Читать книгу Butler Parker 152 – Kriminalroman - Gunter Donges - Страница 3

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»Sehr albern«, mokierte sich Agatha Simpson. Sie saß am Steuer ihres reichlich ramponierten Land-Rover und beobachtete ihn in einer Mischung aus Abwehr und Faszination die Szene vor dem Bankgebäude. Die schmale Straße in der City von London war abgesperrt worden, damit das Team ungestört arbeiten konnte.

»Modefotos, Mylady«, sagte Kathy Porter, die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady, »eine ungewöhnliche Kombination.«

»Sollen das etwa japanische Ritter sein?« fragte Lady Agatha und deutete auf einige untersetzte, drohend aussehende Männer, die Samurai-Schwerter in Händen hielten. Die Gesichter dieser Männer wurden verdeckt von dämonisch aussehenden Masken, die Rüstungen bestanden aus Lederplatten bis zu den Oberschenkeln.

In reizvollem Kontrast dazu standen die Mannequins in ihren gewagt aussehenden Kreationen. Die Damen zeigten eine Mode, die altjapanisch inspiriert war. Solche Schöpfungen der Modeindustrie basierten auf Kimonos, die in diesem Fall allerdings reichlich geschlitzt waren. Sie zeigten viel von den schlanken Linien ihrer Trägerinnen.

Der Chef-Fotograf arbeitete ohne Aufwand. Er verzichtete auf Scheinwerfer und Lichtblenden, hielt einen großen Fotoapparat in Händen und verschoß eine Aufnahme nach der anderen. Sein Assistent gruppierte die japanischen Ritter und die Modelle immer wieder neu, sorgte für Bewegung und scheuchte die furchterregend aussehenden Ritter schließlich in den Kastenaufbau eines kleinen Lieferwagens. Die Mannequins verschwanden in der Vorhalle der Bank. Die neugierigen Zuschauer zerstreuten sich bereits, die beiden Polizeibeamten, die den Verkehr aufgehalten hatten, gaben die schmale Fahrbahn wieder frei.

»Endlich«, sagte Agatha Simpson, »eigentlich eine Frechheit, eine Lady Simpson warten zu lassen.«

Die passionierte Detektivin ließ ihren Land-Rover vorspringen, rammte um ein Haar das Heck eines vorausfahrenden Wagens und wurde dann ein wenig abgelenkt.

Im Eingang des Bankgebäudes erschienen drei weitere Japan-Ritter, die es eilig hatten, den Kastenlieferwagen zu erreichen. Einer dieser Ritter übersah dabei fast den geländegängigen Wagen der älteren Dame, die mit einer Vollbremsung reagierte. Der Ritter warf sich im letzten Moment noch zurück und drohte, rannte dann aber weiter.

»Haben Sie das gerade mitbekommen, Kindchen?« Lady Agatha war empört.

»Eine automatische Geste, Mylady«, besänftigte Kathy Porter.

»Papperlapapp, eine Lady Simpson läßt sich so etwas nicht bieten.«

Sie reagierte auf ihre Weise, gab Gas und nahm die Verfolgung des Frechlings auf. Dabei lädierte die Forsche zwar den Kotflügel des vor ihr fahrenden Wagens, doch das focht sie nicht weiter an. In solchen Dingen war Agatha Simpson stets großzügig. Sie ließ den Land-Rover über die Bordsteinkante steigen und gab Gas.

Der japanische Ritter nahm den Kopf herum und sah knapp hinter sich den eckigen Kühler des Rover, worauf er sein Tempo beschleunigte und zu dem Kastenlieferwagen hastete, dessen hintere Wagentür noch weit geöffnet war. Der Wagen hatte sich jedoch schon in Bewegung gesetzt.

Die beiden anderen japanischen Ritter stiegen gerade ungelenk und mühsam in den Kastenaufbau. Die schweren Rüstungen erwiesen sich als ausgesprochen hinderlich, doch sie schafften es mit Mühe und Not. Der dritte Ritter hingegen stolperte, und Lady Simpson bremste, um diesen Mann nicht zu rammen.

Der Ritter raffte sich auf, beging einen Fehler. Er hielt plötzlich eine Schußwaffe in Händen und genierte sich nicht, auf die Windschutzscheibe des Land-Rover zu schießen. Die Scheibe wurde voll getroffen und zeigte plötzlich viele kleine Risse, die die Sicht erschwerten.

Lady Agatha war eine Frau, für die der Begriff Angst nicht existierte. Bevor Kathy Porter etwas unternehmen konnte, stieg die ältere Dame bereits aus und konzentrierte sich auf den Samurai, der inzwischen hinter dem davonfahrenden Kastenwagen herrannte. Und er hätte es geschafft, wenn Lady Agatha nicht ihren Pompadour eingesetzt hätte.

Es handelte sich dabei um einen perlenbestickten Handbeutel, in dem ein echtes Pferdehufeisen untergebracht war, Agatha Simpson schwang gekonnt diesen Pompadour und ließ dann die Trageschnüre los. Der Pompadour nahm sofort Fahrt auf, segelte durch die Luft und klatschte gegen den Hinterkopf des Ritters, der unmittelbar darauf eine etwas verunglückte Bauchlandung zelebrierte. Er schlitterte mit seiner Lederrüstung über den Gehweg und verlor einen Bambuskoffer.

»Treffer«, sagte Lady Simpson und nickte zufrieden, »und jetzt wird dieser Flegel sich bei mir gefälligst entschuldigen.«

Der Samurai war dazu vorerst nicht in der Lage. Er lag regungslos auf den Gehwegplatten und bekam nicht mit, daß Kathy Porter neben ihm erschien. Myladys Sekretärin hatte bereits den mittelgroßen Koffer aus Bambus an sich genommen und wollte ihn zurück zu dem Japan-Ritter tragen.

Der Kastenwagen befand sich inzwischen auf der Rückfahrt. Der Fahrer hatte den Rückwärtsgang eingelegt und jagte in leichten Schlangenlinien auf den ruhenden Samurai zu, wobei die hintere Wagentür wieder aufgedrückt wurde.

Zwei Ritter sprangen aus dem Kastenwagen und hielten ihre Schwerter schlagbereit in Händen. Ohne jede Vorwarnung drangen sie auf Kathy Porter ein, die gegen diese dämonisch aussehenden Männer keine Chance besaß. Sie schwangen ihre Schwerter und schienen fest entschlossen, Myladys Gesellschafterin zu vierteilen!

*

»Ich habe Sorgen«, sagte Chief-Superintendent McWarden und sah Anwalt Mike Rander und Butler Parker hilfesuchend an, »seit einigen Tagen tun sich Dinge hier in London, die auf mich wie ein Alptraum wirken.«

McWarden, bullig und untersetzt, etwa fünfundfünfzig, sah stets wie eine gereizte Bulldogge aus. Er befand sich im Haus des Anwalts in der Curzon Street, in dem sich auch Mike Randers Kanzlei befand.

