Читать книгу Butler Parker 154 – Kriminalroman - Gunter Donges - Страница 3

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Butler Parker befand sich in einer seelischen Verfassung, die man als heiter und ausgelassen bezeichnen konnte.

Er hielt seine bewährte Gabelschleuder in Händen und war gerade dabei, die dritte Fensterscheibe zu zertrümmern. Er hatte einen runden Kieselstein in die Lederschlaufe der Schleuder gelegt, spannte die beiden starken Gummistränge und visierte das Fenster an. Nachdem er die Lederschlaufe freigegeben hatte, jagte der erwähnte Kieselstein in rasantem Flug durch die Luft und erreichte Sekundenbruchteile später bereits die Scheibe, die explosionsartig auseinanderflog.

Parker überlegte, ob er nicht noch ein viertes Fenster zertrümmern sollte. Noch hatte sich in dem Landhaus hinter der hohen Taxushecke nichts gerührt. Die Bewohner waren wohl noch intensiv damit beschäftigt, diese Morgengabe psychisch zu verdauen.

Als Parker das wütende Kläffen eines Hundes hörte, legte er die Sportschleuder zusammen, steckte sie in die Innentasche seines schwarzen Zweireihers und hängte den altväterlich gebundenen Regenschirm korrekt über den angewinkelten linken Unterarm. Er schritt gemessen weiter und bot ein Bild würdevoller Unschuld. Er zuckte mit keiner Wimper, als zwei Dobermänner aus dem Gartentor schossen und Kurs auf ihn nahmen.

Josuah Parker blieb stehen, zeigte jedoch keine Angst. Er hatte das ausdruckslose Gesicht eines berufsmäßigen Pokerspielers, der sich durch nichts erschüttern läßt.

Die beiden starken Hunde hatten ihn erreicht und verharrten. Sie waren irritiert, weil dieser Zweibeiner nicht ängstlich zurückwich, wie sie es gewöhnt waren. Die Geschmacksknospen in ihren Nasen meldeten auch nichts von Angstschweiß.

»Zurück! Bei Fuß!« Eine helle, fast peitschende Stimme rief die beiden Dobermänner zurück.

Ein Mann von etwa dreißig Jahren kam aus dem Garten und musterte den Butler. Er trug einen Jeansanzug, war schlank und wirkte sportlich durchtrainiert.

»Ich gestatte mir, Ihnen einen schönen Tag zu wünschen«, sagte Josuah Parker und lüftete seine schwarze Melone. »Sie besitzen zwei Hunde, die bemerkenswert sind.«

»Haben Sie irgendeinen anderen Menschen gesehen?« fragte der Mann und schaute die Straße hinunter.

»Dies allerdings«, bestätigte der Butler in einer höflichen Art, die aber nichts mit servilem Benehmen zu tun hatte. »Ich komme gerade aus der City von London. Meiner bescheidenen Schätzung nach kreuzten dort Tausende von Menschen meinen Weg.«

Der Jeansträger fühlte sich sofort veralbert, doch dann revidierte er sich. Diesem schwarzgekleideten Mann war Ironie wohl kaum zuzutrauen.

»Ich meine, ob Sie hier auf der Straße irgendeinen Typ gesehen haben«, präzisierte er seine Frage, während die beiden Dobermänner seitlich neben ihm Platz nahmen.

»Wären Sie möglicherweise in der Lage, eine genaue Personenbeschreibung zu liefern?«

»Sie haben nichts gehört?« Der Mann im Jeansanzug versuchte sich ein Urteil zu bilden, doch er kam zu keinem Resultat. Dieser Mann, der wie der hochherrschaftliche Butler in einem Film aussah, entzog sich jeder Beurteilung.

»Das Klirren diverser Fensterscheiben traf meine Ohren«, erwiderte Parker würdevoll. »Hat es eine tiefere Bedeutung?«

»Schon gut, schon gut«, sagte der Mann und winkte gereizt ab. »Werden Lausejungs gewesen sein.«

»Dies möchte ich entschieden bestreiten«, entgegnete Parker. »Von sogenannten Straßenjungen war hier weit und breit nichts zu sehen, nur von einem Fahrzeug, das allerdings kurz vor der Hecke hielt.«

»Ein Fahrzeug?« Der Jeansträger wurde hellhörig.

»Ein unscheinbarer Morris«, behauptete der Butler weiter. »Im Wagen befanden sich zwei junge Männer.«

»Sie haben sich nicht zufällig das Kennzeichen gemerkt?«

»Dazu lag keine Veranlassung vor«, meinte Josuah Parker. »Sie gehen von der Annahme aus, daß man das Fensterglas zerstört hat?«

»Keine Ahnung.« Der Mann wandte sich um und ging zurück in den großen Vorgarten, an dessen Ende ein anderthalbstöckiges Landhaus stand. Parker schritt würdevoll weiter und spürte, daß der Jeansträger ihn mißtrauisch beobachtete.

*

Agatha Simpson war eine große und ungemein stattliche Frau, die es längst aufgegeben hatte, auf ihre Linie zu achten. Sie war, höflich ausgedrückt, recht füllig und besaß die Ausstrahlung einer Herzogin.

Lady Agatha, seit vielen Jahren Witwe, immens vermögend und mit dem Blut- und Geldadel Englands verschwistert und verschwägert, liebte die bequeme Kleidung. Sie bevorzugte Chanel-Kostüme, meist einige Nummern zu weit. Sie mußten selbstverständlich aus bestem, handgewobenen Tweed bestehen, der fast unzerreißbar war.

Vor Jahren bereits hatte sie es auf gegeben, ihre Geburtstage zur Kenntnis zu nehmen. Eingeweihte wußten allerdings, daß sie die sechzig schon seit geraumer Zeit überschritten hatte.

Agatha Simpson befand sich an diesem frühen Nachmittag in der Warren Street in einem langgestreckten Wohnbau mit sechs Stockwerken. Die Lady hatte die dritte Etage erreicht und schritt fest und energisch durch einen langen Korridor, bis sie das Apartment Nr. 36 erreichte. Sie läutete und wartete ungeduldig auf das Öffnen der Tür. Es dauerte jedoch längere Zeit, bis hinter der Tür sich etwas rührte. Die Dame merkte, daß sie durch einen Türspion beobachtet wurde, und bemühte sich daher, ihrem Gesicht einen verbindlich-friedlichen Ausdruck zu verleihen.

Endlich öffnete sich die Tür, doch sie blieb durch eine Sperrkette gesichert. Das fragende und irgendwie ängstliche Gesicht eines älteren Mannes war zu erkennen.

»Mr. Fielding?« fragte Lady Agatha. Ihre Stimme war dunkel.

»Fielding«, bestätigte ihr Gegenüber. »Aber ich kaufe nichts.«

»Schnickschnack.« Lady Agatha wurde bereits ungeduldig. »Ich will Ihnen nichts andrehen, junger Mann, ich komme wegen der Mieter-Initiative. Haben Sie nun angerufen oder nicht?«

»Ich ... Ich habe mit einem Mr. Rander gesprochen, Madam.« Der Mann wurde mißtrauisch.

»Anwalt Mike Rander, ich weiß, junger Mann. Er hat mich geschickt.«

»Sie sind eine Angestellte von ihm?« fragte Fielding in völliger Verkennung der Sachlage.

