Читать книгу Butler Parker 156 – Kriminalroman - Gunter Donges - Страница 3

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Butler Parker zeigte zurückhaltendes Wohlwollen.

Er sah sich einem recht merkwürdigen Gebilde gegenüber, das ihn an eine Regentonne erinnerte, auf die man einen Wassereimer gesetzt hatte. Die Konstruktion lief auf Rollen und zeigte eine verblüffende Beweglichkeit. Es gab da ferner zwei Metallarme, die überlang wirkten und in Greiferklauen endeten. Einer dieser Arme ging hoch und schob sich Parker entgegen. Dabei öffneten sich die drei Finger der Metallhand. Parker gewann den Eindruck, daß das Gebilde mit ihm einen Händedruck tauschen wollte.

»Willie möchte Sie begrüßen«, sagte Harold Peters und rückte seine randlose Brille zurecht, »Willie ist ein höflicher Roboter.«

»Ich erlaube mir, die Absicht für die Tat zu nehmen«, erwiderte Josuah Parker, der keineswegs daran interessiert war, sich die Hand zerquetschen zu lassen. »Sie haben wirklich nichts zu befürchten«, versicherte Harold Peters eindringlich, »seine Klaue paßt sich Ihrem Händedruck genau an.«

»Beeindruckend, wenn man so sagen darf.« Parker dachte nicht daran, dieses unnötige Risiko einzugehen. Die Klaue mit den drei Fingern machte einen sehr harten Eindruck.

»Ich möchte ihnen nicht vorgreifen«, ließ Agatha Simpson sich vernehmen, als der Roboter sich ihr zuwandte. Er hatte registriert, daß Parker an einem Händedruck nicht weiter interessiert war. Das Gebilde kurvte nun auf die ältere Dame zu, die unwillkürlich einen halben Schritt zurückwich. Sicherheitshalber brachte sie ihren perlenbestickten Pompadour in leichte Schwingung.

»Ich werde Ihnen beweisen, wie ungefährlich Willie ist«, sagte Harold Peters und räusperte sich. Der Roboter reagierte erneut. Der Kopf, der an einen Wassereimer erinnerte, fuhr blitzschnell herum, die augenähnlichen Sensoren konzentrierten sich auf den Erfinder. Dann wieselte Willie auf Harold Peters zu und streckte erneut seine Klaue aus.

»Sie werden sehen, daß nichts passiert«, prophezeite der Erfinder und schob seine Hand vertrauensvoll in die Klaue.

Lady Agatha beugte sich hoffnungsfroh vor und wartete darauf, daß der Erfinder vor Schmerz aufschrie, doch nichts dergleichen geschah. Willie erwies sich als artiger Roboter, der genau wußte, was er zu tun hatte. Nachdem Harold Peters die Klaue ausgiebig geschüttelt hatte, zog Willie den Metallarm wieder zurück, gab einen quiekenden Ton von sich und surrte auf seinen bestens geschmierten Rollen zurück zur Ziegelwand der kleinen Werkshalle.

»Nun, Mylady, sind Sie überzeugt?« fragte Harold Peters.

»Überhaupt nicht«, gab die passionierte Detektivin offen und ungeniert zurück, »Kunststücke dieser Art, mein Bester, habe ich schon häufig gesehen. Sagen Sie, Mr. Parker, mußte ich mich auch schon mal mit Robotern herumschlagen, die außer Kontrolle geraten waren?«

»In der Tat, Mylady«, bestätigte Josuah Parker und deutete eine knappe Verbeugung an.

»Sagen Sie mir, Peters, warum ich mein knappes Geld ausgerechnet in Ihren Roboter stecken soll?« fragte Agatha Simpson weiter, »wozu haben Sie ihn überhaupt konstruiert? Wer soll dieses Stück Blech kaufen?«

»Firmen jeder Art«, erwiderte Harold Peters, »denken Sie an Lagerhallen, die bis jetzt aufwendig geschützt werden müssen, damit sich keine Diebe einschleichen, Mylady. Willie und seine Nachfolger werden Nachtwachen jeder Art überflüssig machen.«

»Das müssen Sie mir näher erklären«, verlangte die interessierte Dame. Sie warf noch einen skeptischen Blick auf Willie, bevor sie sich umwandte und dann die kleine Werkshalle verließ. Harold Peters folgte, während Josuah Parker noch einen Moment stehen blieb und den Roboter musterte.

Willies augenähnliche Sensoren glühten plötzlich und richteten sich auf den Butler. Dann löste Willie sich von der Ziegelwand und surrte schnell und lautlos dem Butler entgegen. Dabei hob Willie die Panzerarme und öffnete die Klauen. Man sah es dem Roboter deutlich an, daß er keineswegs daran dachte, nun auch Parker per Handschlag begrüßen zu wollen.

Während Lady Agatha und Harold Peters bereits die Tür passierten, umkreiste Willie den Butler und hinderte ihn daran, den beiden Vorausgehenden zu folgen. Willies Augen glühten immer wieder auf, eine Art Mund öffnete sich.

»Stehenbleiben, Hände hoch!« verlangte der Lautsprecher hinter dieser Mundöffnung. Die Stimme klang blechern, monoton und computerhaft.

»Stop«, antwortete Josuah Parker mit relativ scharfer Stimme.

»Hände hoch«, antwortete Willie und beendete seine Umkreisungen. Er baute sich vor Parker auf und ... streckte dann die Arme noch weiter aus. Sie wurden zu Teleskopen, und die beiden Klauen schlossen und öffneten sich in einer Art und Weise, die bedrohlich und unheimlich war.

Josuah Parker wich ein wenig zurück und hob dabei leicht seinen Universal-Regenschirm. Er wußte bereits jetzt, daß der Roboter unprogrammäßig arbeitete. Irgend etwas in seinem Inneren schien aus dem Kurs geraten zu sein.

Willies Klauen schnappten nach Parker und konzentrierten sich auf dessen Oberarme. Parker verzichtete darauf, den Roboter noch mal zur Ordnung zu rufen. Um Unheil zu vermeiden, stach der Butler mit der Spitze seines Schirmes auf ein drittes Auge oben auf der Stirn und löste mit diesem nachdrücklichen Stich einen Kurzschluß aus.

Willies Augen wurden matt, eine Art Husten und Röcheln kam aus seinem angedeuteten Mund. Dann sauste der Roboter zurück, fuhr in wilden Schlangenlinien durch die kleine Werkstatt und hielt im Hintergrund auf eine schmale Tür zu, die geschlossen war.

Sie blieb es nicht lange.

