Читать книгу Butler Parker 149 – Kriminalroman - Gunter Donges - Страница 3

Оглавление

Butler Parker war äußerst angenehm berührt.

Er befand sich auf der Akropolis und ließ die Schönheiten der Tempelanlagen auf sich wirken. Er hatte sich den alles beherrschenden Parthenom angesehen und war hinübergewechselt zum Erechtheion und genoß das Ebenmaß der Karyatiden, jener marmornen Frauenfiguren, die das Dach dieses kleinen Tempels trugen. Josuah Parker übersah und überhörte das Stimmengewirr der vielen Besucher, die wie Heuschrecken ausgeschwärmt waren und den Tempelberg von Athen bevölkerten.

Josuah Parker war nicht allein nach Athen gekommen. Er begleitete Lady Agatha Simpson, die es sich urplötzlich in den Kopf gesetzt hatte, Griechenland zu besuchen. Für den Kriminal-Bestseller, den sie zu schreiben gedachte, benötigte sie einige Lokalstudien von Athen. Da die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte, immens vermögend war, spielte dieser kleine Ausflug für sie überhaupt keine Rolle. Sie hatte an einer Stadtrundfahrt teilgenommen, sich mit Prospekten versorgt und ihren Butler gebeten, einige Farbfilme zu belichten. Sie plante, bereits einen Tag später wieder nach London zurück zu fliegen.

Im Augenblick war die Lady nicht zu sehen. Sie hatte sich unters Volk gemischt, und der Butler brauchte sich keine Sorgen zu machen. Mit einem Kriminalfall war hier nicht zu rechnen. Dennoch blieb er nicht zu lange vor dem Erechtheion stehen. Er kannte schließlich das unberechenbare Temperament seiner Herrin, die keiner Auseinandersetzung aus dem Weg ging. Zudem gab es hier oben auf der Akropolis Scharen von ambulanten Händlern, die den Touristen einmalige Kaufangebote machten und mit Grabungsfunden lockten. Josuah Parker verließ also die Schönheiten aus Marmor, schlenderte zurück zu den Propyläen und entdeckte dann Lady Agatha, die sich gerade von zwei Männern trennte, die es eilig hatten, den Tempelberg zu verlassen.

»Da sind Sie ja endlich, Mr. Parker«, sagte sie und nickte ihm wohlwollend zu, »wie lange wollen Sie noch zwischen den Trümmern herummarschieren?«

»Mylady haben sich an der klassischen Schönheit der Tempelanlagen ergötzt?« erkundigte sich Josuah Parker.

»Nun übertreiben Sie nicht gleich«, gab sie zurück, »es geht nichts über den Trafalgar Square in London, Mr. Parker ... Sehen Sie sich doch diese Unordnung an! Überall Steine und Trümmer. Kennen die Griechen keine Müllabfuhr?«

»Es handelt sich um, wenn ich dies in aller Bescheidenheit sagen darf, steinerne Zeugnisse einer ruhmreichen Vergangenheit«, bemerkte Josuah Parker.

»Nun ja«, meinte die Lady, »Sie liefern mir da gerade ein nettes Stichwort, Mr. Parker: ruhmreiche Vergangenheit.«

»Mylady verspüren den Atem der Geschichte hier auf der Akropolis?« fragte Parker hoffnungsfroh.

»Papperlapapp, Mr. Parker.« Sie winkte ihn näher zu sich heran. »Ich verspüre nicht den Atem der Geschichte, nein, ich habe sie in meinem Pompadour, um genau zu sein.«

»Mylady erwecken mein bescheidenes Interesse.«

»Ich habe Bronze aus Mykenä gekauft. Was sagen Sie jetzt?«

»Mylady sehen meine Wenigkeit überrascht und erstaunt.«

»Eine einmalige Gelegenheit, Mr. Parker«, flüsterte sie fast, »ein kleines Standbild, eine Krieger-Plastik.«

»Würden Mylady meine Wenigkeit in den Genuß eines flüchtigen Anblicks kommen lassen?«

»Doch nicht hier, wo es von Spitzeln nur so wimmelt«, sagte sie betont vorsichtig. »Sie wissen doch, daß der Kauf solcher Altertümer verboten ist.«

»Mylady konnte sich von der Echtheit des Kunstwerks überzeugen?«

»Selbstverständlich«, behauptete sie, »eine Lady Simpson führt man nicht hinters Licht, Mr. Parker, das sollten Sie aber inzwischen wissen.«

»Gewiß, Mylady. Darf man höflichst fragen, was Mylady zahlten?«

»Achtzig Pfund«, flüsterte sie nun wieder, »und mit weiteren Altertümern ist fest zu rechnen.«

»Mylady planen, noch mehr Kostbarkeiten dieser Provenienz zu erstehen?«

»Natürlich«, entgegnete sie triumphierend, »man muß die Gelegenheiten nützen. Kommen Sie, ich glaube, ich werde bereits beobachtet.«

Parker war zwar nicht dieser Ansicht, doch er deutete eine knappe Verbeugung an, lüftete die schwarze Melone und geleitete seine resolute Herrin zum Eingangstor. Sie ließ den perlenbestickten Pompadour freudig pendeln.

»Werde ich noch immer verfolgt?« fragte sie dann, als man das Tor passiert hatte, »ich möchte mich nicht umdrehen. Das könnte auffallen.«

»Mylady dürften die Verfolger abgeschüttelt haben«, erklärte Parker in seiner höflichen Art, »möchten Mylady sich noch das Dionysos-Theater ansehen, das im sechsten Jahrhundert vor der Zeitwende errichtet wurde?«

»Mein Bedarf an Antike ist gedeckt«, gab sie zurück, »man kann alles übertreiben, Mr. Parker. Zudem habe ich meine Bronze-Plastik. Die werde ich jetzt erst in Sicherheit bringen. Und Sie sollten dafür sorgen, daß ich sie durch den Zoll bringe. Lassen Sie sich etwas einfallen, Mr. Parker ...«

»Wie Mylady wünschen.« Parker war durch nichts zu erschüttern. Zudem ahnte er, was seine Herrin da gekauft hatte. Bronzestücke dieser Art wurden sicher zu Hunderten an einem Vormittag an Touristen verkauft. Ein ganzer Berufszweig lebte davon. Daher war Josuah Parker auch etwas irritiert, als zwei Männer in hellen Sommeranzügen genau auf Lady Simpson und ihn zukamen. Sie machten einen entschlossenen, sogar verbissenen Eindruck.

Josuah Parker entging keineswegs, daß die beiden Männer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Schulterhalfter trugen, die sicher nicht leer waren.