»Seine mütterliche Freundin«, stellte Lady Agatha in etwa richtig. »Wollen Sie mich nun einlassen oder nicht?«

»Einen Moment, Madam.« Die Tür schloß sich, die Sperrkette wurde ausgehakt, und dann stand Fielding in voller Größe vor der älteren Dame. Es war nicht viel, was er an Statur zu bieten hatte. Er war gerade mittelgroß, hatte einen kleinen Bauch und ein rundes Gesicht mit großen Kinderaugen. Sein Kopfhaar war nur noch partiell vorhanden und weiß.

Agatha Simpson schaute sich in dem Wohnraum um, der peinlich sauber war. Außer diesem Raum gab es noch eine winzige Küche und ein Bad. Das Mobiliar war alt, aber grundsolide.

»Ich bin Lady Simpson«, stellte die Besucherin sich vor und setzte sich in einen der alten Ledersessel. »Kommen wir sofort zur Sache, Mr. Fielding: Sie haben Ärger mit Ihrem Hausbesitzer?«

»Ja und nein«, lautete die etwas zögernde Antwort. »Die Sache ist nämlich so, Mylady... Eigentlich haben wir mehr Ärger mit den neuen Bewohnern, verstehen Sie?«

»Nicht ein Wort«, entgegnete Lady Agatha rundheraus. Freunde und Bekannte wußten, daß sie auf die Regeln gesellschaftlicher Höflichkeit pfiff. Sie war stets sehr direkt und nannte die Dinge beim Namen.

»Seitdem die neuen Mieter hier im Haus sind, ist die Hölle los«, berichtete Fielding und dämpfte unwillkürlich die Stimme. Er sah sogar nervös zur Tür, schien Angst zu haben vor dem Belauschtwerden.

»Um welche Mieter handelt es sich?« wollte Lady Agatha wissen.

»Sechs Leute«, antwortete Fielding. »Junge Männer, verstehen Sie?«

»Noch immer nicht, Mr. Fielding. Wo ist das Problem?« Sie zwang sich zur Geduld.

»Dieser Krach«, stöhnte der Mann. »Es ist kaum zu ertragen. Immer dieser Krach.«

»Im Moment höre ich überhaupt nichts, junger Mann.«

»Reiner Zufall, Mylady.« Der ältere Mann schien das schon fast zu bedauern. »Aber es kann jeden Augenblick...«

Er hatte den Satz noch nicht beendet, als Lady Agatha eine Kostprobe serviert bekam. Ohne jede Vorwarnung brüllte plötzlich ein Lautsprecher und ließ die Bilder an der Wand erbeben. Fielding hielt sich sofort die Ohren zu und schloß die Augen. Lady Simpson schluckte vor Überraschung und beobachtete die Lampe. Sie war in Schwingungen geraten.

Die ältere Dame erhob sich und marschierte zur Tür des Apartments. Als sie sie öffnete, prallte sie fast zurück, denn sie wurde von den Schallwellen förmlich angefallen. Die Lady holte tief Luft, stemmte sich gegen sie und hielt auf die Quelle dieser irren und überlauten Pop-Musik zu. Sie blieb vor einer Tür stehen, die erfreulicherweise nur angelehnt war.

Lady Agatha drückte sie auf und ... stand vor einer Lautsprecherbox, die etwa einen Meter hoch war. Sie wies vier offene Trichter auf, die diesen höllischen und gesundheitsgefährdenden Lärm produzierten ...

Die Sechzigjährige war eine Frau schneller Entschlüsse.

Sie kickte mit dem rechten Fuß den Lautsprechersatz zur Seite... Und wenn eine Lady Agatha Simpson zutrat, tat sie es mit Energie. Die Box nahm übel und krächzte mißtönend. Sie gab keinen Laut mehr von sich, als die resolute Dame sie mit einem zweiten Fußtritt ins Innere des Apartments beförderte. Dann fetzte sie einen Vorhang zur Seite und sah sich den jungen Mann an, der in einem Faltstuhl saß, wie Regisseure ihn benutzten. Seine Trommelfelle hatte er durch Ohrenklappen geschützt, wie sie in der Industrie an lärmgefährdeten Stellen getragen werden.

Erst mit einiger Verspätung merkte der junge Mann, daß die Musik nicht mehr spielte. Er riß die Ohrenklappen herunter, drehte sich um und sah Lady Agatha entgeistert an.

»Ich werde mich mit Ihnen über Laut- und Zimmerstärke unterhalten, junger Mann«, sagte die ältere Dame grollend. Sie marschierte auf ihn zu, und der junge Mann merkte sofort, daß mit dieser Frau nicht gut Kirschenessen war.

»Wer sich wie ein Flegel benimmt, wird auch entsprechend behandelt«, redete Lady Agatha weiter und ... verpaßte ihm blitzschnell eine ihrer gefürchteten Ohrfeigen.

Der junge Mann mußte sie voll nehmen. Es riß ihn von den Beinen. Er legte sich waagerecht in die Luft und krachte dann auf den Fußboden. Er war ein paar Sekunden benommen, stand langsam auf und ballte die Fäuste. Er näherte sich seiner Kontrahentin und übersah dabei den perlenbestickten Pompadour, der an Lady Agathas linkem Handgelenk pendelte.

*

Sie sahen deprimiert und mutlos aus.

Sechs Frauen, im Alter zwischen fünfundzwanzig und vierzig Jahren, hatten sich in einem einfach eingerichteten Wohnraum vor einem elektrischen Kamin versammelt und gerade ihre Sorgen vorgetragen.

»Die Mieter-Initiative hat überhaupt nichts gebracht«, sagte die etwa vierzigjährige Mrs. Fall. »Wir haben Briefe geschrieben, wir haben uns bei der Polizei beschwert, wir haben sogar eine Delegation geschickt – aber alles war umsonst.«

»Wir sind noch nicht mal empfangen worden«, fügte Mrs. Lester hinzu und winkte ab. »Schon in der Anmeldung hat man uns abgewimmelt.«

»Und wie«, warf Mrs. Brook aufgebracht ein. »Zwei angebliche Bürodiener haben uns rausgeschmissen. Und wie sie uns rausgeschmissen haben, Mr. Rander!«

Mike Rander hatte sich Notizen gemacht und zündete sich eine Zigarette an. Er war etwa vierzig Jahre alt, schlank, groß und sah aus wie ein Dressman, woran seine Kleidung nicht ganz unbeteiligt war. Er trug einen dunklen Blazer, graue Flanellhosen und eine Krawatte in den Farben der teuren Universität, die er einst besucht hatte. Mike Randers gut geschnittenes Gesicht zeigte einen leicht blasierten und desinteressierten Ausdruck. Im Grund schienen ihn die Dinge, die man ihm da gerade vorgetragen hatte, kaum zu berühren.

»Sind Kündigungen ausgesprochen worden?« fragte er.

»In unserem Block bisher sechs«, antwortete Mrs. Brook, die etwa fünfundzwanzig Jahre zählte. »Aber vier Familien sind bereits freiwillig ausgezogen.«

»Diesen Terror kann man kaum noch ertragen«, seufzte Mrs. Fall auf. »Unentwegt Lärm und Krach, dann die Anpöbeleien im Treppenhaus und in den Gängen.«

»Ist dagegen gar nichts zu machen?« fragte Mrs. Lester.

»Hat irgend jemand eine Anzeige erstattet?« wollte Anwalt Rander wissen.

