Читать книгу Butler Parker 125 – Kriminalroman - Gunter Donges - Страница 3

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Butler Parker befand sich im Stadium höchster Nervosität. Er spielte sogar mit dem Gedanken, ein Stoßgebet zum Himmel zu schicken. Ja, er gelobte sogar innerlich eine Wallfahrt bei passender Gelegenheit. Er saß nämlich neben Lady Agatha Simpson, die ihre Neuerwerbung durch die Straßen von London bewegte.

Es handelte sich um einen Land-Rover, wie er für Safaris in Afrika gern benutzt wird. Mylady hatte sich in dieses Gefährt verliebt und schätzte offensichtlich die technischen Finessen des Wagens. Sie brauste über die Ausfallstraße und ignorierte souverän den Nebel, der von Minute zu Minute immer dichter wurde.

»Ein netter Wagen«, sagte die ältere Dame, die äußerlich an eine Walküre aus einer Wagneroper erinnerte. »Er hat nur einen erheblichen Nachteil.«

»In der Tat, Mylady«, erwiderte Parker. »Ihm fehlt eine Radaranlage für den herrschenden Nebel.«

»Unsinn, Mister Parker.« Sie schüttelte den Kopf und sah ihn mitleidsvoll an, Sie kümmerte sich für qualvoll lange Minuten überhaupt nicht um die Fahrbahn. »Der Wagen ist zu langsam, das meine ich!«

»Mylady dürften das erlaubte Limit längst überschritten haben«, stellte Parker würdevoll fest. Es fiel ihm immer schwerer, seine Unruhe zu verbergen.

»Papperlapapp, Mister Parker«, erwiderte sie fröhlich. »Bei diesem Nebel sieht die Polizei nichts.«

»Mylady sollten vielleicht beachten, daß der Wagen keineswegs über eine Blindfluganlage verfügt.«

»Ich habe Augen wie ein Adler«, behauptete die energische und stets sehr unternehmungslustige Dame. Seit geraumer Zeit zählte sie nicht mehr ihre Lebensjahre. Sie hatte damit aufgehört, als sie neunundfünfzig geworden war.

Agatha Simpson war eine sportliche Frau, die sich nach Betätigung förmlich sehnte. Sie war Amateurdetektiv aus Leidenschaft und konnte sich dieses gefährliche Hobby leisten. Sie war eine sehr vermögende Frau, die mit dem Blut- und Geldadel der Insel verschwistert und verschwägert war. Ihre Ungeniertheit war beachtlich.

Und ihr Gottvertrauen, wie sich Sekunden später zeigen sollte...

Lady Agatha hatte offensichtlich eine Kreuzung erreicht, befand sich jedoch im Vollbesitz der Vorfahrt, wie ihr später nachdrücklich von der zuständigen Polizei bestätigt wurde.

Aus einer Seitenstraße schoß plötzlich ein Lastwagen, dessen Fahrer die Vorfahrt nicht beachten wollte. Er jagte auf einen kleinen Wagen zu, der Mylady das Überholen bisher unmöglich gemacht hatte. Die Dame am Steuer sah, was kommen mußte. Sie stieg voll auf das Bremspedal und riß das Steuer des Land-Rover herum. Der Wagen drehte sich und wollte ausbrechen, schaffte es jedoch nicht. Agatha Simpson fing ihn ab, rasierte dabei einen an sich recht massiven Vorgartenzaun und fällte anschließend einen kleinen Kirschbaum.

Parker wurde erfreulicherweise vom Sicherheitsgurt festgehalten. Er hörte von der Kreuzung her das Reißen und Kreischen von zerfetztem Blech, das Klirren von Glas und für einen Moment das wütende Kreischen einer Bremse. Dann herrschte für Sekunden eine geradezu tödliche Stille.

»Was für ein Unsinn, in Vorgärten Bäumchen zu pflanzen«, sagte Lady Simpson grollend. »War das was, Mister Parker?«

»Falls ich die Lage richtig beurteile, Mylady, dürfte sich auf der Kreuzung ein Unfall ereignet haben«, gab der

Butler gemessen zurück. Er hatte sich bereits wieder unter Kontrolle. »Wenn Mylady erlauben, werde ich mich nach Einzelheiten erkundigen.«

Greller Lichtschein drang durch den dichten Nebel. Dann erst war das dumpfe Geräusch einer Detonation zu hören. Die beiden aneinander geratenen Wagen schienen in Flammen aufgegangen zu sein. Bevor Josuah Parker den Land-Rover verlassen konnte, stand seine Herrin bereits neben ihrem Wagen und eilte zwei Sekunden später zur Unfallstelle.

*

»Es handelte sich natürlich um Mord«, sagte Lady Agatha nachdrücklich. »Das lasse ich mir nicht ausreden, Mister Parker. Dieser Mister Norman Crails ist kaltblütig umgebracht worden.«

Agatha Simpson und Butler Parker waren in Myladys Stadthaus in Shepherd’s Market zurückgekehrt. Seit dem Unfall vor etwa anderthalb Stunden war der Nebel noch dichter geworden. Vor allen Dingen war Parker froh und glücklich, wieder in einem sicheren Haus zu sein. Die Rückfahrt an der Seite der Detektivin hatte seine Nerven doch ein wenig strapaziert. Der Unfall schien auf sie kaum Eindruck gemacht zu haben.

»Mylady schließen einen normalen Unfall aus?« erkundigte sich Kathy Porter vorsichtig. Sie war die Sekretärin und Gesellschafterin Agatha Simpsons, langbeinig, attraktiv und keineswegs so scheu, wie sie auf den ersten Blick hin wirkte. Kathy Porter war eine hervorragend geschulte Sportlerin, die sich in allen Künsten der Selbstverteidigung auskannte.

»Zumal der bedauernswerte Mister Crails immerhin offensichtlich angetrunken war«, stellte Parker fest. Er war an einem neuen Kriminalfall nicht besonders interessiert. Das Abenteuer des letzten saß ihm noch in den Knochen.

»Und wo war der Fahrer des Lastwagens?« fragte Lady Agatha unwillig.

»Er entfernte sich allerdings von der Unglücksstelle«, räumte der Butler ein.

»Eben.« Lady Agatha nickte grimmig. »Und er wird sich auch nicht mehr finden lassen, Mister Parker. Soll ich Ihnen mal etwas sagen?«

»Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit in gespannter Erwartung.«

»Es wird sich herausstellen, daß der Lastwagen gestohlen wurde«, redete die Detektivin weiter. »Diesem Mister Crails wurde aufgelauert, Mister Parker. Sehen Sie das doch endlich ein!«

»Wie Mylady wünschen.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an.