*

»Ihre Handtasche«, forderte der Mann mit dem ausgeprägten Schnurrbart. Er hatte sich vor Lady Agatha aufgebaut und griff ahnungslos nach dem perlenbestickten Pompadour der älteren Dame, der an langen Lederriemen an ihrem linken Handgelenk hing. Der Grieche sprach übrigens ein recht passables Englisch.

»Was soll das?« donnerte Agatha Simpson, »wollen Sie sich an einer hilflosen Dame vergreifen, Sie Lümmel?«

»Die Handtasche«, wiederholte der Mann und wurde nachdrücklicher. Er ahnte keinesweges, in welcher Gefahr er bereits schwebte. Er wußte nichts vom Inhalt des Pompadours. In ihm befand sich nämlich der sogenannte »Glücksbringer« der Lady Agatha, ein echtes Pferdehufeisen, das aus Gründen der Humanität nur oberflächlich in dünnen Schaumstoff gehüllt war.

»Würden die Herren sich möglicherweise identifizieren?« schaltete sich der Butler ein. Er hatte mitbekommen, in welch gefährliche Schwingungen der Pompadour geraten war.

»Los, machen Sie schon!« Der zweite Mann, ein wenig kleiner als der erste, verlor die Geduld und faßte leichtsinnigerweise nach den Lederriemen des Handbeutels. Bevor er seine Finger jedoch zu schließen vermocht, verfärbte er sich und produzierte ein ersticktes Keuchen. Dann verbeugte er sich tief vor der älteren Dame und faßte nach seinem rechten Schienbein, gegen das Lady Simpson getreten hatte.

»Sie Flegel«, tobte die Sechzigerin, »Sie wollen mich tatsächlich unsittlich belästigen?«

Der erste Mann schaute fassungslos auf seinen Begleiter, bekam einen roten Kopf vor Wut und wollte die ältere Dame angreifen. Er übersah dabei den Pompadour, der von unten nach oben pendelte und sich auf seine linke Backenseite legte.

Das Resultat war beeindruckend.

Der Mann knickte in der Hüfte ein, verlor das Gleichgewicht und legte sich anschließend entkräftet auf die mächtigen Quadersteine, mit denen der Boden bedeckt war. Dann scharrte er noch ein wenig mit den Füßen und schloß unmittelbar darauf die Augen.

»Mr. Parker, schützen Sie mich vor diesen Unholden«, verlangte die ältere Dame, um sich dann anklagend an die Touristen zu wenden, die einen ersten, vorerst noch schütteren Halbkreis gebildet hatten. Nach dieser Aufforderung an ihren Butler verbreitete Agatha Simpson sich über die rohen und verwilderten Sitten gewisser Griechen und machte ihren Zuhörern deutlich, daß sie nicht gewillt war, sich bestehlen zu lassen.

Man applaudierte der Lady und würdigte ihren Mut und ihre Einsatzbereitschaft. Sie maß den am Boden liegenden Mann mit grimmigem Blick und versetzte dann dem anderen, auf einem Bein tanzenden Frechling einen energischen Rippenstoß. Daraufhin verlor auch er verständlicherweise sein Gleichgewicht, rutschte weg und legte sich auf seinen Begleiter.

»Kommen Sie, Mr. Parker«, sagte sie dann mit ihrer baritonal gefärbten Stimme, »ich möchte mich nicht weiter provozieren lassen.«

Parker lüftete die schwarze Melone und geleitete Lady Simpson die breite Treppe hinunter. Aus Gründen einer gewissen Vorsicht war es seine Absicht, möglichst schnell in die engen Gassen der Altstadt hinabzusteigen. Parker hatte die Schulterhalfter unter den Jacketts der beiden Männer keineswegs übersehen. Er konnte sich zudem diesen Zwischenfall nicht erklären. Sollte dies alles tatsächlich nur mit der Bronze zusammenhängen, die Lady Simpson für achtzig Pfund sich hatte aufschwätzen lassen? Plastiken dieser Art wurden doch überall feilgeboten und stammten seiner Ansicht nach keineswegs aus einem vorgeschichtlichen Grab.

»Sie haben hoffentlich bemerkt, wie gut mein Kauf gewesen ist, Mr. Parker«, betonte Lady Agatha selbstzufrieden, »man wollte ihn mir wahrscheinlich wieder abjagen und erneut verkaufen. Aber mit einer Agatha Simpson kann man so etwas nicht machen!«

»In der Tat, Mylady«, pflichtete Parker seiner Herrin höflich bei, »haben Mylady bedacht, daß die beiden Männer möglicherweise Angehörige der hiesigen Polizei sein könnten?«

»Das würde mir nichts ausmachen«, erwiderte sie prompt, »aber sicherheitshalber werde ich mich natürlich umgehend beschweren, Mr. Parker, setzen Sie sich mit der britischen Botschaft in Verbindung. Solch eine Attacke kann ich nicht hinnehmen.«

»Die beiden Männer dürften die Verfolgung aufnehmen, Mylady.« Parker drehte sich um und hielt Ausschau nach den beiden Trägern der hellen Sommeranzüge. Noch waren sie nicht zu sehen.

»Was macht das schon«, gab sie erfreut zurück, »ich bin bereit, mich mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Eine Lady Simpson nimmt jede Herausforderung an, das sollten Sie wissen!«

Parker wußte es nur zu gut...

*

»Ein recht hübscher Nachmittag«, meinte Lady Simpson eine halbe Stunde später im Hotel. Das weltbekannte Haus am Syntagma-Platz bot einen herrlichen Blick auf das königliche Schloß und den angrenzenden Park. Lady Agatha aber hatte für das alles keinen Blick. Sie packte ihre Bronze-Plastik aus und bewunderte sie nachgiebig. Die kleine Statuette sah in der Tat archaisch aus, erinnerte entfernt an ein langbeiniges Strichmännchen und vermittelte dennoch überzeugend den Eindruck von Altertum und Weihe.