»Anzeigen am laufenden Band«, entgegnete die fünfundzwanzigjährige Mrs. Brook, die die Sprecherin der Mieter-Initiative war. »Bisher ist aber alles im Sand verlaufen.«

»Sie sind sicher, daß man Sie aus dem Block vertreiben will?« erkundigte sich jetzt Kathy Porter, die neben Mike Rander auf einem Hocker saß. Sie hatte die bisherige Diskussion stenographisch festgehalten.

Kathy Porter, kaum älter als Mrs. Brook, war schlank, ein wenig kleiner als Mike Rander und hatte kastanienbraunes Haar mit einem leichten Rotstich. Sie sah aus wie ein scheues Reh, schien verwundbar und sogar etwas ängstlich. In ihrem Cordanzug wirkte sie ungemein anziehend und löste in jedem Mann automatisch Beschützerinstinkte aus.

Sie war die Sekretärin und Gesellschafterin einer gewissen Lady Agatha Simpson und wurde von ihr wie ein eigenes Kind gehalten. Im Augenblick assistierte sie Anwalt Rander, der nach seiner Rückkehr aus den Staaten von der älteren Dame wie selbstverständlich »vereinnahmt« worden war. Sie hatte ihm die Verwaltung ihres Vermögens übertragen und hoffte seit einiger Zeit, daß aus den »beiden Kindern«, wie sie Mike Rander und Kathy Porter insgeheim nannte, eines Tags ein Paar wurde.

»Wigmore wird es schaffen«, beantwortete Mrs. Brook die Frage von Kathy Porter. »Bisher hat er’s immer geschafft.«

»Er arbeitet also nach bewährtem Muster?« fragte Mike Rander und machte wieder einen fast gelangweilten Eindruck.

»Der reitet jede Masche, um seine Mieter aus den Häusern zu treiben«, sagte Mrs. Lester. »Zuerst kauft er alte Reihenhäuser und ganze Wohnblocks auf, dann setzt er die Mieter an die frische Luft und renoviert. Was dann passiert, können Sie sich ja leicht ausrechnen, Mr. Rander.«

»Er vermietet sie zu wesentlich höheren Preisen.« Mike Rander nickte. Die Methoden dieses Mannes waren ihm aus der Presse bekannt, doch bisher hatte er sich darum kaum gekümmert.

»Wir können natürlich wohnen bleiben«, fiel Mrs. Brook ein, »aber eben nur dann, wenn wir die Mondpreise bezahlen können.«

»Kann man dagegen wirklich nichts machen?« wollte Mrs. Fall wissen.

»Juristisch kaum etwas.« Rander zuckte die Achseln. »Das Recht ist auf seiner Seite.«

»Schönes Recht«, sagte Mrs. Brook bitter. »Hören Sie, Mr. Rander, wir werden unsere Wohnungen besetzen, verstehen Sie? Wir lassen uns nicht vertreiben. Und wenn wir uns anketten müßten, wir gehen nicht raus!«

Sie redeten durcheinander und merkten nicht, daß die Tür zum Wohnraum sich öffnete. Zwei junge Männer blieben in der geöffneten Tür stehen, und einer von ihnen warf plötzlich eine zerdrückte Pappschachtel auf den Boden.

Drei große Ratten, die bisher eingeschlossen waren, witterten eine Möglichkeit, die Flucht zu ergreifen. Sie rannten allerdings erst mal blindlings los und scheuchten die Frauen durcheinander, die die Nager entdeckt hatten und gellend schrien.

»Nur’n Scherz«, sagte der stämmigere der beiden jungen Männer und kam langsam auf Mike Rander zu. »Sie sind der Anwalt, der hier ’ne Show abzieht?«

»Lieber Mann, von einer Show kann keine Rede sein«, antwortete Mike Rander und zuckte mit keinem Muskel, als der junge Mann etwas weit zu einem Haken ansetzte. Sein Schlag war im Ansatz mehr als nur erkennbar, er meldete ihn förmlich an ...

*

Der Geohrfeigte sprühte förmlich vor Haß.

Es machte ihm überhaupt nichts aus, daß er es mit einer älteren Dame zu tun hatte. Er war gemaßregelt worden und wollte sich dafür mit seinen Mitteln revanchieren.

»Sie wollen eine alte und hilflose Frau schlagen?« fuhr Agatha Simpson ihn an.

»Mich schlägt man nicht«, sagte er leise, eindringlich und giftig. »Oder höchstens nur einmal.«

Die Lady wich zurück und streckte abwehrend den rechten Arm aus. Der junge Mann tappte prompt in die Falle, griff nach ihrem Handgelenk und zerrte Agatha Simpson zu sich heran.

In diesem Augenblick ließ die ältere Dame ihren perlenbestickten Pompadour gekonnt kreisen und vorschnellen. Der perlenbestickte Handbeutel, wie er von den Damen um die Jahrhundertwende gern getragen wurde, hatte es im wahrsten Sinn des Worts in sich. Im Pompadour befand sich Myladys sogenannter »Glücksbringer«. Es handelte sich dabei um ein echtes Pferdehufeisen, das sie aus Gründen der Humanität ein wenig mit dünnem Schaumgummi umwickelt hatte.

Der Jüngling dachte, er sei von einem auskeilenden Pferd getreten worden. Er legte sich noch mal waagerecht auf die Zimmerluft und krachte erneut auf den Fußboden. Diesmal blieb er liegen und rührte sich nicht mehr.

Lady Simpson, die ihren »Glücksbringer« genau zu dosieren wußte, kümmerte sich nicht weiter um den jungen Mann. Aus Erfahrung war ihr bekannt, daß die Schwellung auf der linken Wange des Getroffenen nach einigen Tagen wieder abklang.

Sie schaute sich in dem kleinen Apartment um und wunderte sich, daß so gut wie kein Mobiliar vorhanden war. Es gab da ein Feldbett, dann zwei dieser Faltsessel und ein modernes Tonbandgerät, an das der Riesenlautsprecher angeschlossen worden war.

In der Küche stapelten sich auf einem Wandtisch volle und leere Konservendosen. Der junge Mann schien eine Vorliebe für Fertiggerichte aller Art zu haben. Lady Agatha kam zu dem Schluß, daß der Bewohner dieser kleinen Wohnung bestimmt nicht die Absicht hatte, hier für längere Zeit zu bleiben.

Sie zuckte unwillkürlich zusammen, als plötzlich wieder Musik dröhnte, die ebenfalls trommelfellschädigend war. Sie ging ärgerlich und energisch zurück in den Wohnraum, doch der junge Mann lag noch immer auf dem Boden.

Nein, diese donnernden Baßgeräusche, die wie dumpfe Paukenschläge wirkten, kamen aus einer anderen Wohnung. Agatha Simpsons Pompadour geriet bereits wieder in Schwingungen, als sie das Apartment verließ und auf die neue Geräuschquelle zuhielt.

Sie brauchte nicht weit zu gehen.

Am Ende des Korridors blieb sie vor einer geschlossenen Wohnungstür stehen und läutete. Erst nach einigen Sekunden ging ihr auf, daß man das Läuten unmöglich hören konnte. Sie bewegte den Drehknauf der Tür und nickte zufrieden, als das Schloß sich öffnen ließ. Die ältere Dame marschierte in die Wohnung und glaubte im ersten Moment an eine Halluzination.