»Zudem hat Mister Crails mir noch etwas zugeflüstert«, erklärte die Detektivin zu Parkers Überraschung. Davon hatte sie während der Rückfahrt nichts gesagt. Auch der Polizei gegenüber hatte sie davon nicht gesprochen.

»Mister Crails hat mit Mylady gesprochen?« Skepsis war in Parkers Stimme.

»Nun ja, nicht direkt«, räumte Agatha Simpson ein. »Es war mehr ein Stichwort.«

»Dürfte man eventuell mehr darüber hören, Mylady?«

»Er sagte so etws wie ›Mafia‹, wenn ich ihn nicht völlig mißverstanden habe.«

»Ein gefährliches Stichwort, Mylady, wenn mir diese Bemerkung erlaubt ist.«

»Ein gutes Stichwort«, entgegnete die ältere Dame kriegerisch. »Diese Subjekte machen sich in letzter Zeit zu breit in London. Dagegen muß etwas unternommen werden.«

»Sich mit der Mafia anlegen zu wollen, Mylady, könnte tödlich sein«, warnte Josuah Parker. Er machte einen sehr zurückhaltenden Eindruck.

»Papperlapapp, Mister Parker. Ich habe keine Angst.«

»Weiß man, wer dieser Mister Crails ist?« schaltete sich Kathy ein;

»Ein Jockey«, antwortete Josuah Parker. »Er kam offensichtlich von einer kleinen Feier, wie die Polizei bereits am Unfallort feststellen konnte.«

»Fällt es Ihnen nicht endlich wie Schuppen von den Augen?« Agatha Simpsons Augen funkelten.

»Mylady sehen meine bescheidene Person verwirrt«, gestand Parker. Er wußte nicht, worauf seine Herrin hinaus wollte.

»Sie sollten intensiver Zeitungen lesen«, stichelte Lady Agatha genießerisch. »Geht Ihnen noch immer kein Licht auf? «

»Mylady mögen meine tiefe Zerknirschtheit zur Kenntnis nehmen«, entschuldigte sich Parker. Er wußte zwar längst, worauf sie anspielte, doch er gab sich bewußt ahnungslos. Ihm war schließlich nur zu bekannt, wie sehr Agatha Simpson diese kleinen Triumphe genoß.

»Crails ist der dritte Mann aus dem Pferderennsport, der umgebracht worden ist«, sagte sie, ihre Katze aus dem Sack lassend. »Da war zuerst dieser Trabrennfahrer, dessen Namen ich vergessen habe.«

»Mister Bob Fisher, Mylady.«

»Richtig, Fisher hieß der Mann. Und dann der Trainer, na, wie hieß er noch?«

»Cliff Roberts, Mylady.«

»Natürlich, Roberts. Merken Sie was? Aber Moment mal, woher kennen Sie plötzlich die Namen?« Sie sah ihren Butler in einer Mischung aus Überraschung und Empörung an. Ihr war aufgegangen, daß Parker wohl doch die Zeitungen gelesen hatte.

»Ich habe mir erlaubt, die von Mylady gewünschten Zusammenhänge zu begreifen«, erwiderte der Butler würdevoll und gemessen. »Myladys Wünsche werden mir stets Befehl sein.«

*

»Ich komme zufällig vorbei«, behauptete Super-Intendent McWarden, ein kleiner, stets ein wenig gereizt wirkender Yard-Mann.

»Erstaunlich, daß Sie das Haus im Nebel gefunden haben«, spottete Agatha Simpson. »Sie wollen mich doch vor dieser Rennsport-Mafia warnen, nicht wahr?«

»Mylady?« McWarden war sehr irritiert. Diese Offenheit hatte er nicht erwartet.

»Nun spielen Sie mir nichts vor«, grollte die resolute Dame. »Wahrscheinlich haben Sie sogar einen Kompaß benutzt, nur um uns zu finden. Diese Mafia existiert also?«

»Mylady, Sie arbeiten bereits an diesem Fall?«

»Natürlich«, schwindelte die Detektivin. »Es wird höchste Eisenbahn, daß dieser Augiasstall ausgemistet wird.«

»Was wissen Sie von dieser Rennsport-Mafia, Mylady? Sie wissen, daß Sie verpflichtet sind, alles, was zur Aufdeckung eines Verbrechens dienen könnte, den Behörden...«

»Schnickschnack, junger Mann«, fuhr die Sechzigjährige dem immerhin nur etwa zehn Jahre jüngeren über den Mund. »Wozu ich verpflichtet bin, brauchen Sie mir nicht vorzubeten. War der Lastwagen, der das Fahrzeug dieses Crails rammte, etwa nicht gestohlen?«

»Allerdings. Eben erfuhren wir das.«

»Und vom Fahrer keine Spur, nicht wahr?«

»Leider keine Spur, Mylady.«

»Und wie kamen Fisher und Roberts um? Na, zieren Sie sich nicht, McWarden! Sie wissen es doch genau, und wahrscheinlich wissen Sie noch viel mehr.«

»Ich bin nicht befugt, über dienstliche Ermittlungen Auskünfte zu erteilen, Mylady.« McWarden ärgerte sich. Agatha Simpson hatte ihm den Wind aus den Segeln genommen.

»Mister Bob Fisher, Mylady, erlitt einen tödlichen Unfall während eines Morgentrainings«, ließ Josuah Parker sich prompt vernehmen. »Mister Cliff Roberts hingegen, Mylady, verunglückte unter der Dusche in seiner Wohnung. In beiden Fällen konnten die Ärzte nur noch den Tod durch komplizierte Schädelfrakturen feststellen.«

»Wir unterhalten uns gleich, Mister Parker.« Agatha Simpson merkte erneut, wie gut ihr Butler informiert war. Sie sandte ihm einen fast schon giftig zu nennenden Blick zu. Dann wandte sie sich wieder McWarden zu und lächelte überlegen.

»Was Mister Parker sagt, stimmt«, räumte der Super-Intendent ein. »Also gut, ich werde Ihnen unter dem Siegel der Vertraulichkeit mitteilen, daß in den vergangenen Wochen auch zwei Rennpferde vergiftet wurden, Rennpferde, die zum Kreis der Favoriten gehörten.«

»Und wer steckt dahinter?« Agatha Simpson sah ihren Butler an, doch Josuah Parker äußerte sich nicht zu diesem Thema.

