Читать книгу Das Weltreich der Deutschen - Guido Knopp - Страница 6

»DA UND DORT EIN JUNGES DEUTSCH LAND GRÜNDEN«

Оглавление

Berlin, 15. November 1884. An einem trüben Herbsttag hatte sich im großen Festsaal des Reichskanzlerpalais in der Berliner Wilhelmstraße eine ganze Heerschar von Diplomaten im Frack versammelt. Was Rang und Namen unter den Weltmächten hatte, war anwesend: die Vertreter Großbritanniens, Frankreichs, Russlands und vieler weiterer europäischer Staaten sowie die Abgesandten der USA und des Osmanischen Reiches. Sie alle erwarteten gespannt den Auftritt des deutschen Kanzlers. Denn Otto von Bismarck eröffnete an diesem Tag eine denkwürdige Konferenz, die am grünen Tisch über die Zukunft eines ganzen Kontinents entscheiden sollte.

Im Hintergrund des Raumes war eine fünf Meter hohe Wandkarte angebracht, die den afrikanischen Erdteil zeigte. Sie sollte das wichtigste Utensil in den nächsten Wochen werden. Denn obwohl es auf dem Kongress offiziell nur um die Errichtung einer Freihandelszone im Kongo ging, steckten die imperialen Mächte bei der Gelegenheit gleich auch ihre territorialen Ansprüche in Afrika ab – mit Bleistift und Lineal. Die schnurgeraden Grenzlinien vieler afrikanischer Staaten erinnern noch heute an den historisch einmaligen Vorgang: »Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit haben sich die Staaten eines Kontinents zur Aufteilung eines anderen zusammengefunden, eines Erdteils, dessen rechtmäßige Herrscher von dieser Aufteilung nicht einmal Kenntnis hatten«, betont der amerikanische Historiker Godfrey Uzoigwe. Denn Afrikaner waren auf dem Kongress, der später als sogenannte »Kongokonferenz« in die Geschichte einging, nicht anwesend.

Die Europäer waren in Berlin zusammengekommen, um ihre eigenen Interessen zu vertreten, nicht die der Einheimischen, die vollständig entrechtet wurden. Die Hegemonialmächte gingen ganz selbstverständlich davon aus, dass die Eingeborenen sich ohnehin nicht selbst regieren könnten. Quasi als gesamteuropäischer »Entwicklungsauftrag« gegenüber Afrika wurde daher ein »Aufruf« verfasst, in dem sich die anwesenden Großmächte dazu verpflichteten, »die Eingeborenen zu unterrichten und ihnen die Vorteile der Civilisation verständlich und werth zu machen«.

Nicht umsonst besitzt Afrika diese geraden, wie mit dem Lineal gezogenen Grenzen. Vieles davon geht auf die Berliner Kongokonferenz und auf die nachfolgenden Verträge zwischen den einzelnen Kolonialmächten zurück.

HORST GRÜNDER, HISTORIKER

Für Bismarck war die Ausrichtung der internationalen Kongokonferenz ein gewaltiger außenpolitischer Erfolg: Sie besiegelte die Aufnahme des Reiches in den illustren Kreis der Kolonialmächte, in den es wenige Monate zuvor überhaupt erst eingetreten war. Am 24. April 1884 hatte der deutsche Kanzler erstmals einen kaiserlichen »Schutzbrief« für ein Gebiet in Übersee aufsetzen lassen.

Der europäische Hochimperialismus hatte zu dieser Zeit beträchtlich an Fahrt aufgenommen, die »alten« Kolonialmächte – Großbritannien und Frankreich zuallererst – waren eifrig damit beschäftigt, sich weltweit ihre Pfründe zu sichern. In Afrika hatten Briten, Franzosen, Belgier, Spanier und Portugiesen ihre Gebiete längst abgesteckt. Auf der Berliner Kongokonferenz ging es nur noch darum, die Grenzen zu bestätigen und Kriterien für die weitere Aufteilung Afrikas zu bestimmen.

Es schien also fünf vor zwölf zu sein, als auch das Deutsche Reich versuchte, noch einen Teil vom Kuchen abzubekommen. Bei dem Afrika-Monopoly in Berlin schnitt die »verspätete Nation« dann aber gar nicht so schlecht ab: Dem Deutschen Reich wurden Togo, Kamerun, Deutsch-Südwest, Deutsch-Ostafrika sowie Ruanda und Urundi an den großen Seen zugeschlagen.

Mit der Kongokonferenz wurde der Grundstein gelegt für den Aufstieg des kaiserlichen Deutschlands zu einem kolonialen Weltreich. Nur zwanzig Jahre nach dem denkwürdigen Treffen wehte die schwarz-weiß-rote Flagge des Kaiserreichs nicht nur über den auf der Konferenz verhandelten Kolonien Afrikas, sondern unter anderem auch über der Bucht von Kiautschou in China, auf Samoa und in Neuguinea. Ein gewaltiges Gebiet, beinahe sechs Mal so groß wie das Mutterland. Gemessen an seinem neuen überseeischen Landbesitz war das Deutsche Reich damit nun die viertgrößte Kolonialmacht der Welt geworden und herrschte über gut 14 Millionen Eingeborene.