»Man sieht’s doch auf den ersten Blick«, stellte die ältere Dame fest, »echter kann keine Grabbeigabe sein, Mr. Parker. Ich hoffe, Sie sind nicht anderer Meinung!«

»Mein bescheidenes Kunstverständnis, Mylady, reicht nicht aus, ein endgültiges Urteil zu fällen«, erwiderte Josuah Parker, »auf jeden Fall aber scheint es sich um ein Kunstwerk besonderer Art zu handeln.«

»Nicht wahr?« Sie sah ihn triumphierend an. »Und das für nur achtzig Pfund. Geschenkt, würde ich sagen.«

»Meine Wenigkeit dachte mehr an die beiden Männer, die es wagten, Mylady zu belästigen«, redete der Butler weiter, »ohne Grund kann dies nicht geschehen sein.«

»Natürlich nicht, Mr. Parker«, freute sich Lady Agatha diebisch; »man hat eingesehen, daß ich einen Spottpreis gezahlt habe.«

»Waren es jene beiden Männer, die Mylady die Statuette anboten, wenn man fragen darf?«

»Aber nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber das interessiert mich auch nicht weiter. Sie haben die Lupe besorgt?«

»Selbstverständlich, Mylady.« Josuah Parker reichte seiner Herrin eine große Lupe, mit der sie ihre Beute näher untersuchen wollte. Er hatte sie sich unten an der Rezeption des Hotels geben lassen. Lady Agatha nahm in einem bequemen Sessel Platz, holte die Statuette vom Tisch und unterzog sie einer ausgiebigen Musterung. Josuah Parker hingegen war auf den Balkon der Hotelsuite getreten und schaute hinüber auf den Vorplatz des Gebäudes.

Die ältere Dame hielt das kleine Kunstwerk in der linken Hand und murmelte anerkennende Worte. Sie war mehr denn je davon überzeugt, einen einmaligen Fang gemacht zu haben. Sie schaute sich den rohen Bronzeguß mit der schwarz-grünen Patina wohlgefällig an und blickte dann zu Parker hinüber, der gerade wieder ins Zimmer trat.

»Sie hätten wahrscheinlich ein Vermögen dafür ausgegeben«, behauptete sie.

»Eine Möglichkeit, Mylady, die keineswegs auszuschließen ist«, lautete die Antwort des Butlers.

»Oder Sie hätten den einmaligen Wert dieser Figur nicht erkannt«, stichelte sie munter weiter.

»Auch dies, Mylady, hätte zutreffen können.«

»Man muß eben einen besonderen Blick für solche ... Was ist denn das?!« Sie stutzte, schob die Hand mit der etwa zwanzig Zentimeter großen Statuette näher an ihre Augen heran und prüfte mit der Lupe nach. Ihr Gesicht nahm einen sehr ernsten Ausdruck an und färbte sich leicht rot.

»Mylady haben eine Entdeckung gemacht?« erkundigte sich Parker in seiner höflichen Art.

»Ich ... Ich weiß nicht recht«, murmelte sie, »noch glaube ich an eine Täuschung.«

»Mylady werden sicher in wenigen Sekunden endgültige Gewißheit haben.«

»Made in Hongkong«, las sie leise, aber durchaus deutlich, »das ... das kann doch nicht wahr sein, Mr. Parker!«

»Die Kron-Kolonie Hongkong dürfte mit Sicherheit zur Zeit des griechischen Altertums noch nicht gegründet worden sein«, verlautbarte der Butler.

»Made in Hongkong«, wiederholte die bestürzte Lady noch mal. Ihr Gesicht hatte sich inzwischen krebsrot gefärbt, »Mr. Parker, was sage ich dazu?«

»Mylady wurde offensichtlich das Opfer eines kleinen Betruges«, antwortete der Butler.

»Kleiner Betrug? Achtzig Pfund, Mr. Parker! Das lasse ich mir nicht gefallen! Warum haben Sie mich nicht gewarnt? Es wäre Ihre Pflicht gewesen, mich auf diesen Irrtum aufmerksam zu machen!«

»Mylady tätigten diesen Kauf, wenn ich darauf verweisen darf, ohne meine Anwesenheit«, erklärte Parker gemessen.

»Sie hätten es eben wissen müssen«, meinte sie grollend, »selbstverständlich will ich mein Geld zurück haben.«

»Dies, Mylady, wird sich nur schwer bewerkstelligen lassen.«

»Die Einzelheiten kümmern mich nicht, Mr. Parker. Tun Sie endlich etwas!«

»Myladys Wunsch wird meiner Wenigkeit Befehl sein«, erwiderte der Butler, »wenn Mylady mich für einen Moment entschuldigen wollen ...«

Parker ergriff seine schwarze Melone, deutete eine knappe Verbeugung an und verließ das Zimmer. Er hatte unten vor dem Hotel die beiden sommerlich gekleideten Männer ausgemacht, als er auf dem Balkon war. Parker gedachte, diese beiden Verfolger in ein kurzes Gespräch zu verwickeln.

*

Josuah Parker blieb etwa drei Minuten allein in der Halle des Hotels, dann erschienen bereits die sommerlich Gekleideten, die einen leidenden Eindruck machten. Einer von ihnen humpelte leicht, der andere zeigte ein einseitig geschwollenes Gesicht. Beide Lädierte nahmen links und rechts von Parker in Sesseln Platz.

»Sie kennen uns?« fragte der Mann, dessen Wange geschwollen war. Er sprach etwas zischend, was wohl mit einem inzwischen locker sitzenden Backenzahn zu tun hatte.

»Versuchten Sie nicht, Lady Simpson zu belästigen?« erkundigte sich der Butler.

»Und das wird auch so bleiben«, trumpfte der Mann auf, »aus der Belästigung kann noch viel mehr werden, verlassen Sie sich darauf!«

»Könnten Sie mir freundlicherweise diesen Satz interpretieren?«

»Wir wollen die Statuette zurückhaben«, sagte der andere Mann, »sobald das geschehen ist, werden Sie uns nicht wiedersehen. Sie werden dann keinen Ärger mehr mit uns haben.«

»Darf ich mir gestatten, Ihnen vorab ein Kompliment zu machen?« fragte Josuah Parker, »Es ist Ihnen auf geschickte Weise gelungen, Mylady und meine Wenigkeit zu verfolgen.«

»Kleinigkeit«, sagte der Wangengeschädigte, »wir sind ja schließlich keine Anfänger.«

»Und noch mal wird man uns nicht reinlegen«, sagte der andere Mann, »wer konnte denn auch wissen, daß die Dame so hart zuschlagen würde. Wir sind einfach überrascht worden.«

»Ihre Lady wird für die Statuette natürlich entschädigt werden«, erklärte der Mann, der eindeutig Schwierigkeiten mit seinem Backenzahn hatte.

»Sie denken an die achtzig Pfund?«

»Sie hat achtzig Pfund bezahlt?« Der Mann lächelte schief.

