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BLICK NACH OSTEN

Die Entwicklung der mittel- und osteuropäischen Länder und Regionen in den letzten hundert Jahren beweist: Nahezu alles ist möglich. In dieser relativ kurzen Zeitspanne haben die Länder ihre Unabhängigkeit wiedererlangt, sie haben im Zweiten Weltkrieg großes Leid erfahren, totalitäre und autoritäre kommunistische Regime kommen und gehen sehen und schließlich ihren Weg zurück nach Europa gefunden – von der zweiten in die „erste Peripherie“ der entwickelten Welt. Zu Beginn der EU-Mitgliedschaft der mittel- und osteuropäischen Länder schien die These vom „Ende der Geschichte“ plausibel zu sein. Diese Hoffnungen werden in jüngster Zeit jedoch durch unerwartete Phänomene infrage gestellt, die neue Herausforderungen für die neuen Mitgliedstaaten mit sich bringen.

Dabei ragen zwei Herausforderungen besonders heraus: eine politische und eine wirtschaftliche. Nach einer ersten Phase der institutionellen Annäherung breiten sich seit einigen Jahren neue rechtspopulistische Bewegungen in den meisten Ländern Mittel- und Osteuropas aus – mit dem Ergebnis, dass die europäischen Werte der freiheitlichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch Zentralisierungsbestrebungen abgelöst, Verfassungsordnungen verletzt und gar Elemente autoritärer Herrschaft eingeführt werden. Die Migrationskrise von 2015–2016 hat diese Entwicklung verschärft: Alle mittel- und osteuropäischen Länder lehnen die Haltung der EU zu dieser Frage ab. Das Konzept der Osterweiterung wird zurzeit zwar noch nicht offen infrage gestellt, scheint jedoch geopolitisch weniger naheliegend zu sein als noch vor zehn Jahren.


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Die Coronapandemie schafft neue Herausforderungen für die Wirtschaft. Es sei daran erinnert, dass der wirtschaftliche Erfolg mittel- und osteuropäischer Länder weitgehend ihrer Eingliederung in globale Wertschöpfungsketten und der Verlagerung vieler Industriezweige von West- nach Osteuropa zu verdanken war. Ausländische Direktinvestitionen trugen maßgeblich zum Innovations- und Technologietransfer bei. Heute stehen die Versorgungsketten, von denen die mittel- und osteuropäischen Volkswirtschaften hochgradig abhängig sind, aufgrund der coronabedingten globalen Rezession enorm unter Druck. Auch der für Mittel- und Osteuropa bedeutsame Tourismussektor wird von der Pandemie stark gebeutelt.

Diese beiden Herausforderungen haben eine klare regionale Dimension. Die politischen Veränderungen gehen ganz eindeutig zulasten der lokalen und regionalen Regierungen, die in einigen Ländern Mittel- und Osteuropas bereits starken Einfluss im institutionellen Gefüge der öffentlichen Verwaltung erlangt hatten. Die Wirtschaftskrise kann die Ballungsräume treffen, die sich zum Motor der postsozialistischen Transformation entwickelt und ausländische Direktinvestitionen in moderne, wissensintensive Dienstleistungen angelockt haben. Die Umstellung auf Telearbeit kann die Beschäftigungssituation in den Metropolen verändern und dazu führen, dass in den größten Städten Mittel- und Osteuropas viele neue Bürogebäude und Wohnungen leer stehen und in Hotels und touristischen Einrichtungen die Gäste ausbleiben. Analog dazu kann die Schwächung industrieller Netzwerke die weitere Entwicklung von mittel- und osteuropäischen Industrieregionen gefährden, die den Strukturwandel bereits erfolgreich bewältigt haben – großteils mit Hilfe von westeuropäischem Kapital (heute unter dem protektionistischen Druck mehrerer EU-Regierungen).

Ist Pessimismus angebracht? Wahrscheinlich nicht, haben die mittel- und osteuropäischen Länder doch über die letzten hundert Jahre bewiesen, dass sie auch größten Schwierigkeiten gewachsen sind. Zudem können sie heute auf Ermutigung, Hilfe und Unterstützung seitens der Europäischen Union hoffen, die von den Gesellschaften Ost- und Mitteleuropas sehr geschätzt wird – auch wenn die politischen Eliten teilweise europaskeptisch klingen (solange es nicht um Finanztransfers geht).

Blick nach Osten: Eine regionale Betrachtung

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