Doch warum strebte das Deutsche Reich überhaupt nach Kolonialbesitz? Welche Wünsche, Hoffnungen und Ziele, aber auch welche Ängste und Sorgen steckten hinter dem kolonialen Projekt? Welche Motive bewegten das Kaiserreich dazu, in allen Winkeln der Welt seine Herrschaft etablieren zu wollen?

Kolonien sind das beste Mittel, um Industrien, Export und Import und schließlich eine geachtete Seemacht zu entwickeln.

FRIEDRICH LIST, NATIONALÖKONOM, 1840

Die deutsche Kolonialgeschichte ist eingebettet in die Geschichte der europäischen Expansionsbestrebungen, die Mitte des 15. Jahrhunderts ihren Ausgang nahmen – in einer Epoche der Entdeckungen und Eroberungen, der »Zivilisierung« und christlichen Missionierung, die auch die Ausbeutung und Unterdrückung fremder Völker nach sich zog. Von Anfang an waren auch Deutsche an kolonialen Projekten beteiligt: So betrieben etwa deutsche Bankhäuser bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts ihre »kolonialen Geschäfte« in der »Neuen Welt«, in Afrika und Indien. Die Nürnberger Weiser etwa gründeten in Venezuela unter spanischer Oberherrschaft ihre eigene Kolonie, die sie indes schon nach dreißig Jahren wieder verloren. Ebenso kurzlebig waren die Versuche des Kurfürsten von Brandenburg im 17. Jahrhundert, in Afrika Fuß zu fassen; eine preußische Festung in Ghana kündet bis heute von der Anwesenheit der Deutschen. Vornehmlich der lukrative Sklavenhandel lockte, doch ohne eine schlagkräftige Flotte mussten all diese Übersee-Unternehmen nach nur wenigen Jahrzehnten wieder aufgegeben werden. Diese frühen kolonialen Experimente hinterließen kaum nennenswerte Spuren in der deutschen Geschichte. Für lange Zeit blieb es danach einigen Kaufleuten, Missionaren und Forschern überlassen, den Kontakt zwischen Deutschland und dem Rest der Welt zu pflegen. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts rückte dabei mehr und mehr ein neues Gebiet in das Zentrum der Aufmerksamkeit – Afrika, ein für die Europäer zu dieser Zeit wirklich noch »dunkler Kontinent«. Denn wegen seines unzuträglichen Klimas und der vielen Tropenkrankheiten galt Afrika lange als »Grab des weißen Mannes«. Die Präsenz der europäischen Kolonialmächte blieb daher für Jahrhunderte auf die Küstengebiete beschränkt, in denen ein etwas angenehmeres Klima herrschte. Erst mit der Entwicklung der Chininprophylaxe in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts sollte sich dies ändern. Nun wurde auch das Landesinnere zum wichtigen Betätigungsfeld für Missionare, welche die Seelen der »armen Schwarzen« retten wollten, für Kaufleute, deren Profitstreben keine Grenzen kannte, und für Forscher, denen für jede große Entdeckung internationaler Ruhm und nationale Ehre winkten.

Als 1848 die Bürger für einen demokratisch verfassten und einheitlichen deutschen Nationalstaat auf die Barrikaden gingen, erschien es vielen nur als folgerichtig, die nationalen Ambitionen auch mit der Idee einer deutschen »Weltpolitik« zu verbinden. Der Wunsch nach Kolonien diente als Projektionsfläche für die Verwirklichung nationaler Einheit und Größe. Erste Kolonialvereine wurden gegründet, die zahlreiche Projekte zur Errichtung eines »Neudeutschlands« in Übersee initiierten – von Plänen zu einer deutschen Besiedlung Palästinas bis zur wirklichen Gründung der Kolonie »Dona Francisca« in Brasilien durch eine in Hamburg ansässige Aktiengesellschaft. Immerhin 8000 Kolonisten brachen zu diesem Experiment nach Südamerika auf. Hoch im Kurs stand ebenso der Ruf nach Kolonialerwerb in Südostasien, im Pazifik, aber auch in Afrika.

