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Lojze, Vinzidorfbewohner. Ein Gruß.

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Ich kannte ihn nicht. Überhaupt nicht. Ihn, den Lojze Marjan, Vinzidorfbewohner und längst schon zu Grabe getragen, im Frühling.

Ich kannte ihn nicht. Überhaupt nicht. Bin ihm wahrscheinlich niemals begegnet, von Angesicht zu Angesicht.

Aber etwas geschieht mit mir, als ich eine Fotografie dieses Mannes, eingebettet in die berührenden Abschiedsworte von Pfarrer Pucher, in der Zeitschrift „Armendienst“ sehe. Es reißt mir das Herz auf. Mit einem Mal bin ich diesem Bild völlig ausgeliefert.

Das Gesicht strahlt. Es ist ein Strahlen, das ganz und gar von innen her kommt. Ein Strahlen und inwendiges Leuchten, das bis zum innersten Kern meiner Seele vorzudringen vermag.

Ich kannte ihn nicht. Überhaupt nicht. Aber ich kann kaum den Impuls unterdrücken, in das schwarz-weiße Abbild dieses Menschen hineinzufassen, diesen seinen Kopf zu umfangen, zu halten, zu wiegen, zu bergen, in eine unbenennbare grenzenlose Zärtlichkeit zu betten. Eine besondere großformatige Zärtlichkeit, die entschädigen soll für all das Übermaß an Hartem und Schwerem, für all das schmerzhaft Fehlende und bitterlich Vermisste, die zahlreichen Bürden der Vergangenheit.

Ich kannte ihn nicht. Überhaupt nicht. Den Herrn Lojze Marjan, aus Pettau gebürtig, in Slowenien, am Leben 1943 bis 2008.

Tränen rinnen unbarmherzig über meine Wangen. Ich muss mich hinsetzen und standhalten. Meine unvorbereitete, unerwartete Trauer zulassen.

Da ist jemand fortgegangen, heimgegangen, dessen Menschsein nicht von Verhärtung und Bitterkeit über die Schläge und das vielfache Misslingen des Lebens, seines Lebens, gekennzeichnet war, sondern – ganz gegenteilig – von tiefer Dankbarkeit für die Aufnahme in diese tragende, schützende, Geborgenheit vermittelnde einzigartige Vinzidorfgemeinschaft, aber auch gekennzeichnet von sichtbarer Zufriedenheit über das ihm spät, aber doch Zuteilgewordene. In seinen Zügen kann man eine außergewöhnliche Herzenswärme erspüren. Wie warme Energie, so sagte es mein Sohn. In diesen Zügen liegt aber auch der Ausdruck einer seltenen, einer beispielhaften Bescheidenheit. Und Würde. Und die Erfülltheit aus seinem Tun als Verantwortlicher der Dorfwerkstätte.

In zahllosen Begegnungen mit Menschen, die in Wohlstand und gemeinhin als glückvoll bezeichneten Umständen leben, habe ich nach dieser Größe innerer Haltung vergeblich gesucht.

Ich kannte ihn nicht. Überhaupt nicht. Ihn, den Lojze Marjan, ehemaliger Vinzidorfbewohner.

Ihm gilt mein Gruß. Auf geheimen Wegen wird ihn die Botschaft erreichen. Ganz sicher.

Du bist vor Anker gegangen

in Wellen gelber Wärme

Lautlos vereinten sich Strudel prickelnder Sehnsucht

im befriedeten Innen

Filigraner Wonnetau weht übers Jetzt

Und Schaukelschiffe aus dem Gestern ankern in der Ruhebucht

Wellen gelber Wärme wiegten in den Schlaf

Und du weißt nun

Silberglanzgeborgenheit nistet im Horizont

Und vielleicht dachtest du einst, wenn auch in anderen Worten:

Vielleicht

wird es wieder ein Erwachen geben

mit buntgefärbten Flügeln

Vielleicht

werden die Gläser sprunglos

mein Morgengesicht grüßen

Vielleicht

wird die Libelle ihren Smaragdmantel

in meinen Horizont gleißen

Vielleicht

werden die Vögel heimkehren

ins breite Weinrankgestrebe

Vielleicht

werden neue Lebensbäche

durch mein Atemgeflecht mäandern

Und vielleicht dachtest du einst:

Dann stückteile ich mein Herz

und verborge es an die Herzlosen.

Du, ein Großherziger, bist schon angekommen

Ohne Schluchtendunkelfliehen lebst und wächst

in Lichterstraßen der Unendlichkeit entgegen.

Ich wird fällig

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