»Sie bekommt sie zurück. Und dazu noch eine andere Figur, die garantiert aus dem Altertum stammt.«

»Wenn Sie erlauben, werde ich Mylady diesen Vorschlag unterbreiten.«

»Wir werden das Kriegsbeil für eine halbe Stunde begraben«, bekam Parker zu hören, »danach werden wir zu anderen Mitteln greifen. Das ist keine leere Drohung.«

»Sie scheinen sich demnach für Hongkong-Nachbildungen zu interessieren.«

»Wieso Hongkong-Nachbildungen?«

»Ein Warenzeichen, das dies ausweist, ist auf der Unterseite der kleinen Statuette deutlich zu erkennen, falls man eine wirksame Lupe benutzt.«

»Zerbrechen Sie sich nicht unseren Kopf. Hören Sie, wir werden gleich mit Ihnen rauf zu der Lady fahren.«

»Mylady könnte sich gestört fühlen, Mylady dürfte um diese Zeit ein wenig meditieren.«

»Wir gehen«, sagte der Mann, der an seiner Wange tastete, »Sie wissen hoffentlich, daß wir nicht unbewaffnet sind.«

»Dies ist meiner Aufmerksamkeit keineswegs entgangen. Ich weiche natürlich der Gewalt, wenn ich so sagen darf.«

Parker erhob sich und schritt würdevoll hinüber zum Fahrstuhl. Die beiden Männer, von denen jeder etwa dreißig Jahre zählte, folgten zwanglos, doch sie ließen keinen Zweifel daran, daß sie einen Fluchtversuch des Butlers im Keim ersticken würden.

»Darf ich unterstellen, daß die von Mylady gekaufte Statuette einen Wert repräsentiert, der von einem Laien gar nicht abzuschätzen ist?« fragte Josuah Parker, als man im Fahrstuhl stand.

»Je weniger Sie wissen, desto besser für Sie und die Lady«, meinte der Mann, der Schwierigkeiten mit seinem Bein hatte.

»Ein Hinweis, den man keineswegs auf die sogenannte leichte Schulter nehmen sollte«, erwiderte Josuah Parker, um anschließend die scharfe Spitze seines Universal-Regenschirms auf die Zehenpartie des links von ihm stehenden Mannes zu stoßen.

Dieser Mann, der bereits Ärger mit seinem Bein hatte, zog zischend die Luft in die Lungen und wurde von einer mächtigen Schmerzwelle überflutet. Er senkte unwillkürlich den Kopf und kam daher mit dem bleigefütterten Bambusgriff des Regenschirms in Kontakt. Der Mann verdrehte daraufhin die Augen und rutschte an der Wand des aufwärtsstrebenden Fahrstuhls hinunter.

Der zweite Mann war natürlich aufmerksam geworden, hatte die Lage allerdings noch nicht völlig durchschaut. Er schob sich von der Wand ab, gegen die er sich gelehnt hatte, und beugte sich vor, um an Parker vorbei besser sehen zu können.

Er sah allerdings nur eine erstaunliche Fülle von bunten Sternen, da der Butler es nicht versäumt hatte, den Griff des Schirmdaches gegen seinen Magen zu drücken. Der Mann gurgelte, schnappte nach Luft und besuchte anschließend ebenfalls den Bodes des Fahrstuhles.

Josuah Parker kümmerte sich nur noch um den Tascheninhalt der beiden Männer, lüftete dann in seiner höflichen Art die schwarze Melone und verließ anschließend den Fahrstuhl, um zu Lady Simpson zurückzugehen. An den beiden Männern war er im Moment nicht weiter interessiert. Er wußte mit letzter Sicherheit, daß er sie wiedersehen würde.

*

»Wenn man Sie braucht, sind Sie natürlich nicht da«, behauptete Lady Agatha gereizt und funkelte Parker an. Sie saß fest verschnürt im Sessel und schien giftig. Ihr Haar war zerzaust, ihre Bluse leicht eingerissen.

»Mylady erhielten ungebetenen Besuch?« fragte Parker, während er fachkundig die Stricke löste, mit denen man seine Herrin gefesselt hatte.

»Man hat mich auf unfaire Art überlistet«, sagte sie, »angeblich wollte das Zimmermädchen Handtücher bringen.«

»Mylady sehen meine Wenigkeit bestürzt.«

»Es waren drei Personen«, sagte sie, als sie endlich wieder frei war, »eine junge Frau und zwei Männer. Alles natürlich Gangster.«

»Mylady wurden in eine handgreifliche Auseinandersetzung verwickelt?« fragte Parker.

»Ich habe es diesen Subjekten gegeben«, sagte sie, »einem der Lümmel dürfte ich das Nasenbein gebrochen haben. Es war ein herber Schlag.«

»Darf man erfahren, Mylady, aus welchen Gründen dieser ungebetene Besuch abgestattet wurde?«

»Man wollte mir diesen Tand aus Hongkong abjagen«, gab sie zurück, »aber das ist den Gangstern nicht gelungen.«

»Mylady befinden sich nach wie vor im Besitz der kleinen Statuette?«

»Natürlich, was dachten Sie denn?« Sie zwinkerte ihrem Butler zu und erhob sich. Dann deutete sie auf das Strichmännchen aus Bronze, auf dem sie gesessen hatte. Die kleine Figur hatte sich unter der ansehnlichen Körperlast der Lady ein wenig verformt. Agatha Simpson hob die Figur hoch, betrachtete sie einen Moment und warf sie dann verächtlich auf ein Sofa.

»Mylady verfügen über eine Geistesgegenwart, die man nur als traumhaft bezeichnen kann«, behauptete Josuah Parker, »man durchsuchte die Hotelsuite?«

»Nur flüchtig, Mr. Parker. Viel Zeit scheinen die drei Subjekte nicht zu haben. Man konnte mich übrigens nur fesseln, weil man mich mit einem Revolver bedrohte.«

»Mylady beugten sich der nackten Gewalt«, konstatierte Josuah Parker, »eine Entscheidung, die man nur als weise bezeichnen kann und muß.«

Während Parker zum nahen Sofa ging, um sich die Statuette anzusehen, fragte Agatha Simpson nach den beiden sommerlich gekleideten Verfolgern. Parker gab die gewünschte Auskunft und handelte sich prompt ein Grollen ein.

»Sie haben diesen Lümmeln die Freiheit geschenkt?« entrüstete sie sich dann intensiv. »Ich hätte sie unbedingt verhören müssen.«

»Die beiden Herren werden mit Sicherheit erneut Myladys Weg kreuzen«, stellte Parker fest, »bis zu diesem Zeitpunkt wissen Mylady sicher mehr über diese Statuette.«

Er hatte sie in die Hand genommen und wog sie nachdenklich. Er konnte sich diese Bronzefigur zum ersten Mal aus nächster Nähe ansehen, und Parker war beeindruckt. Schon nach wenigen Sekunden wußte er, warum die kleine Figur so begehrt war.

