Читать книгу Butler Parker 130 – Kriminalroman - Gunter Donges - Страница 3
ОглавлениеPete Clepton war ein kleiner Einbrecher, was sein Format und auch seine Statur anbetraf. Er arbeitete auf eigene Rechnung, ging jedem unnötigen Risiko aus dem Weg und lebte in bescheidenen Verhältnissen. Mit Safes und Tresoren wußte er nichts anzufangen. Er hatte sich auf das spezialisiert, was offen in Wohnungen herumlag. Er knackte Türschlösser und Fenstersicherungen, zu mehr reichte es bei ihm nicht.
In der Nacht von Samstag auf Sonntag war Pete Clepton wieder mal unterwegs. Es ging auf Mitternacht zu, doch so etwas wie eine Geisterstunde fürchtete er nicht. Er wußte nur, daß die Bewohner des Hauses, das er besuchen wollte, mit Sicherheit im Theater waren. Das hatte er geduldig ausbaldowert, denn unnötige Risiken scheute Pete. Er war immerhin ein Mann in gesetzten Jahren, der schon seit geraumer Zeit mit einer gewissen Eisie Avon zusammenlebte.
Pete stand seit zehn Minuten in dem kleinen Garten hinter dem Haus, dem er seinen Besuch abstatten wollte. Als vorsichtiger Mensch prüfte er immer wieder die Lage.
Er hatte Zeit in dieser Nacht, auf seinem Programm standen nur noch zwei weitere Einbrüche.
Nachdem Pete sicher war, daß das Einzelhaus auch wirklich verlassen war, traute er sich hinter dem schützenden Strauch hervor, huschte zur Hintertür und setzte sein Werkzeug an. Er brauchte nur wenige Minuten, bis er die Tür öffnen konnte. Sorgfältig schloß er sie hinter sich, wartete in der Küche, in der er sich befand, noch mal ab und stahl sich dann weiter ins Haus.
Im Eßraum des Erdgeschosses besichtigte er das Silber auf der Anrichte und in deren Schubladen. Clepton war rundherum zufrieden. Die Bewohner des Hauses hatten ihr Geld gut angelegt. Dieses Silber ließ sich bei einem Hehler leicht absetzen.
Ordnungsliebend, wie Pete Clepton war, stellte er Leuchter, Schalen und Service zusammen, um dann das Besteck daneben aufzuhäufen. Anschließend stieg er über die Treppe ins Obergeschoß und schaute sich in den Schlafräumen um. Mit kostbarem Schmuck rechnete er erst gar nicht. Erfahrungsgemäß befand er sich in einem Safe. Nein, ihm ging es um Dinge, die man nicht wegschloß: Radiowecker waren interessant, dann Toilette-Garnituren und um all die kleinen Dinge, die man mit Sicherheit in Wäscheschränken und Nachttischen fand. Pete Clepton kannte sich da recht gut aus.
Seine Rechnung ging auch hier auf. Er fand genau das, woran er gedacht hatte. Als er seine Beute zusammenstellte, richtete er sich plötzlich auf und erstarrte. Er hatte unten im Haus ein Geräusch gehört...
Clepton war alarmiert. Auf Zehenspitzen ging er zurück ins Treppenhaus und schaute vorsichtig hinab. Zu seiner Überraschung entdeckte er unten in der Wohnhalle zwei Männer, die augenscheinlich auch nicht gerade offiziell ins Haus gekommen waren. Sie verzichteten nämlich darauf, das Licht einzuschalten. Sie benutzten abgedunkelte Taschenlampen und verschwanden gerade in einem Raum, der als Büro eingerichtet war, wie Clepton inzwischen wußte.
Er lächelte jetzt unwillkürlich und beruhigte sich sofort wieder. Dieser Zufall war fast schon so etwas wie ein Witz. Da hatten sich Konkurrenten ins Haus gestohlen und wollten ebenfalls kassieren. So etwas war Pete Clepton noch nie passiert...
Natürlich hütete er sich, nach unten zu gehen. Komplikationen ging man besser aus dem Weg. Er wußte ja schließlich nicht, wie diese beiden Konkurrenten reagieren würden. Clepton schaute sich nach einem geeigneten Versteck um und entschied sich für die Treppe, die auf den Speicher führte.
Geräuschlos stieg er nach oben, verschwand auf dem Speicher und ließ die Tür angelehnt. Er wollte mit den »Berufskollegen« in Sichtkontakt bleiben.
Erstaunlicherweise kamen sie nicht herauf ins Obergeschoß. Sie blieben für etwa sechs bis acht Minuten im Arbeitszimmer des Hausherrn und erschienen dann wieder im Treppenhaus. Wenig später stahlen sie sich durch die Haupttür aus dem Haus.
Pete Clepton verstand die Welt nicht mehr. Was waren das für eigenartige Kollegen! Hatten diese Leute denn keine Berufserfahrung? Wie konnten sie nur darauf verzichten, auch die oberen Räume nach Beute zu durchsuchen! Cleptons Neugierde war geweckt worden. Er lief hinunter ins Obergeschoß in eines der vorderen Zimmer und sah auf die Straße.