Das Flottenprogramm, das man nun aus der Taufe hob, ist aus der bürgerlichen Aufbruchsstimmung heraus zu verstehen, die »allüberall für die Entfaltung der Machtherrlichkeit« des deutschen Volkes sorgen sollte. Die Flotte galt sozusagen als Verkörperung der Prinzipien nationaler Einheit und bürgerlicher Freiheit. »Die See ist die Hochstraße des Erdballs«, schrieb der Vater des Deutschen Zollvereins, Friedrich List, »der Paradeplatz der Nationen; die See ist der Tummelplatz der Kraft und des Unternehmergeistes für alle Völker der Erde.« Mancher Abgeordnete hoffte durch den »Verkehr mit anderen Völkern« auf einen »geistigen Fortschritt« auch in der Heimat: »Die Geschichte zeigt uns, dass handeltreibende Völker der alten und der neuen Zeit es waren, wo sich neben der Civilisation das freieste politische Leben entwickelte.« Doch mit dem Scheitern der Revolution war es auch mit allen Schwärmereien von einem deutschen Kolonialreich vorerst wieder vorbei. Dafür begannen seit dem Ende der 1850er-Jahre private Handelshäuser an der afrikanischen Westküste und im Pazifik damit, ausgedehnte Handelsnetze aufzubauen. Auch die Deutschen mischten mit. Das Hamburger Handelshaus Godeffroy etwa habe sich ein wahres »Handelsimperium in der Südsee« errichtet, so Horst Gründer. Gegen Elfenbein und Gold aus Afrika sowie Kokosöl, Perlmutt und Baumwolle von den fernen Südseeinseln tauschten die Europäer meist Gewehre, allerlei Tand und Schnaps.

Nun wollen wir in Schiffen über das Meer fahren, da und dort ein junges Deutschland gründen. Wir wollen es besser machen als die Spanier, denen die neue Welt ein pfäffisches Schlächterhaus, anders als die Engländer, denen sie ein Krämerkasten wurde. Wir wollen es deutsch und herrlich machen.

RICHARD WAGNER, 1848

Nach der Reichsgründung im Jahr 1871 erhielt die koloniale Begeisterung neuen Auftrieb. Das geeinte deutsche Reich strotzte vor nationalem Selbstbewusstsein und Tatendrang. Die Broschüre eines Missionsleiters mit dem Titel »Bedarf Deutschland der Kolonien?« wurde 1879 zum Bestseller. Die Überlegungen gingen in mehrere Richtungen. Zum einen fürchtete man als Folge der industriellen Revolution eine Bevölkerungsexplosion, eine »Überproduktion von Menschen« (Heinrich von Treitschke), von denen viele ihr Glück wohl in der Ferne würden suchen müssen. 95 Prozent aller Auswanderer, die das Deutsche Reich seit Mitte des Jahrhunderts aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen verlassen hatten, waren in die Vereinigten Staaten von Amerika ausgewandert. Eine Entwicklung, die als »ein schwerwiegender Verlust nationaler Energien« empfunden wurde, wie der Kolonialhistoriker Horst Gründer schreibt. In Zukunft wollte man Auswanderer deshalb in ein »Deutschland in Übersee« umlenken, damit sie sich nicht als »Völkerdünger« in der Welt zerstreuten.

Mit Zirkel und Lineal – die Aufteilung der Kolonien

Auf Einladung des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck trat am 15. November 1884 in Berlin die internationale Afrikakonferenz zusammen. Bis zum 26. Februar des folgenden Jahres entschieden die Diplomaten der 14 teilnehmenden Nationen über eine Neuordnung des afrikanischen Kontinents. Vor einer fünf Meter hohen Landkarte sitzend, nahm man Maß und teilte die neuen Besitzungen, die als »weiße Flecken« auf der Karte galten, unter sich auf. Die Konferenz war der entscheidende Startschuss im Wettlauf um Afrika. Waren bis 1876 nur etwa 10 Prozent des Kontinents in europäischer Hand, änderte sich das in den folgenden Jahrzehnten dramatisch. 1902 herrschten die Kolonialmächte über 90 Prozent des Territoriums.

Die Zeitschrift »Gartenlaube« kommentierte die Konferenz damals so: »Es gab eine Zeit, in welcher eifrige Patrioten warnend ihre Stimme erhoben und von einer Lebensgefahr für die deutsche Nationalität sprachen, die in der zunehmenden Ausbreitung der englischen Kolonialmacht zu suchen wäre. Die Politiker der alten Schule schüttelten ihre Häupter ob dieser sonderbaren Warnung, denn sie konnten nicht begreifen, dass der wachsende überseeische Einfluss Englands und seine Alleinherrschaft auf dem Meere dem deutschen Volke jemals gefährlich werden könnte. Es erhob sich auch bald ein heftiger Streit, und lange Reden für oder wider deutsche Kolonien wurden gehalten. Aber diesmal sollte die neue Strömung nicht spurlos verrinnen, rasch folgte dem Worte die Tat, und über alle Erwartungen schnell war Deutschland in die Reihe der kolonialen Mächte eingetreten. Und die Sache war nicht so schlimm, wie man befürchtete. Die Entfaltung der deutschen Fahne in überseeischen Ländern rief keinen Krieg hervor. Im Gegenteil, am deutschen Herde sammeln sich heute die Völker, um friedlich über die Lösungen schwebender kolonialer Fragen zu beraten; und nur wenige folgten widerwillig dem Rufe des deutschen Kaisers, als Freunde sind die meisten gekommen, selbst der gallische Erbfeind ist als Bundesgenosse erschienen. Im Hause des deutschen Reichskanzlers wird heute über das Schicksal Afrikas beraten – ein Vorgang, der als Verkörperung einer großen geschichtlichen Wendung gelten muss, die für die ganze Welt von unberechenbarer Tragweite ist. Denn von den Beschlüssen dieser Konferenz wird in Zukunft das Schicksal eines ganzen Weltteils abhängen, und sie ist berufen, ein neues Recht auf einem Gebiete zu schaffen, auf dem bis jetzt zumeist Willkür und Waffengewalt herrschten.«