»Ich habe einen vagen Verdacht«, erwiderte McWarden vorsichtig. »Ich kann ihn nur rein privat äußern.«

»Dann tun Sie’s gefälligst«, raunzte Lady Agatha den Super-Intendenten an. »Lassen Sie sich nicht jedesmal bitten! Sie sind doch keine Jungfrau, oder?«

»Denken Sie möglicherweise an Herrn Balcott, Sir?« fragte Butler Parker unschuldig und höflich.

»Wie ... wie kommen Sie denn darauf?« McWarden erlitt einen leichten, aber quälenden Hustenanfall und bekam einen roten Kopf.

»Also ja!« Agatha Simpson nickte. »Reden Sie sich nicht heraus, McWarden! Sie haben sich bereits verraten.«

»Wie sind Sie an diesen Namen gekommen?« verlangte der Superintendent jetzt aufgeregt von Parker zu hören.

»Das möchte ich allerdings auch wissen.« Agatha Simpson schaute ihren Butler grimmig an. »Ich habe den Eindruck, Mister Parker, daß Sie mich wieder mal hintergehen.«

»Der zufällige Besuch Mister McWardens machte es mir zu meinem ehrlichen Leidwesen unmöglich, Mylady, über den Inhalt eines Telefongespräches zu unterrichten, das ich kurz vorher mit einem Informanten führte«, entschuldigte sich der Butler würdevoll. »Solch ein Fehler und Versäumnis wird sich wahrscheinlich kaum wiederholen, wie ich versichern darf.«

*

»Dieses Subjekt scheint ja wie die Made im Speck zu leben«, sagte Agatha Simpson mißbilligend.

Sie stand zusammen mit Butler Parker vor dem geschlossenen Parktor und sah auf das alte Landhaus, dessen Umrisse im dichten Nebel nur zu erahnen waren.

Gleich nach McWardens Weggang war die ältere Dame aktiv geworden und hatte darauf bestanden, Herrn Balcott einen Besuch abzustatten. Obwohl Josuah Parker äußerst dringend von dieser Fahrt abgeraten hatte, stand man nun vor dem Tor und schien einen recht günstigen Zeitpunkt gewählt zu haben.

Im Erdgeschoß des Hauses brannte wahrscheinlich jede Lampe, die man zur Verfügung hatte. Herrn Balcott schien eine Party zu geben, die dazu noch recht gut besucht sein mußte. Auf dem Parkplatz vor dem Haus standen über ein Dutzend Wagen der teuersten Fabrikate. Sie wurden von Parklichtern angestrahlt und waren recht gut auszumachen.

»Worauf warten Sie noch?« fragte Lady Simpson, als Parker sich nicht rührte. »Ich will mir diesen Balcott aus der Nähe ansehen.«

»Man bemüht sich bereits um Mylady«, erwiderte Parker und deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirmes auf eine Gestalt, die hinter einem mannshohen Strauch hervortrat und sich dem geschlossenen Parktor näherte.

Dieser Mann war nicht allein. In seiner Begleitung befand sich ein Dobermann, der leise winselte, und es wohl gar nicht erwarten konnte, sich mit den beiden Besuchern vor dem Tor befassen zu können.

»Na, altes Mädchen, woher kommen wir denn?« fragte der Mann lässig und baute sich vor dem Gittertor auf. Er war jetzt deutlicher zu erkennen. Es handelte sich um einen breitschultrigen Burschen von etwa fünfundvierzig Jahren, der wohl den größten Teil seines Lebens in einem Boxring verbracht hatte. Er hatte eine schiefe und eingedrückte Nase, das, was man in Fachkreisen ›Blumenkohlohren‹ nennt, und machte einen leicht tumben Eindruck. Möglicherweise hatte er während seiner aktiven Zeit zuviel Kopftreffer einstecken müssen. Er lispelte ein wenig.

»Na, altes Mädchen, wo kommen wir denn her?« fragte er noch mal und grinste. Er hielt Mylady eindeutig für einen speziellen Gast. »Wir haben’s mit den Ohren, wie?«

Agatha Simpson hatte sich inzwischen von ihrer Überraschung erholt, während Butler Parker zu einer Art Salzsäule erstarrt war und an dieser Pose festhielt. Es war schon ungeheuerlich, was dieser Mensch sich da erlaubte.

»Mach’ schon auf, trübe Tasse«, erwiderte die Lady und paßte sich haargenau seinem Ton an. »Und stell’ dein Schoßhündchen in die Ecke.«

Diese vertraute Tonart veranlaßte den Gorilla, das Tor tatsächlich aufzusperren.

»Hast dich aber mächtig ’rausgeputzt«, sagte er anerkennend. »Und was is’ das für ’ne Type?«

Er zeigte auf Josuah Parker, der stocksteif hinter seiner Herrin stand.

»Das is’ mein Butler«, erklärte Agatha Simpson und zwinkerte dem Gorilla ein wenig zweideutig zu.

»Aha, so nennt man das jetzt?« Der Gorilla reagierte entsprechend. »Ihr Typen kommt von wo?«

»Peil mal hier auf den Beutel!?« sagte die ältere Dame und wies mit der linken Hand auf ihren Pompadour, der am rechten Gelenk hing. Der Gorilla folgte ihrer Aufforderung und beugte sich leichtsinnigerweise vor. Im gleichen Moment ließ Agatha Simpson ihren Pompadour hochsteigen. Der »Glücksbringer« in dem Handbeutel schwang gegen das Kinn des Gorillas, der glaubte, von einem auskeilenden Pferd getroffen zu werden. Er röchelte knapp und ging in die Knie. Das echte Hufeisen, das nur oberflächlich mit Schaumstoff umwickelt war, tat seine Wirkung. Myladys Pompadour hatte es nämlich in sich. Eine wirkungsvollere Nahkampfwaffe konnte man sich nicht vorstellen.

Parker langte seinerseits auch ein wenig zu, um das Werk zu vollenden.

Er besorgte das mit dem bleigefütterten Griff seines Universal-Regenschirms. Der Gorilla schnaufte noch mal und legte sich dann quer über seinen Dobermann, der nicht mehr rechtzeitig ausweichen konnte.