Er bekam gerade noch mit, wie ein unscheinbarer Morris sich in Bewegung setzte. Automatisch merkte Clepton sich das Kennzeichen, als der Morris in den Lichtkreis einer Straßenlaterne kam. Clepton stieg ins Erdgeschoß und wunderte sich erneut. Seine Kollegen hatten sogar die von ihm bereits zusammengetragenen Stücke unberührt gelassen, ja, sie schienen überhaupt nicht im Wohnraum gewesen zu sein.
Clepton fragte sich also nicht zu Unrecht, ob diese beiden Männer tatsächlich »Berufskollegen« gewesen waren.
*
Cora Lanessi hatte Migräne.
Entgegen ihrer Absicht war sie nur knapp anderthalb Stunden auf der Party geblieben. Als sie vor dem Apartmenthaus aus ihrem Ford stieg, hatte sie nur einen Wunsch, sich möglichst schnell ins Bett zu legen. Der Kopf drohte zu zerspringen. Ihr war übel, und sie hatte schon während der Heimfahrt mit einem leichten Brechreiz gekämpft.
Natürlich ärgerte sie sich, daß sie so schnell gehen mußte. Die Party war für sie sehr wichtig gewesen, vor allen Dingen Männer, auf die sie sich spezialisiert hatte.
Cora Lanessi hieß mit bürgerlichem Namen schlicht und einfach Rose Bloom, aber den hatte sie fast schon vergessen. Sie war im weitesten Sinne des Wortes in der Showbranche tätig, hatte sogar zwei winzig kleine Filmrollen gehabt und betätigte sich hauptberuflich als Callgirl. Sie ließ sich einladen und lud ein, betreute diskret und auch gekonnt erlebnishungrige Männer und kassierte dafür Geld- und Sachwerte.
Cora Lanessi sah gut aus, war etwas über mittelgroß, platinblond und schlank wie eine Gerte. Dennoch besaß sie all das, was erlebnishungrige Männer schätzten. Cora gehörte zur Snobiety und war gerngesehener Gast auf leicht anrüchigen Partys. Gerade von dieser Nacht hatte sie sich sehr viel versprochen, aber da war eben diese verflixte Migräne dazwischengekommen...
Sie fuhr mit dem Aufzug in die sechste und letzte Etage des Apartmenthauses, stakste auf ihren hochhackigen Schuhen zur Wohnungstür und sperrte auf.
Als sie im Wohnraum war, merkte sie, daß etwas nicht stimmte. Sie blieb stehen, schaltete hastig das Licht ein und sah sich um. Verändert hatte sich nichts. Dennoch traute sie sich nicht ins angrenzende Schlafzimmer. Sie spürte instinktiv, daß ihr von dort Gefahr drohte.
Entschlossen griff sie nach dem Türknauf, öffnete und lief durch den Korridor zurück zum Fahrstuhl und stöhnte. Der Lift war inzwischen von einem anderen Hausbewohner heruntergeholt worden und befand sich laut Lichtanzeige im dritten Stock. Cora Lanessi drehte sich um, beobachtete die Zimmertür und rannte dann zur nahen Feuertreppe. Die junge Frau kam gar nicht auf die Idee, laut um Hilfe zu rufen, und handelte ganz automatisch.
Sie rannte über die Feuertreppe nach unten, blieb erst im nächsten Stockwerk stehen und lauschte nach oben. Dann spürte sie plötzlich einen .scharfen Luftzug, der durch das schmale Treppenhaus blies. Oben im sechsten Stock mußte die Tür gerade geöffnet worden sein. Cora beugte sich über das eiserne Treppengeländer und hatte den Eindruck, daß sich dort oben etwas bewegte. Erkennen konnte sie jedoch nichts, dazu reichte die eingeschaltete Notbeleuchtung nicht aus.
Sie rannte weiter nach unten, wollte zum Hausbesorger und ihn alarmieren. Der Mann war ihr verpflichtet. Sie steckte ihm hin und wieder eine Pfundnote zu, wenn er kleine Besorgungen für sie erledigte.
Atemlos erreichte Cora Lanessi das Erdgeschoß, drückte die Tür zur Eingangshalle auf und vergewisserte sich, daß dort kein Mensch stand. Dann faßte sie ihren ganzen Mut zusammen und verließ die Tür. Sie eilte auf die Treppe zu, die hinunter ins Souterrain führte, wo die Wohnung des Hausbesorgers lag.
In diesem Moment kam der Aufzug unten in der Halle an. Zwei Männer stiegen aus, die einen völlig unverdächtigen Eindruck machten. Sie trugen Smokings, lachten miteinander und schlenderten wie selbstverständlich auf den Eingang zu. Sie konnten unmöglich oben in ihrer Wohnung gewesen sein. Dennoch blieb Cora Lanessi auf der Halbtreppe stehen und wartete, bis sie draußen in der Dunkelheit verschwunden waren.
Der Hausbesorger, ein älterer, stämmiger Mann, sah Cora Lanessi erstaunt an. Er war durch ihr stürmisches Klingeln aus dem Schlaf geweckt worden. Hastig teilte sie ihm mit, daß oben in ihrer Wohnung etwas nicht stimmte, daß wahrscheinlich Einbrecher dort seien.