»Schütten Sie Ihr Herz aus, McWarden«, schlug der Anwalt vor, der an einen James-Bond-Schauspieler erinnerte, »ich bin sicher, daß Parker Ihnen mal wieder helfen wird.«

»Meine bescheidenen Fähigkeiten stehen zu Ihrer Verfügung, Sir«, ließ Josuah Parker sich vernehmen. Er war alterslos, etwas über mittelgroß und sah aus wie das Urbild eines hochherrschaftlichen englischen Butlers. Parker, in Diensten der Agatha Simpson stehend, versorgte nun auch Mike Rander, nachdem dieser aus den USA nach London zurückgekehrt war.

»Es geht um Täter, wie sie mir noch nie geschildert wurden«, meinte McWarden und räusperte sich, »damit wir uns nicht mißverstehen, ich gebe jetzt nur das wider, was Augenzeugen und Tatbeteiligte zu Protokoll gegeben haben.«

»Diese Einschränkung machen Sie nicht ohne Grund«, fand der etwa vierzigjährige Anwalt, »zieren Sie sich nicht... Wir werden bestimmt nicht lachen.«

»Man sagte übereinstimmend aus, von Rittern überfallen worden zu sein«, erklärte der Chief-Superintendent, »von japanischen Rittern, um ganz genau zu sein.«

»Bemerkenswert, Sir, wenn ich es so ausdrücken darf«, ließ Josuah Parker sich in seiner stets höflichen Art vernehmen, »um eine Art Massensuggestion dürfte es sich kaum handeln?«

»Eben das weiß ich nicht.« McWarden hob hilflos die Schultern. »Sie wissen ja, daß erst vor wenigen Tagen eine Fernsehserie beendet wurde, in der japanische Samurai und Ritter eine wichtige Rolle gespielt haben.«

»Richtig, ich habe ein paar Folgen davon gesehen«, erinnerte sich Mike Rander »sie waren spannend gemacht, McWarden.«

»Darf man erfahren, Sir, mit welcher Beute diese japanischen Ritter abzogen?« fragte Butler Parker.

»Es wurden Tageskassen von Supermärkten ausgeräumt, Bankfilialen ausgeraubt und einige Juweliergeschäfte dazu. Die bisherige Beute dürfte etwa hundertzwanzigtausend Pfund betragen.«

»Hört sich nicht schlecht an«, erwiderte Mike Rander salopp, »damit kommt man schon ’ne Weile aus, McWarden.«

»In allen Fällen waren die Täter gekleidet wie japanische Ritter«, wiederholte der Chief-Superintendent, »und sie bedrohten ihre Opfer mit Samurai-Schwertern. Sie können sich die Angst der Betroffenen vorstellen. Die Angst vor solch einem Schwert dürfte fast noch größer sein als die vor einem Revolver oder ähnlichem. Widerstand würde in keinem Fall geleistet. Die Opfer waren wie erstarrt.«

»Samurais als Gangster – Gangster als Samurai.« Mike Rander schüttelte den Kopf. »Eine völlig neue Masche. Sie haben natürlich bereits Ermittlungen angestellt, wie?«

»Selbstverständlich, Rander«, erwiderte der Chief-Superintendent, »sie laufen auf Hochtouren.«

»Konnten die Augenzeugen belegen, Sir, ob es sich um echte Japaner handelte?« erkundigte sich Josuah Parker.

»Um echte Japaner?« McWarden sah den Butler verdutzt an. »Wie kommen Sie denn darauf? Wieso echte Japaner?!«

»Man berichtete Ihnen und Ihren werten Mitarbeitern von japanischen Rittern«, schickte Parker voraus, »diese Hinweise dürften sich auf die äußere Aufmachung beziehen. Die Frage erhebt sich jetzt, ob man es auch mit Japanern zu tun hatte.«

»Äh ... Daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht«, räumte McWarden ein und runzelte die Stirn, »aber Moment mal, Mr. Parker, diese Samurai trugen Masken, oder aber waren entsprechend geschminkt. Ob es echte Japaner gewesen sind? Tja, diese Frage kann ich wirklich nicht beantworten.«

»Eine Antwort könnte den Täterkreis natürlich mächtig eingrenzen«, ließ der Anwalt sich vernehmen, »darauf wollen Sie doch hinaus, Parker, oder?«

»In der Tat, Sir«, gab Josuah Parker zurück, »darf ich mich erkühnen, eine weitere Frage zu stellen?«

»Natürlich, Mr. Parker.« McWarden nickte geradezu heftig. »Darum bin ich ja hier.«

»Gab es Verletzungen, Sir, die von den Samurai-Schwertern herrühren?«

»Nein, nein, ich sagte ja schon, die Augenzeugen und direkt Betroffenen waren vor Angst und Entsetzen wie erstarrt. Gott sein Dank, es gab keine Verletzungen.«

»Wie waren diese Ritter denn gekleidet?« Mike Rander sah den Chief-Superintendent gespannt an.

»Rüstungen eben«, meinte McWarden, »es waren Lederpanzer aus Teilstücken, wie es uns beschrieben wurde. Diese Teilstücke hingen an Eisenringen und überlappten sich wie Dachschindeln. Sie haben ja die Fernsehserie gesehen, Rander. So wie diese Ritter haben die Samurai ausgesehen.«

»Wie viele Überfälle und Raubzüge insgesamt, Sir, konnten bisher registriert werden?« Es war wieder Parker, der diese gezielte Frage stellte. »Und um wie viele Samurai handelte es sich jeweils?«

»Es traten immer drei japanische Ritter auf«, antwortete McWarden und seufzte, »und es fanden insgesamt sechs Überfälle statt, je zwei auf Supermärkte, Bankfilialen und Juweliergeschäfte. Ich fürchte, daß das alles nur Fingerübungen gewesen sind.«

»Wie soll ich denn das verstehen?« fragte der Anwalt.

»Der Riesencoup war’s bisher noch nicht«, redete McWarden weiter, »aber er wird mit Sicherheit kommen, verlassen Sie sich darauf. Und dann wird’s wahrscheinlich auch Tote geben, ich hab’s einfach so im Gefühl.«

»Sie haben bisher nichts an die Presse weitergegeben«, sagte der Anwalt, »in welchem Zeitraum sind diese Samurai denn aufgetreten?«

»Innerhalb der vergangenen drei Tage, Rander. Und die Presse haben wir absichtlich noch nicht informiert, doch daran werde ich jetzt wohl nicht mehr vorbeikommen. Ich bin bereits aus einigen Redaktionen angerufen worden.«

»Kann meine bescheidene Wenigkeit davon ausgehen, Sir, daß Ihr Sonderdezernat bereits eine interne Warnung an die einschlägige Geschäftswelt vorgenommen hat?« schaltete Josuah Parker sich ein.