Bevor das Tier ärgerlich werden konnte, piekte Mylady ihre Hutnadel in die Flanken des nervösen Hundes. Daraufhin wurde der Dobermann sehr gelassen, ruhig und schließlich müde. Er knickte ein und gab sich der Wirkung des an sich harmlosen Lähmungsgiftes hin, mit dem die Spitze der Hutnadel ausgiebig bestrichen war.

»Räumen Sie das weg, Mister Parker«, bat Lady Simpson und deutete auf Mensch und Tier. »Und dann zu diesem Subjekt Balcott. Wir werden zur Steigerung der Stimmung beitragen!«

*

In der geräumigen Küche des Landhauses hielten sich fünf muskulöse Männer auf, die man in zu enge oder zu weite Frackanzüge gesteckt hatte. Sie sollten wohl die kalten Platten servieren, die abholbereit auf einer großen Anrichte und auf zwei Tischen standen. Die fünf Männer benahmen sich sehr ungeniert, rauchten, tranken, lachten und unterhielten sich miteinander. Sie warteten eindeutig auf das Stichwort, um in Aktion zu treten.

Sie hatten natürlich keine Ahnung, daß sie ausgiebig beobachtet wurden. Agatha Simpson und Butler Parker standen vor einem der Küchenfenster und schätzten ihre Lage ab. Diese fünf Männer waren gewiß keine grünen Anfänger. Wahrscheinlich trug jeder von ihnen einen Schulterhalfter samt Inhalt. Gegen solch eine Übermacht ließ sich nur schwerlich etwas ausrichten.

»Wollen wir hier festwachsen?« grollte Agatha Simpson leise in Richtung Parker. »Tun sie endlich etwas, Mister Parker! Setzen Sie diese Lümmel außer Gefecht!«

»Sehr wohl, Mylady.« Parker sah sich gezwungen, wieder mal zu improvisieren. Er lüftete höflich seine schwarze Melone, bevor er Lady Agatha verließ, um dann das Fenster ein paar Schritte weiter leicht aufzudrücken.

Er griff in eine seiner vielen Westentaschen und holte eine Pillendose hervor, die völlig regulär und harmlos aussah. In ihr befanden sich auch tatsächlich Tabletten, Pillen und sonstige Medizinalkapseln. Parker griff mit sicheren Fingern nach einer Kapsel, verdrehte die beiden Hälften gegeneinander und warf sie gekonnt in die große Küche.

Sie segelte unbemerkt durch die Luft und kollerte dann durch die geöffnete Kellertür nach unten. Es dauerte genau drei Sekunden, bis plötzlich ein dumpfer Knall ertönte, der an den eines sich öffnenden Flaschenkorkens erinnerte. Nach weiteren zwei Sekunden quoll gelblicher Rauch aus dem Keller durch die Tür in die Küche.

Das nun ließ die fünf Muskulösen ein wenig stutzen.

Sie schoben sich an die Küchentür heran und schauten nach unten. Dann taten sie genau das, womit der Butler gerechnet hatte, denn der Schwaden roch nach Feuer und Rauch. Die fünf Helden, froh über die Abwechslung, drangen nacheinander durch die Tür und verschwanden nach unten. Sie wollten nach der Ursache des Rauches fahnden.

Agatha Simpson befand sich inzwischen bereits in der Küche. Sie hatte die Außentür benutzt, marschierte um einen der Tische herum und drückte die Tür ins Schloß. Dann sperrte sie ab und schob auch noch die beiden kräftigen Riegel vor. Damit saßen die fünf Männer erst mal fest.

Als sie sich nach Parker umwandte, sah sie sich einem sechsten Mann gegenüber, der sie fassungslos musterte.

»Was ist das hier für eine Unordnung?« herrschte Agatha Simpson den Mann an. »Ein Saustall ist das?«

»Wie ... Wie ... Was ...?« Mehr vermochte der Fassungslose nicht zu sagen.

»Halten Sie Ihren Mund! Sehen Sie sich das mal an!« Sie deutete verärgert auf eine Schüssel, in der sich Eiersalat befand. Der Mann folgte der Aufforderung und beugte sich vor. In dem Moment hieb die alte Dame mit ihrem Pompadour zu und erwischte den Hinterkopf des Neugierigen.

Der Effekt war einmalig.

Der Mann tauchte mit seinem Gesicht tief in den Eiersalat und kostete ihn ausgiebig. Er gurgelte und spuckte, stöhnte und schnappte verzweifelt nach Luft. Lady Simpson wollte ihn nicht unnötig leiden lassen und kürzte das Verfahren ab. Sie setzte ihm eine Karaffe aus schwerem Bleikristall auf den Hinterkopf und trat dann erwartungsvoll zurück. Der Mann knickte ein, riß den Eiersalat mit sich und breitete sich zusammen mit ihm auf den Bodenkacheln aus.

»So macht man das«, rief Agatha Simpson ihrem inzwischen eintretenden Butler entgegen. »Und nun zu Balcott, Mister Parker.«

»Eine Sekunde, falls Mylady einverstanden sind.« Parker zog einen Miniatur-Fotoapparat aus einer seiner Westentaschen und machte ihn schußbereit. Dann folgte er seiner Herrin, die sich bereits in Bewegung gesetzt hatte.

*

Herrn Balcott war ein kleiner, schlanker Mann, dessen Figur an die eines Jockeys erinnerte. Er mochte vielleicht fünfundfünfzig Jahre alt sein, trug einen erstklassig sitzenden Smoking und stand an der Stirnseite einer langen Festtafel.

» ... meiner Einladung zum Jahresfest gefolgt seid«, sagte er gerade mit erstaunlich sonorer Stimme. »Ich kann euch jetzt schon sagen, liebe Freunde, daß der Ertrag des abgelaufenen Rechnungsjahres erstklassig ist. Wieviel es ist, soll vorerst noch mein Geheimnis bleiben. Nach dem Imbiß wird jeder von euch seinen Anteil in bar erhalten. Hier ist alles vorbereitet.«

Herrn Balcott deutete auf einen Teetisch, der seitlich neben seinem Sessel stand. Auf dem fahrbaren Tisch thronte eine Bratenplatte aus Silber, über die sich eine Abdeckhaube wölbte. Balcott lüftete die Haube und gab den Blick frei auf etwa ein Dutzend Päckchen, die in Geschenkpapier eingeschlagen waren. Die Anzahl der Päckchen entsprach der Zahl der Gäste am Tisch.