»Bitte, kommen Sie mit«, sagte sie. »Allein habe ich einfach zu große Angst.«
»Das werden wir gleich haben.« Der Mann lächelte beruhigend und nickte dankbar, als Cora ihm eine Pfundnote in die Hand drückte. Er verschwand für einen Moment in der Diele seiner kleinen Wohnung und kam mit einem Baseballschläger zurück.
»Nichts«, erklärte er wenige Minuten später, als er ihre Wohnung abgesucht hatte. »Aber auch rein gar nichts, Miß Lanessi. Alles in bester Ordnung! Vermissen Sie denn was?«
»Ich ... Ich muß erst nachsehen.« Die junge Frau war beruhigt und wollte allein sein. Sie brachte ihn zur Tür, riegelte und schloß hinter ihm ab. Dann ließ sie sich erschöpft in einen Sessel fallen und massierte ihre hämmernden Schläfen.
Und plötzlich wußte sie, was sie hatte mißtrauisch werden lassen: Es war der Zigarettenrauch gewesen, den sie beim Betreten der Wohnung wahrgenommen hatte. Jawohl, sie erinnerte sich deutlich. Es hatte nach frischem und noch warmem Zigarettenrauch gerochen.
*
Josuah Parker hatte sich zu Bett begeben.
Er befand sich in seinen privaten Räumen, die im Souterrain von Lady Simpsons Stadthaus in Shepherd’s Market lagen. Obwohl es inzwischen auf ein Uhr zuging, war er nicht sonderlich müde. Er hatte sich eine interessante Lektüre mitgenommen, in der er blätterte. In diesem Magazin für fortgeschrittene Bastler und Heimwerker gab es einen Sonderteil, in dem technische Neuerungen vorgestellt wurden. Einen Josuah Parker mußte das interessieren, denn er war ein Erfinder, der auf seine Leistungen stolz sein konnte.
Natürlich bot er diese Dinge nicht an, sondern entwickelte sie nur für den ausschließlich privaten Bedarf. Als ein Mann, der sich in einer permanenten Auseinandersetzung mit der Unterwelt befand, brauchte er immer wieder neue technische Gags, um sich seiner Haut zu wehren. Darüber hinaus galt es, eine gewisse Lady Agatha Simpson zu beschützen, die sich als Amateurdetektivin betätigte und von einem Abenteuer ins nächste stolperte.
Parkers Interesse am Sonderteil des Magazins erlosch schon nach kurzem Durchblättern. Neuigkeiten waren nicht zu erfahren. Er legte das Heft aus der Hand, schaltete das Licht aus und wollte gerade die Augen schließen, als ein feiner Summton ertönte.
Parker schaute hinüber auf die große Schalttafel neben seinem Bett. Eine kleine rote Glühbirne flackerte und schuf so etwas wie Alarmstimmung. Butler Parker geriet aber nun keineswegs in Aufregung. Gemessen stieg er aus dem Bett, warf sich seinen Morgenrock über und studierte die optische Anzeige. Das Quadrat, in dem die kleine Lampe flackerte, zeigte ihm an, daß sich im Haus ungebetene Gäste befanden. Genauer gesagt, standen sie im kleinen Vorflur hinter der Eingangstür und kamen nicht weiter.
Dieser Vorflur war eine raffiniert getarnte Falle.
Das Türschloß präsentierte sich Gaunern und Gangstern in mehr als schlichter Einfalt. Jeder noch so geübte Anfänger konnte es mit einem Sperrhaken leicht öffnen. Das aber war nichts als reine Absicht. Die Herren Eindringlinge wurden so eingeladen, erst mal freundlichst näher zu treten. Standen sie jedoch im Vorflur, dann gab es kein Vor und kein Zurück mehr.
Die Eingangstür klappte mit Sicherheit zu und erwies sich auf der Innenseite als eine Art Tresortür, die kaum mit Sprengmitteln aus ihren Angeln zu heben war. Und die nächste Tür, die vom Vorflur ins eigentliche Haus führte, war nicht weniger solide.
Butler Parker hatte jetzt zwei Möglichkeiten, um Eindringlinge außer Gefecht zu setzen. Er konnte sie durch eine Falltür hinunter in einen Tiefkeller befördern. Oder aber er konnte eine Art Lachgas in den Vorflur einströmen lassen und den Einbrechern einen kurzen Tiefschlaf bescheren. Dies alles ließ sich von seinem Wohnteil aus ferngesteuert erledigen.
Parker entschied sich für die zweite Möglichkeit.
Seines Wissens nach lag zur Zeit keine akute Auseinandersetzung mit Gangstern vor, was Lady Agatha übrigens sehr bedauerte. Seit gut drei Tagen hatte sich nichts mehr ereignet, was sie hätte elektrisieren können. Vielleicht handelte es sich da im Vorflur wirklich nur um gewöhnliche Einbrecher, die keine Ahnung davon hatten, wie gefährlich dieses altehrwürdige Fachwerkhaus der Lady Simpson war.
Butler Parker löste die Lachgasdusche aus, band sich mit gemessenen Bewegungen den Gürtel des Morgenmantels zu, stieg in die schwarzen Lederpantoffeln und schritt dann hinauf ins Haus.