Willie, der wohl die Orientierung verloren hatte, brauste mit viel Fahrt gegen das Türblatt, zersplitterte es und schob die Trümmer mit der Unterkante seines tonnenförmigen Körpers zur Seite. Wenig später war der Roboter im Nebenraum verschwunden, doch er war noch laut und deutlich zu vernehmen.

Er schien mit Werkstoffen verschiedenster Art kollidiert zu sein. Parker hörte ein Scheppern und Krachen, als würden Blechtafeln Umstürzen. Dann gingen eindeutig Scheiben zu Bruch, anschließend wohl Kanister.

Willie machte akustisch deutlich, wie gut er war.

*

»Wo haben Sie denn gesteckt, Mr. Parker?« fragte Lady Simpson grollend. »Ich glaube, daß ich mich bereits langweile.«

Die ältere Dame, groß, stattlich und majestätisch wirkend, befand sich in einem Empfangsraum, der mit einfachen Möbeln und mit einer Sitzgruppe ausgestattet war.

»Mylady mögen entschuldigen«, antwortete Josuah Parker, das Urbild des hochherrschaftlichen englischen Butlers, »der Roboter mußte durch meine Wenigkeit erst zur Ordnung gerufen werden.«

»Was stelle ich mir darunter vor, Mr. Parker?« wollte Lady Agatha wissen.

»Der Roboter zeigte eine gewisse Neigung, meine Wenigkeit zu attackieren«, beantwortete Parker die Frage, »nach einem Intermezzo verließ er die Werkshalle, wobei er eine Tür in ihre Bestandteile zerlegte.«

»Sehr schön.« Sie nickte wohlwollend. »Was halten Sie eigentlich von diesem Roboter, Mr. Parker?«

»Geräte ähnlicher Bauart, Mylady, dürften sich bereits auf dem Markt befinden.«

»Eben.« Sie nickte nachdrücklich. »Ich denke, ich werde mein Geld zusammenhalten und in dieses Unternehmen auf keinen Fall einsteigen. Machen Sie das diesem Mr. Peters, oder wie immer er heißen mag, deutlich klar.«

»Mr. Harold Peters wird gleich zurückkehren, Mylady?«

»Das möchte ich ihm dringend raten«, gab sie zurück, »er stand plötzlich auf und stürmte hier aus dem Raum. Er hatte in seiner Rocktasche einen Piepser gehört.«

»Vermutlich ein Signalgeber, Mylady.«

»Das sagte ich ja gerade.« Sie räusperte sich. »Es ist eine Unverschämtheit, eine Lady Simpson warten zu lassen. Ich werde ...«

Sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden. Die Tür zum Empfangsraum öffnete sich. Der Erfinder taumelte herein und konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Sein Anzug war zerrissen, das Haar zerzaust. Harold Peters blutete aus einigen Rißwunden.

»Hilfe«, stöhnte er und fiel auf die Knie, »Willie spielt verrückt und ...«

Auch er kam nicht mehr dazu, den Satz zu vollenden. Parker hörte ein hartes Rollen und dachte sofort an den Roboter, von dem er eben erst attackiert worden war. Und er sollte sich nicht getäuscht haben. Nach wenigen Sekunden tauchte Willie auf und machte einen äußerst aggressiven Eindruck. Der Roboter kurvte durch die Tür und stoppte kurz vor Peters, der sich verzweifelt mühte, aus der Reichweite der Arme und Klauen des Roboters zu kommen. Der Erfinder kroch auf Händen und Füßen zur Sitzgruppe, um sich hinter ihr in Sicherheit zu bringen.

Willie übersah Lady Simpson und den Butler. Aus dem dritten Auge auf der Stirn stiegen leichte Rauchwolken. Der Roboter öffnete und schloß seine dreifingrigen Klauen wie Scheren und ließ die Panzerarme noch weiter ausfahren.

»Warten Sie doch, Mr. Parker«, sagte die ältere Dame, als der Butler sich hilfreich einschalten wollte, »ich bin doch sehr gespannt, ob der Erfinder sich helfen kann.«

»Hilfe«, stöhnte Harold Peters erneut und steuerte eine Ecke an. Willie folgte schnell und hartnäckig. Er schien etwas gegen Peters zu haben und unterstrich deutlich, daß er mit seinen Klauen zuschnappen wollte.

»Nun haben Sie sich gefälligst nicht so«, grollte die Lady und beugte sich neugierig vor, »hat der Roboter Sie so zugerichtet?«

»Er... Er spielt verrückt«, hechelte Peters und streckte abwehrend die Arme aus, »er wird mich umbringen.«

»Unsinn, junger Mann«, sagte Lady Agatha, »schließlich bin ich ja auch noch da.«

Sie hatte inzwischen ihren perlenbestickten Pompadour in Schwingung versetzt und bewies, wie hilfreich sie war. Sie holte weit aus und setzte den Pompadour zielsicher auf Willies Hinterkopf.

Es gab ein dumpfes, hohles Geräusch, als der Glücksbringer im Handbeutel sein Ziel erreichte. Bei diesem sogenannten Glücksbringer handelte es sich um ein schlichtes Pferdehufeisen, das nun seine Wirkung tat. Willie geriet ins Stolpern und kippte nach vorn. Inzwischen aber hatte die kriegerische Dame erneut ausgeholt und setzte den Pompadour noch mal auf den wassereimerähnlichen Kopf.

Willie schien zu husten, fühlte sich endlich angegriffen und wandte sich zu Lady Agatha um, die sich völlig undamenhaft benahm und respektlos gegen den Bauch des Roboters trat. Da Agatha Simpson über eine erstaunlich große Schuhnummer verfügte, fiel dieser Tritt äußerst kräftig aus.

Willie produzierte einen Laut, in dem erstaunlicherweise so etwas wie Schmerz herauszuhören war. Dann fuhr der Roboter seinen rechten Arm teleskopartig aus und griff mit der Klaue nach der älteren Dame.

Josuah Parker machte sich bereit, seiner Herrin zu helfen, doch dazu kam es erst gar nicht. Lady Agatha fühlte sich angegriffen und reagierte entsprechend. Sie schlug mit dem Handbeutel noch mal zu und setzte den Glücksbringer auf den Kopf des Roboters, der förmlich in die Knie ging, den Arm wieder zurückfahren ließ und dann einen piepsenden Ton ausstieß.

Zu Parkers Überraschung wandte Willie sich ab und schnurrte auf seinen Rädern zurück zur Tür, wobei das dritte Auge auf der Stirn weiterhin kleine Rauchwölkchen produzierte. Mit klagendem ›Piep-Piep-Piep‹ rollte der Roboter davon und machte einen fast beleidigten Eindruck. Nach wenigen Augenblicken war Willie dann verschwunden.