»Werfen Sie diese Imitation in der Papierkorb«, forderte Lady Agatha ihr auf, »ich möchte an dieses Geschäft nicht mehr erinnert werden.«

»Mylady mögen verzeihen, daß meine Wenigkeit sich erlaubt, entschieden zu widersprechen«, ließ Parker sich vernehmen. Er hob die Statuette höher und präsentierte sie seiner Herrin.

»Achtzig Pfund für diese Imitation«, ärgerte sich Lady Agatha.

»Achtzig Pfund für eine Statuette aus reinem Gold, Mylady.«

»Wie war das?« Sie sah den Butler entgeistert an.

»Diese angebliche Bronzefigur besteht offensichtlich aus Gold, wie man bereits am Gewicht unschwer erkennen kann.«

»Gold?« Ihre Stimme klang ein wenig belegt.

»Davon, Mylady, sollte man ausgehen. Die letzte Sicherheit wird allerdings erst eine Prüfung durch den Fachmann erbringen.«

»Lassen Sie doch mal sehen ...« Sie griff nach der Figur und ging an ein Fenster. Dann kratzte sie mit ihrem Fingernagel an der Patina und machte sich anschließend daran, das Figürchen zu verbiegen.

»Ich ahnte doch gleich so etwas«, meinte sie dann und schaute den Butler triumphierend an, »ich wollte es natürlich nicht sagen, aber ich ahnte es. Sie müssen zugeben, Mr. Parker, daß man eine Lady Simpson wirklich nicht hereinlegen kann, oder?«

»Mylady muß man immer wieder Bewunderung zollen«, entgegnete Josuah Parker, der mit dieser Behauptung gerechnet hatte. In seinem glatten Pokergesicht rührte sich selbst jetzt kein Muskel.

*

Josuah Parker sah sich die Statuette noch mal gründlich an, während Agatha Simpson hinüber in ihr Schlafzimmer gegangen war, um sich umzuziehen. Parker benutzte die Lupe, um damit das »Made in Hongkong« genau zu studieren. Er hatte sich inzwischen vergewissert, daß die angebliche Bronze tatsächlich aus massivem Gold bestand.

Er konnte sich diesen mehr als seltsamen Widerspruch nicht erklären. Warum, so fragte er sich, hatte man das Gold als Bronze getarnt? Warum war die kostbare Statuette für den lächerlichen Preis von achtzig Pfund an Lady Agatha verkauft worden? Warum hatte man das »Made in Hongkong« eingestempelt?

Wer aber mochten die beiden Männer sein, die um das Geheimnis der kleinen, zwanzig Zentimeter hohen Figur wußten? Wer war der Verkäufer dieser Figur gewesen? Hatte er nicht gewußt, um was es sich tatsächlich handelte? Parker entschied sich, dies erst mal zu unterstellen.

Zwei Herren hatten versucht, Lady Agatha die Statuette bereits auf der Akropolis abzunehmen. Sie waren ihr und ihm, Josuah Parker, bis ins Hotel gefolgt. Wer mochten die beiden Männer und die Frau sein, die Lady Simpson im Zimmer überfallen hatten? Gehörten sie einer Bande an? Handelte es sich um zwei verschiedene Gruppen?

»Ich habe mich entschlossen, noch mal zur Akropolis zu gehen, Mr. Parker«, sagte die ältere Dame, als sie zurück in den Wohnraum der Suite kam. Sie hatte sich umgekleidet, was man allerdings kaum sah. Die stattliche Lady hatte ihre majestätische Fülle in ein viel zu weites Tweed-Kostüm gehüllt, ihre Lieblingskleidung, die sie bereits vorher getragen hatte.

»Mylady möchten sich noch mal an dem klassischen Ebenmaß der Tempelbauten erfreuen?« fragte Parker.

»Ich möchte versuchen, eine zweite Figur zu bekommen«, erwiderte sie, »ein besseres Geschäft könnte ich kaum machen, Mr. Parker.«

»Mylady würden sich einer akuten Gefahr aussetzen.«

»Schnickschnack, Mr. Parker, ich bin nicht ängstlich.«

»Darf man fragen, warum die drei Eindringlinge hier in der Suite so plötzlich das Feld räumten?« erkundigte sich der Butler.

»Weil angerufen wurde«, gab Lady Agatha wegwerfend zurück, »irgendwer läutete. Die junge Frau ging ans Telefon, hörte nur kurz zu und forderte die beiden Flegel dann auf, schleunigst zu verschwinden. Ich nehme an, daß sie so etwas gesagt hat, denn Griechisch versteht ja kein vernünftiger Mensch.«

»Man verzichtete also darauf, die Suite und Myladys Gepäck eingehend zu durchsuchen?«

»Man hätte nichts gefunden. Ich saß ja auf der Statuette«, meinte sie triumphierend, »und keine Gewalt der Welt hätte mich dazu gebracht, aufzustehen, Mr. Parker. Ich wußte, daß ich auf einem Goldschatz saß.«

»Eine Geschichte, Mylady, die man nur als rätselhaft bezeichnen kann.«

»Eine Geschichte, die ich klären werde«, erwiderte sie unternehmungslustig, »falls nötig, werde ich noch ein paar Tage länger in Athen bleiben.«

»Mylady wollen darauf verzichten, sich mit der hiesigen Polizei in Verbindung zu setzen?«

»Damit man mir diesen Goldschatz wegnimmt? Mr. Parker, wo denken Sie hin? Ich habe ihn rechtmäßig erworben.«

»Die Statuette könnte gestohlen worden sein.«

»Dann hätte der Besitzer eben besser aufpassen müssen. Jetzt gehört sie mir.«

Sie nahm die Statuette in die Hand und betrachtete sie geradezu liebevoll. Sie wog sie in ihrer rechten Hand und genoß eindeutig das Gewicht, das Gold bedeutete.

»Man sollte vielleicht einen Experten befragen, Mylady, ob diese kleine Statue echt ist, was ihr Alter betrifft.«

»Das interessiert mich nicht, Mr. Parker. Gold ist zeitlos«, lautete die Antwort der Lady, »und nur achtzig Pfund habe ich dafür bezahlt. Es ist einfach nicht zu glauben.«

Parker war nicht in der Lage, dazu Stellung zu nehmen. Wieder mal schien ein Stichwort gefallen zu sein, denn das Telefon läutete. Parker begab sich an den Apparat und nannte seinen Namen.

»Sie kennen mich nicht, mein Name tut auch nichts zur Sache«, sagte eine Männerstimme in einem akzentfreien Englisch, »ist Ihre Lady an weiteren Statuetten interessiert?«

»Mylady hat inzwischen erkannt, daß es sich um eine an sich wertlose Imitation aus Hongkong handelt«, erwiderte Parker höflich, »Mylady möchte nicht noch mal hintergangen werden.«

»Na schön«, gab die Männerstimme klein bei, »aber falls sie interessiert ist, ich meine, es könnte ja sein, dann braucht sie nur um elf ins Station zu kommen. Sie kann mich dort treffen, ich werde mich schon bemerkbar machen.«

Bevor Parker antworten konnte, wurde auf der Gegenseite aufgelegt.