In einer sonst fast leeren Wohnung saß ein junger Mann in einer Art Regiesessel und bediente eine moderne Tonbandmaschine. Eine Leitung schlängelte sich von diesem Gerät hinüber zu einer Lautsprecherkombination, die wenigstens einen Meter hoch war. Der junge Mann trug ebenfalls Gehörschützer modernster Bauart.

Er trug sie nicht mehr lange.

Agatha Simpson hatte keine Schwierigkeiten, ungehört an den Musikfreund heranzukommen, der ihr den Rücken zuwandte. Sie tippte ihm auf die Schulter, worauf der Liebhaber der lauten Töne sich überrascht umdrehte.

Nach einer Ohrfeige legte er sich auf den kahlen Boden und war eindeutig benommen. Die Lady nahm die Lautsprecherbox und warf sie gegen die Wand, was dem Innenleben des Geräts nicht sonderlich bekam. Mit leichtem Kreischen, das dann in ein Wimmern überging, endete die Übertragung.

Der junge Mann wollte aufstehen und sich wahrscheinlich auf die ältere Dame stürzen. Es blieb allerdings beim Versuch wie sich zeigte. Er stand kaum auf den schlotternden Beinen, als die Knie nachgaben. Der junge Mann legte sich erneut nieder.

»Zimmerlautstärke«, sagte Agatha Simpson grollend. »Melden Sie Ihrem Wigmore, daß er mit diesen Tricks nicht weit kommt, dafür werde ich ab sofort sorgen.«

*

Der Stämmige holte zu einem Haken aus und war überzeugt, daß er diesen blasierten Anwalt treffen und ausknocken würde. Er legte sein ganzes Körpergewicht in den Haken und ... traf nur die Luft. Er war schnell wieder auf den Beinen und baute sich erneut auf.

»Bei wem haben Sie das Boxen eigentlich gelernt?« erkundigte sich Mike Rander ironisch. Er glich gerade jetzt einem Schauspieler namens Roger Moore, der sich als Darsteller des James Bond einen Namen gemacht hatte. Desinteressierter hätte dieser Filmstar auch nicht wirken können.

»Du Lackaffe!« Der Stämmige fintierte, täuschte und wollte dann seinen Schlag landen. Und noch mal legte er in ihn alles, was er hatte. Seine Faust zischte vor und ... landete auf der Sperrholzplatte eines Hockers, den Mike Rander gehoben und dem Angreifer entgegengestreckt hatte.

Die Sperrholzplatte splitterte, gab nach und ließ die bereits zerschundene Hand passieren. Dann stöhnte der Schläger, setzte sich und starrte verbiestert auf seine Faust.

Der zweite junge Mann hatte sich geschickt an Mike Rander herangearbeitet, der ihm den Rücken zugewandt hatte. Dieser junge Mann wollte sich nicht auf seine Fäuste verlassen, sondern auf ein Messer, das er in der linken Hand hielt.

Die Frauen im Wohnzimmer stöhnten vor Entsetzen. Sie waren nicht fähig, dem eleganten Anwalt eine Warnung zuzurufen. Es war bereits beschlossene Sache, daß der Mann zustechen und sein Ziel auch finden würde.

Doch dann kam alles ganz anders.

Kathy Porter, das scheue Reh, verwandelte sich ohne erkennbaren Übergang in eine geschmeidige Pantherkatze, doch das bekam der Angreifer gar nicht mit. Kathy hechtete vor und schlug mit der rechten Handkante kurz zu.

Zuerst landete das Messer auf dem Boden, dann dessen Besitzer. Er verdrehte die Augen, schnappte nach Luft und begab sich auf dem Eilweg in das Land der Träume.

Die Frauen hatten sich weit hinten im Wohnraum zusammengedrängt und konzentrierten sich wieder auf die Ratten, die verunsichert waren. Sie zwängten sich ihrerseits in eine Ecke und wußten nicht so recht, wie sie sich verhalten sollten. Dann aber huschten sie zur geöffneten Tür und verschwanden nach draußen.

»Sie werden ihren Weg schon finden«, beruhigte Mike Rander die Frauen. »Ich schlage vor, Sie gehen in Ihre Wohnungen. Ich möchte mich gern noch mit diesen beiden Burschen unterhalten, wenn ich darf, Mrs. Brook?«

Sie war die Mieterin der Wohnung und nickte nach kurzem Zögern.

»Ich werde Sie in Ihre Wohnungen bringen«, warf Kathy Porter ein und nickte den verängstigten Frauen zu.

»Muß ich hier bleiben?« fragte Mrs. Brook und sah Mike Rander an.

»Durchaus nicht, Madam«, erwiderte er lächelnd, »ich glaube, ich werde allein zurechtkommen.«

Als er allein in der Wohnung war, lehnte Mike Rander sich gegen den Kamin und sah den stöhnenden Faustkämpfer an, der sich nicht getraute, seine Hand aus dem Hockersitz zu zerren.

»Wigmore, nicht wahr?« fragte der Anwalt knapp.

»Wer ist Wigmore?« fragte der Faustkämpfer mit gequetschter Stimme.

»Also nicht Wigmore, wer sonst, lieber Mann?«

»Wer was!?« Der Mann verdrehte die Augen, als er seine Hand vorsichtig bewegte.

»Wer hat Sie losgeschickt? Noch können Sie frei reden, mein Junge, Ihr Partner schläft.«

»Für das hier sehen wir uns wieder«, drohte der Mann, was allerdings ohne rechten Nachdruck geschah.

»Soll ich Ihnen helfen?« Rander ging langsam auf ihn zu. »Man muß die Hand ruckartig aus dem Sperrholz ziehen.«

»Sind Sie wahnsinnig?« Der Mann fuhr zurück.

»Ich bin für Klarheit«, stellte Mike Rander fest. »Noch mal und zum letzten Mal: Wer hat Sie mit den Ratten geschickt?«

Der verunglückte Faustkämpfer mußte wohl gemerkt haben, daß der Anwalt nicht scherzte. Er senkte die Augen, schaute dann zu seinem Partner hinüber und nannte einen Namen.

»Etwas deutlicher«, bat der Anwalt.

»Steven Cromer«, wiederholte der Mann, nun etwas deutlicher und wesentlich lauter. »Aber von mir haben Sie den Namen nich’, das werd’ ich jederzeit beschwören.«

»Und wo findet man diesen Steven Cromer?«

»Soho, in der Nähe vom Westend-Hospital. Er hat da ’nen Blumenladen.«

»Wie sinnig.« Mike Rander lächelte. »Übrigens, wenn Sie sich angegriffen fühlen sollten, kann ich die Polizei anrufen.«

»Zum Teufel mit den Bullen«, antwortete der Mann auffahrend, um dann allerdings wieder zu stöhnen.

»Wie viele Ratten haben Sie heute schon unters Volk gebracht?« stellte Mike Rander seine nächste Frage. Er sah zu dem zweiten Mann hinüber, der sich jetzt rührte und seinen Hals vorsichtig betastete. Seine Bewegungen wirkten noch ein wenig unkoordiniert.

»Von mir aus können Sie verschwinden«, sagte Rander zu dem Boxkünstler und nickte auch dem Schneidwarenfreund zu. »Richten Sie diesem Wigmore aus, daß schlechte Zeiten für ihn anbrechen!«

Sie gingen und waren sehr unsicher auf den Beinen. Der Faustkämpfer nahm den Hocker als Souvenir mit. Er getraute sich noch immer nicht, ihn von der Hand zu ziehen.