»Selbstverständlich haben wir eine Warnung ausgegeben«, beantwortete Chief-Superintendent die Frage des Butlers, »und ich kann nur hoffen, daß man sie angenommen hat.«

»Warum, zum Teufel, ziehen diese Gangster als Samurais durch die Gegend?« Mike Rander war aufgestanden und wanderte vor seinem Schreibtisch hin und her. »Wo liegt da der Trick, wenn man mal von der Kostümierung absieht?«

»Der Trick, Sir, um Ihre Worte zu gebrauchen, liegt in der erwähnten Kostümierung«, bemerkte Josuah Parker, »Gangster mit Gesichtsmasken und Schußwaffen sind die Regel, um es mal so auszudrücken.«

»Richtig«, bestätigte McWarden, »ich kann nur noch mal wiederholen: Die Betroffenen standen alle unter einem tiefen Schock. Das Aussehen dieser Samurai-Gangster muß ihnen ganz schön in die Knochen gefahren sein. Ich glaube kaum, daß sich irgendein Betroffener dieser Wirkung entziehen kann. Man wird vor Angst und Überraschung wohl wie gelähmt sein!«

*

Die beiden japanischen Ritter, die aus dem Kastenaufbau des kleinen Lieferwagens gesprungen waren, rechneten nicht mit Gegenwehr. Sie sahen sich schließlich nur zwei Frauen gegenüber, die nach ihrer Erfahrung vor Schreck zu erstarren hatten. Die beiden Samurais ahnten nicht, mit wem sie es zu tun hatten.

Lady Agatha befand sich längst wieder im Besitz ihres perlenbestickten Pompadours. Kathy Porter hob gerade den kleinen Koffer aus Bambus auf. Die beiden japanischen Ritter stießen dunkel klingende Kampfrufe aus und ließen ihre Schwerter durch die Luft zischen.

Lady Agatha nahm das fast wohlgefällig zur Kenntnis, witterte sie doch eine Möglichkeit, sich endlich wieder mal betätigen zu können. Einer der Samurais blieb ein wenig überrascht stehen, als die ältere Dame ihn grimmig anfunkelte. Der Pompadour war bereits in heftige Schwingungen geraten.

»Was soll das alberne Getue?« fragte Lady Agatha dann streng, »nehmen Sie gefälligst zur Kenntnis, daß sie einer Dame gegenüberstehen.«

Der Samurai holte mit seinem Schwert aus und schien die feste Absicht zu haben, Lady Agatha niederzustrecken. Bevor er das Schwert aber niedersausen lassen konnte, hatte die Attackierte bereits nachdrücklich zugelangt. Der im Pompadour befindliche »Glücksbringer« klatschte auf die linke Gesichtshälfte des Ritters, der laut und vernehmlich seufzte, um die Beine dann waagerecht in die Luft zu bringen. Dadurch vermochte er sein Körpergewicht nicht länger zu halten. Er krachte auf den Straßenbelang und hatte Mühe, wieder hochzukommen. Die Rüstung schien schwer zu sein und war sicher ein Hindernis. Hinzu kam die unkonventionelle Kampfweise der Agatha Simpson, die nicht gerade ladylike zu nennen war. Mylady holte mit dem rechten Fuß aus, der keineswegs zierlich ausgefallen war. Daher schätzte sie auch große, solide Schuhe, in denen sie Platz hatte. Die Spitze dieses Fußes landete vor dem Schienbein des Samurai, der es inzwischen geschafft hatte, halbwegs wieder hochzukommen.

Der Ritter stieß einen ordinären Fluch aus, und zwar in englischer Sprache. Dann fiel er zurück, landete auf dem Rücken und fischte mit der linken Hand verzweifelt nach dem Schwert, das einen halben Meter von ihm entfernt auf dem Asphalt lag.

Lady Agatha war schneller.

Sie hatte das schreckliche Kampfinstrument bereits an sich genommen und zeigte deutlich, daß sie bereit war, es auch gegen den Samurai zu verwenden. Lady Agatha, die eine begeisterte Bogenschützin und Golferin war, hatte keineswegs Angst vor dem gebogenen Schwert. Sie holte weit aus und glich in diesem Moment einer etwas reifen Amazone, die jugendliche Gewandtheit durch Robustheit ersetzte.

Der Samurai warf sich im letzten Moment entsetzt auf die Seite, als Lady Agatha zuschlug. Plötzlich ereignete sich etwas Überraschendes. Das blinkende Schwert knickte nach dem Aufschlag in der Mitte durch und zersplitterte. Der Samurai kniete hoch und beging den Fehler, Mylady die Kehrseite zu präsentieren.

Sie konnte einfach nicht wiederstehen, holte knapp aus und setzte ihren Fuß auf die rechte Hälfte dieser Kehrseite. Wie vom Katapult geschleudert, sauste der Mann auf dem Bauch gut anderthalb Meter über den dunklen Straßenbelag und näherte sich dem kleinen Lieferwagen. Zwei Ritter beugten sich heraus und griffen nach ihrem lädierten Kampfgenossen. Sie zerrten ihn in den Kastenaufbau.

Kathy Porter lachte und hatte Tränen in den Augen. Sie hatte alles genau verfolgt, da sie ihren Gegner längst niedergekämpft hatte. Dieser Samurai war von ihrer linken Handkante erwischt worden und lag halb auf jenem japanischen Ritter, der den Bambuskoffer verloren hatte. Lady Agatha hörte hinter und neben sich aufkommenden Applaus der Menge, die sich gebildet hatte. Die Detektivin wandte sich um und nickte wohlwollend. Sie genoß es offensichtlich, auf diese Art gefeiert zu werden.

In diesem Moment setzte der Kastenlieferwagen noch weiter zurück. In Sekundenschnelle wurden die beiden noch herumliegenden Ritter in den Kastenaufbau gehievt. Kathy Porter war geistesgegenwärtig genug, den Bambuskoffer unter den Land-Rover der Lady zu schieben.

»Diese Feiglinge«, sagte Agatha Simpson, als der Wagen förmlich vorschoß und Fahrt aufnahm.

»Mylady, Sie waren wunderbar«, antwortete Kathy Porter, »so etwas dürften die Gangster noch nicht erlebt haben.«

»Schade, Kindchen, daß das Schwert zersplitterte«, erwiderte die ältere Dame und hob die halbe Klinge hoch, »ich glaube, ich hätte mich sonst etwas vergessen.«

»Mr. Parker wird tief beeindruckt sein.«

»Und einsehen, daß es auch ohne ihn geht«, fügte die Lady hinzu, »er wäre mit dieser Situation nie fertiggeworden.«

*

»Ich kann mich nur noch tief verbeugen«, sagte Chief-Superintendent McWarden und sah die Detektivin bewundernd an.