Die Kolonisation ist so schnell und so nachdrücklich als möglich praktisch einzuleiten, damit nicht noch jahrelang der Strom unserer Auswanderung ungehemmt in fremde Rassen abfließt, und nicht noch mehr von den besten außereuropäischen Länderstrecken von Fremden okkupiert werden.

CARL PETERS, 23. MÄRZ 1884

Die Zeit des deutschen Kolonialismus fiel in eine Epoche des Übergangs. Mit dem Beginn der industriellen Revolution hatte sich die Welt so rasch wie nie zuvor gewandelt, die Menschen waren mobiler geworden, die Kontinente rückten immer näher aneinander. Doch immer wieder erschütterten heftige Finanz- und Absatzkrisen die noch junge Weltwirtschaft. Die Befürworter von Kolonialbesitz waren überzeugt, dass in der zunehmenden globalen Konkurrenz um Rohstoff- und Absatzmärkte allein sogenannte »Ergänzungsräume« in Übersee die wirtschaftliche Wohlfahrt einer modernen Industrienation gewährleisten könnten.

Stärkster Motor für die kolonialen Ziele war aber wohl das Bedürfnis des frischgebackenen Nationalstaates, mit den anderen Großmächten gleichzuziehen. »Über Kolonialreiche zu gebieten, auch wenn sie hauptsächlich aus weißen Flecken auf der Landkarte bestanden, wurde Attribut des Machtstaats«, so der Historiker Michael Stürmer. Das junge Deutschland war im Zeitalter der »Weltherrschaft Europas« auf der Suche nach einer Identität, wobei nationales Kraftgefühl nicht selten mit einem übersteigerten »Sendungsbewusstsein« einherging: »Am deutschen Wesen soll die Welt genesen«, formulierte der Dichter Emanuel Geibel schon im Jahr 1861.

Eine Rechtfertigung für die Expansionsbestrebungen fand der europäische Griff nach der Welt in der damals modernen Lehre des Sozialdarwinismus, die das »Recht des Stärkeren« als naturgegeben ansah – und damit als legitim. Eine »stärkere Rasse« besaß nach dieser Lehre demnach auch die Erlaubnis, die Herrschaft über »schwächere« Völker auszuüben.

Reichskanzler Otto von Bismarck hingegen war nie ein großer Befürworter deutscher Besitzungen in Übersee. Er war der Überzeugung, dass sich die Unterwerfung fremder Völker einfach nicht rechne – und befand sich darin in Übereinstimmung mit dem größten Teil der deutschen Wirtschafts- und Finanzwelt. Als ihm ein Abgesandter der Kaiserin Eugénie im Laufe des deutschfranzösischen Krieges 1870 Cochinchina als Gegenleistung für einen Friedensschluss anbot, antwortete Fürst Bismarck: »Oh! Oh! Cochinchina! Das ist aber ein sehr fetter Brocken für uns; wir sind aber noch nicht reich genug, um uns den Luxus von Kolonien leisten zu können«, und forderte stattdessen das Elsass. Nach Bismarcks Meinung waren Kolonien für Deutschland »wie der seidene Zobelpelz in polnischen Adelsfamilien, die keine Hemden haben«. Und noch zehn Jahre später, als das Reich längst geeint war, verkündete der Kanzler: »Solange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik. Wir haben eine Flotte, die nicht fahren kann, und wir dürfen keine verwundbaren Punkte in fernen Weltteilen haben, die den Franzosen als Beute zufallen, wenn es losgeht.«

Neulich sagte der Fürst [Bismarck] zu Bötticher: »Diese ganze Kolonialgeschichte ist ja Schwindel, aber wir brauchen sie für die Wahlen.«

FRIEDRICH VON HOLSTEIN, DEUTSCHER DIPLOMAT, SEPTEMBER 1884

In der deutschen Öffentlichkeit aber wollte die koloniale Diskussion nicht mehr verstummen. Auch die deutschen Handelsoffensiven in Übersee gingen weiter. Hunderte Schiffe waren für die Unternehmer aus Deutschland im Einsatz. Kaufleute wie Woermann operierten in der Südsee und in Afrika, der Bremer Tabakhändler Lüderitz ließ an der westafrikanischen Küste einen Stützpunkt errichten. Im Jahr 1882 gründete Lüderitz an der Küste Südwestafrikas eine weitere Niederlassung, musste aber schon im Jahr darauf das Reich um Schutz anrufen. Als Fürst Bismarck im April 1884 daraufhin den ersten Schutzbrief für ein Gebiet außerhalb des Mutterlandes ausstellte, konnte das koloniale Abenteuer beginnen.