In der Empfangshalle angekommen, öffnete der Butler einen kleinen Wandschrank und schaltete die hauseigene Fernsehanlage ein. Wenig später sah er die beiden Männer, die malerisch und schlafend auf dem Boden des Vorflurs lagen.
Zu Parkers Überraschung machten sie einen durchaus gepflegten Eindruck, denn sie trugen Smokings, Lackschuhe und Rüschenhemden. Einbrecher normaler Machart, so sagte Parker sich, pflegten in solch einer Kleidung nicht zu arbeiten.
Er fragte sich gerade, ob er Mylady wecken sollte, als er oben von der Treppe her grollendes Räuspern hörte. Dann marschierte eine stattlich aussehende Dame von gut und gern sechzig Jahren die Treppe herunter. Sie trug über ihrem fußlangen Nachtkleid ebenfalls einen Morgenmantel.
»Wen haben wir denn da eingefangen?« fragte sie hoffnungsfroh. »Wer sind diese Flegel, Mister Parker? Hoffentlich richtige Gangster! Es wird nämlich Zeit, daß mal wieder was passiert!«
*
»Die Herren führen keinerlei Papiere mit sich, aus denen Name oder Beruf hervorgeht«, berichtete Parker seiner Herrin, die es sich in ihrem Wohnraum gemütlich gemacht hatte.
»Das klingt gut«, stellte die passionierte Detektivin fest.
»Die beiden Herren trugen nur je eine Wanze mit sich«, redete der Butler weiter.
»Eine Wanze, Mister Parker?« Lady Agatha schien entrüstet.
»Eine Wanze elektronischer Bauart, Mylady«, stellte Josuah Parker klar. »Es handelt sich um die neuesten Modelle, die auf dem einschlägigen Markt angeboten werden. Wenn Mylady sich vielleicht überzeugen wollen, wie qualitätvoll diese Kleinstsender gearbeitet sind.«
»Verschonen Sie mich, Mister Parker! Davon verstehe ich nichts. Erklären Sie mir das!«
»Dank einer möglichen Miniaturisierung, Mylady, können solche Wanzen sehr klein gehalten werden. Diese Ausführungen hier verfügen über eine Mini-Batterie, die erst dann Energie liefert, wenn gesendet wird.«
Während Parker noch sprach, präsentierte er auf seiner Handfläche die beiden Mini-Abhörsender. Sie waren nicht größer und dicker als ein normaler Kleiderknopf und konnten mittels Klebefolie oder Magnet ganz nach Belieben befestigt werden.
»Wann senden denn diese schrecklichen Geräte?« erkundigte die ältere Dame sich.
»Man kann sie durch einen Fernimpuls zur Sendung veranlassen«, berichtete Parker weiter. Er befand sich in seinem Element. »Ein- und Ausschaltung erfolgt durch ein Funksignal.«
»Widerlich.« Agatha Simpson schüttelte sich. »Und welche Reichweite haben diese mechanischen Insekten, Mister Parker?«
»Bei dieser Ausführung, Mylady, sollte man davon ausgehen, daß man sie in einem Umkreis von drei bis vier Kilometern empfangen kann. Es hängt natürlich davon ab, wo man sie installiert und welchen Weg die Signale zu überwinden haben. Hochhäuser etwa könnten sich als sehr störend erweisen.«
»Und so etwas wollte man bei uns doch wohl einschmuggeln, wie?«
»Davon, Mylady, sollte man ausgehen.«
»Man wollte mich also belauschen.« Agatha Simpson schüttelte sich förmlich. »Ich brauche direkt einen Kreislaufbeschleuniger, Mister Parker. Mir wird schlecht.«
Parker versorgte seine Herrin umgehend mit einem alten französischen Kognak und goß reichlich ein. Lady Simpson genoß ihre Medizin und fühlte sich danach prompt wohler.
»Haben Sie eine Ahnung, wer uns diese Sender im Haus setzen wollte?«
»Zu meinem tiefsten Bedauern, Mylady, muß ich verneinen.«
»Sind diese beiden Subjekte schon wieder zu sich gekommen?«
»Gewiß, Mylady. Ich war so frei, in einem der Keller vorläufiges Quartier anzubieten.«
»Ich werde diese Subjekte verhören.«
Lady Agatha erhob sich aus ihrem bequemen Sessel.
»Darf ich mich erkühnen, Mylady einen Vorschlag zu machen?«
»Das klingt nicht gut, Mister Parker.« Sie schaute ihren Butler sofort mißtrauisch an.
»Aussagen werden Myladys Gäste sicher nicht«, schickte Parker voraus. »Man sollte ihnen das schenken, was man gemeinhin die Freiheit nennt.«
»Typisch. Genauso etwas habe ich erwartet. Sie mit Ihrer Gefühlsduselei!«
»Man sollte davon ausgehen, Mylady, daß die beiden Herren nach ihrer Freilassung unverzüglich ihr Quartier aufsuchen«, erklärte Butler Parker. »Möglicherweise werden sie auch Kontakt mit ihrem Auftraggeber aufnehmen. In beiden Fällen könnte man Myladys Zwangsgäste diskret verfolgen.«
»Das klingt schon wieder bedeutend besser, Mister Parker.« Agatha Simpson nickte wohlwollend. »Treffen Sie alle Vorbereitungen! Ich werde mich an dieser Verfolgung natürlich beteiligen. Ihnen allein kann man so etwas ja nicht überlassen.«
»Wie Mylady meinen.« Parker verzog keine Miene. Er wußte längst aus Erfahrung, wie sehr seine Herrin sich überschätzte.