Mike Rander folgte ihnen, bis sie tief unten im Treppenhaus verschwunden wäre. Vom Fenster aus beobachtete er dann, wie sie in einen Ford stiegen. Er merkte sich selbstverständlich das Kennzeichen und wandte sich um, das Kathy Porter erschien.

»Netter Nachmittag«, sagte er zu ihr. »Ich glaube, es wird Zeit für den Tee, Kathy. Lady Simpson wartet bestimmt schon auf uns.«

*

Das Haus der Lady war in Fachwerkbauweise errichtet worden und stand auf den Gewölben einer ehemaligen Abtei. Es beherrschte einen kleinen U-förmigen Platz und wurde zu beiden Seiten von gleichfalls alten Fachwerkbauten eingeschlossen. Inmitten der hektischen Millionenstadt London war dies hier eine Oase der Ruhe und des Friedens.

Die angrenzenden Häuser gehörten ebenfalls der Lady. Auf raffinierte Art standen alle untereinander in Verbindung. Josuah Parker hatte sich einiges einfallen lassen.

Noch wohnte Mike Rander zwar in der nahen Curzon Street, wo sich auch seine Kanzlei befand, doch es war wirklich nur eine Frage der Zeit, bis der Anwalt seinen Widerstand aufgab und in eines der Häuser in Shepherd’s Market zog. Lady Simpson wartete ungeduldig darauf, daß Mike Rander in ihren Wohnbereich wechselte.

Butler Parker servierte den Tee in der Halle.

Er trug jetzt eine gelb-schwarz gestreifte Weste und weiße Handschuhe. Mit der Feierlichkeit eines traditionsbewußten Zeremonienmeisters goß er Tee in Porzellantassen und rückte für seine Herrin die Kristallkaraffe mit dem obligaten Kreislaufbeschleuniger zurecht. Dabei handelte es sich um alten französischen Kognak, den die Lady ungemein schätzte.

Nachdem Parker auf der Kante seines Stuhls Platz genommen hatte, faßte Anwalt Mike Rander noch mal zusammen, was sie sich mitgeteilt hatten.

»Dieser Will Wigmore hat einen Burschen namens Steven Cromer vorgeschickt«, schloß er, »der die Dreckarbeit vor Ort erledigt.«

»Kennen wir diesen Cromer, Mr. Parker?« fragte die ältere Dame und wandte sich an ihren Butler.

»Besagte Person trat bisher kaum in Erscheinung, Mylady«, antwortete der Butler, der über intime Kenntnisse innerhalb der Unterwelt von London verfügte. »Er gilt als sogenannte dritte Garnitur und beschäftigt sich unter dem Deckmantel eines Blumenladens mit kleinen Einbrüchen, Autodiebstahl und Trickbetrügereien.«

»Hat er bisher solo gearbeitet?« fragte Mike Rander.

»In der Tat, Sir«, antwortete Parker würdevoll.

»Dann hat sich das jetzt geändert«, redete der Anwalt weiter. »Die beiden Burschen, die diese Zusammenkunft bei Mrs. Brook störten, haben eindeutig in seinem Auftrag gearbeitet.«

»Mr. Cromer scheint eine gewisse Aufwertung erfahren zu haben, Sir.«

»Ich werde ihn bald wieder abwerten«, versprach die ältere Dame grimmig. »Scheußlich, was die beiden Lümmel im Wohnblock mit ihren Lautsprechern getan haben! Ich glaube, sie werden für eine gewisse Zeit keine Lust mehr haben, Lärm zu produzieren.«

»Arbeiten sie ebenfalls für diesen Steven Cromer?« wollte Kathy Porter wissen.

»Kindchen, mit solchen Kleinigkeiten befasse ich mich grundsätzlich nicht«, schickte die passionierte Detektivin voraus, »ich interessiere mich mehr für die große Linie eines Falls. Mr. Parker wird das herausfinden.«

»Wie Mylady wünschen.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Wenn es erlaubt ist, könnte meine bescheidene Wenigkeit einige Angaben zur Person des Mr. Will Wigmore vortragen.«

»Warum nicht?« Lady Simpson knabberte bereits am dritten Törtchen und nickte ihrem Butler aufmunternd zu.

»Mr. Wigmore ist ein sogenannter Wohnungsspekulant«, begann Josuah Parker. »Er kauft alte Einzelhäuser oder ganze Wohnzeilen auf, nimmt einige oberflächliche Renovierungen vor und erhöht dann derart drastisch die Mieten, daß die bisherigen, meist nicht sonderlich begüterten Mieter sich gezwungen sehen, ihre Wohnungen aufzugeben. Danach verwandelt Mr. Wigmore die Häuser in Apartment-Hotels und vermietet die jeweiligen neuen Wohneinheiten zu Preisen, die man nur als horrend bezeichnen kann.«

»Und falls langfristige Mietverträge existieren, so setzt er die ursprünglichen Mieter einem raffinierten Psychoterror aus«, fügte Mike Rander hinzu.

»Lärm, Belästigungen und sogar Prügel«, sagte die ältere Dame grimmig. »Ab sofort werden diese Subjekte sehr vorsichtig werden.«

»Wenn es gestattet ist, möchte ich mir erlauben, noch eine Methodenvariante des Mr. Wigmore zu erwähnen«, sagte Josuah Parker. »Besagter Spekulant verschafft sich darüber hinaus sogenannte Sperrgrundstücke.«

»Was ist denn das schon wieder?« wollte Agatha Simpson wissen.

»Falls städtische Behörden oder private Bauherren zu bauen gedenken, Mylady, ist Mr. Wigmore bereits gut informiert und erwirbt ein Einzelhaus oder ein kleineres Grundstück, das diese Planungen und Ausführungen erschwert. Diese Objekte läßt er sich zu ebenfalls erklecklichen Beträgen dann abkaufen.«

»Und woher verschafft er sich die notwendigen Informationen?« warf Mike Rander ein. »Bezahlt er irgendwelche Leute in den Planungsbüros?«

»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Sir«, erwiderte der Butler. »Auch diesem Aspekt sollte man möglicherweise nachgehen.«

»Hat dieses Subjekt direkte Verbindungen zur Unterwelt?« Agatha Simpson war wieder mal ganz bei der Sache. Sie freute sich auf einen neuen Fall. Seit Jahren schon betätigte sie sich als Amateurdetektivin und hatte das Glück, von einem Fall in den anderen zu stolpern. Ohne Butler Parker hätte sie mit Sicherheit nie etwas ausgerichtet, doch darüber machte sie sich keine Gedanken. Mit dem Charme und der Energie eines Bulldozers ging sie jeden neuen Fall an und übertraf dabei den sprichwörtlichen Elefanten im Porzellanladen. Butler Parker hatte dann stets alle Hände voll zu tun, seine Herrin vor Schaden zu bewahren.

»Im engeren Sinn steht Mr. Wigmore mit der üblichen Unterwelt in Verbindung«, beantwortete der Butler die Frage der älteren Dame. »Es bietet sich allerdings die Möglichkeit an, ob man Mr. Wigmore nicht mit seinen eigenen Waffen schlagen sollte.«

»Genau das wollte ich gerade sagen«, gab Lady Agatha prompt zurück. »Warum hetzen wir diesem Subjekt nicht ein paar handfeste Gangster auf den Hals? Mr. Parker, kümmern Sie sich um die Details!«

*

Steven Cromer, fünfundvierzig, ein rundlicher Typ, dessen strahlendes Lächeln ansteckend wirkte. Als Butler Parker und Mike Rander den Blumenladen in der Nähe des Westend-Hospitals betraten, war er gerade dabei, einen Blumenstrauß zusammenzustecken.