»Wenn es erlaubt ist, Mylady, möchte meine Wenigkeit sich dieser angekündigten Verbeugung vollinhaltlich anschließen«, ließ Josuah Parker sich vernehmen.

»Genieren Sie sich nicht.« Agatha Simpson deutete auf den geöffneten Bambuskoffer. »Sie müssen zugeben, daß ich ein Vermögen gerettet habe.«

»Genau zweihundertzehntausend Pfund«, bestätigte McWarden, »das wird die Gangster tief treffen.«

»Weiß man schon, wieviel sie insgesamt aus der Bank holten?« erkundigte sich Mike Rander.

»Rund fünfhunderttausend Pfund«, warf McWarden ein, »das wäre eine Riesenbeute geworden.«

»Ich werde auch den Rest herbeischaffen, nicht wahr, Mr. Parker?« Lady Agatha sah ihren Butler abwartend an.

»Mylady werden dies mit der sprichwörtlichen linken Hand besorgen«, bestätigte Josuah Parker in seiner höflichen Art, »wäre ein weiterer und zusätzlicher Sherry genehm?«

»Aber ja, Mr. Parker.« Sie nickte huldvoll, »dieser Sieg muß doch schließlich gefeiert werden. Auf der anderen Seite muß man ja nicht gleich eine Orgie veranstalten.«

Sie war immens reich und wußte kaum, wie groß ihr Vermögen war, doch sie war sehr sparsam, wenn es um Sherry ging. Sie konnte um einen Penny hartnäckig feilschen, das Geld dann aber wieder mit vollen Händen ausgeben, wenn es galt, sich als Kriminalistin zu betätigen. An diesem Mittag war sie in großzügiger Stimmung.

»Mylady hörten einen englischen Fluch?« erkundigte sich Parker, nachdem er die Sherrygläser gefüllt hatte.

»Eindeutig«, erwiderte Lady Agatha, »dieser Samurai muß Engländer gewesen sein.«

»Dann täuschen die Samurais uns nur etwas vor«, meinte der Chief-Superintendent.

»Das Schwert ist aus Bambus«, schaltete Kathy Porter sich ein. Sie hatte es gründlich untersucht und reichte es an den Butler weiter.

»Dies erlaubte ich mir bereits zu bemerken«, erwiderte Josuah Parker, »ähnliche Geräte findet man im sogenannten Kendo-Sport.«

»Aha«, meinte die Detektivin, »und was ist das, Mr. Parker? Natürlich weiß ich es, aber ich möchte doch mal wissen, ob Sie orientiert sind.«

»Es handelt sich um das Stockfechten, Mylady«, faßte der Butler zusammen, »es ist ein Relikt aus der Zeit der Samurai. Um diese Kunst des Kendo wirksam zu erlernen, bedarf es einiger Jahre und sehr viel Übung.«

»Hier in London gibt es Schulen, die Kendo-Sport treiben«, warf der Anwalt ein.

»Eine heiße Spur.« Agatha Simpsons Augen funkelten unternehmungslustig. »Die Gangster stammen aus einer dieser Kendoschulen. Für mich steht das einwandfrei fest. Ich hoffe, Mr. Parker, Sie denken auch so!«

»Mylady lösen in meiner Wenigkeit Verblüffung aus«, bekannte der Butler höflich.

»Das war auch so gedacht«, redete sie weiter und wandte sich an McWarden, »nehmen Sie sich diese Kendoschulen vor, mein lieber McWarden.«

»Worauf Sie sich fest verlassen können, Mylady.« McWarden nickte, wenn auch ein wenig zögernd.

»Legen die Kendo-Ritter nicht eine falsche Spur?« gab Mike Rander lächelnd zu bedenken.

»Das könnte natürlich auch sein«, räumte McWarden ein.

»Schnickschnack«, grollte die ältere Dame prompt, »begreifen Sie denn nicht, mein Junge? Die Kendoleute wollen mir doch nur Sand in die Augen streuen. Ich soll annehmen, Mitglieder solch einer Sportschule würden nie mit den Rüstungen und Waffen antreten, mit denen sie trainieren. Tatsächlich aber tun sie’s! Das ist ein doppelter Trick, nicht wahr, Mr. Parker?«

»Mylady lösen in meiner Wenigkeit erneut eine tiefe Verblüffung aus«, lautete Parkers ausweichende Antwort.

»Das wußte ich«, sagte Agatha Simpson zufrieden, »jetzt geht es nur noch um die Kleinigkeit, die Kendoritter zu überführen, aber um solche Details kümmere ich mich nicht.«

»Sehr wohl, Mylady.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an.

»Ich möchte mich verabschieden«, erklärte der Chief-Superintendent, »ich werde eine schlagartige Gesamtfahndung einleiten.«

Parker brachte McWarden zur Tür. Man befand sich im altehrwürdigen Fachwerkhaus der Lady Simpson, das in Shepard’s Market stand, einer Oase inmitten von London.

»Auf ein Wort, Mr. Parker«, bat McWarden, als man in der großen Wohnhalle war, »nehmen Sie auch an, daß die Gangster aus dem Kreis der Kendo-Sportler stammen?«

»Unmöglich, Sir, ist nichts«, erwiderte der Butler, »bisher sind die Gangster allerdings noch den Beweis schuldig geblieben, daß sie mit Kendo-Schwertern umzugehen verstehen.«

»Das stimmt allerdings.« McWarden nickte.

»Mit baldiger Klärung dieser Frage dürfte auch durchaus zu rechnen sein«, fuhr Josuah Parker höflich fort, »den Verlust der zweihundertzehntausend Pfund werden die angeblichen Samurai als ausgesprochen schmerzlich empfinden.«

»Sie glauben, daß die Gangster sich melden werden, Mr. Parker?«

»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Sir«, lautete die Antwort des Butlers, »man dürfte sich Myladys Wagenkennzeichen gemerkt haben und zusätzlich aus der Presse erfahren, wie wehrhaft Mylady waren.«

*

Als Parker in den Salon zurückgehen wollte, klingelte das Telefon. Ohne seinen Schritt zu beschleunigen, schritt Parker zum Apparat und meldete sich.

»Genau Sie wollte ich haben«, sagte eine Stimme, »Sie sind doch die Butler von Lady Simpson, oder?«

»Sie sagen es«, gab Parker höflich zurück, »kann meine Wenigkeit davon ausgehen, mit einem sogenannten Samurai zu sprechen?«

»Wie kommen Sie denn darauf?« wunderte sich der Anrufer.