*
»Mensch, das hat ja gerade noch mal geklappt«, freute sich Herb Findon.
»Mit dem Kohlenschacht haben sie bestimmt nicht gerechnet«, fügte Al Swanley hinzu. »Jetzt aber nichts wie weg.«
Die beiden Smokingträger hasteten an den Fachwerkhäusern des kleinen Platzes entlang und erreichten die Hauptstraße. Sie durchquerten einen nahen kleinen Park und stiegen dann in ihren Morris.
Herb Findon setzte sich ans Steuer, Al Swanley zündete zwei Zigaretten an und reichte dann eine seinem Partner. Er, der etwas stämmigere der beiden Wanzen-Installateure, entspannte sich.
»Worauf wartest du noch?« fragte er seinen Partner Herb Findon. »Für heute machen wir Schluß. Zurück in den Bau!«
»Aber wir haben noch zwei Aufträge«, erwiderte Herb Findon.
»Unsere Smokings sind versaut. So können wir uns nicht mehr sehen lassen, Junge. Wir würden sofort auffallen. Nein, Schluß jetzt! Ich regele das schon mit dem Chef.«
»Du bist der Boß.« Herb Findon zuckte die Achseln. »Aber hoffentlich gibt’s keinen Ärger.«
»Den hätten wir beinahe gehabt. Moment mal, haben wir die beiden Wanzen noch?«
Al Swanley fingerte in der rechten Außentasche seines Jacketts herum und stieß einen erleichterten Seufzer aus. Dann sah er seinen Partner Findon an, der ebenfalls nachsuchte und dann beruhigend nickte.
»Wer vermutet auch schon was hinter solch ’nem Knopf?« fragte Findon und lachte leise auf. »Aber verdammt, Al, wohin sind wir da eben nur geraten?«
»Denke ich auch gerade drüber nach«, räumte Swanley ein. »Das war ’ne raffinierte Falle.«
»Und wir sind immerhin mit irgendeinem Gas betäubt worden.« Herb Findon schüttelte ratlos den Kopf. »In ’nem normalen Haus gibt’s so was eigentlich nicht.«
»Eben!« Al Swanley war der Ansicht seines Partners. »Das war schon ganz schön profihaft. Sag mal, hat die Adresse auch wirklich gestimmt?«
»Natürlich, Shepherd’s Market. Habe ich mir genau eingeprägt.«
»Und der Name?«
»Lady Agatha Simpson. Der Name stand auf dem Messingschild an der Tür.«
»Auf was hat der Chef uns da nur gehetzt?« Al Swanley wunderte sich. »Na, ich werde ihn mal fragen, wenn ich ihn gleich anrufe.«
Die beiden Smokingträger Findon und Swanley waren der festen Überzeugung, sich aus eigener Kraft befreit zu haben. Sie kamen gar nicht auf den Gedanken, daß ein Mister Parker ihnen den Fluchtweg freundlichst angeboten hatte.
Parker hatte es den beiden Männern natürlich nicht zu leicht gemacht, um ihr Mißtrauen nicht zu erregen. Sie hatten sich schon ziemlich abstrampeln müssen, bis sie den Weg durch den engen Kohleeinfüllschacht für den Keller freigelegt hatten.
Findon und Swanley hatten die City von London erreicht und näherten sich Soho, wo sich ihr Quartier befand. Sie wohnten hier in einem angemieteten Apartmenthaus und gaben sich als Bühnenagenten aus. Sie besaßen erstklassige amerikanische Pässe und stammten auch wirklich aus den Staaten. Sie waren erst vor knapp einer Woche in London eingetroffen.
In ihrer Überheblichkeit übersahen sie die Möglichkeit, daß man sie eventuell verfolgt haben könnte. London, das war für sie so etwas wie Provinz. Sie, die Spezialisten aus den Staaten, konnten über ihre Branchenkollegen hier in England nur milde lächeln. Diese Leute hatten doch kein Format und zeigten sich als wahre Hinterwäldler, die so etwas wie Entwicklungshilfe brauchten.
Findon und Swanley ließen ihren Morris sehr ungeniert vor dem Haus stehen, in dem ihr Apartment sich befand.
Sie achteten überhaupt nicht auf die ein wenig grell wirkende junge Dame, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus einem Mini-Cooper stieg und dann in einer Nachtbar verschwand.
Als Herb Findon und Al Swanley im Haus waren, erschien die junge Dame wieder auf der Straße, setzte sich zurück in den Mini und hatte wenig später ein kleines Funksprechgerät in der Hand.
*
»Verdammt, was ist denn das?«
Al Swanley starrte auf den Knopf, den er aus der Tasche seines Smoking-Jacketts geholt hatte.