*

»Ich traue meinen Augen nicht, Mr. Parker«, sagte Lady Agatha eine Stunde später, »Sie haben gewußt, wo es weitere Statuetten gibt?«

»Der Chefportier des Hotels war so entgegenkommend, mir einige Adressen zu empfehlen«, erwiderte der Butler. Er hatte den soeben gemieteten Land-Rover vor einem Souvenirladen am Rand der Altstadt angehalten und stieg aus, um Lady Simpson die Wagentür zu öffnen. Doch sie konnte und wollte nicht antworten. Bereits in den beiden Schaufensterauslagen hatte sie eine erhebliche Anzahl jener kleinen Figuren entdeckt, die ihr nur zu bekannt waren. Es handelte sich um überschlanke Bronze-Statuetten, die entweder Rundschild samt Schwert, oder aber eine Leier trugen. Es gab auch sehr vorgeschichtlich aussehende Gestalten, die ihre langen Arme bittend ausstreckten.

»So beeilen Sie sich doch, Mr. Parker«, drängte Mylady, als Parker in seiner beherrscht-korrekten Art die Wagentür schloß.

»Mylady zu Diensten.« Der Butler lüftete seine schwarze Melone, legte sich den Bambusgriff seines Universal-Regenschirmes über den angewinkelten Unterarm und folgte seiner Herrin, die bereits den Souvenirladen stürmte.

Aus dem Hintergrund des Raumes erschien ein kleiner rundlicher Grieche, der eine akute Umsatzsteigerung witterte. Mit schnellem Blick seiner dunklen Augen hatte er die beiden Eintretenden als Engländer eingestuft. Er fragte deshalb in gutem Englisch nach den diversen Wünschen der Kunden.

»Keine Umstände, mein Lieber«, meinte Agatha Simpson, die sich wohlwollend gab. Sie stand bereits vor der Auslage und entdeckte dann ein Wandregal, das ebenfalls mit ähnlichen Figürchen gefüllt war.

»Original-Nachbildungen aus dem Akropolis-Museum«, sagte er, »echte Bronze, beste Qualität.«

»Beste Qualität aus Hongkong?« fragte die ältere Dame sarkastisch.

»Möglich, aber wenn, dann nach unseren Formen, Madam.«

»Sie sprechen mit einer Lady«, warf Josuah Parker ein, »wie teuer sind diese Nachbildungen, die an sich als recht hübsch bezeichnet werden können?«

»Nach Ihrer Währung von drei bis zwanzig Pfund, je nach Größe.« Der Grieche musterte verstohlen seine Kundschaft.

»Mylady wurde auf eine Nachbildung aufmerksam gemacht, die einen Wert von achtzig Pfund hat.«

»Nein, so etwas haben wir nicht, so etwas werden Sie auch nirgendwo finden, wenigstens nicht in dieser Art.« Der Grieche breitete erst mal bedauernd die Hände auseinander, um dann auf die Regale zu deuten. »Ich, bin ein seriöser Geschäftsmann. Es kann natürlich sein, daß man solche Imitationen als echte Kunstwerke verkauft und dann frei kalkulierte Preise verlangt. Auf solche billigen Tricks aber fallen eigentlich nur noch touristische Dummköpfe herein.«

»Wem sagen Sie das, junger Mann!« Mylady lächelte wissend und dachte eindeutig an ihre Statuette aus Gold. »Wie gern und oft werden diese Nachbildungen hier denn gekauft?«

»Sie sind beliebte Mitbringsel, Mylady«, lautete die Antwort, »sie sind geschmacklich einwandfrei und bestehen durchaus aus Bronze.«

»Sie beziehen diese Imitationen von einem Großhändler?« fragte der Butler. »Mylady wird Ihnen später den tieferen Sinn dieser Frage erläutern.«

»Ich möchte über meine Geschäftspraktiken eigentlich nichts sagen«, entschuldigte sich der Geschäftsmann, »mißverstehen Sie mich bitte nicht, aber...«

»Ich will Ihnen keine Konkurrenz machen, junger Mann«, beruhigte die ältere Dame den Griechen, der doch immerhin fünfzig sein mochte, »mein Butler wird Sie für die Auskunft entschädigen.«

»Wir alle beziehen sie von einem Großhändler, der eine Art Monopol hat«, gab der Grieche sofort Auskunft. Er hatte in der rechten, schwarz behandschuhten Hand des Butlers eine englische Banknote entdeckt, die für ihn bestimmt war. Er nahm sie diskret an sich und ließ sie wie durch Zauberei in der Außentasche seines Jacketts verschwinden. Anschließend lieferte der erfreute Geschäftsmann dann auch noch die Adresse dieses Großhändlers.

»Es gibt natürlich noch einige kleinere Hersteller«, lieferte er dann noch eine zusätzliche Information, »aber die dürften wohl kaum von Interessen sein, ja?«

»Auch diese Namen und Adressen könnten Mylady nützen«, meinte Josuah Parker und deutete auf einen Notizblock, »würden Sie die Güte haben, entsprechende Hinweise schriftlich zu fixieren?«

»Um was geht es denn eigentlich?« wollte der Grieche wissen. Ihm waren Bedenken gekommen.

»Mylady arbeitet an einer Enzyklopädie über internationale Souvenirs«, behauptete Parker aus dem Stegreif.

»Ach so.« Der Grieche nickte verstehend. »Das wird bestimmt ein toller Bestseller.«

»Die Fachwelt wartet bereits mit Spannung darauf«, meinte der Butler, »sobald Sie alle Adressen niedergeschrieben haben, könnten Sie meiner Wenigkeit ein kleines Sortiment an Statuetten zusammenstellen. Ich denke an etwa zwölf Exemplare.«

»Was soll ich denn mit diesem Schund?« fragte Lady Agatha mißbilligend. »Schließlich kostet das alles Geld.«

»Falls Mylady belästigt werden sollten, könnten Mylady Ausweichexemplare jener Statuette anbieten, die Mylady auf der Akropolis kauften.«

»Richtig, das wollte ich Ihnen ja gerade vorschlagen«, sagte sie und errötete noch nicht mal ob dieser Behauptung, »nur mit List kann man diesen Gangstern begegnen.«

Sie hoffte wohl immer noch, einen besonderen Fang machen zu können, und sah sich die vielen Exemplare der kleinen Imitationen an. Sie wog sie in der Hand, prüfte und war schließlich enttäuscht.