Balcott wartete, bis das erfreute und anerkennende Murmeln sich gelegt hatte.

»Wir haben gute Arbeit geleistet«, fuhr er dann zufrieden fort. »In gewissen Kreisen weiß man inzwischen, daß man ohne uns nicht auskommt. Doch es hat sich da, das sei in aller Ehrlichkeit mal gesagt, so etwas wie eine Schmutzkonkurrenz breitgemacht. Diesem Willie Winters werden wir es zeigen! Ich denke, daß wir innerhalb einer Woche an der Beerdigung seines Unternehmens teilnehmen können. Dieser Winters ist eine Schmeißfliege, die wir zerdrücken werden.«

Daraufhin erfolgte erneut zustimmendes Gemurmel. Balcott genoß den Beifall seiner Gäste und strahlte.

Doch dann strahlte er plötzlich nicht mehr.

Irritiert wandte er sich halb um und lauschte auf die Schüsse, die plötzlich zu hören waren. Sie schienen seiner Ansicht nach aus dem Keller des Hauses zu kommen und fielen in schneller Folge.

Seine Gäste sprangen von ihren Sitzen hoch und riefen ihm Fragen zu, die Balcott verständlicherweise nicht beantworten konnte. Keiner der Anwesenden bekam übrigens mit, daß ein einzelner Kugelschreiber durch die Luft segelte und dann auf dem Tisch landete. Bruchteile von Sekunden später explodierte dieser Kugelschreiber und beförderte eine dichte Rauchwolke in den Raum.

Einer der Gäste bekam vage etwas mit.

Er sah wie der Griff eines Regenschirms sich um den Griff des Teewagens legte. Er bekam deutlich mit, daß der Teewagen sich in Bewegung setzte und auf eine halb geöffnete Tür zusteuerte. Der Beobachter gab seinem Erstaunen lauten Ausdruck, deutete auf den rätselhaften und ein wenig unheimlichen Vorgang, wurde aber nicht weiter beachtet. Das Durcheinander der Stimmen war einfach zu laut.

Der irritierte Gast schob seinen Stuhl zurück, jagte auf den immer schneller werdenden Teewagen zu, nahm die Verfolgung auf und prallte dann mit seiner Stirn gegen einen äußerst harten Gegenstand, der ihn, bevor er sein Bewußtsein verlor, an einen perlenbestickten Pompadour erinnerte.

*

»Was will denn die alte Schreckschraube hier?« wunderte sich Willie Winters, ein stämmiger, untersetzter Mann von knapp fünfzig Jahren. Er stand in seinem Büro vor dem Einwegspiegel und sah hinunter in den intimen Clubraum.

»Meinen Sie die Alte dort, die mit ihrem Butler aufgekreuzt ist?« fragte Marty Nattels, Winters rechte Hand. Marty Nattels war knapp dreißig Jahre alt, sah gut aus und hatte freundliche, braune Augen. Man sah ihm nicht an, daß er ein Killer war, für den ein Menschenleben nicht zählte.

»Agatha Simpson und Butler Parker«, erklärte Willie Winters. »Amateurdetektive. Die Alte ist steinreich.«

»Amateurdetektive!« Marty Nattels lächelte ironisch. Er kam aus den Staaten und hatte erst vor wenigen Wochen bei Winters angeheuert. Für Amateure hatte Nattels nur ein müdes Lächeln übrig. Er kam schließlich aus einem Land, das die Wiege des Gangstertums war. Dieses England kam ihm ohnehin reichlich provinziell vor. Er war bereit, diesen Anfängern mal kurz zu zeigen, wie man eine Gang aufzog.

»Die Alte kommt doch bestimmt nicht aus Langeweile«, sorgte sich Willie Winters.

»Soll ich sie an die frische Luft setzen lassen?« erkundigte sich Marty Nattels.

»Sind Sie verrückt, Marty?«

»Nee, ganz sicher nicht, Mister Winters.« Marty lächelte gewinnend. »Aber diesen Amateuren muß man immer gleich zeigen, wer der Herr im Hause ist.«

»Sie nehmen den Mund reichlich voll, Marty.«

»Lassen Sie mir freie Hand?«

»Okay, aber verbrennen Sie sich nicht die Finger!« Winters lächelte schief.

»Amateure!« Marty Nattels schnaubte verächtlich. »Wenn so was nach zwei Wochen Krankenhausaufenthalt wieder entlassen wird, ist das Hennen für immer gelaufen.«

»Aber keinen Ärger unten im Club, Marty!«

»So was erledige ich diskret, Mister Winters.« Marty freute sich darauf, seinem neuen Arbeitgeber mal zu zeigen, wie man »sowas« drüben in den Staaten regelte. Er verließ das Büro und machte sich auf den Weg, um seinem Chef einen kurzen Anschauungsunterricht zu liefern.

Willie Winters fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Er blieb vor dem Einwegspiegel stehen und beobachtete die kleine Nische, in der Lady Simpson Platz genommen hatte. Selbstverständlich saß ihr Butler zusammen mit ihr am Tisch, allerdings in einer Art, die seine Reserve Mylady gegenüber deutlich erkennen ließ.

Winters fragte sich noch mal, warum die Alte wohl in seinen Club gekommen war. Was hatte dieser Besuch zu bedeuten? Suchte sie vielleicht Streit? Daran war Winters überhaupt nicht gelegen. Sein Club, dem eine Art verbotener Spielhölle zugeschaltet war, zeichnete sich nach außen hin durch vornehme Ruhe aus. Hier verkehrten nur Gäste, die gut betucht waren und sich auch einige Spielverluste leisten konnten.

Da tauchte bereits Marty Nattels auf.

Gut sah er aus, vertrauenswürdig und elegant. Winters beglückwünschte sich noch mal zu dieser Neuerwerbung aus den Staaten. Er hatte einiges vor und wollte seine Zusatzgeschäfte noch erheblich ausweiten. Dafür brauchte er einen Vollprofi, der sich in allen Tricks auskannte.

Marty Nattels stand jetzt vor der Nische und beugte sich diskret zu Agatha Simpson hinunter. Er schien ihr einige deutliche Dinge zu sagen, denn die ältere Dame lehnte sich zurück und schaute Nattels prüfend und ungläubig an. Sie machte einen nervösen Eindruck. Winters hätte nur zu gern gewußt, welche Worte da gewechselt wurden. Agatha Simpson antwortete nämlich gerade.