Kolonien, die das Ausplündern verlohnten wie Indien, sind glücklicherweise nicht mehr zu haben, und die Kolonien, die allenfalls noch zu haben sind, bieten infolge der niederen Kulturbedürfnisse der Ein- und Anwohner so geringe Aussichten auf Absatz, dass an eine erhebliche Besserung unseres Handels und unserer Industrie durch eine mehr oder weniger abenteuerliche Kolonialpolitik nicht zu denken ist.

AUGUST BEBEL, SPD, 1881

In kurzer Zeit raffte sich das Deutsche Reich mithilfe dieser Schutzbriefe einen gewaltigen Besitz zusammen: 1884 wurden die Interessensgebiete hanseatischer Handelshäuser an der westafrikanischen Küste unter Reichsschutz gestellt, der Gründungsakt für die Kolonien Kamerun und Togo. Ein Jahr später kam Deutsch-Ostafrika hinzu, während zur gleichen Zeit auch im Pazifik die deutsche Fahne gehisst wurde: auf Neuguinea, im Bismarck-Archipel und auf den Marschall-Inseln.

Nicht von ungefähr nannte Bismarck die Erwerbungen »Schutzgebiete«, denn den Begriff »Kolonien« wollte er vermeiden. Der Kanzler war der Meinung, dass privatwirtschaftliche Interessen Vorrang hätten, Reich und Kaiser lediglich »Schutz« gewähren sollten. Von staatlichen Verwaltungskolonien hielt er wenig – sein Ziel war »der regierende Kaufmann und nicht der regierende Bureaukrat in jenen Gegenden, nicht der regierende Militär und der preußische Beamte«. Die Kolonien sollten sich möglichst selbst verwalten und auch tragen.

Doch Bismarcks Plan scheiterte innerhalb weniger Jahre. Das Versagen der deutschen Investoren, die Konkurrenz der etablierten Kolonialmächte und zahlreiche Aufstände der Eingeborenenstämme zerschlugen sein Konzept. Schon nach vier Jahren mussten alle Protektorate in Reichskolonien umgewandelt werden, um die sich von nun an in Deutschland eine Kolonialabteilung unter dem Dach des Auswärtigen Amtes in Berlin kümmerte.

Durch diese Erfahrung in seiner kritischen Haltung bestätigt, wollte Fürst Bismarck von weiteren kolonialen Erwerbungen des Reiches nichts mehr wissen. Als der Afrikaforscher Eugen Wolf ihm im Jahr 1888 noch mehr Territorien zwischen Kap und Kairo schmackhaft machen wollte, winkte der Kanzler kategorisch ab: »Ihre Karte von Afrika ist ja sehr schön, aber meine Karte von Afrika liegt in Europa. Hier liegt Russland, und hier – nach links deutend – liegt Frankreich, und wir sind in der Mitte; das ist meine Karte von Afrika.« Dass er am liebsten den »Kolonialschwindel« schnell wieder losgeworden wäre, belegt auch die Tatsache, dass er sogar dem Hamburger Senat die Verwaltung der Kolonien anbot. Die Hanseaten jedoch lehnten dankend ab. Das Deutsche Reich würde in Zukunft die Finanzierung der Kolonien wohl oder übel selbst übernehmen müssen – und tat dies mit dem geringstmöglichen Aufwand. Die »ungeliebten« Kolonien waren für Jahrzehnte unterfinanziert, die deutsche Herrschaft in Übersee blieb auch aus diesem Grund lange Zeit fragil.

Die Kolonialskeptiker, allen voran die Sozialdemokraten, fühlten sich in ihrer Haltung bestätigt. »Im Grunde genommen ist das Wesen aller Kolonialpolitik die Ausbeutung einer fremden Bevölkerung in höchster Potenz«, erklärte der Führer der Sozialdemokraten, August Bebel, 1889 im Reichstag. »Wo immer wir die Geschichte der Kolonialpolitik in den letzten drei Jahrhunderten aufschlagen, überall begegnen wir Gewalttätigkeiten und der Unterdrückung der betreffenden Völkerschaften, die nicht selten schließlich mit deren vollständiger Ausrottung endet.« Besonders wurmte Bebel der Gedanke, dass die Kolonien viel Geld kosten, aber nichts einbringen würden. »Und um die Ausbeutung der afrikanischen Bevölkerung im vollen Umfang und möglichst ungestört betreiben zu können, sollen aus den Taschen des Reiches, aus den Taschen der Steuerzahler Millionen verwendet werden. Dass wir als Gegner jeder Unterdrückung nicht die Hand dazu bieten, werden Sie begreifen.« Doch zu dieser Zeit gab es längst kein Zurück mehr. Im Gegenteil.