»Hallo, die Herrschaften«, meinte er munter, doch sein Lächeln wirkte verkrampft. »Was kann ich für Sie tun? Ein hübsches Sträußchen für einen Krankenbesuch?«

Man sah ihm an, daß er eine genaue Beschreibung zumindest von Mike Rander erhalten haben mußte, denn er musterte den Anwalt verstohlen, während er den Strauß zur Seite legte.

»Wie geht es Ihren beiden Helden, Cromer?« fragte Mike Rander. »Wo haben Sie sich diese komischen Einzelkämpfer eigentlich zusammengesucht?«

»Wie meinen Sie? Ich verstehe kein Wort.« Steven Cromer war die Ahnungslosigkeit in Person. »Helden ...? Einzelkämpfer...? Ich habe hier ’ne Blumenhandlung, Sir.«

»Wie lange wohl noch?« Rander zündete sich eine Zigarette an. »Wer mit Dynamit spielt, muß mit Ärger rechnen.«

»Eine Spruchweisheit, die aus dem militärischen Bereich stammt«, fügte Josuah Parker würdevoll hinzu. »Sie dürfte sich eindeutig auf einschlägig gemachte Erfahrungen gründen.«

»Was ... Was soll das alles?« Blumenhändler Cromer schluckte nervös und lächelte längst nicht mehr.

»Mr. Parker, Sie sollten es ihm erklären«, bat Mike Rander.

»Vor etwa zwei Stunden fand in einem Wohnblock in der Clipstone Street die Versammlung einer sogenannten Mieter-Initiative statt«, schickte Parker höflich und gemessen voraus. »Im Verlauf einer angeregten Diskussion erschienen zwei junge Männer, die drei ansehnliche Ratten auf die anwesenden Damen losließen, was eine verständliche Panik auslöste, wie Sie sich vorstellen können, Mr. Cromer.«

»Damit habe ich nichts zu tun«, fuhr der Blumenhändler dazwischen. »Davon weiß ich nichts.«

»Die beiden jungen Männer waren erheblich anderer Meinung«, redete der Butler weiter. »Nachdem sie persönliches Ungemach erlitten, bequemten sie sich, Ihren Namen als Auftraggeber preiszugeben.«

»Lüge, nichts als Lüge! Wenn Sie nicht sofort verschwinden, rufe ich die Polizei...«

»Ihr Auftraggeber wiederum, Mr. Cromer, wird mit Ihrer Arbeit kaum zufrieden sein«, stellte der Butler klar. »Auch Ihre Musikfreunde in einem Wohnblock in der Warren Street kamen keineswegs zur Entfaltung.«

»Warren Street?« Man sah Cromer deutlich an, daß er mit diesem Straßennamen nichts anzufangen wußte. Er pumpte sich noch mal auf und deutete dann zur Ladentür. »Verschwinden Sie, aber schleunigst, sonst rufe ich die Polizei. Wo leben wir denn?«

»Sie können selbstverständlich sofort anrufen, Mr. Cromer«, entgegnete der Butler, »aber lassen Sie sich noch beiläufig sagen, daß Sie offenbar keine Ahnung haben, wessen Kreise Sie zu stören im Begriff sind.«

»Was für Kreise?« Cromer war irritiert. Mit der ein wenig manirierten und geschraubten Ausdrucksweise des Butlers wußte er nichts anzufangen.

»Der Bezirk südöstlich von Regent’s Park ist doch die Operationsbasis eines gewissen Mr. Archie Marsh. Sollte Ihnen das entfallen sein?«

»Archie ... Archie Marsh?« Der Blumenhändler wußte auf Anhieb, was dieser Name bedeutete. Mike Rander wußte es nicht. Er hatte sich gerade eine rosafarbene Nelke abgebrochen und sie ins Knopfloch gesteckt. Er warf dem Butler einen interessierten Blick zu.

»Mr. Archie Marsh betrachtet diese Region als sein privates Revier«, erläuterte Parker in Richtung Cromer. »Hoffentlich haben Sie sich mit ihm in Verbindung gesetzt, bevor Sie tätig wurden.«

»Rufen Sie doch endlich die Polizei an, guter Mann«, warf Rander provozierend ein.

»Ich ... Ich merke schon, das alles ist ein Mißverständnis«, meinte Steven Cromer einlenkend. »Wahrscheinlich wollen mich da ein paar miese Typen in die Pfanne hauen.«

»Wollen ist gut.« Mike Rander lächelte mokant. »Sie liegen bereits in dieser Pfanne! Archie ist ein ziemlich harter und übler Bursche.«

»Sie kennen ihn?« fragte Cromer, dessen Augen flackerten.

»Sie offenbar nicht«, gab Mike Rander gelangweilt zurück. »Warum sind Sie nicht dabei, einen kleinen Notkoffer zu packen? An Ihrer Stelle würde ich eine längere Reise antreten.«

»Noch dazu, da Sie sich in einer recht abträglichen Form über ihn geäußert haben«, fügte Parker höflich hinzu. »Mr. Marsh wird das nicht sonderlich gern vernehmen.«

»Ich soll mich über ihn geäußert haben?« protestierte der Blumenhändler erstaunt.

»Ziemlich ruppig sogar.« Mike Rander nickte und trieb dem Mann Schweißperlen auf die Stirn.

»Davon weiß ich nichts, ich habe niemals ...«

»Weiß es Archie Marsh?« Rander drückte seine Zigarette aus. »Mann, Cromer, Sie brutzeln bereits in der Pfanne. Sie schwitzen ja schon!«

»Man könnte natürlich von Ihnen ablenken«, schlug der Butler jetzt vor. »Dies würde allerdings bedingen, daß Sie einige Informationen liefern.«

»Welchen Wohnblock haben Sie noch auf Ihrer Liste?« fragte der Anwalt rundheraus. »Das mit der Clipstone Street und der Warren Street wissen wir ja bereits.«

»Mit der Warren Street habe ich überhaupt nichts zu tun, das kann ich beschwören.«

»Also bleiben wir mal bei der Clipstone Street, wo ihre beiden Typen Ratten freigesetzt haben«, schränkte der Anwalt ein. »Wo sonst noch haben Sie was angekurbelt?«

»Ich ... Ich bin nur für den Block in der Clipstone Street zuständig«, lautete die schnelle und hastige Antwort, »aber ich weiß, daß da noch andere Wohnblocks sind, die geräumt werden sollen.«

»Von Ihnen, Cromer?«

»Nein, nein, von anderen Gruppen.« Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Die Warren Street hat, glaube ich, Herb Stamford übernommen.«

»Wer hat Sie für Ihren Job engagiert?« fragte Mike Rander weiter.

»Jo ... Jody Wenlock, Sir«, lautete prompt die Antwort. »Er hat gesagt, die Sache wär’ völlig legal und gesetzlich.«

»Sind Sie noch immer dieser Meinung, Cromer?«

»Ich steig aus«, antwortete der Blumenhändler, »ich bin doch kein Selbstmörder.«

»Der Name Will Wigmore ist Ihnen natürlich unbekannt, wie?«

»Ist er!« Der Blumenhändler nickte. »Ich hab nur mit Jody Wenlock gesprochen.«

»Und von ihm einen Vorschuß kassiert, nicht wahr?« Mike Rander nickte aufmunternd. »Nun sagen Sie schon, wieviel es gewesen ist.«

»Fünfhundert Pfund«, gab Steven Cromer zurück.