»Das ist ja nur ein Knopf«, stellte Swanley entgeistert fest. »Nur ein ganz normaler Knopf, Herb.«
»Moment mal.« Herb Findon bemühte auch seine getarnte Wanze. Und nach einigen Sekunden erkannte auch er, daß man ihm eine Imitation in die Tasche geschoben hatte. Er sah seinen Partner Swanley kopfschüttelnd an.
»Ausgetauscht«, meinte er dann. »Das gefällt mir aber gar nicht.«
»Ich werd’ sofort den Chef anrufen.« Swanley ging zum Telefon hinüber und sah seinen Partner überrascht an, der ihn überholte und den Kopf schüttelte.
»Mußt du anrufen, Al?« fragte Findon.
»Wieso nicht?«
»Für uns is’ das ’ne satte Blamage«, meinte Herb Findon.
»Da is’ was dran.«
»Möglich, daß der Chef uns sofort feuert.«
»Könnte stimmen.« Swanley nagte an seiner Unterlippe. »Und was sollen wir jetzt machen?«
»Wir müssen uns noch mal mit dieser Lady Simpson befassen. Die scheint’s dick hinter den Ohren zu haben.«
»Wir erledigen das intern?« fragte Swanley.
»Schlage ich vor, Al.« Herb Findon nickte. »Bist du sicher, ob wir nicht vielleicht beschattet worden sind?«
Diese Vorstellung gefiel den beiden Vollprofis aus den Staaten überhaupt nicht. Es schmerzte sie, so hereingelegt worden zu sein. Sie liefen fast gleichzeitig hinüber an eines der Fenster und schauten nach unten auf die Straße.
Dort entdeckten sie ein völlig normal aussehendes Taxi, das vor einem Nachtlokal hielt. Ferner einen Mini-Cooper, der sich gerade in Bewegung setzte. Außerdem bemerkten sie einige völlig harmlos aussehende Zivilwagen, die langsam durch die enge Straße fuhren. Echt verdächtige Bewegungen waren nicht zu registrieren.
»Nichts«, sagte Swanley erleichtert.
»Warum brausen wir nicht sofort zurück zu der Lady?« tippte Herb Findon an.
»Eben.« Swanley war einverstanden. »Wir holen uns die Wanzen zurück und verpassen der Dame ’nen saftigen Denkzettel.«
Die beiden Spezialisten aus den Staaten setzten ihr Vorhaben sofort in die Tat um. Jetzt wollten sie es genau wissen! Es ging um ihr Selbstgefühl, zum anderen aber um die saftigen Zahlungen, die sie auch in Zukunft einstecken wollten. Ihr zukünftiger Job bestand schließlich nicht darin, Wanzen zu installieren. Das war nur eine Vorarbeit. Ihr eigentlicher Job sollte in den kommenden Wochen beginnen.
Findon und Swanley stiegen in ihren Morris und fuhren zurück nach Shepherd’s Market, wo sich das altehrwürdige Fachwerkhaus der Lady Agatha Simpson befand. Für die beiden stand fest, daß man sie nicht noch mal hereinlegte. Sie ahnten immerhin, daß sie es mit einer Dame zu tun hatten, die recht listenreich sein mußte.
Herb Findon und Al Swanley kamen übrigens nicht weit.
Ihr Morris befand sich noch in Soho, als der Motor schon hustete und bald danach stotterte. Herb Findon, der am Steuer saß, fluchte ungeniert und konnte sich diese Panne nicht erklären. Er mußte den Morris auslaufen lassen und hielt dann am Straßenrand.
»Komisch«, bemerkte er. »Eben hat er’s noch getan.«
»Schnappen wir uns ein Taxi«, schlug Al Swanley vor. »Die Kiste hier lassen wir morgen abschleppen.«
Die beiden Spezialisten stiegen aus und hielten Ausschau nach einem Taxi. Erfreulicherweise brauchten sie nicht lange zu warten. Aus einer Seitenstraße kam ein schwarzer, hochbeiniger Wagen, dessen Fahrer ihr Handzeichen erst mal gründlich übersah. Dann aber – mit erheblicher Spätzündung – hielt das Taxi jäh an und setzte zurück.
Der Fahrer, ein älterer, mürrisch aussehender Mann – mit geflickter Nikkelbrille, sah die beiden Unglücksraben fragend an.
»Shepherd’s Market«, sagte Swanley. »Unser Wagen ist ausgefallen.«
»Ich hab’ eigentlich schon Feierabend«, meinte der mürrische Driver.
»Sie bekommen ’n Extratrinkgeld«, schmeichelte Herb Findon.
»Los, steigen Sie ein«, forderte der Taxifahrer sie auf. Herb Findon und Al Swanley hüpften elastisch in den Wagen und nickten sich zu. Das hatte noch mal geklappt. Sie brauchten ihre Absicht, Lady Simpson einen zweiten Besuch abzustatten, nicht zu verschieben.
Übrigens bekamen sie überhaupt nicht mit, daß eine Art Lachgas in den Fahrgastraum strömte. Dieses Lachgas war geruchlos und ungemein wirkungsvoll. Es breitete sich in dem geschlossenen Raum sehr schnell aus und konnte wegen der Trennscheibe zum Fahrer hin weiter kein Unheil anrichten.