*

»Sie sind ein Flegel, junger Mann«, sagte die Lady, wobei ihre tiefe Stimme fast schon wieder ein wenig freundlich klang. »Woher nehmen Sie eigentlich Ihre Frechheit?«

»Wollen Sie’s genau wissen?« Nattels lächelte. Ihm war nicht anzumerken, daß er Mylady gerade massiv bedroht hatte.

»Möglicherweise setzt der Herr auf seine Schnelligkeit und Tücke, Mylady«, schaltete sich Parker gemessen ein.

»Damit kommen Sie der Sache schon näher.« Nattels nickte. »Ich bin tatsächlich schnell und tückisch. Ich schieße gern aus dem Hinterhalt und treffe immer.«

»So jung und bereits so verdorben«, seufzte die Sechzigjährige. »Mister Parker, was soll man dazu sagen?«

»Mister Nattels dürfte die hiesigen Verhältnisse nicht kennen«, antwortete Josuah Parker.

»Was er eigentlich müßte«, sagte Agatha Simpson.

»In der Tat, Mylady«, bestätigte Parker höflich und würdevoll.

»So, und jetzt haben wir genug gequatscht«, fand Marty Nattels und lächelte gewinnend. »In zwei Minuten seid ihr draußen! Ist das klar?«

»Welche Konsequenzen würden sich aus einer gewissen Zeitüberschreitung ergeben?« wollte Josuah Parker wissen.

»Das würden Sie dann spätestens auf dem Heimweg merken«, drohte Nattels und lächelte erneut. »Nein, nein, keine Sorge, hier im Club wird Ihnen nichts passieren.«

»Sind Sie sicher, junger Mann?« Lady Agatha nahm umständlich ihren Hut ab, der eine Art Kreuzung zwischen einem Südwester und Topfhut darstellte. Dazu zog sie eine der beiden langen Hutnadeln aus dem gelockten, weißen Haar.

»Vollkommen sicher, Mylady«, erwiderte Nattels inzwischen und blieb ahnungslos. »Wir wahren den guten Ruf des Clubs.«

»Im Gegensatz zu Mister Parker und mir, junger Mann.« Agatha Simpson nickte leutselig und ... rammte Nattels eine der langen Hutnadeln in den linken Oberschenkel. Dies geschah mit solch einer Schnelligkeit, daß der Gangster sich nicht wehren konnte.

Nattels stöhnte und kämpfte mit dem Wasser, das ihm in die Augen schoß. Er hatte das Gefühl, von einem langen Stoßdegen durchbohrt worden zu sein. Er taumelte und hielt sich mit aller Mühe am Pfosten der Nische fest.

»Ich bin aber auch wirklich zu ungeschickt«, entschuldigte sich die Detektivin. »Habe ich Sie etwa verletzt, junger Mann?«

Sie schob sich ein wenig vor und sorgte sich um Marty Nattels, der sich inzwischen etwas erholt hatte. Nattels wollte jetzt nach seiner Waffe in der Schulterhalfter greifen. Ihm war alles egal. Zum Teufel mit der Ruhe im Club! Er wollte sich einfach rächen.

Zu seinem Leidwesen schaffte er es jedoch nicht, an die Waffe heranzukommen. Sein Unterarm wurde vom Bambusgriff eines altväterlich gebundenen Regenschirms nachdrücklich festgehalten. Er brachte den Arm um keinen Zentimeter nach oben.

»Ihr Kreislauf scheint in Unordnung geraten zu sein«, stellte Parker fest.

»Da hilft nur Akupunktur«, erklärte Agatha Simpson. »Junger Freund, Sie haben Glück. Ich studiere gerade diese Therapie. Sie werden sich gleich wieder bewegen können.«

Ja, und dann akupunktierte Lady Agatha ihren Gegner...

Sie rammte ihm ihre Hutnadel in den anderen Oberschenkel und war dabei nicht zimperlich. Sie stieß ordentlich zu und nickte anerkennend, als Marty Nattels erneut aufstöhnte.

»Was schmerzt, wirkt«, prophezeite sie. »Oder sollte ich vielleicht doch den falschen Meridian getroffen haben?«

»Den, bitte, was?« erkundigte sich Josuah Parker.

»Den Körpermeridian«, erläuterte Lady Simpson. »Kraftlinien des Körpers, Mister Parker. Bei Gelegenheit mehr darüber. Ich denke, ich werde wohl doch noch eine weitere Nadel setzen.«

Die Detektivin wollte demonstrieren, wie gut sie es mit Marty Nattels meinte. Sie stach also noch mal zu und impfte den Rücken jener Hand, die zuschlagen wollte.

Marty Nattels sackte in die Knie und wurde kreidebleich. Er sah die lange Hutnadel in seinem Handrücken und auch die wenigen Blutstropfen, die aus der Einstichstelle sickerten. Das war einfach zu viel für ihn.

»Sie werden doch nicht etwa schlapp machen?« fragte Lady Agatha grollend.

»Mir... Mir is’ schlecht«, stotterte Marty Nattels.

»Wir werden Sie selbstverständlich begleiten«, sagte die ältere Dame energisch. »Nein, keinen Widerspruch, junger Mann! Ich wurde in Erster Hilfe ausgebildet. Ich bin ja direkt glücklich, meine Kenntnisse endlich mal an den Mann bringen zu können.«

*

»Da habe ich ja leider allerhand versäumt, Mylady«, meinte Kathy Porter und lächelte. »Und wie ging die Geschichte aus?«

»Willie Winters erschien in der Nische und setzte sich an unseren Tisch. »Agatha Simpson zwinkerte ihrem Butler zu.

»Nachdem Mylady ihn nachdrücklich aufgefordert hatten«, erinnerte Parker sich laut.

»Nun ja, ich bin vielleicht ein wenig direkt geworden«, räumte die ältere Dame genießerisch ein.

»Und es gab keinen Zwischenfall im Club?« wunderte sich Myladys Gesellschafterin.

»Winters schickte schleunigst eine Schönheitstänzerin auf die kleine Tanzfläche und lenkte seine Clubgäste ab«, berichtete die Detektivin weiter. »Wir konnten uns also völlig ungezwungen unterhalten.«

»Mylady wurden sehr deutlich.« Parker servierte seiner Herrin einen doppelten Kognak.