»Ich mache Ihnen einen Vorschlag, lieber Mann«, sagte der Anwalt. »Überweisen Sie das Geld an die Mieter-Initiative in der Clipstone Street, einverstanden? So als ’ne Art Schmerzensgeld, Cromer. Sie ahnen ja nicht, wie die Frauen sich freuen werden.«

*

»Wer, zum Teufel, ist Jody Wenlock?« fragte Mike Rander, als er auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. Der Anwalt schnallte sich sorgfältig fest und studierte die Lage der Haltegriffe.

Dies hatte seinen besonderen Grund.

Er saß in Parkers Privatwagen, einem Gefährt besonderer Art. Es handelte sich um ein altes ehemaliges Londoner Taxi, das nach Parkers speziellen und auch skurrilen Wünschen umgestaltet worden war. Vom Taxi war nur noch das Äußere zurückgeblieben, alles andere entsprach dem modernsten Stand der Technik.

Unter der eckigen Motorhaube arbeitete ein Motor, der einem Rennsportwagen alle Ehre gemacht hätte. Die Federung entsprach in ihren Grundzügen der eines großen Citroën. Der Wagenboden ließ sich nach Belieben auf insgesamt fünf Stufen anheben. Wenn es gewünscht wurde, war Parkers Privatwagen einem Land-Rover weit überlegen, was dessen Geländegängigkeit anbetraf.

Freund und Feind, die bereits Bekanntschaft mit diesem Vehikel gemacht hatten, bezeichneten den schwarzen Wagen rundheraus als Monstrum oder eine Trickkiste auf Rädern.

Auf dem reichhaltig ausgestatteten Armaturenbrett gab es eine Vielzahl von unscheinbar aussehenden Kipphebeln und Knöpfen. Sie alle betätigten diverse technische Zusatzeinrichtungen, die geeignet waren, Verfolger, Angreifer, Diebe oder Neugierige zu schockieren.

»Sie fragten nach Mr. Jody Wenlock, Sir«, antwortete der Butler in seiner stets feierlich-würdevollen Art, »besagte Person ist eine Art Agent.«

»Und was vermittelt er, Parker?« Mike Rander benutzte die burschikose und vertrauliche Art wie seinerzeit, als der Butler noch ausschließlich für ihn gearbeitet hatte.

»Ungesetzlichkeiten, Sir«, lautete Parkers Antwort. »Man kann bei Mr. Wenlock so gut wie alles bestellen, angefangen vom Diebstahl bis zum Mord.«

»Ein unerfreulicher Zeitgenosse, Und die Polizei hat ihm bisher nicht das Handwerk legen können?«

»Mr. Jody Wenlock ist ein vorsichtiger Mensch, Sir. In Kreisen der Unterwelt wird er geschätzt und gefürchtet.«

»Und wie hat er sich getarnt, Parker? Ich wette, er arbeitet mit einem erstklassigen Aushängeschild, oder?«

»In der Tat, Sir! Mr. Wenlock betreibt einen sogenannten Ausschnitt-Dienst.«

»Was stelle ich mir denn darunter vor?«

»Er beschäftigt eine Anzahl Rentner sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechts, Sir, die die Tages- und Wochenzeitschriften auswerten, und zwar in der Form, daß die betreffenden Personen Artikel über gewünschte Personen oder Themen mittels Scheren ausschneiden.«

»Natürlich, jetzt fällt’s mir wieder ein.« Mike Rander lächelte. »Falls ich mich für Botanik, Lady Simpson oder die Raumfahrt interessiere, wende ich mich an Wenlocks Büro und abonniere bei ihm.«

»Dies, Sir, ist das übliche Verfahren.« Parker nickte andeutungsweise. »Es ist übrigens erstaunlich, wie schnell und gründlich man über eine bestimmte Person oder ein Sachgebiet informiert wird.«

»Kann ich mir vorstellen, wenn man alle englischsprachigen Erscheinungen berücksichtigt. Das also ist Wenlocks Masche.«

»Mr. Wenlock unterhält keine eigene Organisation«, wußte der Butler weiter zu berichte »Ich darf noch mal wiederholen, Sir, er vermittelt nur Einzelpersonen oder Organisationen.«

»Und kassiert dafür dicke Provisionen, wie?«

»Dies soll und muß man als sicher und gewiß unterstellen. Sir.«

»Fahren wir jetzt zu ihm, Parker?«

»Ihr Einverständnis voraus setzend, Sir, sollte man sich vielleicht vorher noch mit Mr. Stamford ins Benehmen setzen.«

»Dieser Bursche, der laut Cromer ebenfalls für diesen Spekulanten Wigmore arbeitet?«

»In der Tat, Sir. Seine Leute dürften in der Warren Street Myladys Ohren beleidigt haben.«

»Und Sie wissen natürlich, wo er zu finden ist?«

»Es gibt einen Billard-Club, Sir, in dem Leute seines Schlags zu verkehren pflegen. Es handelt sich selbstverständlich um einen Privatclub.«

»Stamford wird doch von Cromer längst vorgewarnt worden sein.«

»Dies, Sir, muß ich, wenn es erlaubt ist, in Zweifel ziehen. Mr. Cromer wird sich sicher freuen, wenn auch Mr. Herb Stamford ein wenig gemaßregelt wird.«

»Lassen wir uns überraschen, Parker.« Mike Rander hatte sich längst entspannt und schielte nicht mehr nach den Haltegriffen. »Wir sind uns doch wohl klar darüber, daß wir an diesen Spekulanten herankommen müssen, nicht wahr? Will Wigmore ist unser Mann.«

»Ohne Zweifel, Sir. Ich habe mir bereits erlaubt, einige Fensterscheiben seines Landhauses mittels meiner Gabelschleuder zu zertrümmern.«

»Wo bleibt Ihre Seriosität, Parker?« Rander lachte. »Sie sind ihm bereits auf den Pelz gerückt?«

»Um Mr. Wigmore ein wenig einzustimmen, Sir. Zudem lag mir daran, Mr. Wigmore auf meine bescheidene Wenigkeit aufmerksam zu machen.«

»Aha, Wagenkennzeichen und so.« Rander verstand sofort.

»Ein einfaches und immer wieder sicheres Verfahren, Sir«, bestätigte der Butler. »Mr. Wigmore wird aller Voraussicht nach bereits erste Aktivitäten entwickeln. Es könnte durchaus der Fall sein, daß er sich schon hilfe- und ratsuchend an Mr. Jody Wenlock gewandt hat.«

»Unser Artikeldienstmann, wie?«

»Sehr wohl, Sir. Wenn man einem Menschen wie Wigmore zu nahe tritt, so wird solch eine Person mit einiger Sicherheit sehr aggressiv reagieren. Aggression aber ist bereits der erste Schritt zu einem Kardinalfehler, wie mich dünkt.«

»Irgendeine Spruchweisheit aus dem Fernen Osten?« spottete der Anwalt, der nur zu gut wußte, wie gern Parker Zitate und Sprichwörter verwandte.