Das Taxi hatte die nächste Querstraße noch nicht ganz erreicht, da befanden die beiden Superspezialisten aus den Staaten sich bereits im Tiefschlaf. Wie satte Säuglinge hingen sie in den Polstern und schnarchten um die Wette.
*
Die ein wenig zu grell hergerichtete und geschminkte Blondine befand sich im Apartment der beiden Spezialisten und nahm so etwas wie eine gründliche Haussuchung vor.
Sie interessierte sich für das wenige Gepäck der beiden Wanzen-Installateure, für einige Briefe und Papiere, die aber völlig unverdächtig waren, und vermißte eigentlich einige handliche Schußwaffen.
Die junge Dame schien sich in den Gepflogenheiten gewisser Spezialisten gut auszukennen. Sie vergeudete keine Zeit damit, jeden noch so versteckten Winkel abzusuchen. Sie verließ das Apartment und schloß die Tür hinter sich. Im Korridor, der hinüber ins Treppenhaus führte, blieb sie abwartend stehen und schien Witterung aufzunehmen.
Ihr Blick strich über die wenigen Bilder an den Wänden, deren Rahmen fest an die Wand geschraubt waren. Die Blondine ging an diesen Bildern entlang und prüfte die Schraubköpfe. Sie untersuchte sie auf frische Kratzspuren, konnte aber nichts entdecken. Anschließend widmete sie sich der verglasten Wandnische, in der sich ein kleiner Hydrant befand. Ein Feuerwehrschlauch, der dort angeschraubt war, lag fest um eine Art Trommel.
Die Blondine kapitulierte keineswegs, als sie den Vierkantverschluß der Glasscheibe sah. Aus ihrer kleinen Handtasche holte sie einen passenden Schlüssel, mit dem sie die Glastür ohne weiteres öffnen konnte. Ihre Hand tastete hinter den Anschlußstutzen, ihre Finger berührten prompt einen flachen Schlüssel, der mit Klebestreifen daran befestigt war. Die Blondine nahm diesen flachen Schlüssel an sich, verschloß die viereckige Nische und fuhr mit dem Fahrstuhl nach unten.
»Nun, Kindchen?« fragte Agatha Simpson neugierig, als die Blondine zu ihr in den Mini-Cooper stieg.
»Ich habe ihn im Hydrantenkasten gefunden.« Kathy Porter zeigte Lady Agatha den Schlüssel. »Er dürfte auf ein Schließfach passen, Mylady.«
»Sehr raffiniert.« Agatha Simpson nickte anerkennend. »Diese beiden Lümmel sind recht vorsichtig.«
»Man hätte ihnen niemals etwas beweisen können«, erwiderte die blonde Kathy Porter. Sie war die Gesellschafterin und Sekretärin der Lady und arbeitete bei der Aufklärung von Kriminalfällen begeistert mit. Als gelehrige Schülerin Butler Parkers liebte sie die Maskerade. Innerhalb weniger Sekunden konnte sie sich in einen völlig neuen Typ verwandeln und ihn auch glaubwürdig darstellen.
»Den Schlüssel hätten wir also«, sagte die ältere Dame. »Und wo ist das Schließfach?«
»Der Name des Bahnhofs ist leider weggefeilt worden, Mylady, aber das macht wohl nichts.«
»Natürlich nicht.« Agatha Simpson hatte keine Ahnung, worauf ihre Gesellschafterin hinaus wollte.
»Die beiden Männer heißen Herb Findon und Al Swanley«, sagte Kathy. »Sie kommen aus den Staaten und sind angeblich Bühnenagenten. Das wenigstens geht aus ihren Briefen hervor.
»Zur Sache, Kindchen«, drängte die passionierte Detektivin ungeduldig. »Was hat das mit dem Schließfach zu tun?«
»Als Ortsfremde werden sie entweder Waterloo-Station oder Victoria-Station gewählt haben.«
»Das dürfte ja auf der Hand liegen«, behauptete die ältere Dame prompt. »Für mich war das überhaupt keine Frage, Kindchen. Und wo fangen wir an?«
»Vielleicht mit dem Waterloo-Bahnhof, Mylady? Der ist von Soho aus schneller zu erreichen.«
»Genau das wollte ich gerade vorschlagen.« Lady Simpson nickte wohlwollend. »Sie machen sich, Kindchen! Langsam lernen Sie, wie man folgerichtig denkt. Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen, Kathy...«
*
Herb Findon hörte ein schallendes, aber auch gedämpftes Gelächter, glaubte zu träumen und merkte Sekunden später, daß dies nicht der Fall war. Er schlug vorsichtig die Augen auf und befand sich in einem Doppelbett wieder, in dem er nicht schlecht lag.
Wie er in dieses Bett geraten war, vermochte er nicht zu erklären. Noch weniger begriff er, was diese Frau in seinen Armen sollte. Er konnte sich wirklich nicht erinnern, sie zu dieser ausgedehnten Ruhe eingeladen zu haben.
Er hielt sie nachdrücklich umschlungen und spürte die reservierte Kälte, die von ihr ausging.