»In der Nähe Ihrer Sprechstelle scheint man gerade dem Kendo-Sport zu huldigen«, sagte Parker, »das typische Geräusch der Bambus-Schwerter ist keineswegs zu überhören.«

»Ihre Lady hat uns bestohlen«, tönte es aus dem Hörer unverzerrt und in gutem akzentfreiem Englisch, »Sie wissen doch, was ich meine, oder?«

»Sie sprechen sicher von zweihundertzehntausend Pfund Sterling.«

»Die uns gehören«, reagierte die Stimme, die einem Mann gehörte, »und Sie werden sich viel Kummer ersparen, wenn Sie uns das Geld so schnell wie möglich zurückgeben.«

»Worin, wenn man höflich fragen darf, sollte der erwähnte Ärger bestehen?« wollte Josuah Parker wissen. Er zeichnete die Unterhaltung längst auf dem angeschlossenen Tonband auf. Parker hörte im Hintergrund nach wie vor das harte Klicken und Klappern von Bambusschwertern.

»Sie wissen hoffentlich, was Kendo ist.«

»Nur oberflächlich, wie meine Wenigkeit bekennen muß.«

»Man kann die Bambusschwerter auch durch echte Samurai-Schwerter ersetzen«, drohte die Stimme weiter, »aber glauben Sie ja nicht, daß wir Sie direkt töten werden.«

»Sie erwägen eine gewisse Steigerung, wenn ich Ihren Hinweis richtig interpretiere?«

»Wir werden Sie Stück für Stück leiden lassen, bis es soweit ist. Und das ist keine leere Drohung, verlassen Sie sich darauf! Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wie scharf japanische Schwerter sind?«

»Wenn Sie einverstanden sind, wird man sich darüber eingehend informieren. Sie sprachen gerade in der Mehrzahl. Sie haben vor, nicht nur Lady Simpson zu töten?«

»Auch die Begleiterin, auch Sie und diesen Anwalt. Sie alle stecken unter einer Decke.«

»Wenn Sie gestatten, möchte ich die Aussichten dann als nicht gerade rosig bezeichnen.«

»Nehmen Sie mich ruhig auf den Arm, Parker, aber Sie werden sich wundern. Sie werden es mit der Kendo-Queen zu tun bekommen.«

»Ein bemerkenswerter Name, wenn man so sagen darf. Es dürfte sich um eine Frau handeln?«

»Sie werden sie bald kennenlernen, Parker, gerade Sie!«

»Wodurch könnte meine Wenigkeit Ihren Unwillen erregt haben?«

»Sie sind der Kendo-Queen als gerissener Fuchs geschildert worden.«

»Sie schmeicheln einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann«, lautete Parkers Antwort.

»Also, umgehend das Geld zurück an uns«, verlangte die Männerstimme, »und zwar heute hoch! Bis Mitternacht muß die Übergabe erfolgen, sonst werden Sie alle Stück für Stück demontiert ...«

»Haben Sie möglicherweise bestimmte Zeit- und Ortsvorstellungen?« wollte Josuah Parker wissen.

»Hören Sie mal genau zu, Parker.« Die Männerstimme ging auf die Frage des Butlers ein und nannte die gewünschten Daten. Parker wiederholte sie höflich und erkundigte sich dann nach weiteren Wünschen der Kendo-Queen.

»Lassen Sie die Polizei aus dem Spiel«, verlangte die Männerstimme, »und versuchen Sie erst gar nicht, sich mit uns anzulegen. Sie würden doch nur draufzahlen.«

»Man wird Lady Simpson umgehend informieren«, sagte der Butler, »eine Prognose hinsichtlich Myladys Reaktion vermag ich leider nicht zu geben, aber ich darf vorausschicken, daß Mylady sich im Grunde kaum mit Amateuren abgibt. Die Kendo-Queen sollte also nicht erbost sein, falls man ihre Existenz nicht zur Kenntnis nimmt.«

*

»Das war schon recht ordentlich«, sagte die ältere Dame etwa eine Viertelstunde später, nachdem sie das Tonband abgehört hatte, »langsam lernen Sie es, Mr. Parker, wie man mit diesen Subjekten redet.«

»Mylady rufen in meiner Wenigkeit das Gefühl einer gewissen Verlegenheit hervor«, bedankte sich Parker.

»Selbstverständlich werde ich das Geld nicht zurückgeben«, redete die Detektivin weiter, »aber ich werde zu diesem Treffen erscheinen, nicht wahr, Mr. Parker?«

»Eine reizvolle Vorstellung, Mylady, die aber nicht ohne Gefahr ist.«

»Papperlapapp, Mr. Parker, diese Kendo-Ritter haben es schließlich mit einer Lady Simpson zu tun.«

»Echte Samurai-Schwerter sollen noch schärfer sein als Rasiermesser«, warf Mike Rander warnend ein.

»Ich werde diese Schwerter entschärfen«, prophezeite die energische Dame munter, »hinter diesem Anruf steckt eine gehörige Portion Größenwahn, oder etwa nicht?«

»Oder auch Selbstüberschätzung. Oder sogar Selbstsicherheit«, fügte Kathy Porter hinzu.

»Falls gewünscht, könnte meine Wenigkeit sofort Mr. McWarden verständigen«, sagte Josuah Parker.

»Unterstehen Sie sich, Mr. Parker!« Agatha Simpson sah ihren Butler streng an. »Das hier ist mein Fall. Man belästigte mich schließlich mit einem Schwert und so etwas kann eine Lady Simpson sich nicht bieten lassen.«

»Wo soll die Geldübergabe denn stattfinden?« wollte Mike Rander wissen. »Ich kann mit der Ortsangabe nichts anfangen.«

»Es handelt sich um einen nördlichen Stadtteil, Sir«, erläuterte Josuah Parker, »es gibt gerade in dieser Region eine Fülle stillgelegter Fabriken.«

»Und damit perfekte und tödliche Fallen«, warnte Mike Rander noch mal.