Nach Bismarcks Entlassung im Jahr 1890 änderte sich die zurückhaltende Politik des Reiches. »Wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne«, donnerte etwa der Staatssekretär im Auswärtigen Amt und spätere Reichskanzler Bernhard von Bülow unter lauten »Bravo«-Rufen im Berliner Reichstag: »Wenn die Engländer von einem Greater Britain reden, wenn die Franzosen sprechen von einer Nouvelle France, wenn die Russen sich Asien erschließen, haben auch wir Anspruch auf ein größeres Deutschland.« Auch für Kaiser Wilhelm II., der im Jahr 1888 den Thron bestieg, war »Weltpolitik« ein erklärtes Ziel. Unter seiner Herrschaft setzte eine »zweite Welle« der Kolonisierung ein: 1897 annektierte das Deutsche Reich Kiautschou in China, nur zwei Jahre später kamen die pazifischen Inselgruppen der Marianen und Karolinen sowie Palau und fast ganz Samoa hinzu. Die »zu spät gekommene Nation« hatte in kurzer Zeit ein beeindruckendes Kolonialreich zusammengerafft, das eine glänzende Zukunft im illustren Kreise der Weltmächte versprach.

Die hochgesteckten Erwartungen sollten sich indes nicht erfüllen. Fast alle Kolonien des Deutschen Reiches wurden zu einem staatlich bezuschussten Verlustgeschäft, die Kosten beliefen sich von 1884 bis 1914 nach Abzug der Einnahmen aus Steuern und Zöllen immer noch auf satte 646 Millionen Mark. Der Warenverkehr zwischen Mutterland und Kolonie war dagegen kaum der Rede wert, Export und Import blieben für das Reich deutlich unter einem Prozent der Außenhandelsbilanz. Hinzu kam, dass die zahlreichen Aufstände und Kriege in den Kolonien nicht nur einen gewaltigen Blutzoll forderten, sondern auch Unsummen verschlangen. So beliefen sich die Kosten allein für die Militäreinsätze in Deutsch-Südwestafrika, in Deutsch-Ostafrika und in China auf insgesamt 825 Millionen Mark. Während der Steuerzahler. über Jahrzehnte das koloniale Abenteuer finanzieren musste, profitierte nur eine Handvoll Kaufleute und Unternehmer vom kolonialen Handel – das aber zum Teil mit beträchtlichem Gewinn.

Der Zustrom deutscher Siedler in die neuen Kolonien war ebenfalls enttäuschend. Die meisten Auswanderer zog es auch nach Gründung der Schutzgebiete wie jeher in Richtung Amerika. 1914 lebten gerade einmal 24 000 Deutsche in den Kolonien, die Hälfte davon in Deutsch-Südwestafrika. Die Prognosen über eine drohende Überbevölkerung im Deutschen Reich hatten sich nicht bewahrheitet, die letzte große Auswanderungswelle endete anno 1893. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts herrschte sogar Arbeitermangel im Reich.

Innenpolitisch boten verschiedene »Kolonial-Skandale« immer wieder Anlass für hitzige Debatten im Reichstag. Viele Kolonisten setzten ihr Regiment in Übersee mit maßloser Gewalt durch. Die Prügelstrafe zur »Züchtigung« der Einheimischen und Zwangsarbeit wurden fester Bestandteil des kolonialen Staates. Begünstigt wurde dies auch dadurch, dass eine Vielzahl Europäer, die in den Kolonien lebten, von einem rassistischen Weltbild geprägt waren. Die kolonisierten Völker wurden im besten Fall als »Kinder« betrachtet, die man »hart, aber gerecht« erziehen müsse. Im schlimmsten Fall wurden sie als die Diener einer »Herrenrasse« angesehen, deren Willkür sie hilflos ausgeliefert waren. Das galt auch für die sexuelle Ausbeutung einheimischer Frauen. 90 Prozent der Deutschen in den Kolonien hatten eine oder mehrere Konkubinen, entsprechend nahm die Zahl der Kinder aus solchen Verbindungen zu. »Mischehenverbote« sollten ausschließen, dass Kinder aus diesen Verbindungen das deutsche Bürgerrecht erhalten konnten.

Der Neger ist ein blutdürstiges, grausames Raubtier, das nur durch die Peitsche des Bändigers in Respekt gehalten werden kann. Der Afrikaner ist von der Vorsehung geschaffen, dem Weißen zu dienen. Wenn sich die Schwarzen weigern, ihre namenlose Faulheit abzulegen, haben sie keine Existenzberechtigung auf Erden.

