Читать книгу Solidarität - Группа авторов - Страница 7

Die europäische Situation ist insofern einzigartig, als wir es mit einem Ringen um den Aufbau einer Gemeinschaft zu tun haben, die auf eine konfliktreiche und von Tragödien belastete Geschichte (die beiden Weltkriege, Auschwitz, die Trennung Europas in einen Westen und einen Osten) zurückblicken muss1 und gleichzeitig jene Werte als universale zu vertreten sucht, die die europäische Philosophie geprägt haben – wie etwa die Werte von Freiheit, von Gleichheit, von Menschenwürde, die auch von der jüdisch-christlichen Tradition gespeist sind. Daraus ergeben sich Verunsicherungen: Wie sollen wir mit dem Wert der Toleranz angesichts des Terrorismus umgehen? Was bedeutet Menschenwürde mit Blick auf den Anfang und das Ende des Lebens? Wie sollen wir die Gleichheit der Menschen verstehen, wenn wir doch einen klaren Unterschied machen, zwischen europäischen Staatsbürgerinnen und -bürgern und allen anderen Menschen? Diesen Fragen will diese Buchreihe nachgehen.

Die Frage nach europäischen Werten wird in Zeiten einer Finanz- und Wirtschaftskrise noch brisanter. Gerade in Krisen zeigen sich die Quellen moralischer Orientierung und Kraft. Und gerade in Krisen kommt es auf diese Quellen an. Die Resilienzforschung, die die Hintergründe von Widerstandskraft und Wiederaufbaufähigkeit erkundet, hat soziale Faktoren und Wertedimensionen als entscheidende Aspekte der Stärkung von Widerstandskraft genannt.2 Wertefragen spielen in einem unter Druck stehenden Unternehmen eine entscheidende Rolle3; wenn die Zeiten schwerer werden, sind geteilte Wertvorstellungen die Quelle für die Kraft für mühsame Vorhaben, die Orientierung wie Kraft vermitteln. In diesem Sinne sind die Fragen nach den europäischen Werten nicht Luxus in einer wie auch immer gearteten Bedürfnispyramide, sondern Fundament, auf das man stößt, wenn man gräbt – oder wenn man fällt.