»Mr. Parker wird schon dafür sorgen, daß ich mich ungestört mit diesen Lümmeln auseinandersetzen kann«, erklärte Lady Agatha optimistisch wie immer, »aber wie war das mit den Geräuschen im Hintergrund? Sie sind sicher, Mr. Parker, daß es sich um Kendo-Schwerter gehandelt hat?«

»Ohne Fachleuten vorgreifen zu wollen, Mylady, könnte man dies als sicher unterstellen.«

»Sehr eigenartig, nicht wahr?« Kathy Porter lächelte. »Das sieht doch so aus, als wollte man die Aufmerksamkeit auf eine der Kendoschulen lenken.«

»Sehr begabt, meine Liebe«, lobte die ältere Dame, »man will mich ablenken, das liegt auf der Hand. Doch ich wiederhole: Die Gangster stammen aus einer dieser Schulen! Für mich gibt es da keinen Zweifel. Man belastet sich selbst, um aus dem Schußfeld zu kommen. Ich hoffe, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt.«

»Völlig«, antwortete der Anwalt, »wie denken denn Sie darüber, Mr. Parker?«

»Myladys Ansichten sind wie stets bestechend«, schickte der Butler voraus, »darf man darauf verweisen, daß der Tenor des Gesprächs, was die Gegenseite betrifft, den Rückschluß zuläßt, daß man es tatsächlich mit Amateuren zu tun hat?«

»Das sage ich doch die ganze Zeit«, grollte Agatha Simpson. »Wieso eigentlich?«

»Gangster bevorzugen, sich in einer Sprache zu äußern, Mylady«, erwiderte der Butler, »Gangster pflegen, um es lakonisch und salopp auszudrücken, einfach zu schießen. Sie würden sich nie solcher Schneidwaren bedienen, die in diesem Fall angedroht werden.«

»Hier haben sich einige Subjekte aus Kendoschulen zusammengetan«, erklärte Lady Agatha nachdrücklicher, »Mr. Parker, besorgen Sie mir die Adressen der Schulen. So schwer kann das doch nicht sein ...«

»Myladys Anregung wird sofort aufgegriffen.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Darüber hinaus wird man sich auch mit der Beschaffung eines geeigneten Bambuskoffers befassen.«

»Daran wollte ich gerade erinnern«, behauptete die Detektivin wie selbstverständlich. Bevor Parker darauf eingehen konnte, meldete sich die Türglocke. Parker begab sich in die Wohnhalle des Fachwerkhauses und öffnete einen Wandschrank neben dem verglasten Windfang und Vorflur. Er schaltete die Fernsehkamera ein, die über dem Eingang angebracht war, und nahm unbewegt zur Kenntnis, daß ein japanischer Ritter gerade den überdachten Vorbau verließ, wobei er eine unziemliche Eile an den Tag legte.

Dieser Samurai in der typischen Rüstung des japanischen Mittelalters lief zu einem Ford, der vor dem Haus parkte. Wenig später war er im Wagen verschwunden, der sofort scharf anzog und die Durchgangsstraße ansteuerte.

Per Fernsteuerung schwenkte Parker die versteckt installierte Fernsehkamera zur Tür und entdeckte davor ein Samurai-Schwert auf dem Boden. Möglicherweise hatte man wohl versucht, die Spitze dieses Schwertes in das Türblatt zu rammen. Da es aber aus zähem Stahl bestand, war die Absicht mißlungen.

Parker machte sich daran, das Samurai-Schwert zu bergen.

*

Bevor Josuah Parker das altehrwürdige Haus in Shepherd’s Market verließ, hielt er sich für etwa zwanzig Minuten in seinen privaten Räumen im Souterrain des Hauses auf. Hier hatte er sein privates Labor eingerichtet, in dem er in seiner Freizeit immer wieder neue Methoden zur trickreichen Bekämpfung von Gaunern und Gangstern entwickelte.

Butler Parker hatte vor, das Haus allein zu verlassen. Er wollte sich möglichen Samurais als Ziel anbieten, wollte allerdings auch in der Lage sein, etwaige Angriffe zu parieren. Er rechnete fest damit, daß das Haus diskret überwacht wurde.

Aus seinem gut bestückten Fundus wählte er einen Regenschirm, den er vor Jahren mal entwickelt hatte und der altväterlich aussah wie jenes Regendach, das er im Moment benutzte. Der Schirmstock bestand aus bestem Sheffield-Stahl und war seiner Schätzung nach bestens geeignet, Samurai-Schwerter zu parieren, Äußerlich sah man dies dem Regenschirm allerdings nicht an, worauf Parker sogar den größten Wert legte. Er rüstete sich zusätzlich mit einigen Gegenständen aus, die vielleicht nutzbringend anzuwenden waren, und machte sich dann auf den Weg.

Er benutzte sein hochbeiniges Monstrum, wie sein Privatwagen von Freund und Feind genannt wurde. Es handelte sich dabei um ein ehemaliges Londoner Taxi sehr alter Bauart, das sich durch kantige Formen auszeichnete. Rein äußerlich wirkte dieser Wagen langsam, vielleicht sogar asthmatisch, doch genau das Gegenteil war der Fall.

Butler Parker hatte diesen Wagen nach seinen sehr eigenwilligen Vorstellungen modifiziert. Unter der eckigen Motorhaube befand sich ein Kraftwerk, das einem Rennwagen alle Ehre gemacht hätte. Die Bremsen und auch das Fahrwerk waren dementsprechend umgestaltet worden. Wenn es sein mußte, konnte Parker mit seiner Trickkiste auf Rädern, wie man sein Fahrzeug auch respektvoll nannte, eine unwahrscheinliche Geschwindigkeit vorlegen.

Aus Gründen der Sicherheit hatte Parker diesen Wagen in der schmalen Gasse hinter dem Fachwerkhaus abgestellt. Zur Straße hin war diese Gasse durch ein elektronisch funktionierendes Gitter abgesichert. Ein Tor schwang gehorsam zur Seite, nachdem der Butler vom Fahrersitz aus per Knopfdruck die Öffnung eingeleitet hatte. Elektrowellen einer bestimmten Frequenz setzten den Öffnungsmechanismus in Gang. Parker rollte in die Seitenstraße, um dann von dort aus die eigentliche Straße zu benützen. Während dieser Fahrt in die nahe City von London schaute er wiederholt in den Rückspiegel und entdeckte schon bald einen Volkswagen, der ihm hartnäckig folgte.

Parker übersah das gelassen.

Ihm kam es schließlich darauf an, Kontakt mit den japanischen Rittern aufzunehmen. Er zweifelte keine Sekunde daran, daß man versuchen würde, ihn in die Lage zu bringen, einige Wochen Gast eines Unfall-Hospitals zu werden. Obwohl man es wahrscheinlich mit Amateuren zu tun hatte, waren diese Leute doch recht gut informiert, was ihn, Lady Simpson, Kathy Porter und Mike Rander betraf.

Parker machte es dem Verfolger bequem. Als er die Innenstadt erreichte, steuerte er ein Parkhochhaus an und brachte seinen hochbeinigen Wagen bis zum höchsten Parkdeck. Dann verließ er den Fahrersitz, korrigierte seine Kleidung, legte den ausgewechselten Regenschirm über den angewinkelten linken Unterarm und schritt gemessen und würdevoll zum Treppenhaus. Er empfand es als wohltuend, daß auf diesem Parkdeck so gut wie kein Gast zu sehen war. Es gab da zwar ein Ehepaar, das aber den Fahrstuhl benutzte, um nach unten zu gelangen.

Butler Parker hatte seine Gegner richtig eingeschätzt. Sie waren allerdings noch schneller und näher, als er ausgerechnet hatte. Parker hatte das Treppenhaus fast erreicht, als die Eisentür jäh aufgestoßen wurde.