»Ein spontaner Einfall, Sir«, erwiderte der Butler bescheiden. »Er wurde natürlich aus einer gewissen Erfahrung heraus geboren.«

*

McWarden leitete im Yard ein Sonderdezernat und war dem Innenministerium direkt unterstellt. In der Vergangenheit war es zwischen Butler Parker und ihm zu einer intensiven Zusammenarbeit gekommen. McWarden schätzte die Fähigkeiten Parkers sehr hoch ein und verdankte ihm manchen geklärten komplizierten Kriminalfall.

»Sie waren für einige Wochen in den Staaten?« fragte McWarden.

»Das wissen Sie doch, lieber McWarden«, flötete die Hausherrin förmlich und lächelte geradezu zuckersüß, was McWarden vorsichtig werden ließ. »Seitdem ist Ihre Aufklärungsquote bestimmt drastisch gesunken, nicht wahr?«

»Ich konnte methodisch und ohne Hektik arbeiten«, stichelte der Chief-Superintendent sofort zurück. Ihn verband mit Lady Simpson eine gewisse Art von Haßfreundschaft. »Es war die reine Wohltat.«

»Für die Unterwelt, nehme ich an«, gab sie postwendend zurück. »Sie muß goldene Zeiten gehabt haben, aber das wird sich ab sofort wieder ändern.«

»Sie arbeiten an einem Fall, Mylady?«

»Wie kommen Sie darauf?« Sie schüttelte den Kopf. »Oder sollten Sie in Schwierigkeiten stecken, McWarden?«

»Sie werden ab sofort wieder auf mich zukommen, Mylady. Und auch auf Sie. Es liegt nämlich eine Anzeige gegen Sie vor.«

»Was Sie nicht sagen, junger Mann.« Sie benutzte bewußt diese Anrede. Sie wußte nur zu gut, wie sehr McWarden sich darüber ärgerte.

»Körperverletzung«, sagte McWarden. »Sie sollen zwei Mieter in einem Haus in der Warren Street mißhandelt haben.«

»Sie werden mir so etwas doch wohl nicht zutrauen, McWarden, oder?« Sie lachte tief und amüsiert auf. »Ich bin eine alte Frau.«

»Ich traue Ihnen eine Menge zu, Mylady«, gab der Chief-Superintendent zurück. »Schon allein die Art der Körperverletzung spricht Bände.«

»Was ist denn passiert?« Sie lehnte sich genußvoll zurück.

»Eine Unterkieferverrenkung, eine Gehirnerschütterung«, zählte McWarden auf. »Dazu noch diverser Sachschaden. Sie sollen zwei brandneue Tonbandmaschinen und Lautsprecher demoliert haben.«

»Wie kommt es, daß Sie sich für solche Lappalien interessieren, McWarden, falls es überhaupt stimmt, was man mir da vorwirft?«

»Mich interessiert alles, was mit Ihnen zusammenhängt, Mylady. Es besteht übrigens kein Zweifel, daß Sie in diesem Haus waren. Ein Mr. Fielding sagte aus, er sei von Ihnen besucht worden.«

»Wie kommt er dazu?«

»Er hat’s unfreiwillig ausgesagt«, erklärte McWarden. »Beamte haben ihn routinemäßig befragt. Er sagte, er habe sich wegen irgendeiner Mietgeschichte an Mr. Rander gewandt.«

»Der nette alte Fielding.« Sie nickte und verstrahlte wieder Wohlwollen. »Ein reizender alter Herr.«

»Ich weiß.« McWarden nickte. »Ich komme gerade von ihm. Als Ihr Name fiel, Mylady, bin ich in meinem Büro sofort verständigt worden.«

»Haben Sie per Rundschreiben vor mir warnen lassen?« fragte sie bissig.

»Mr. Fielding und auch noch andere Bewohner des Hauses haben Ärger mit einem Mr. Will Wigmore.« McWarden ging auf die Frage der älteren Dame nicht ein.

»Das Wort Ärger ist eine höfliche Umschreibung, McWarden. Wollen Sie sich nicht endlich setzen? Möchten Sie wirklich unbedingt einen Sherry haben?«

»Das wäre reizend, Mylady. Wer kann solch einer Einladung schon widerstehen?« Er setzte sich und grinste fröhlich. Er nickte Kathy Porter, die ihn übrigens eingelassen hatte, freundlich zu. Sie brachte ihm den Sherry, den sie natürlich längst eingegossen hatte.

»Flirten Sie nicht, McWarden, bleiben Sie beim Thema«, forderte die Hausherrin ihn jetzt grimmig auf. »Sie kennen diesen Spekulanten?«

»Natürlich, Mylady. Darf ich offen sein?«

»Können Sie das überhaupt?«

»Ich bin froh, falls Sie sich mit Wigmore befassen. Das sage ich als Privatmann.«

»Sie verwirren mich, McWarden.« Sie verzichtete auf Ironie.

»Will Wigmore ist in meinen Augen ein Gangster, anders kann ich es nicht ausdrücken. Solch ein übler Kerl gehört hinter Schloß und Riegel. Je schneller, desto besser.«

»Und warum sorgen Sie nicht dafür?«

»Weil ich nicht an diesen raffinierten Burschen herankomme. Ja, genau das Gegenteil ist der Fall: Unsere Polizeibehörde muß ihm sogar Schützenhilfe leisten, wenn er irgendwelche Leute exmittieren läßt.«

»Ich möchte fast glauben, daß Sie diesmal ehrlich sind, McWarden.«

»Ich war nie ehrlicher, Mylady. Will Wigmore beschäftigt ein halbes Dutzend erstklassiger Juristen in seinem Zentralbüro. Die nutzen jede halbwegs legale Möglichkeit, um Wigmore abzuschirmen. Und dieser Gangster scheut keine Mittel, seine Pläne durchzusetzen.«

»Was ist mit Ihnen los, McWarden? Sie können sich ja noch ärgern!« Die Detektivin sah ihn erstaunt an.

»Ich könnte an die Decke gehen, Mylady«, sagte er und zwang sich zur Ruhe. »Tun Sie mir einen Gefallen: Sorgen Sie dafür, daß diesem Spekulanten das Handwerk gelegt wird!«

»Sie haben bisher wirklich nichts gegen ihn verwerten können?« wunderte sich Lady Agatha.

»Wie gesagt, er beschäftigt ein halbes Dutzend erstklassige und teuer bezahlte Anwälte«, meinte McWarden grimmig. »Sie blocken alles ab. Wigmore läßt die Schmutzarbeit natürlich von bezahlten Schlägern und Ganoven erledigen, aber das kennt man ja.«

»Sie haben die Namen dieser beiden Lümmel, die ich angeblich mißhandelt haben soll?«

»Und deren Adressen, Mylady.« McWarden nickte. »Es könnte ja sein, daß Sie Gegenklage erheben wollen.«

»Kathy, noch einen Sherry für meinen lieben Gast«, rief die ältere Dame ihrer Gesellschafterin zu. »McWarden, wenn Sie so weitermachen, kann aus Ihnen noch ein passabler Mensch werden.«

»Offiziell weiß ich von nichts, Mylady.«

»Waren Sie heute überhaupt hier?« fragte Lady Simpson gutgelaunt und zwinkerte ihm zu. »Ich kann mich nicht erinnern!«

*

Jody Wenlock, fünfundvierzig Jahre alt, schlank, erinnerte an einen Geier mit Brille. Dieses einprägsame Aussehen hing mit Sicherheit mit seinem schmalen Kopf und der betonten Glatze zusammen.

Butler Parker 154 – Kriminalroman

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