»Hier ist für mich nichts mehr zu holen«, sagte sie schließlich leise zu Parker, der sich gerade den Notizzettel geben ließ, »wir sollten doch noch mal hinauf zu diesen fliegenden Händlern auf der Akropolis gehen.«

»Mylady hoffen, den Händler zu sehen, der Mylady die Statuette verkaufte?«

»Vielleicht weiß dieser Trottel überhaupt nicht, was er anzubieten hat«, hoffte sie.

»Dafür aber gewisse Leute, die Mylady bereits belästigten«, erinnerte der Butler. »Darf man anregen und sogar vorschlagen, nun einen Juwelier aufzusuchen, der den Wert der Statuette abschätzen könnte?«

»Einverstanden«, sagte sie überraschenderweise, »ich will meinen Triumph voll auskosten.«

»Verfügen Sie über einen Hinterausgang?« Parker wandte sich noch mal dem Griechen zu, der die gekauften Imitationen gerade verpackt hatte.

»Einen Hinterausgang?« fragte der Mann verdutzt.

»Mylady legt keinen Wert darauf, lästigen Bekannten zu begegnen«, sagte Josuah Parker. Mit der Spitze seines Universal-Regenschirmes deutete er auf jene beiden Männer, die zusammen mit ihm im Lift nach oben ins Hotel gefahren waren. Sie standen auf der anderen Seite der schmalen Straße und warteten eindeutig darauf, daß Mylady und Butler Parker endlich das Geschäft verließen.

*

»Sie glauben doch nicht etwa, daß ich der Gewalt weichen werde, Mr. Parker«, sagte Lady Agatha grimmig und brachte ihren Pompadour in Schwingungen, »ich werde die Herausforderung selbstverständlich annehmen.«

»Dies, Mylady, erlaubte ich mir zu unterstellen«, erwiderte Josuah Parker, der das Temperament seiner Herrin nur zu gut kannte, »Mylady wollen und werden aber allein den Schauplatz einer möglichen Auseinandersetzung bestimmen.«

»Das ist allerdings richtig, ich lasse mir nichts aufzwingen.« Sie nickte dem Butler wohlwollend zu, »wie gut Sie das doch sehen. Gehen wir.«

Parker bezahlte die Kopien und ließ sich dann zusammen mit Lady Simpson durch einen schmalen Korridor in einen Hinterhof bringen. Der Grieche deutete auf eine Mauer, in die eine Pforte eingelassen war. Sie sei unverschlossen, sagte er, dahinter erreiche man eine Parallelstraße. Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und schritt voraus.

Er wollte so schnell wie möglich die schmale Pforte hinter sich bringen. Seiner Schätzung nach mußten die beiden Männer inzwischen bemerkt haben, daß Agatha Simpson und er das Souvenirgeschäft längst verlassen hatten. Mit einer recht aufdringlichen Verfolgung war also zu rechnen, eine Tatsache allerdings, gegen die Butler Parker nichts einzuwenden hatte. Ja, er hoffte sogar, daß man ihnen bedenkenlos und konsequent folgen würde.

Die Pforte war tatsächlich unverschlossen. Parker ließ Mylady selbstverständlich den Vortritt. Dann wandte er sich um und sah bereits die beiden Verfolger, die gerade aus dem Haupthaus kamen und in den Hinterhof liefen. Sie waren sehr schnell, entdeckten ihrerseits das Duo Parker-Lady Simpson und wurden noch schneller.

Parker, stets überaus höflich, lüftete grüßend die schwarze Melone und deutete eine leichte Verbeugung an. Um dann aber eventuellen Schüssen zu entkommen, passierte auch er die Pforte und zog sie hinter sich zu, achtete jedoch darauf, daß sie nicht ins Schloß fiel.

»Mir paßt das überhaupt nicht, Mr. Parker«, stellte Lady Agatha klar, »ich möchte mir nicht nachsagen lassen, daß eine Lady Simpson die Flucht ergreift.«

»Mylady flüchten keineswegs«, erwiderte Parker, »Mylady werden, wie gewünscht, innerhalb weniger Sekunden zur sogenannten Offensive übergehen.«

»Das hört sich bereits besser an.« Sie sah ihn wohlwollend und unternehmungslustig an.

»Mylady haben natürlich längst bemerkt, daß ich mir erlaubte, die Pforte nur anzulehnen.«

»Habe ich das? Äh, natürlich, so etwas entgeht mir nicht.«

»Sobald die beiden Verfolger die Pforte erreicht haben werden, könnte man das Türblatt der Pforte dazu benutzen, die beiden Männer in einige Verlegenheit zu bringen.«

»So was schwebte mir bereits vor«, behauptete sie prompt, »es versteht sich, daß ich die Tür aufstoßen werde, Mr. Parker ...«

Parker spähte vorsichtig durch den schmalen Spalt der Pforte in den Innenhof. Die beiden Verfolger hasteten bereits heran. Sie kamen offensichtlich gar nicht auf den Gedanken, hier überrascht werden zu können. Sie rechneten mit blinder Flucht der beiden Opfer, die sie sich aufs Korn genommen hatten.

»Wenn Mylady jetzt freundlicherweise offensiv werden könnten ...?« Parker trat zur Seite und deutete auf die schwere, schmale Tür. Agatha Simpson nahm einen Anlauf und brachte ihre majestätische Fülle in Bewegung. Sekunden später warf sie sich kraftvoll gegen das Türblatt, das unter dem Eindruck der freigesetzten Energie förmlich explodierte. Parkers an sich hochgesteckte Erwartungen wurden voll erfüllt. Er hörte beim Herumkrachen der schmalen, aber schweren Türpforte auf der anderen Seite einen erstickten Aufschrei, der von einem leichten Brüller begleitet wurde. Dann herrschte Stille.

»Man soll eine Lady Simpson nicht unterschätzen«, sagte die ältere Dame und schob sich ungeniert durch die nun halb geöffnete Tür in den Innenhof. Parker, der unmittelbar folgte, blieb beeindruckt stehen. Auf dem Boden lagen die beiden Männer, die er vom Hotel-Fahrstuhl her kannte.

Sie machten einen sehr lädierten Eindruck und waren keineswegs in der Verfassung, etwaige Fragen zu beantworten. Parker kassierte zwei kurzläufige Revolver, die die beiden Männer verloren hatten, und deutete dann in Richtung Lady Agatha eine Verbeugung an.