»Das wird diesem Lümmel eine Lehre sein«, sagte die ältere Dame zufrieden, um sich dann an Harold Peters zu wenden, »sagen Sie, was haben Sie da eigentlich erfunden?«

»Ich verstehe das alles nicht«, wunderte sich Peters und stemmte sich hoch, »so etwas hat Willie noch nie getan.«

»Verschrotten Sie ihn«, empfahl Agatha Simpson dem Erfinder, »mit diesem Subjekt werden Sie keine Ehre einlegen können, junger Mann.«

»Er hätte mich umgebracht.« Peters schien erst jetzt so richtig zu begreifen, in welcher Gefahr er schwebte. Er ließ sich in einem Sessel nieder und wischte dicke Schweißtropfen von der Stirn.

»Was nicht ist, kann noch werden«, antwortete die Lady hoffnungsfroh und boshaft wie stets, »informieren Sie mich rechtzeitig, junger Mann. Ich möchte mir das nicht entgehen lassen.«

Während Peters sie noch zweifelnd ansah, war von weither ein Scheppern und Krachen zu vernehmen.

»Was war das?« fragte die Detektivin und blickte ihren Butler neugierig an.

»Der Roboter dürfte gerade seine Absetzbewegung abrupt beendet haben, Mylady«, lautete Parkers Antwort.

*

»Wer, zum Teufel, ist dieser Harold Peters?« fragte Mike Rander in seiner saloppen Art. Der Anwalt, um die vierzig, groß, schlank und sportlich, erinnerte an einen bekannten James-Bond-Darsteller, was sein Äußeres betraf. Er und Parker kannten sich seit vielen Jahren und hatten in früherer Zeit mal ausschließlich allein zusammengearbeitet. Später war Parker dann in die Dienste der Lady Simpson getreten, während Mike Rander für einige Jahre in den USA blieb. Nach seiner Rückkehr aus den Staaten verwaltete der Anwalt das immense Vermögen der älteren Dame und schlitterte wieder mal von einem Kriminalfall in den anderen.

Mike Rander hielt sich im altehrwürdigen Fachwerkhaus der Lady Agatha in Shepherd’s Market auf und befand sich zusammen mit Parker in der großen Wohnhalle.

»Mr. Harold Peters, Sir, gilt in einschlägigen Kreisen als eine Art Genie, was die Konstruktion von Industrie-Robotern betrifft«, beantwortete Josuah Parker die an ihn gestellte Frage, »die Zahl seiner Patente ist Legion.«

»Und wieso bastelt dieses Genie solch einen verrückten Roboter?« wollte der Anwalt weiter wissen.

»Mr. Peters sucht nach neuen Ufern, Sir, wenn man so sagen darf.«

»Aha. Er scheint sie aber noch nicht in Sichtweite zu haben, oder?«

»Sein jüngster Roboter dürfte in der Tat noch mit einigen Mängeln behaftet sein.«

»Hat ihn sein Genie verlassen, Parker?« Mike Rander rauchte eine Zigarette und nippte hin und wieder an dem Kognak, den der Butler ihm serviert hatte.

»Willie, um diesen jüngsten Roboter namentlich zu bezeichnen, Sir, dürfte ein Prototyp sein.«

»Der durchdrehte und seinem Schöpfer an den Kragen gehen wollte, wie?« Mike Rander lächelte mokant.

»Die Verhaltensmuster des Roboters, Sir, waren in der Tat recht merkwürdig. Mr. Harold versicherte jedoch Mylady, die Mängel könnten innerhalb kürzester Zeit behoben werden.«

»Und wozu sollen die fahrbaren Roboter gut sein, Parker?«

»Sie sollen ein lückenloses Überwachungssystem herstellen und sind für Gewerbe, Handel und Industrie gedacht. Es sollte jedoch nicht verschwiegen werden, daß das Militär sich bereits für diese Konstruktion interessiert, wie Mr. Peters glaubwürdig versicherte.«

»Weiß der Henker, Parker, wann die Roboter uns Menschen ersetzen werden«, seufzte Mike Rander, »Willie scheint damit bereits begonnen zu haben. Hätte er dieses Genie wirklich umgebracht?«

»Damit war durchaus zu rechnen, Sir. Mr. Willies handähnliche Klauen sind furchterregend.«

»Lady Simpson wird natürlich keinen Penny in dieses Unternehmen stecken, schätze ich.«

»Mylady äußerte die Absicht, einen zweiten Mr. Willie käuflich zu erwerben, Sir.«

»Guter Gott! Will sie solch ein Monstrum hier durch die Halle rollen lassen?«

»In der Tat, Sir!« Parker deutete eine zustimmende Verbeugung an.

»Wirklich?« Rander schüttelte den Kopf. »Soll er Sie ersetzen, Parker?«

»Mylady will einen zweiten Mr. Willie anläßlich einer geplanten Party vorführen.«

»Also, so etwas stelle ich mir allerdings anregend vor.« Rander stand auf und ging vor dem mächtigen Kamin auf und ab. »Wann soll die Party denn steigen?«

»Darüber meditiert Mylady noch, Sir.«

»Dieser Peters ist also wirklich kein Spinner, Parker?«

»Keineswegs und mitnichten, Sir. Wie meine Wenigkeit bereits andeutete, sind Mr. Peters’ Industrie-Roboter weltbekannt. Er verfügt allerdings nicht über eigene Fertigungsstätten, sondern begnügt sich damit, diese sogenannten Helfer der Menschheit in seiner relativ kleinen, privaten Werkstatt zu entwickeln.«

»Helfer der Menschheit, Parker? Darüber könnte man stundenlang diskutieren und sogar streiten«, meinte der Anwalt und machte ein skeptisches Gesicht.

Parker, der darauf antworten wollte, kam nicht mehr dazu. Die Türglocke hatte geläutet. Er verbeugte sich knapp und begab sich hinüber zum verglasten Vorflur. Rechts davon öffnete er einen Wandschrank und schaltete die Fernsehkamera ein, die unter dem Vordach der Tür draußen installiert war. Es dauerte nur eine Sekunde, bis auf einem kleinen Monitor im Wandschrank ein Bild zu sehen war.

Was der Butler sah, überraschte ihn zwar einigermaßen, doch seine Stimme klang höflich und neutral wie stets, als er Mike Rander den Besuch eines Roboters ankündigte, der Einlaß begehrte.

*

»Das also ist Willie«, sagte Mike Rander, der inzwischen neben dem Butler stand und sich den Roboter auf dem Monitor anschaute.