Zwei Samurai erschienen auf der Bildfläche, stießen drohende Laute aus, die irgendwie an Grunzen erinnerten, zogen blitzschnell ihre Schwerter aus den Scheiden und schwangen sie ausgesprochen kriegerisch durch die Luft.

»Ich gestatte mir, Ihnen meinen Gruß zu entbieten«, sagte der Butler und lüftete höflich die schwarze Melone, »darf oder muß man sogar unterstellen, daß Sie sich nicht in friedlicher Absicht eingefunden haben?«

Sie verzichteten auf eine Antwort und wollten die Schärfe ihrer leicht gebogenen Schwerter an Parkers Körper demonstrieren. Josuah Parker sah sich daher genötigt, gewisse Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

*

Amateure waren es nicht, die auf ihn eindrangen.

Sie hatten die Kunst des Schwertkampfes genau studiert und eindeutig nur das eine Ziel, Parker erheblich zu verletzen – oder ihn gar zu toten. Sie wollten es so schnell wie möglich hinter sich bringen und verzichteten auf alle üblichen Einleitungen.

»Sie zwingen meine Wenigkeit, gewisse Rücksichten hintanzustellen«, sagte Josuah Parker und hob seinen präparierten Regenschirm. Er blockte einen Schlag geschickt ab und ging sofort zum Gegenangriff über. Er nutzte die kurze Verwirrung des Samurai, der wohl damit gerechnet hatte, schon jetzt den entscheidenden Treffer anbringen zu können. Parker stach ein wenig formlos und überhaupt nicht im Sinn der japanischen Fechtkunst zu und traf die Magenpartie des Ritters, der erst mal scharf die Luft einsog, um dann leichte Konditionsschwierigkeiten zu zeigen.

Der zweite Samurai witterte eine Chance, die Blöße zu nutzen, die Parker sich dabei geben mußte. Der Mann im Ritterkostüm ließ sein Schwert herumwirbeln, wollte den Butler verwirren und dann seinen Streich anbringen ...

Er traf voll die Luft.

Butler Parker legte eine Leichtfüßigkeit an den Tag, die beachtenswert war. Vom Schwung mitgerissen, fiel der Samurai nach vorn und bot dem Butler seinen nur oberflächlich geschützten Hinterkopf dar.

Natürlich konnte Josuah Parker nicht widerstehen.

Blitzschnell langte er mit dem Schirmstock zu und traf genau das Ziel. Der Samurai hüstelte betroffen und klatschte auf den Zementboden des Parkdecks. Er scharrte und zappelte noch mit den Beinen, entschloß sich dann aber, erst mal Ruhe zu geben.

Der erste Samurai hatte den Magenstoß inzwischen verdaut und wollte es jetzt wissen. Er stieß einen wilden Brüller aus, ließ sein Schwert herum wirbeln und es fast zu einer Scheibe werden. Er brachte den Butler dazu, sich erst mal zurückzuziehen. Parker tat dies sehr bewußt und provozierte bei dem angeblichen japanischen Ritter ein gewisses Überlegenheitsgefühl...

»Ihre Künste sind ausgesprochen bemerkenswert«, sagte Parker, dessen Atem ruhig ging, »falls meine Wenigkeit die Möglichkeit dazu hätte, würde man bewundernd die Kopfbedeckung lüften.«

»Jetzt bist du reif«, erwiderte der Ritter hinter seiner Gesichtsmaske und wurde noch eifriger.

»Ihr Englisch dürfte aus dem Süden Londons stammen«, stellte der Butler weiter fest.

»Damit werden Sie kaum noch was anfangen können.« Der Ritter wurde noch zudringlicher und schneller. Er wähnte sich bereits auf der Siegerstraße und wurde unvorsichtig. Als er gerade geantwortet hatte, zeigte sich, daß er sich körperlich ungemein anstrengte.

»Und jetzt!« Er fintierte, absolvierte einen blitzschnellen Rundschlag, warf sich vor, ging in Auslage, zog sich zurück und ... starrte dann verdutzt auf seine Führungshand. Sie war nämlich leer und zusätzlich noch geprellt worden. Parker hatte mit seinem Regenschirm einen Konter ausgeführt und dem Ritter das blinkende Schwert aus der Hand geschlagen.

»Auch die europäische Fechtkunst hat einiges zu bieten«, sagte Parker gemessen, benutzte den Schirmstock als Degen, fintierte seinerseits und fand eine geeignete Lücke zwischen zwei »Lederschuppen« des Brustpanzers. Bevor der Japan-Ritter diesem Stoß aus weichen konnte, war es bereits geschehen. Der Getroffene jaulte auf wie ein getretener Hund und verbeugte sich tief vor dem Butler.

»Wenn Sie erlauben, werde ich Sie anästhesieren«, schickte der Butler voraus, um dann den schweren Stahlgriff seines Regendaches auf den Hinterkopf des Mannes zu legen. Aus der Verbeugung wurde ein Niederknien. Parker trat höflich-abwartend einen halben Schritt zurück und registrierte dann die Flachlage des Samurai.

»Kann man helfen?« erkundigte sich in diesem Moment eine sonore Stimme. Parker wandte sich halb zur Seite und grüßte einen Herrn, der eben erst den Aufzug verlassen hatte. Er zeigte jene englische Zurückhaltung, die sprichwörtlich war.

»Vielen Dank, Sir«, gab Parker zurück und lüftete die schwarze Melone, »Sie sind gerade Zeuge einer Filmaufnahme mit versteckter Kamera, wie ich Ihnen verraten möchte.«

»Dann will ich nicht länger stören.« Der Gentleman grüßte seinerseits und ging zu seinem abgestellten Wagen. Als er zur Wendel fuhr, die hinunter zur Straße führte, warf er keinen einzigen Blick auf die Szene, die er gerade beobachtet hatte. Er wollte wirklich nicht stören, wie er gerade erst versichert hatte.

Parker begab sich zu seinem Wagen und brachte ihn in die Nähe der beiden noch immer tief schlafenden Samurai. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis er sie im Kofferraum seines hochbeinigen Monstrums untergebracht hatte.

*

Butler Parker befand sich in Soho.

Er hatte seinen Wagen auf einem Parkplatz abgestellt und betrat ein Lokal, das sich auf Fremdenverkehr spezialisiert hatte. Hier gab es Erfrischungsgetränke, Tee und Snacks. Hinter dem Tresen stand ein breitschultriger Mann, schätzungsweise ein Fünfziger, der sich schnell in Bewegung setzte, als er den Butler ausmachte.