»Ich rede eben nicht gern um den heißen Brei herum«, gestand Lady Agatha. »Winters weiß jetzt, was ihm blüht.«

»Sie haben ihm auf den Kopf zugesagt, daß er der Rennsport-Mafia angehört?«

»Aber natürlich, Kindchen. Nur mit Offenheit kommt man im Leben weiter. Oder besser gesagt, hin und wieder. Winters stritt natürlich alles ab und wollte wissen, wer mir diese Lügen aufgebunden hätte.«

»In diesem Zusammenhang sprachen Mylady dann von Mister Herrn Balcott«, ergänzte Parker. »Mister Winters weiß jetzt, was ihn von Mister Balcott erwartet.«

»Ich ahne, warum Sie in seinen Club gegangen sind«, meinte Kathy verschmitzt.

»Ihre Vermutung ist durchaus richtig, Miß Porter.« Parker nickte. »Während der vertraulichen Unterredung erschienen im Club zwei Männer, die zu Mister Balcotts engstem Kreis gehören. «

»Zwei dieser Subjekte aus Balcotts Landhausküche«, präzisierte die ältere Dame genußvoll. »Sie entdeckten uns in der Nische und werden das Balcott bereits gesteckt haben.«

»Balcott muß nun annehmen, er sei von Winters im Landhaus überfallen worden, nicht wahr?«

»Er wird sich das mit Erfolg einreden, Miß Porter«, pflichtete Butler Parker ihr höflich bei. »Damit sind die ersten Weichen gestellt, um es mal volkstümlich auszudrücken.«

»Demnach werden sich Balcott und Winters gegenseitig an den Kragen gehen?«

»Natürlich, Kindchen. Und wir können in aller Ruhe ermitteln. Man sollte seine Gegner immer beschäftigen. Merken Sie sich diese goldene Regel fürs Leben!«

»Sie waren wahrscheinlich nicht weniger erfolgreich, Miß Porter?« erkundigte sich Parker, das Thema wechselnd.

»Ich habe den Inhalt der zwölf Päckchen durchgezählt.« Kathy deutete auf einen Sekretär, auf dem die Banknotenbündel sich häuften. Sie hatte die Päckchen von Agatha Simpson und Butler Parker übernommen, bevor man weiter zu Winters in den Club gefahren war. »Der Inhalt war unterschiedlich, aber insgesamt handelt es sich immerhin um genau zweiundsiebzigtausend Pfund.«

»Sehr nett«, freute sich Agatha Simpson.

»Die Päckchen enthielten die Abrechnungen für ein halbes Jahr«, redete Kathy Porter weiter. »Die Beträge und Prämien sind genau aufgeführt. Wenn Sie sich vielleicht vergewissern wollen, Mylady?«

»Verschonen Sie mich nur ja mit diesen Einzelheiten, Kindchen.« Agatha Simpson winkte hastig ab. »Sind Namen genannt?«

»Pro Päckchen, Mylady.« Kathy lächelte. »Mister Balcott hat die Abrechnungen sehr genau genommen.«

»Damit hätten wir zwölf Namen, Mister Parker. Eine schöne Ausbeute, finden Sie nicht auch?«

»Beachtenswert, Mylady.« Er ahnte, was jetzt kommen würde.

»Diese zwölf Subjekte werden wir nacheinander oder pauschal überprüfen, Mister Parker.«

»Mylady sollten vielleicht beachten, daß es sich wahrscheinlich um äußerst hartgesottene Männer handelt.«

»Na und? Schrecken Sie etwa davor zurück? Nach dem Coup im Landhaus haben wir sie ohnehin bald alle auf dem Hals. Ich werde sie an meine Brust nehmen. Nun erröten Sie nicht gleich, Mister Parker! Ich meine das natürlich bildlich.«

»Gewiß, Mylady.« Parker räusperte sich. »Super-Intendent McWarden sollte ich wohl erst gar nicht erwähnen?«

»Was hat McWarden damit zu tun?« wollte Parkers Herrin wissen. »Er hat vielleicht gewisse Vorzüge, aber ein Kriminalist ist er nicht. Nein, nein, das ist und bleibt unser Fall. Denken Sie an diesen unglücklichen Jockey, der ermordet wurde!«

»Mylady, ich möchte höflich daran erinnern, daß man es mit einer Organisation zu tun hat, die einer Mafia gleicht.«

»Das möchte ich auch hoffen.«

»Eine gefährlichere Verbrecherorganisation kann man sich kaum vorstellen, Mylady.«

»Das klingt gut, Mister Parker.« Mylady nickte wohlwollend. »Das alles sieht nach einem Stoff für meinen geplanten Krimi-Bestseller aus, finden Sie nicht auch? Endlich scheint mir da der richtige Stoff über den Weg zu laufen. Ich werde mich sofort an die Arbeit machen und ein paar Stichworte notieren. Das heißt, Kindchen, das könnten eigentlich Sie erledigen. Im Fernsehen läuft ein Kriminalfilm, den möchte ich auf keinen Fall versäumen.

*

Die Aufnahmen waren gestochen scharf.

Butler Parker kam aus der Dunkelkammer, die zu seiner privaten Bastelstube im Haus der Lady Simpson gehörte. Er hatte die Schnappschüsse von der Festtafel entwickelt und vergrößert.

Auf den Bildern, die er mit dem Mini-Fotoapparat geschossen hatte, waren die Teilnehmer der Balcott-Party genau zu erkennen. Sie alle machten einen durchaus vergnügten Eindruck, denn Parker hatte seine Kamera in dem Moment benützt, als Balcott seinen Freunden von der Abrechnung berichtet hatte.

Es handelte sich um Männer, die Parker nicht kannte. Sie gehörten auf keinen Fall zur offiziellen Szene der Unterwelt. Wahrscheinlich handelte es sich um führende Mafia-Mitglieder, die es bisher verstanden hatten, jede Publicity zu vermeiden.

»Diese Aufnahmen sind ja Gold wert, Mister Parker«, stellte Kathy Porter fest, die in Parkers Souterrain erschien.