»In etwa, Sir«, gab Parker zurück, »diese Version dürfte ein wenig größer sein und bewegt sich auf Laufbändern, falls meine Sinne mich nicht trügen.«

Der Roboter vor der Haustür läutete erneut. Er fuhr seinen Arm teleskopartig aus und drückte dann mit der rechten Fingerklaue auf den Klingelknopf. Das Gebilde war nach Schätzung des Butlers etwa 1,50 m groß, sah ein wenig schlanker aus als Willie und besaß eine Art menschliches Gesicht. Aber auch in dieser Ausführung gab es drei Augen, einen menschlich geformten Mund und sogar so etwas wie eine Nase. Die beiden Augen rechts und links von der Nase zeigten ein wechselndes Farbspiel.

»Der Knabe scheint uns einen Höflichkeitsbesuch abstatten zu wollen«, meinte der Anwalt spöttisch, »er hat aber die Blumen für Mylady vergessen.«

»Möglicherweise, Sir, wurde diesem Gebilde aufgetragen, ein anderes Gastgeschenk als Blumen zu überbringen«, antwortete der Butler.

»Moment mal, Parker, haben Sie etwas entdeckt, was ich noch nicht mitbekommen habe?« erkundigte sich der Anwalt sofort.

»In der linken Handklaue, Sir, befindet sich ein Gegenstand, den meine Wenigkeit noch nicht einwandfrei zu identifizieren vermochte.«

»Können Sie mir mal ’ne Großaufnahme liefern, Parker?« bat Mike Rander. Parker deutete eine Verbeugung an und bewegte dann einen kleinen Steuerknüppel, der sich auf dem reichhaltig ausgestatteten Armaturenbrett des Wandschranks befand. Daraufhin bewegte sich die Kamera unter dem Vordach, kippte ein wenig nach unten und lieferte anschließend die von dem Anwalt gewünschte Großaufnahme.

»Das sieht nach einem Revolver aus«, sagte Mike Rander.

»Man kann in der Tat eine Art Lauf ausmachen«, erwiderte der Butler.

»Wer kann uns diesen Roboter auf den Hals geschickt haben? Dafür kommt doch nur dieses Genie in Betracht, wie?«

»Eine andere Deutung, Sir, bietet sich zur Zeit in der Tat nicht an«, meinte der Butler.

»Das muß ja ein recht ulkiger Zeitgenosse sein«, redete der Anwalt weiter und schüttelte den Kopf, »was machen wir jetzt, Parker? Von wo aus wird dieser Blechknabe gesteuert?«

»Wahrscheinlich drüben von der Durchgangsstraße aus, Sir. Sind Sie daran interessiert, das Gebilde näher kennenzulernen?«

»Natürlich, Parker, aber ich möchte nicht gerade beschossen werden.«

»Dem kann abgeholfen werden, Sir.«

Parker betätigte den elektrischen Öffner, worauf die schwere Tür aufging. Der Roboter stieß einen piepsenden Laut aus und rollte auf seinen Laufbändern sofort in den verglasten Vorflur. Dabei hob er den linken Panzerarm und richtete den Gegenstand auf Parker und Rander, die sich hinter der Glastür des Vorflurs aufgebaut hatten.

Einen Wimpernschlag später war giftig-zischendes Geräusch zu vernehmen. Gleichzeitig damit erzitterte der Vorflur, der aus solidem Panzerglas bestand. Butler Parker und Mike Rander, die sich automatisch zur Seite geworfen hatten, starrten verblüfft auf ein kreisrundes Loch, das in die Scheibe aus Panzerglas gestanzt worden war. Der Durchmesser betrug etwa zwei Zentimeter, wie sich später zeigte.

Grelles Feuerwerk blendete die beiden Männer, dann war weit hinten in der großen Wohnhalle eine Detonation zu vernehmen. Parker, der sich umgewandt hatte, nahm mit leichtem Staunen zur Kenntnis, daß eine alte Ritterrüstung an der gegenüberliegenden Wand in sich zusammenrutschte und scheppernd auf dem Boden landete.

»Mein Gott, das war ja fast so etwas wie eine Panzerfaust«, sagte Mike Rander und holte tief Luft, »Ihr Peters, Parker, scheint nicht besonders gut auf Sie zu sprechen zu sein.«

»Wenn Sie erlauben, Sir, wird meine Wenigkeit sich wundern«, erwiderte Josuah Parker, »der Roboter dürfte tatsächlich so etwas wie eine Miniatur-Panzerfaust abgeschossen haben.«

»Und jetzt durchdrehen«, stellte der Anwalt fest, »sehen Sie doch, er will um jeden Preis nähertreten.«

Mike Rander hatte keineswegs übertrieben.

Der Roboter hämmerte mit seinen Stahlklauen gegen die Panzerscheiben und entwickelte dabei eine unbändige Kraft. Die solide Stahlkonstruktion des Vorflurs erzitterte, die schweren Panzerglasscheiben gerieten in nicht unbeträchtliche Vibration.

»Ich hätte nichts dagegen, Parker, wenn Sie diesen Besucher stoppen würden«, sagte der Anwalt lässig, »auf einen Boxkampf mit dem Roboter bin ich überhaupt nicht scharf.«

»Wie Sie wünschen, Sir.« Parker schritt gemessen zurück zum Wandschrank und legte hier einen Kipphebel um. Mike Rander grinste schadenfroh, als sich der Boden unter den Laufbändern des Roboters öffnete und das Gebilde blitzschnell nach unten wegsackte. Eine Sekunde später war der Roboter verschwunden, und der Boden schloß sich wieder.

*

»Und wer ersetzt mir jetzt den Schaden?« fragte Agatha Simpson grollend. Sie musterte die lädierte Ritterrüstung durch ihre Lorgnette und schritt zurück zur Glastür, um das Durchschußloch eingehend zu studieren.

»Dafür können Sie wohl dieses Erfinder-Genie haftbar machen, Mylady«, erwiderte Mike Rander.

»Worauf Sie sich verlassen können, mein Junge«, antwortete die Detektivin und klappte ihre Stielbrille wieder zusammen, »allein die Rüstung kostet ein kleines Vermögen.«

»Wenn es erlaubt ist, Mylady, wird, meine Wenigkeit Mr. Harold Peters anrufen«, schaltete der Butler sich ein, »bei dieser Gelegenheit ließe sich dann feststellen, ob Mr. Peters sich in seiner Werkstatt befindet.«

»Wahrscheinlich sitzt der komische Vogel dort drüben in seinem Wagen«, sagte Mike Rander.