AUGUST BOSHART, KOLONIALOFFIZIER, »DIE BEHANDLUNG DER EINGEBORENEN IN DEN KOLONIEN«

Im Kaiserreich folgte auf die kurzen Phasen des »Kolonialfiebers« Mitte der 1880er- und Ende der 1890er-Jahre eine allgemeine »Kolonialverdrossenheit«. Für die Mehrheit der Deutschen hatten die teuren Überseegebiete in der Ferne ohnehin keine besonders große Bedeutung. Tatsächlich blieb die Kolonialbewegung in Deutschland immer auf eine Minderheit beschränkt. Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs zählte die Deutsche Kolonialgesellschaft nur 42 000 Mitglieder, während zum Beispiel im Flottenverein über zwei Millionen Deutsche organisiert waren.

Zumindest aber schienen sich am Vorabend des Ersten Weltkriegs die Verhältnisse in den deutschen Kolonien, die lange von Misswirtschaft und Ausbeutung, Krisen und Aufständen geprägt waren, zu bessern. Nach Einsetzen eines deutschen Reformprogramms seit 1907 konnten die deutschen Untertanen in den Kolonien auf eine humanere Behandlung und mehr Rechtssicherheit vertrauen. Der Ausbau der Infrastruktur – Eisenbahnen, Straßen, Brücken und Häfen – wurde vorangetrieben, die Verwaltung rationalisiert. Doch mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs endete die deutsche Kolonialgeschichte abrupt.

Nach nur einem Jahr Krieg waren mit Ausnahme Deutsch-Ostafrikas alle deutschen Gebiete in Übersee von den Mächten der Entente besetzt. Das hielt Kolonialenthusiasten aber nicht davon ab, für den Fall eines Sieges im Weltkrieg Pläne für ein riesiges, mittelafrikanisches Reich zu schmieden, ein »deutsches Indien«, das sich vom Atlantik bis hin zum Indischen Ozean erstrecken sollte. Doch die Realität sah ganz anders aus: In Europa ging der Weltkrieg verloren – eine Tatsache, an der auch der zähe Guerillakampf, den die deutschen Schutztruppen unter der Führung Paul von Lettow-Vorbecks bis zum Ende des Krieges in Deutsch-Ostafrika führten, nichts ändern konnte. Nach dem Ende des Weltkriegs hoffte das Reich auf einen milden Frieden. Umso größer war die Empörung im Land, als bekannt wurde, dass Deutschland alle seine Kolonien gemäß dem Vertrag von Versailles verlieren würde. Die Alliierten begründeten diesen Schritt mit »Deutschlands Versagen auf dem Gebiet der kolonialen Zivilisation«. Ein Vorwurf, gegen den sich fast alle Parteien energisch verwahrten. Bald schon machte das Wort von der »kolonialen Schuldlüge« die Runde. Vor allem rechte Parteien profitierten von der allgemeinen Ablehnung dieser Bestimmung des Friedensvertrags von Versailles: »Die ›Kolonialschuldlüge‹ wurde zum elementaren Bestandteil der ›Kriegsschuldlüge‹, jenes schleichenden Gifts, das zusammen mit der Dolchstoßlegende der Weimarer Republik zusetzte«, so Horst Gründer. War das Thema Kolonien in der Öffentlichkeit des Kaiserreichs oftmals mit Desinteresse oder gar Ablehnung behandelt worden, so protestierten 1919 in einer Unterschriftenaktion 3,8 Millionen Deutsche gegen den »Raub der Kolonien«. Selbst für besonnene Politiker wie Gustav Stresemann und Konrad Adenauer wurde die Rückforderung der einstigen Kolonien zu einer politischen Selbstverständlichkeit. Denn »was deutsch war, muss wieder deutsch werden« – die Kolonialbewegung rührte in der Weimarer Republik emsig die Propagandatrommel: Eine Welle an Erinnerungsliteratur, an Vorträgen und Umzügen, an Devotionalien wie Bierdeckeln oder Aschenbechern mit kolonialen Motiven überschwemmte den jungen Staat. Immer wieder machte nun auch das Wort vom »Volk ohne Raum« die Runde. Die einst krisengeschüttelten, teuren Kolonien wurden zum Inbegriff der vergangenen Pracht und Größe. Doch in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre flaute das Interesse wieder ab, andere Fragen wurden drängender. 1927 dürfte Thomas Mann vielen Deutschen aus der Seele gesprochen haben: »Ich glaube, dass die Ereignisse uns gelehrt haben, unsere Freiheit von kolonialem Gepäck als einen Vorteil zu empfinden.«

Die Führer der Kolonialbewegung sahen das freilich anders. Sie suchten – und fanden – Ende der 1920er-Jahre für ihre revisionistischen Ziele einen neuen Verbündeten im Land: den Nationalsozialismus. Hitler ließ keinen Zweifel daran, dass er alles daran setzen würde, um Deutschland wieder Weltgeltung zu verschaffen. »Die Wegnahme der Kolonien bedeutet für uns einen unersetzlichen Verlust«, soll Hitler bereits 1919 geäußert haben. Lange schien es nach der »Machtergreifung« der Nazis 1933 so, als wäre die Rückgewinnung der Übersee-Kolonien ein wichtiger Punkt im Programm der NSDAP. Dass die SA ihre braunen Uniformen von den Schutztruppen übernommen hatte, mochte dabei als symbolische Brücke dienen. Tatsächlich aber waren die Kolonien in Übersee für Hitler nur von sekundärer Bedeutung. Seine Pläne zielten vielmehr auf die Eroberung von »Lebensraum im Osten«, wie er schon in »Mein Kampf« gefordert hatte.