»Sie sind geballter Sprengstoff«, antwortete der Butler. »Noch wissen die Herren nicht, daß man sie fotografiert hat. Wird das aber erst mal bekannt werden, ist mit einigem Ärger zu rechnen.«

»Entsteht der nicht automatisch, Mister Parker?«

»Da möchte ich Ihnen beipflichten, Miß Porter. Mister Balcott wird alles daran setzen, wieder in den Besitz seiner Halbjahresabrechnung zu kommen. Zweiundsiebzigtausend Pfund ist sehr viel Geld.«

»Und Willie Winters wird sich an Mylady und Ihnen rächen wollen, oder?«

»Mit letzter Sicherheit, Miß Porter.« Parker nickte. »Die kommenden Tage werden gewiß turbulent verlaufen.«

»Was geschieht mit dem Balcott-Geld, Mister Parker?«

»Mylady wird den Betrag wohl wieder an eine karitative Stiftung überweisen lassen«, meinte Parker und lächelte. »Wer ist nach Ihrer Buchführung diesmal an der Reihe?«

»Der Verband der Witwen und Waisen, Mister Parker.«

»Dann sollten Sie den Betrag möglichst bald überweisen, Miß Porter.«

»Ich habe bereits alles vorbereitet.« Kathy Porter tippte auf die Mappe, die sie um ihren linken Arm hielt. »Sie haben mir noch gar nicht erzählt, wie die Geschichte im Club ausging.«

»Ausgesprochen friedlich, Miß Porter. Mister Winters schien an Aktionen nicht interessiert gewesen zu sein.«

»Und dieser Nattels?«

»Ein sehr gefährlicher Mann, der um das fürchtet, was man gemeinhin und neuerdings Image nennt. Mylady hat ihn zu ausgiebig akupunktiert.«

»Sie erwarten Schüsse aus dem Hinterhalt?«

»Eigentlich nicht, Miß Porter. Das dürfte Mister Nattels wohl kaum genügen. Er ist der Typ, der sich an den Qualen seiner Opfer delektieren möchte.«

»Warum ziehen wir ihn nicht einfach kurzfristig aus dem Verkehr, Mister Parker?«

»An solch eine Möglichkeit erlaubte ich mir bereits zu denken«, entgegnete der Butler und nickte. »Man sollte in der Tat nicht unnötig warten.«

»Wissen Sie, wo er wohnt, Mister Parker?«

»Im Haus Mister Winters’, Miß Porter. Also über dem Club. Es dürfte sich um eine äußerst gut gesicherte Wohnung handeln.«

»Sie glauben nicht, daß er noch in dieser Nacht versuchen wird, hier ins Haus einzudringen?«

»Dazu dürfte er zu vorsichtig sein, Miß Porter. Aber andere Herrschaften werden es gewiß versuchen. Ich denke in diesem Zusammenhang an die Balcott-Gruppe.«

»Hoffentlich kommen diese Leute erst nach dem Krimi«, seufzte Kathy auf. »Mylady haßt es, beim Fernsehen gestört zu werden. Sie wird dann immer gleich ärgerlich.«

*

»In ’ner Viertelstunde muß die Sache gelaufen sein«, sagte Clive Crestner zu seinen drei Begleitern, die Phil, Joe und Pete hießen. »Die alte Bruchbude da drüben ist doch ’ne Kleinigkeit für euch, oder?«

Das fanden Phil, Joe und Pete ebenfalls.

Sie gehörten zu den Männern aus Balcotts Landhausküche und ärgerten sich noch immer darüber, daß man sie im Keller des Hauses festgehalten hatte. Sie hörten immer noch das, was ihr Boß Balcott ihnen an Freundlichkeiten an den Kopf geworfen hatte und brannten darauf, diese Scharte wieder auszuwetzen.

Sie verließen den Wagen und schlichen wie schlaue Füchse an den kleinen Platz heran, wo Lady Simpsons Stadthaus lag. Es handelte sich um ein altehrwürdiges Gebäude im Fachwerkstil, inzwischen auch in London eine Rarität. Solch ein Haus konnte natürlich kein echtes Hindernis für sie sein. Phil, Joe und Pete, starke Burschen von etwa dreißig Jahren, waren schließlich Vollprofis ihrer Branche.

Clive Crestner sah den drei Männern nach und rauchte eine Zigarette.

Er war knapp dreißig Jahre alt und die rechte Hand von Herrn Balcott. Er brannte innerlich vor Ehrgeiz und wartete nur darauf, Balcott eines Tages in der Führung der Rennsport-Mafia ablösen zu können. Im Grunde erledigte er bereits alle Kleinarbeit und kannte sich in der Organisation bestens aus.

Es paßte ihm, daß Herrn Balcott diese Blamage hatte einstecken müssen.

Balcotts Geschäftspartner waren sauer. Zweiundsiebzigtausend Pfund war eine Summe, die man nicht so leicht verschmerzt. Balcotts Ansehen hatte sichtlich gelitten.

Clive Crestner wußte inzwischen durch seine beiden Späher, die er in Willie Winters’ Club geschickt hatte, wer die ältere Dame und ihr Butler waren.

Amateurdetektive!

Crestner ließ sich dadurch aber nicht täuschen. Eine Umfrage bei Freunden aus der Branche hatte ihm erst vor einer Stunde gesagt, daß diese Amateure nicht zu unterschätzen waren. Lady Simpson, Butler Parker und eine gewisse Kathy Porter hatten in der Vergangenheit schon manchen Fall gelöst. Sie galten in eingeweihten Kreisen als unkonventionell in ihren Methoden und gerissen. Man mußte also durchaus Vorsicht walten lassen.

Insgeheim bewunderte Crestner den Coup, den diese beiden Amateure gelandet hatten. Das war schon ein starkes Stück, einfach in die Balcott-Party hineinzuspazieren und dort abzusahnen. Ein Profi hätte solch eine Frechheit sicher nicht besessen.

Nun sollte sich das Blatt jedoch wenden.

Crestner zweifelte keine Sekunde daran, daß Phil, Joe und Pete Erfolg haben würden. Das waren drei ausgekochte Burschen, die sich auf keine Diskussionen einließen. Gegen solche Profis hatten auch gerissene Amateure keine Chance.

Er wurde abgelenkt, als er schleppende Schritte hörte.

Clive Crestner drehte sich halb um und entdeckte hinter dem Wagen, in dem er saß, eine Bordsteinschwalbe, die offensichtlich einen leichten Schwips hatte. Sie schien sich in dem immer noch herrschenden Nebel nicht zurechtzufinden und landete gerade etwas hart vor dem Heck seines Wagens, worauf sie recht ordinär fluchte.

Sie sah nicht schlecht aus, war etwas über mittelgroß, schlank und trug einen schwarzen Regenmantel aus Kunststoff. Sie tastete sich am Wagen entlang und erreichte das halb geöffnete Fenster.

Butler Parker 125 – Kriminalroman

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