»Miß Porter geht bereits dieser Frage nach, Sir«, erwiderte der Butler, »sie benutzte den Hinterausgang, um sich unbemerkt jenen Wagen nähern zu können, die an der Durchgangsstraße parken.«

»Jetzt will ich diesen Roboter sehen«, verlangte die ältere Dame, »er steckt in der Fallgrube, Mr. Parker?«

»In der Tat, Mylady«, antwortete Josuah Parker gemessen, »wenn Mylady vielleicht einen Blick auf den Monitor werfen wollen?«

Parker geleitete seine Herrin zum Wandschrank und schaltete eine weitere, an der Decke der Fallgrube angebrachte Fernsehkamera ein. Lady Agatha beugte sich interessiert-neugierig vor, als das Bild auf dem Monitor erschien.

Der Roboter war ausgesprochen weich gefallen und befaßte sich mit den Schaumstoffstreifen, mit denen die Fallgrube ausgiebig gepolstert war. Diese weiche und nachgiebige Unterlage schien das Gebilde aus Stahlblech völlig irritiert zu haben. Der Roboter lag auf dem Rücken und kämpfte mit den Schaumstoffstreifen. Seine Fingerklauen hackten und schnitten durch die Streifen und richteten ein Chaos an. Immer wieder versuchte der Roboter, auf seine Laufbänder zu kommen, was jedoch gründlich mißlang. Stets rutschte er ab und kippte dann wieder um.

»Der Blechknabe macht noch einen verdammt munteren Eindruck«, stellte Mike Rander fest, »solch einen Besucher hatten wir noch nie, Parker, oder?«

»In der Tat, Sir«, pflichtete Parker dem jungen Anwalt bei, »die Energieversorgung des Roboters ist übrigens erstaunlich, wenn man die Bemerkung machen darf.«

»Meine Energie ist kaum geringer«, stellte die ältere Dame grimmig fest, »ich werde mit diesem Erfinder deutliche Worte wechseln, Mr. Parker. Erinnern Sie mich daran!«

»Sehr wohl, Mylady.« Parker verbeugte sich knapp, »falls es erlaubt ist, wird meine Wenigkeit jetzt versuchen, sich mit Mr. Peters in Verbindung zu setzen.«

Parker ging zu einem kleinen Wandtisch und wählte die Nummer von Harold Peters. Es dauerte nicht lange, bis auf der Gegenseite abgehoben wurde. Eine kühle Stimme fragte nach Parkers Wünschen.

»Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor, »besteht die Möglichkeit, mit Mr. Peters einige Worte zu wechseln?«

»Der is’ jetzt beschäftigt«, lautete die Antwort, »rufen Sie später noch mal an, klar?«

»Mit wem hat man das mögliche Vergnügen?« wollte der Butler wissen.

»Ich... Ich bin der Assistent vom Boß«, hörte Parker.

»Kann man unterstellen, daß Sie über einen Namen verfügen?«

»Namen? Äh, ich heiße Miller.«

»Dies erlaubte ich mir bereits zu denken«, gab Josuah Parker zurück, um dann aufzulegen. Er wandte sich an Lady Agatha und Mike Rander, die über den Raumverstärker mitgehört hatten.

»Ich glaube diesem Subjekt kein Wort«, stellte die Hausherrin erfreut fest, »ich denke, daß diesem Erfinder etwas passiert ist, Mr. Parker. Ich werde mich der Sache sofort annehmen.«

»Mylady beabsichtigen eine Ausfahrt?« fragte Parker.

»Umgehend.« Sie nickte. »Es liegt doch auf der Hand, daß ich wieder mal dringend gebraucht werde. Ich werde in zehn Minuten mit meiner Rettungsaktion beginnen, Mr. Parker. Bereiten Sie alles Erforderliche vor.«

Sie machte einen munteren und unternehmungslustigen Eindruck, als sie über die weit geschwungene Treppe ins Obergeschoß eilte, um sich für die Ausfahrt umzuziehen.

»Da wird wieder mal einiges auf uns zukommen, Parker«, seufzte der Anwalt.

»Dem möchte meine Wenigkeit auf keinen Fall widersprechen«, erwiderte der Butler. Er warf noch einen abschließenden Blick auf den Roboter in der hauseigenen Fallgrube. Der Besucher schnappte und hackte noch immer auf die langen, nachgiebigen Schaumstoffstreifen ein, doch seine Bewegungen wurden bereits deutlich langsamer. Der Energievorrat des Roboters erschöpfte sich.

»Sobald wir zurück sind, sollten wir uns diesen Knaben mal gründlich ansehen«, sagte Rander.

»Mit aller gebotenen Vorsicht, Sir«, erwiderte Josuah Parker, »man sollte davon ausgehen, daß mit weiteren Überraschungen fest zu rechnen ist.«

*

»Tut mir leid«, sagte Kathy Porter und zuckte die Achseln, »ich habe weit und breit nichts ausmachen können. Der Operator des Roboters war ganz sicher nicht in einem der parkenden Wagen.«

Kathy Porter, groß, schlank, knapp dreißig, war die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady und wurde von der älteren Dame wie ein leibliches Kind behandelt. Kathy war eine bemerkenswerte Schönheit, sich dessen aber wohl kaum bewußt. Sie erinnerte an ein scheues Reh, wozu ihre kastanienbraunen Haare mit dem feinen Rotstich noch beitrugen. Scheu war sie allerdings nicht, denn sie konnte sich in eine gefährliche Pantherkatze verwandeln, wenn sie angegriffen wurde. Sie war versiert in allen Künsten fernöstlicher Selbstverteidigung und dazu noch eine vorzügliche Schützin. Von Butler Parker hatte sie die Kunst der Maske gelernt. Fast ohne Hilfsmittel schaffte sie es, ihr Äußeres innerhalb weniger Augenblicke zu verändern.

Sie saß mit Lady Simpson im Fond von Parkers hochbeinigem Monstrum. Mike Rander hatte vorn auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Man fuhr im Privatwagen des Butlers nach Shenley im Norden der Millionenstadt London. Dort hatte der Erfinder Peters seine Werkstatt eingerichtet.

Parkers Wagen, von Freund und Feind nur Monstrum genannt, war ein bemerkenswertes Gefährt. Es handelte sich dabei um ein ehemaliges Londoner Taxi ältester Bauart, wie es nur noch in Ausnahmefällen zu sehen war. Der eckige und hohe Aufbau entstammte der Frühzeit des Automobilbaus und war durchaus geeignet, ein Museum zu zieren. Doch dieser erste und zweite Eindruck täuschte. Parker hatte den Wagen nach seinen sehr eigenwilligen Vorstellungen technisch völlig neu gestalten lassen. Wenn es sein mußte, entwickelte dieses seltsame Gefährt die Kraft eines Rennwagens, und die Straßenlage war dieser Möglichkeit voll angepaßt worden. Hinzu kam eine Fülle technischer Raffiniertheiten, die aus dem Wagen eine Art Trickkiste auf Rädern machten.