»Schon gut«, meinte sie großzügig, »nur keine Komplimente, Mr. Parker. Was glauben Sie, sollte ich diese beiden Flegel nicht noch sicherheitshalber mit dem Pompadour behandeln?«

»Momentan, Mylady, dürfte dies nicht notwendig sein«, erwiderte Josuah Parker, »die beiden Männer sind kaum in der Lage, solch eine Sonderbehandlung werten zu können.«

*

»Ein recht hübscher Nachmittag«, bemerkte Agatha Simpson, als sie wieder im Hotel waren. Parker hatte Tee kommen lassen, servierte ihn jedoch selbst in seiner unnachahmlichen Manier. Er war ein Butler, wie man ihn nur noch auf dem Bildschirm oder auf der Leinwand bewunderte. Für diese Zeremonie hatte er sich selbstverständlich weiße Handschuhe übergestreift.

»Mylady genießen den Aufenthalt in Athen?« erkundigte sich Parker.

»Ich freue mich auf den Besuch im Stadion«, meinte sie, »man spielt dort doch Fußball, wie?«

»Nicht unbedingt und direkt«, lautete Parkers Antwort, »dieses Stadion wurde um etwa dreihundert vor der Zeitenwende ansatzweise errichtet und um hundertdreißig nach Christi vollendet. Nach seiner Zerstörung während der Türkenbesetzung wurde es um die Jahrhundertwende für die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit neu erbaut.«

»Richtig«, bestätigte sie, »ich wollte nur hören, ob Sie sich auch informiert haben, Mr. Parker. Wer wird in diesem Stadion wohl auf mich warten? Habe ich da eine bestimmte Vorstellung?«

»Mylady denken gewiß an jenen fliegenden Händler, der die Goldstatuette verkaufte.«

»Richtig«, wiederholt sie noch mal, »er hat also weitere Kopien in Gold anzubieten. Ich werde mich überraschen lassen, Mr. Parker. Wahrscheinlich weiß dieser Mann inzwischen, daß ich nicht gerade unbemittelt bin.«

»Er könnte sich in der Tat informiert haben, Mylady, es könnte sich aber, wie Mylady längst wissen, um eine Falle handeln.«

»Ich fürchte keine Fallen, Mr. Parker.« Ihr Blick zeigte leichte Empörung.

»Gewiß nicht, Mylady, doch gegen einen möglichen Schuß aus dem Hinterhalt sollten Mylady gewisse Vorkehrungen treffen.«

»Und wie stelle ich mir die vor, Mr. Parker? Noch etwas mehr Rum für den Tee, bitte. Ich möchte nicht an der falschen Stelle sparen.«

Parker wertete im Sinn seiner Herrin den Tee ein wenig auf und widmete sich dann der Frage, die an ihn gerichtet worden war. Er schlug vor, weit vor der vereinbarten Zeit ins Stadion zu fahren.

»Ich soll mich in dieser Arena langweilen?« empörte sie sich.

»Mylady dürfen davon ausgehen, daß auch die Gegenseite wesentlich früher dort erscheinen wird.«

»Das kannte sein.« Sie dachte einen Moment nach. »Gut denn, Mr. Parker, ich werde diese Variante durchspielen.«

»Bis Einbruch der ersten Dämmerung ist das Stadion Ziel vieler Touristen«, redete Parker weiter, »Mylady könnten sich unter das Volk mischen und dann Position beziehen.«

»Ich werde eine der Beutewaffen mitnehmen, Mr. Parker. Was hat sich denn bisher so angesammelt?«

»Vier Revolver stehen momentan zur Verfügung«, zählte der Butler auf, »sie stammen von den beiden Männern, die Mylady auf dem Innenhof zur Strecke brachten. Zwei Schußwaffen konnte meine Wenigkeit im Fahrstuhl des Hotels bergen, zwei im Innenhof.«

»Recht nett«, sagte sie wohlwollend, »ich werde alle vier Waffen mitnehmen.«

»Die hiesigen Behörden könnten eine etwaige Kanonade mißverstehen, Mylady«, warnte Josuah Parker, »zudem erkühnte ich mich bereits, diese vier Waffen per Päckchen der Polizei zuzusenden.«

»Ja, warum denn das?« Sie sah ihn gereizt an.

»Man sollte unterstellen, daß die beiden geschädigten Waffenträger der Polizei einen Tip zukommen lassen, die dann ihrerseits eine Durchsuchung der Suite vornehmen würde.«

»Das sollte man nur wagen«, gab die ältere Dame erfreut zurück, »ich glaube, Mr. Parker, ich würde dann wohl ärgerlich werden.« Während ihrer Worte langte sie fast automatisch nach ihrem Pompadour und zog den darin befindlichen Glücksbringer prüfend in der Hand.

»Während der Fahrt hinüber in das an sich nahe Stadion, Mylady, könnte man zusätzlich einen Juwelier aufsuchen und ihn um eine Expertise bitten«, schlug Parker vor, »danach können Mylady dann, falls erwünscht, die Statuette möglicherweise an einem sicheren Ort unterbringen.«

»An einem sicheren Ort...« Sie nickte nachdenklich.

»Mylady denken, wie meine Wenigkeit vermutet, an ein Banksafe, das nur in Myladys Gegenwart geöffnet werden könnte.«

»Richtig«, bestätigte sie munter, »daran habe ich tatsächlich gerade gedacht. Was für ein Zufall!«

Parker wollte die Suite verlassen, um sich in sein eigenes Hotelzimmer zu begeben, als er vor der Tür, die auf den Korridor führte, ein dumpfes Geräusch hörte, das ihn an einen Fall erinnerte. Der Butler blickte hinüber zum Türgriff und stellte fest, daß er sich langsam, fast im Zeitlupentempo senkte, um dann wieder zurück in die Normallage zu schnellen. Er kam umgehend zu dem Schluß, daß sich draußen auf dem Korridor etwas ereignet haben mußte ...

*

»Das ist ja dieser Statuettenverkäufer«, staunte Lady Agatha; als Parker einen mittelgroßen, schlanken Mann ins Zimmer führte, der ungefähr dreißig sein mochte. Der Mann machte einen mehr als angeschlagenen Eindruck. Er schien sich kaum noch auf den Beinen halten zu können.

»Der Herr bedarf meiner Hilfe, Mylady, er scheint eindeutig verletzt zu sein«, sagte Parker und führt den erschöpften Mann zu einem Sessel. Der Statuettenverkäufer, dessen Gesicht wachsbleich war, ließ sich vorsichtig nieder und stöhnte dabei.

»Eine Rückenverletzung«, meinte Parker, »meiner bescheidenen Ansicht nach dürfte es sich um eine Stich- oder Schuß Verletzung handeln.«

Butler Parker 149 – Kriminalroman

Подняться наверх