen. Diesem Ziel dienen die Übersichts-Grafiken, die fast allen Kapiteln zugeordnet sind. Weniger wichtig erschien es daher aus Sicht der Herausgeber*innen, historische Entwicklungen von einzelnen Methoden, bestimmte Schulenbildungen oder Kontroversen zu einzelnen Forschungsmethoden detailliert zu referieren.
Dieses Kapitel, in dem sehr viele Forschungsmethoden vorgestellt werden, mag vielleicht den Charakter eines Menüs suggerieren, aus dem man nach Geschmack beliebig auswählen kann. Sich über unterschiedliche Zugangsweisen in der Forschung zu informieren, hat jedoch immer das Ziel, die für das jeweilige Forschungsvorhaben am besten geeignete Methode zu finden. Die Passung von Forschungsfrage und Forschungsmethode spielt in jeder Forschungsarbeit eine zentrale Rolle. Nicht jedes Verfahren eignet sich zur Bearbeitung jeder Forschungsfrage; vielmehr muss auf der Basis des treibenden Erkenntnisinteresses überlegt werden, wie man am besten zu Ergebnissen gelangt. Die eingesetzten Forschungsmethoden und ihre Instrumente sind zudem nicht wertneutral, sondern tragen eine bestimmte Perspektive, ein bestimmtes Menschenbild in sich. Daher gibt es durchaus gewisse Affinitäten zwischen dem Wissenschafts- und Forschungsverständnis individueller Forscher*innen und deren bevorzugter Wahl von bestimmten Forschungsmethoden.
Neben die individuellen Präferenzen treten zeitbedingte Strömungen. Jede Epoche besitzt häufigere und weniger beachtete Ausprägungen von Forschung, und zwar sowohl im Hinblick auf die beforschten Bereiche und Themen als auch auf die forschungsmethodischen Ansätze. Schließlich durchläuft auch die Forschungsmethodologie generell durch die fortwährende Forschungstätigkeit eine Entwicklung, die zur Verfeinerung, Ausweitung, Schärfung, Neuentwicklung oder auch zum Aufgeben bestimmter Verfahren führen kann. Noviz*innen in der Forschung sollten daher bestehende Methoden oder Designs nicht einfach unreflektiert übernehmen, sondern – abhängig von der Forschungsfrage – durch ihre Ideen und Experimentierfreude dazu beitragen, auch die Forschungsverfahren weiterzuentwickeln. Anregungen dazu können aus der Kombination unterschiedlicher Methodologien, der Modifikation bekannter Verfahren oder aus benachbarten Disziplinen kommen. Allerdings muss dabei beachtet werden, dass sich nicht alles mit allem sinnvoll kombinieren lässt, da den einzelnen Ansätzen unterschiedliche Auffassungen von Forschung zugrundeliegen können (s. Kap. 2). Dass solche forschungsmethodischen Innovationen in Qualifikationsarbeiten zudem nur in Absprache mit den betreuenden Wissenschaftler*innen vorgenommen werden sollten, ist selbstverständlich.
Betrachtet man die in diesem Kapitel vorgestellten Verfahren mit dem Ziel, unterschiedliche Arten des Forschens zu unterscheiden, dann ließe sich eine grobe Differenzierung in eher zyklischeVorgehenzyklisches und eher lineare Vorgehensweisenlineare Vorgehensweisen treffen. Hermeneutische, inhaltsanalytische und hypothesen-generierende Ansätze beruhen ebenso wie die historische Forschung auf einer wiederholten Befassung mit den zu analysierenden Texten, Dokumenten und Daten. Demgegenüber ist die hypothesenprüfende Vorgehensweise stärker linear und umfasst eine Reihe von klar definierten, aufeinanderfolgenden Schritten. Eine Rückbindung an die theoretische Grundlegung, die man als zyklisches Element ansehen könnte, erfolgt in diesen Verfahren vor allem im Zuge der Interpretation und Diskussion der Ergebnisse.
Angesichts der Fülle der möglichen forschungsmethodischen Zugriffe ist es für Forschungsnoviz*innen oft schwer, sich für ein bestimmtes Verfahren zu entscheiden. Die Wahl der Forschungsmethode ist eine zentrale Weichenstellung für die gesamte Arbeit und bedarf gründlicher Überlegung. Dieses Kapitel soll dabei helfen, die gesamte Breite der forschungsmethodischen Optionen und deren besondere Stärken bewusst werden zu lassen. Als Illustration für ein spezifisches Vorgehen dienen jeweils Referenzarbeiten, die als Beispiele ausgewählt wurden, weil in ihnen die forschungsmethodische Umsetzung besonders gelungen ist. Insofern liefert dieses Großkapitel auch die Möglichkeit, an guten Beispielen zu lernen.