»Im Grund weiß ich bereits, warum man mich umbringen wollte«, ließ die ältere Dame sich vernehmen. Die Trennscheibe zwischen Fond und den beiden vorderen Sitzen war eingefahren, man konnte sich ohne die vorhandene Bordsprechanlage verständigen.

»Sie haben bereits eine Theorie, Mylady?« erkundigte sich Mike Rander. Er hatte sich halb umgewandt und blickte die ältere Dame interessiert an. Agatha Simpson wußte immer alles im voraus, wenngleich sie sich auch am laufenden Band irrte.

»Dieser Erfinder will sich selbstverständlich an mir rächen«, stellte die Lady grimmig fest, »er kann mir nicht verzeihen, daß ich seinen Roboter zu Schrott gemacht habe,«

»Das wäre allerdings ein Motiv«, erwiderte Mike Rander und nickte ernst.

»Ich weiß, mein Junge«, gab sie wohlwollend zurück, »schließlich kenne ich mich in der Psychologie aus. Der Erfinder kann es nicht verwinden, daß ich ihm kein Geld zur Verfügung gestellt habe.«

»Ist er denn mittellos?« warf Kathy Porter erstaunt ein. »Harold Peters muß doch eine Unmenge verdienen, wenn ich nur an seine Patente denke, für die er doch bestimmt sehr viel kassiert.«

»Dieser Mann ist mit Sicherheit eine Spielernatur«, mutmaßte die Detektivin, »ich sah das auf den ersten Blick, mein Kind. Er wird seine Einnahmen an Spieltischen verschleudern.«

»Das haben Sie auf den ersten Blick sofort festgestellt, Mylady?« Kathy Porter tauschte einen schnellen Blick mit Mike Rander.

»Lebenserfahrung, meine Liebe«, lobte sich Agatha Simpson, »und dann auch noch Menschenkenntnis. Eine Lady Simpson kann man nie täuschen. Ist es nicht so, Mr. Parker?«

»Wie Mylady zu meinen belieben.« Parker legte sich nicht fest.

»Dieser Erfinder kann sich gleich auf einiges gefaßt machen«, redete die ältere Dame weiter, »er wird es noch bereuen, mich belästigt zu haben.«

»Davon bin ich fest überzeugt«, sagte Mike Rander, »sollten wir übrigens nicht davon ausgehen, daß er uns bereits erwartet und entsprechende Vorkehrungen getroffen hat?«

»Natürlich erwartet er mich«, entgegnete Lady Agatha, »wahrscheinlich werden einige Roboter das auch tun, mein Junge. Aber für solche Details ist Mr. Parker zuständig. Mit unwichtigen Dingen gebe ich mich nun mal nicht ab.«

*

Kathy Porter und Mike Rander sahen sich neugierig um.

Man hatte inzwischen Shenley erreicht und befand sich hier bereits eindeutig auf dem Land. Es war Mittag geworden, Fahrzeuge konnte man weit und breit nicht ausmachen. Das Grundstück des Erfindergenies lag außerhalb der Ortschaft in einem kleinen Waldstück. Neben dem kleinen Landsitz gab es eine Reihe von Gewächshäusern, an die sich ein Quergebäude anschloß, die früher wohl mal Stallungen waren.

»Das dort, Sir, ist die eigentliche Werkstatt«, erläuterte der Butler und deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf das Quergebäude, »aber auch in den Gewächshäusern dürfte zweckentfremdend gearbeitet werden.«

»Konnten Sie sich in diesen Gewächshäusern umsehen?« fragte Kathy Porter interessiert.

»Dies war bisher leider nicht möglich«, erklärte Parker.

»Ich werde das gleich nachholen«, versicherte Agatha Simpson animiert und versetzte ihren perlenbestickten Pompadour in leichte Schwingung, »worauf warte ich eigentlich noch, Mr. Parker?«

»Man sollte vielleicht erst mal feststellen, Mylady, ob das allgemeine Kommen bereits registriert wurde.«

»Nun gut, dann erledigen Sie das«, meinte sie, »aber beeilen Sie sich, Mr. Parker! Womit rechne ich eigentlich? Habe ich da bereits bestimmte Vorstellungen?«

»Mylady erwarten das Erscheinen eines Roboters«, schlug der Butler vor.

»Das ist richtig«, schwindelte sie, »natürlich wird man wieder mal einen Roboter auf mich hetzen und ...«

»Da rollt bereits der erste Maschinenmensch heran«, unterbrach Kathy Porter die ältere Dame.

»Wo denn, mein Kind?« Agatha Simpson hatte den Roboter noch nicht bemerkt, der um die linke Ecke des Landsitzes kurvte und dann Kurs auf das Quartett aus London nahm. Nachdem Kathy ihre Chefin eingewiesen hatte, nahm die Lady das Ziel auf.

»Wie gehabt«, sagte sie grimmig, »auch dieser Roboter erinnert mich an eine Regentonne.«

»Aber diese Regentonnen verschießen immerhin kleine Panzerfäuste«, erinnerte Mike Rander.

»Auch dieses Exemplar dürfte eine Art Waffe besitzen«, warnte Josuah Parker, »man sollte vielleicht hinter der Umfassungsmauer prophylaktisch Schutz suchen.«

Der Butler hatte seine Warnung noch nicht ganz ausgesprochen, als der Roboter bereits aggressiv wurde. Er hob den linken Arm und richtete eine Art Strahlrohr auf das Quartett, das sich gerade anschickte, Parkers Rat zu folgen.

Einen Moment später schlug das Geschoß bereits ein und demolierte die Mauer aus dicken Bruchsteinen. Steinsplitter und Mörtelstaub pfiffen durch die Luft, und der Luftdruck des Einschlages schaffte es ohne weiteres, Myladys pikante Hutschöpfung verrutschen zu lassen.

»Was war das?« empörte sich die ältere Dame und rückte ihren Hut zurecht, der eine leicht mißglückte Kreuzung aus einem Südwester und Napfkuchen darstellte.

»Das war ebenfalls ’ne kleine Panzerfaust«, sagte Mike Rander und klopfte sich Mörtelstaub von der schwarzen Clubjacke, »wissen Sie, Parker, irgendwie fühle ich mich langsam angegriffen.«

»Eine Auffassung, Sir, der man nur vollinhaltlich beipflichten kann und muß«, entgegnete Josuah Parker, »wenn Sie erlauben, werde ich weitere Annäherungsversuche des aufdringlichen Roboters zu stoppen versuchen.«

»Ich bitte dringend darum«, reagierte der Anwalt ironisch, »dieser seltsame Knabe kommt ziemlich schnell näher.«

Der Roboter war sogar sehr schnell.