»Hallo, Mr. Parker«, grüßte der Mann respektvoll, »was kann ich Ihnen anbieten? Was kann ich für Sie tun? Welchen Tisch möchten Sie?«

»Den in Ihrem Hinterzimmer, Mr. Pantree«, erwiderte der Butler, »es gibt da einige Dinge, die intensiv, jedoch ohne Eifer diskutiert werden müssen.«

»Sie haben Ärger, Mr. Parker?« Ernest Pantree, wie der volle Name lautete, sah Parker besorgt an.

»Dieser Ärger betrifft weniger meine Person«, antwortete der Butler, »es handelt sich – um mit der sprichwörtlichen Tür ins Haus zu fallen – um eine sogenannte Kendo-Queen.«

»Davon habe ich schon gehört, Mr. Parker.« Ernest Pantree drückte eilig die Tür zu seinem Hinterzimmer auf. Parker trat ein und schaute sich flüchtig um.

»Sie kennen diese Kendo-Queen, Mr. Pantree?«

»Nur vom Hörensagen, Mr. Parker. Sie soll ja bisher ganz schön abgestaubt haben, oder?«

»Es wurde in der Tat bisher beachtliche Beute gemacht«, gab Josuah Parker zurück, »was sagt man dazu in einschlägigen Kreisen?«

»Na ja, man amüsiert sich, Mr. Parker. Und man ist von den Socken, verstehen Sie? Da tauchen plötzlich Amateure auf und räumen auf der ganzen Linie ab. So was hat man nicht alle Tage.«

Ernest Pantree war ehemaliger Krimineller, der in einen bürgerlichen Beruf übergewechselt war, wie er behauptete. Er war Parker sehr verbunden, hatte der Butler ihm doch mal den Antritt einer längeren Haftstrafe erspart. Pantree war angeklagt gewesen, einen Mann niedergeschossen und beraubt zu haben. Praktisch vor der Verurteilung hatte Parker dann den wirklichen Täter präsentieren können.

Auf den Pfaden der Tugend wandelte Pantree allerdings noch immer nicht. Inzwischen war er Hehler geworden, was Josuah Parker natürlich nicht unbekannt war. Dennoch ließ Parker sich hin und wieder bei dem Mann sehen, wenn es galt, gewisse Insider-Informationen einzuholen. Pantree wußte stets sehr gut, was sich in Kreisen der Unterwelt abspielte.

»Hat man eine vage Vorstellung, wer diese Kendo-Queen sein könnte?« stellte Parker seine nächste Frage.

»Eben nicht, Mr. Parker ... Und das ist die Wahrheit!« Pentree lehnte sich mit seinem breiten Rücken gegen die Wand. »Glauben Sie mir, man ist hinter dieser komischen Queen her. Können Sie sich ja vorstellen. Man möchte diese Queen anzapfen.«

»Was weiß man bisher von ihr, Mr. Pantree?«

»Wie gesagt, sie muß Amateurin sein, Mr. Parker. Und die Kerle, die mit ihr rumziehen, sind’s bestimmt auch. Hören Sie, wer aus der Szene würde schon in Ritterrüstungen durch die Gegend laufen?«

»Man weiß in der Szene demnach, nach welchem Muster diese Kendo-Queen arbeitet?«

»So was spricht sich blitzschnell herum, Mr. Parker.« Pantree lächelte wissend. »Die Konkurrenz soll in komischen Rüstungen herumrennen und mit Schwertern arbeiten. Das muß man sich mal vorstellen! Mit Schwertern! Wie leicht kann dabei was passieren!«

»In der Tat, Mr. Pantree, nach Ihrem Weltbild sind Schußwaffen wohl angebrachter, nicht wahr?«

»Bestimmt sogar, Mr. Parker. Sind Sie hinter der Kendo-Queen her?«

»Mich interessiert diese neue Arbeitsweise«, sagte Parker, »würden Sie meine Wenigkeit freundlicherweise informieren, sobald mehr bekannt ist?«

»Sie können sich drauf verlassen, Mr. Parker«, versprach Pantree, »ich sag’s noch mal: Die Leute hier sind wie der Teufel hinter diesen Amateuren her. Es geht ja schließlich um ’ne Menge Geld. Stimmt’s eigentlich, daß die bisher fast rund fünfhunderttausend Pfund abgesahnt haben?«

»Dies könnte durchaus zutreffen, Mr. Pantree.« Parker wollte sich verabschieden und ging bereits zur Tür, als sie plötzlich explosionsartig aufgestoßen wurde.

Ein junger Mann, der einen recht angeschlagenen Eindruck machte, stürzte ins Hinterzimmer, maß den Butler mit kurzem Blick und ließ sich dann in einen Sessel fallen. Parker, der das Gesicht dieses Besuchers musterte, registrierte, daß es geschwollen war.

»Mann«, stöhnte der Besucher, »sowas hab’ ich noch nie erlebt. Ich könnt’ gerade noch abhauen, aber die beiden anderen sind fertig, restlos fertig!«

»Was ist passiert?« fragte Pantree, der unangenehm überrascht zu sein schien und dem Butler einen fragend-prüfenden Blick zuschickte.

»Die Samurai«, lautete die Antwort, »sie waren plötzlich überall und haben uns restlos fertiggemacht.«

*

»Könnten Sie sich freundlicherweise näher zu dem äußern, was Sie gerade anzudeuten beliebten?« fragte Josuah Parker den jungen Mann, der stöhnend an seinem Körper tastete und dabei immer wieder das Gesicht verzog.

»Wer is’ denn das? Einer mit ’ner neuen Masche?« fragte der junge Mann.

»Halt’ die Klappe, das ist Mr. Parker.« Pantree sah Parker entschuldigend an.

»Wir haben uns in ’ner Kendoschule umgesehen«, sagte der junge Mann jetzt, »wir wollten dem Boß des Ladens mal auf die Finger klopfen. Mann, war das ein Reinfall.«

»Darf man davon ausgehen, daß Ihre Absichten nicht freundlich auf genommen wurden?« stellte Parker seine nächste Frage.

»Wir waren zu dritt«, berichtete der junge Mann weiter, »und wir sin’ bestimmt nicht schlecht, das weißt du, Pantree, sonst hättest du uns ja nicht hingeschickt, oder?«

»Er ... Äh ... Er hat das mißverstanden, Mr. Parker, ich meine, das mit dem Hinschicken«, behauptete Ernest Pantree hastig, »ich selbst bin an der Kendo-Queen überhaupt nicht interessiert, wirklich nicht!«

»Es ist nicht meine Aufgabe, Sie zu kritisieren, Mr. Pantree«, erwiderte Josuah Parker, »doch lassen wir den jungen Mann weiterreden. Sie wurden also auf eine Art abgefertigt, mit der Sie keineswegs gerechnet hatten?«

»Erzähl’ doch«, schaltete Pantree sich ein.

»Kann ich?« Der junge Mann warf einen fragenden Blick auf den Butler.

Butler Parker 152 – Kriminalroman

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