Bis 1941 tauchte dennoch immer wieder die Idee eines großen Mittelafrika-Reichs in deutschen Strategieentwürfen auf. Nach ersten Siegen des Afrikakorps schien eine Realisierung dieses Plans für kurze Zeit auch zum Greifen nah, in Berlin wurde bereits ein eigenes »Kolonialministerium« eingerichtet. Nach dem Angriff auf die Sowjetunion musste der Afrikaplan zurückgestellt werden. Die »Ostkolonisation« hatte Vorrang. Die Niederlagen Rommels in Afrika ließen den Traum vom Kolonialreich dann endgültig zerplatzen. 1943 wurde das »Kolonialministerium« aufgelöst, die Beamten wurden zur Wehrmacht eingezogen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnte von einer kritischen Aufarbeitung der Kolonialgeschichte lange Zeit keine Rede sein. Bis in die 1960er-Jahre hinein wurde die koloniale Vergangenheit eher verklärt. Kolonialhelden wie Paul von Lettow-Vorbeck, der legendäre »Löwe von Afrika«, galten vielen nach wie vor als leuchtende Vorbilder. Die Präsenz der kolonialen Vergangenheit in Denkmälern und in Straßennamen erregte nirgendwo Anstoß. Überdeckt von der Erfahrung zweier katastrophaler Weltkriege, geriet die koloniale Vergangenheit Deutschlands mehr und mehr in Vergessenheit. Erst seit den 1970er-Jahren setzte ein Umdenken ein – und eine Diskussion, die bis heute anhält. Die blutigen Kriege der Kolonialzeit und die Unterdrückung Einheimischer warfen die Frage nach Schuld und Sühne auf – und nach Kontinuitäten in der deutschen Geschichte.

Innerhalb einer Generation hat Deutschland ein ganzes überseeisches Reich gewonnen und wie der verloren. Die Weltgeschichte weist wenige Kapitel auf, die gleichzeitig von solcher Bedeutung, so knapp im Umfang, so in sich abgeschlossen und politisch so lehrreich wären.

ARTHUR PERCIVAL NEWTON, BRITISCHER HISTORIKER, 1919

Auch in den einstigen Kolonien blieb nach Erlangung der Unabhängigkeit der Umgang mit dem deutschen Erbe zwiespältig. Unvergessen sind Ausbeutung, Unterdrückung und die verlustreichen Kriege gegen die Kolonialherren. So forderte eine Organisation der Herero 2001 vor einem Zivilgericht in den USA von der Bundesrepublik Entschädigungsleistungen für die hundert Jahre zuvor im Hererokrieg erlittenen Schäden. Dem Antrag war indes kein Erfolg beschieden. Der Bundestag lehnte 2008 sämtliche Forderungen ab, obwohl die damalige Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, bereits vier Jahre zuvor bei einem Besuch in Namibia erklärt hatte: »Wir Deutschen bekennen uns zu unserer historisch-politischen, unserer moralischen und unserer ethischen Verantwortung – und zu der Schuld, die Deutsche damals auf sich geladen haben.«

Doch ebenso unvergessen ist in vielen der ehemaligen Kolonien, dass die deutsche Herrschaft auch den Grundstein für die Bildung einer Nation und eines modernen Staates gelegt hat. Die Etablierung einer zentralen Verwaltung zum Beispiel und die Einführung einer einheitlichen Amtssprache trug in mehreren ehemaligen Kolonialstaaten wesentlich zum Prozess des »Nationbuilding« bei. In vielen der einstigen Kolonien wird heute noch immer die Infrastruktur genutzt, die von den Kolonisten errichtet wurde.

Das koloniale Erbe ist – positiv wie negativ – an vielen Orten bis heute lebendig. Doch welche Geschichten verbergen sich hinter so klingenden Namen wie Bismarck-Archipel, Lüderitzbucht oder Kilimandscharo? Wer waren die Deutschen, die einst in den Kolonien lebten? Welchen Einfluss nahmen sie auf die Gebiete? Die Geschichten der Protagonisten aus drei der wichtigsten deutschen Kolonien – Deutsch-Südwestafrika, das Südsee-Gebiet und Deutsch-Ostafrika – erzählen vom vergessenen »Weltreich der Deutschen«. Es sind Geschichten von Gewinnern und Verlierern, von Glück und Schicksalsschlägen, Helden und Schurken. Sie erzählen nicht zuletzt auch davon, dass kein Mensch und keine Nation das Recht besitzt, mit Gewalt über Andere zu herrschen.

Das Weltreich der Deutschen

Подняться наверх