Auf seinen Laufbändern entwickelte er eine beachtliche Geschwindigkeit. Nachdem er sein erstes Geschoß abgefeuert hatte, hob er nun die rechte Klaue und präsentierte eine zweite Panzerfaust.

Parker hielt bereits seine Spezial-Gabelschleuder in den schwarz behandschuhten Händen, strammte die beiden Gummistränge und schickte dann eine kleine Stahlkugel auf die Luftreise.

Das Geschoß erwies sich als Volltreffer, landete im dritten Auge auf der Stirn und schien im Roboter so etwas wie eine nachhaltige Irritation auszulösen. Die Panzerhand senkte sich, aus dem dritten Auge stieg eine dunkle Rauchwolke empor. Anschließend drehte der Roboter sich um seine Längsachse und verschoß dabei die zweite Panzerfaust.

Das Geschoß ritt auf einer Art Feuerstrahl durch die Luft und landete krachend in der Stirnseite eines der Gewächshäuser. Die Scheiben waren dieser Belastung natürlich nicht gewachsen und gingen im Bereich von wenigstens zwei Quadratmetern zu Bruch.

Das Geräusch der platzenden Scheiben war beachtlich.

*

»Bitte, lassen Sie mir Zeit«, sagte Harold Peters mit schwacher Stimme und rutschte wieder in sich zusammen, »ich muß das alles erst mal verarbeiten. Ich habe Todesängste ausgestanden.«

»Nun haben Sie sich gefälligst nicht so«, raunzte die ältere Dame den Erfinder an, »Ihnen ist ja kaum etwas passiert, junger Mann. Haben Sie eine Erfrischung im Haus?«

»Whisky... drüben im Schrank«, sagte Harold Peters. Er saß in einem tiefen Ledersessel und tupfte sich die Schweißperlen von der Stirn. Er war vor wenigen Minuten von Parker in einem Kellerraum gefunden worden. Agatha Simpson hatte zur Kenntnis genommen, daß es eine Erfrischung gab. Sie schritt majestätisch zum Schrank, öffnete ihn und entdeckte den Whisky. Sie füllte ein Glas und ... erfrischte sich. Harold Peters schien sie völlig vergessen zu haben.

Die ältere Dame bewies wieder mal, daß sie über eine ausgepichte Kehle verfügte. Sie trank das Glas leer und nickte wohlwollend.

»Der Whisky ist trinkbar«, urteilte sie dann, »achten Sie darauf, Mr. Parker, daß dieses Genie sich nicht betrinkt.«

Parker erfrischte den Erfinder, der schluckweise einen doppelten Whisky genoß und sich dabei immer wieder schüttelte. Inzwischen kam Kathy Porter in den Wohnraum des kleinen Landsitzes zurück und schüttelte den Kopf.

»Alles leer«, meldete sie, »hinter der Werkstatt habe ich frische Wagenspuren entdeckt.«

»Keine weiteren Roboter?« fragte die ältere Dame.

»Nichts, Mylady«, erwiderte Kathy, »doch in der Werkstatt gibt es einen Raum, der gut gesichert ist und den ich nicht betreten konnte.«

»Diesen Raum werde ich mir gleich ansehen«, sagte die Lady und baute sich nun vor Harold Peters auf, »ich will jetzt wissen, warum Sie diesen Roboter auf mich gehetzt haben.«

»Ich wurde überfallen«, antwortete Harold Peters, »nicht ich habe die Roboter aktiviert, das waren die beiden vermummten Männer, die mich in den Keller sperrten.«

»Natürlich glaube ich Ihnen kein Wort«, meinte Lady Agatha grimmig, »Sie belügen mich nach Strich und Faden, Peters.«

»Warum sollte ich einen Roboter auf Sie angesetzt haben, Mylady?« fragte der Erfinder.

»Weil Sie Lümmel sich an mir rächen wollten«, vermutete Agatha Simpson, »Sie wollten mich umbringen lassen.«

»Das bestreite ich ganz entschieden«, wehrte Harold Peters sich und blickte den Butler hilfesuchend an, »ich wurde tatsächlich überfallen. Und das ist bereits einige Stunden her.«

»Wer, Mr. Peters, kann außer Ihnen noch mit diesen Robotern umgehen?« verlangte Parker zu wissen.

»Eigentlich nur ich, Mr. Parker«, erwiderte der Erfinder.

»Und uneigentlich, guter Mann?« schaltete Mike Rander sich ein.

»Gibt es da Mitarbeiter, die an der Entwicklung der Roboter beteiligt waren?« fügte Kathy Porter hinzu.

»Nein, nein, das heißt... Warten Sie, es gibt da einen Hank Wardman drüben aus Shenley, der hilft mir bei den eigentlichen Metallarbeiten.«

»Seit wann steht er nicht mehr in Ihren Diensten?« fragte Josuah Parker in seiner höflichen Art.

»Er arbeitet noch immer für mich, Mr. Parker, aber eben nur hin und wieder, unregelmäßig, verstehen Sie?«

»Wie kann man besagten Mr. Wardman erreichen?«

»Sie wollen ihn anrufen? Ja, er hat Telefon. Warten Sie, ich muß erst nachdenken.«

»Dann tun Sie’s, junger Mann«, dröhnte die ältere Dame mit ihrer sonoren Stimme dazwischen, »übrigens verdächtig, daß Sie sich noch nicht mal eine läppische Telefonnummer merken können. Wie finde ich das, Mr. Parker?«

»Bemerkenswert, Mylady, wenn man so sagen darf.«

»Das finde ich allerdings auch«, setzte Lady Agatha munter hinzu, »Sie wollen doch nur Zeit gewinnen, Peters.«

Der Erfinder nannte zögernd eine Telefonnummer, und Mike Rander ging zum Wandapparat, um Hank Wardman anzurufen. Er hatte den Fernsprecher noch nicht ganz erreicht, als er läutete. Der Anwalt hob ab und meldete sich. Er hörte einen Moment zu, legte dann auf und wandte sich an die Anwesenden.

»Nur eine pauschale Mordandrohung«, sagte er dann fast beiläufig, »wir alle sollen umgebracht werden, falls wir nicht die Finger von den Robis lassen, wie es hieß.«

»Papperlapapp«, erwiderte die energische Dame, »selbstverständlich werde ich mich nicht ins Bockshorn jagen lassen. War es eine Frauen- oder Männerstimme, Mike?«

»Eine Roboterstimme«, beantwortete der Anwalt die Frage, »quäkend und mechanisch. Sie klang nicht besonders angenehm, um ehrlich zu sein.«

*

Der Erfinder hatte sich erholt, führte seine Besucher durch das weitläufige Anwesen und verbreitete sich begeistert über seine Roboter. Für ihn schienen sie so etwas wie lebende Wesen zu sein.

