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2. Kapitel: Kirche, Papsttum und weltliche Gewalt Stellung und Probleme des Papsttums in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts

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Seit der Selbstbehauptung gegenüber den salischen Kaisern war die Stellung des Reformpapsttums in ganz Europa unumstritten. Allerdings verzichteten die Päpste zumeist darauf, ihre Autorität in gleicher Konsequenz politisch gegenüber den Königen Europas zur Geltung zu bringen. Trotz einzelner Konflikte um verschiedene Bischofserhebungen war das Verhältnis zum französischen Königtum durch einen grundsätzlichen Verständigungswillen bestimmt, der beiden Seiten zum Vorteil gereichte und schließlich in ein persönliches Freundschaftsbündnis zwischen Paschalis II. und den französischen Königen Philipp I. und Ludwig VI. mündete. Den zunächst noch auf die Krondomäne um die Île-de-France beschränkten Kapetingern eröffnete diese Verbindung die Möglichkeit, die eigenen, auf den ganzen Westen des ehemaligen Karolingerreichs zielenden Ansprüche noch intensiver religiös zu legitimieren. Als Schützer des Papstes behaupteten die französischen Könige fortan eine besondere kirchliche Dignität, die unabhängig vom Kaisertum in karolingische und merowingische Zeit zurückreichte.

Auch im Verhältnis zum englischen Königtum wurden Fragen der Organisation und der Rangkonkurrenz innerhalb der Landeskirche wichtiger als die am Beginn des 12. Jahrhunderts mit großer päpstlicher Kompromissbereitschaft gelöste Investiturfrage. Schon Erzbischof Lanfrank von Canterbury (1070–1089) hatte von seinem Yorker Amtskollegen ein Gehorsamsversprechen gefordert. Während Lanfranks Nachfolger Anselm von Canterbury gegen den König mit dem Papst gekämpft hatte, kämpfte jetzt Anselms Nachfolger mit dem König gegen den Yorker Konkurrenten, der wiederum beim Papst Unterstützung fand.

Weniger günstig gestaltete sich die politische Situation in Italien: Während der Konflikte mit den Saliern hatten die Reformpäpste bei den Normannen Rückhalt gefunden. Der weitergehende Herrschaftsausbau der normannischen Fürsten und deren Machtkonkurrenz wurden aber schon für Calixt II. wieder zum Problem. Mit Roger II. (1095–1154) erwuchs dem Kirchenstaat schließlich ein übermächtiger Nachbar, der die jurisdiktionelle Autorität des Papstes über die Kirche in Sizilien und Süditalien weitgehend ausschaltete und seine politische Herrschaft in Mittelitalien bedrohte. Nachdem auch eine Exkommunikation des Normannen wirkungslos geblieben war, lenkte Papst Honorius II. ein und belehnte Roger mit Apulien, Kalabrien und Sizilien.