»Sie haben ja erlebt, wie gut meine Roboter sind«, sagte er, »und das sind erst die Prototypen.«

»Uns haben vor allen Dingen diese winzigen Panzerfäuste begeistert«, spottete Mike Rander.

»Die sind gegen meinen Willen geflanscht worden«, behauptete der Erfinder umgehend.

»Aber Sie haben die Dinger entwickelt, oder?«

»Für das Militär.« Harold Peters nickte. »Sie waren für eine Demonstration gedacht. Die Leute, die mich überfallen haben, müssen ...«

»...verdammt gut Bescheid gewußt haben«, unterbrach Mike Rander ihn.

»Das wundert mich allerdings auch.« Peters nickte, sein Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an, »aber Wardman hat bestimmt nichts damit zu tun.«

»Aber er ist nicht zu Hause«, sagte Rander, »Sie haben ja eben mitbekommen, daß Mr. Parker versucht hat, ihn anzurufen.«

»Das hat überhaupt nichts zu besagen, Mr. Rander«, verteidigte der Erfinder seinen zeitweiligen Mitarbeiter, »warum sollte Wardman mich hintergehen wollen?«

»Aus Geldgier, natürlich«, schaltete die ältere Dame sich grimmig ein, »er hat Sie an die beiden Vermummten verkauft.«

»Wer könnte mit einem Roboter ohne weiteres umgehen?« fragte Kathy Porter. Sie warf einen Blick auf Josuah Parker, der am Fenster stand und auf den Vorhof hinunter blickte.

»Um mit Robotern umzugehen, braucht man schon spezielle Kenntnisse«, schickte Harold Peters voraus. »Maschinenmenschen werden ja nicht nur ferngesteuert, sie müssen auch je nach Fall und Einsatz vorprogrammiert werden.«

»Dieses Subjekt, das mich ermorden wollte, betätigte die Türklingel«, sagte Agatha Simpson, »dazu muß dieses Regenfaß doch wohl programmiert worden sein, wie?«

»Das ist völlig richtig«, bestätigte Harold Peters, »das heißt, man braucht ja eigentlich nur eine entsprechende Impuls-Kassette in den Roboter einzulegen.«

»Ein Tonband etwa, junger Mann?« Mylady gab sich sehr fachmännisch.

»So in etwa, Mylady«, entgegnete Peters und nickte, »man kann die jeweiligen Programme natürlich lange im voraus erstellen und sie dann später von Fäll zu Fall einlegen.«

»Hören Sie, Peters, haben Sie dem Militär bereits die Roboter und auch die Miniatur-Panzerfäuste vorgeführt?«

»Vor knapp einer Woche. Und die Militärs waren begeistert. Wahrscheinlich wird man mir einen Entwicklungsauftrag verschaffen.«

»Darf man fragen, Sir, warum Sie Mylady baten, sich an weiteren Entwicklungen finanziell zu beteiligen?« schaltete Josuah Parker sich in seiner höflichen Art ein.

»Sie müssen dank Ihrer Erfindungen doch steinreich sein«, fügte Mike Rander hinzu.

»Überschätzen Sie mich nur nicht«, wehrte Harold Peters sofort ab und hob bedeutungsvoll die Hände, »okay, ich verdiene nicht schlecht, doch für den Bau einer größeren Serie von Robotern fehlen mir entschieden die Mittel.«

»Spielen Sie, junger Mann?« fragte die ältere Dame ungeniert und lüpfte ihre Stielbrille. Dann musterte sie Peters wie ein ungemein seltenes Insekt.

»Ich sollte spielen?« Peters schüttelte ein wenig zu heftig den Kopf.

»Oder halten Sie sich etwa kostspielige Frauen?« forschte Lady Agatha weiter.

»Aber nein, Mylady«, verwahrte sich Peters, »ich lebe völlig solide. Ich habe einfach keine Zeit für ein aufwendiges Privatleben. Meine Arbeit nimmt mich völlig in Anspruch.«

»Wann und wo, wenn man weiter fragen darf, führten Sie dem Militär Ihre Roboter vor?« lautete Parkers nächste Frage.

»Wie gesagt, vor knapp einer Woche«, wiederholte der Erfinder noch mal, »das war hier auf dem Gelände. Ich hatte zwei geländegängige Roboter aktiviert und zeigte sie einigen hohen Offizieren der Armee. Dabei wurden auch die kleinen Panzerfäuste eingesetzt.«

»Gab es noch weitere Vorführungen?«

»Vor zwei Wochen hatte ich eine Gruppe von Finanzleuten hier«, sagte Harold Peters, »denen führte ich die Roboter ebenfalls vor.«

»Würde es Ihnen etwas ausmachen, meiner Wenigkeit die Namen dieser Besucher mitzuteilen?«

»Aber nein, die können Sie gern haben, Mr. Parker.«

»Wie sind Sie eigentlich an die Leute herangekommen?« erkundigte sich Kathy Porter.

»Durch meinen Patentanwalt«, erwiderte Harold Peters, »und durch ihn kam ich eigentlich auch an Ihre Adresse, Mylady.«

»Wie heißt der Knabe denn?« fragte Rander.

»Lester Bradley«, entgegnete der Erfinder. »ich arbeite schon seit Jahren mit ihm zusammen, Mr. Rander.«

»Sie wollten mir doch zeigen, was sich hinter der verschlossenen Tür befindet«, erinnerte die Detektivin, »ich hoffe, ich kann mit einer handfesten Überraschung rechnen, junger Mann. Enttäuschen Sie mich nur ja nicht!«

*

»Hinter der Tür sind nur einige weitere Prototypen«, sagte Harold Peters, als man die verschlossene Tür in der Werkstatt erreichte. »Ich halte sie selbstverständlich unter Verschluß, denn sie sind jederzeit zu aktivieren.«

»Nach Lage der Dinge scheint man Ihre Absichten durchkreuzt zu haben«, ließ Josuah Parker sich umgehend vernehmen und deutete mit der Spitze seines Universal-Schirmes auf das mächtige Vorhängeschloß an der Tür.

»Das Schloß ist ja aufgebrochen worden«, stellte der Erfinder fest, beugte sich vor und prüfte das Vorhängeschloß, dessen Bügel aufgeschnitten worden war.

Butler Parker 156 – Kriminalroman

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