Die erste große Erschütterung der päpstlichen Stellung kam allerdings aus der römischen Kirche. Stellte sich das Kardinalskollegium in der Kritik an den päpstlichen Zugeständnissen im Wormser Konkordat vor allem als Verteidiger der Kirchenreformen dar, so traten gleichzeitig eigene Interessen der Kardinäle immer deutlicher in den Vordergrund. Die meisten verfügten jetzt über verwandtschaftliche Verbindungen zur stadtrömischen Führungsschicht, deren Rivalitäten auf das Kardinalskollegium durchschlugen. Daraus resultierten Interessensgegensätze und Gruppenbildungen, die im Jahr 1130 zum Schisma führten. Nach dem Tod Honorius’ II. (1124–1130) erhob eine Gruppe unter Führung des Kanzlers Haimerich den Kardinaldiakon Gregor von S. Angelo zum Papst: Innozenz II. (1130–1143). Während dessen Wähler von der Adelsfamilie der Frangipani unterstützt wurden, erhob eine andere Gruppe ein Mitglied der wahrscheinlich jüdischstämmigen Familie Pierleoni. Petrus Pierleoni, der sich Anaklet II. (1130–1138) nannte, war vor seiner Berufung zum Kardinal Mönch in Cluny gewesen; an geistlicher Bildung und Reformgesinnung stand er seinem Rivalen nicht nach. Erst im Rückblick erscheint Innozenz II. als Mann der kirchlichen Zukunft, weil er von den Kräften unterstützt wurde, die in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts die auf die ganze Kirche ausstrahlende Erneuerung des religiösen Gemeinschaftslebens bestimmten (s.u. S. 38–44). Neben dem alten Reformzentrum Cluny mit seinem Abt Petrus Venerabilis sprachen sich vor allem Zisterzienser und Prämonstratenser mit ihren herausragenden Führungsfiguren, Bernhard von Clairvaux und Norbert von Xanten, für Innozenz aus. Sie konnten weite Teile der Kirche West- und Mitteleuropas sowie den französischen und den deutschen König auf dessen Seite ziehen. Dabei entschieden weniger ideologische Übereinstimmungen und Argumente als vielmehr die Infrastruktur und die Kommunikationsnetze der neuen religiösen Gemeinschaften für Innozenz II. Anaklet II. besaß demgegenüber zwar zunächst in Rom und Italien das Übergewicht, weil er auf die Unterstützung der Normannen gesetzt hatte, doch brachte ihn dieses Bündnis schon geografisch in eine Randposition, aus der er sich bis zu seinem Tod nicht mehr lösen konnte.

Die Unterstützung für Anaklet II. brachte dem Normannenherrscher Roger II. die Königskrone aus der Hand dieses Papstes, die im Jahr 1139 auch dessen siegreicher Kontrahent Innozenz II. anerkennen musste, nachdem Kaiser Lothar III. aus Italien abgezogen und bald darauf gestorben war.

Nach der schnellen Resignation eines von Anaklets Anhängern erhobenen Nachfolgers konnte die Überwindung des Schismas wiederum auf einer Synode im Lateran, in der katholischen Tradition als „Zweites Laterankonzil“ (1139) zu den ökumenischen Konzilien gezählt, dokumentiert werden. Unter den tradierten Reformthemen wurde dem Zölibatsgebot besondere Aufmerksamkeit gewidmet: Kanon 7 erklärte jede von Mönchen und Klerikern der höheren Weihegrade geschlossene Ehe für ungültig, ein kirchenrechtlich entscheidender Schritt über das bloße Verbot der Klerikerehe hinaus. Zukunftsweisend war ferner der Synodalkanon 28, der die Bischofswahl den Domkapiteln überantwortete.

Seit der Beilegung des Konfliktes mit den salischen Kaisern hatten die Päpste Rom zum administrativen Zentrum der Kirche ausgebaut (s.u. S. 34f.). Doch das Schisma brachte eine erste Unterbrechung dieser Entwicklung, und schon der Nachfolger des Papstes Innozenz II. musste im Jahr 1144 wiederum die Stadt verlassen und unter den Schutz der Normannen fliehen. Der Grund war dieses Mal eine Erhebung der Römer gegen die päpstliche Stadtherrschaft. Das stand im Zusammenhang mit den kommunalen Bewegungen, die sich seit der Mitte des 11. Jahrhunderts in verschiedenen Städten Italiens und Frankreichs gegen die Herrschaft der zumeist geistlichen Stadtherren gebildet hatten. Mit der Einsetzung eines Senats und zweier Konsuln knüpften die Römer aber auch an Vorstellungen von den besonderen Institutionen des antiken Rom an; wirksam waren zudem die Gegensätze zwischen den städtischen Aristokratenfamilien. Eine zusätzliche antiklerikale Spitze erhielt diese Bewegung durch den von Innozenz II. in Rom aufgenommenen Arnold von Brescia (s.u. S. 49), der gegen den Reichtum von Papst und Kirche predigte.

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