Vorsichtig löste Findon sich von ihr und ... erstarrte!
Das war keine Frau aus Fleisch und Blut, sondern eine moderne, wohlgestaltete Schaufensterpuppe. Und während er hastig vor ihr zurückwich, brauste das Gelächter deutlich auf. Irgendwo schien man sich köstlich zu amüsieren...
Noch fühlte er sich nicht frei von jener seltsamen Benommenheit, die ihn im Bett festhielt. Er schloß noch mal kurz die Augen und versuchte Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Wie war denn das noch gewesen? Er war zusammen mit Swanley in das Taxi gestiegen, um Lady Simpson einen zweiten Besuch abzustatten. Auf dem Weg dorthin mußte etwas Schwerwiegendes passiert sein.
Wo war Swanley?
Herb Findon schlug die Bettdecke zurück und stand auf.
Worauf das Gelächter wie eine Brandung anschwoll, wie er deutlich hörte. Findon schaute an sich hinunter und ... fuhr zusammen. Er war splitternackt, was ihn völlig irritierte. Dann nahm er den Kopf herum und ... blieb wie versteinert stehen.
Vor dem riesigen Schaufenster draußen auf der Durchgangsstraße standen gut und gern dreißig männliche und weibliche Zuschauer, die ihn interessiert musterten. Findon, der abgebrühte Spezialist aus den Staaten, bekam einen roten Kopf und sauste zurück ins Bett. Hastig zog er die Bettdecke über sich und hielt für einen Moment den Atem an.
Langsam ging ihm ein Licht auf...
Der Taxifahrer!
Dieser mürrische Mann mußte ihm diesen Streich gespielt haben. Wie es dazu aber kommen konnte, blieb ihm schleierhaft. Findon überlegte krampfhaft, wie er sich absetzen konnte. Vermutlich dauerte es nicht lange, bis amtliche Vertreter erschienen, um ihn wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses festzunehmen.
Sollte er die Bettdecke um seinen nackten Körper wickeln? Nein, darin konnte er sich ja kaum bewegen. Er fingerte zu seiner Nachbarin hinüber und ertastete deren kurzes, neckisches Nachthemd. Herb Findon schluckte diese bittere Pille, riß ihr das Shorty vom Kunststoffkörper und richtete sich dann auf. Ein wenig ungelenk streifte er sich das sexy wirkende Gewand über seinen durchtrainierten Körper, holte tief Luft und begann seine Flucht.
Vor dem Schaufenster waren inzwischen zwei Bildreporter eingetroffen, die man alarmiert hatte. Sie ließen sich diese einmalige Gelegenheit nicht entgehen und schossen unter Zuhilfenahme von Blitzlicht serienweise Fotos.
Der Superspezialist wurde von diesen Blitzen geblendet und stolperte über einen Fellteppich des Ausstellungsschlafzimmers. Er warf verzweifelt die Arme hoch und ... landete krachend auf einer Kommode, die unter seinem Gewicht zusammenbrach. Findon stöhnte, rappelte sich hoch und rieb sich, während er auf einem Bein tanzte, das Schienbein. Da er nur das kurze Shorty trug, wirkte sein Solotanz recht albern.
Er raffte sich wieder auf, setzte seine Flucht fort und wollte um jeden Preis heraus aus diesem Schaufenster. Er verwickelte sich prompt in einem Vorhang, der wie ein Netz von der Decke herunterhing, schlug wütend um sich und ließ sich schließlich von zwei Angestellten des Möbelhauses einfangen.
Donnernder Applaus belohnte ihn für seine Galavorstellung, doch Herb Findon reagierte darauf überhaupt nicht. Als seelisch angeschlagener Mann ließ er sich im Netz wegschleppen, wobei er verzweifelt darum bemüht blieb, seine Blöße zu bedecken.
*
Als Swanley träumte, er würde recht derb an der Schulter gerüttelt, knurrte er verärgert und merkte, daß er gar nicht träumte, und öffnete verwirrt die Augen.
Vor ihm stand ein Londoner Bobby mit einem sehr dienstlichen Gesicht. Al Swanley, gegen Uniformen allergisch, zuckte zusammen, schaute um sich und begriff überhaupt nichts mehr. Er saß auf einem Gehsteig, mit dem Rücken gegen eine Hauswand gelehnt. Zwischen seinen sehr leicht gespreizten Beinen lag ein uralter, zerbeulter Hut, in dem die Pennies sich häuften. Um seine Schultern lag eine alte Wolldecke, die penetrant nach Müll roch.
»Gehen Sie weiter, Mann«, sagte der Bobby. »Sie müssen ja nicht unbedingt vor der Admiralität herumsitzen und betteln.«
»Betteln?« Al Swanley, der zweite Superspezialist aus den Staaten, bekam einen roten Kopf und ähnelte darin seinem Partner Findon, den er jedoch vermißte.
»Sie laden nicht gerade zu einer Lotterie ein«, stellte der Bobby fest. »Weitergehen, Mann! Oder wollen Sie mit zur nächsten Polizeistation?«
»Ich ... Ich weiß gar nicht...!« Mehr brachte Al Swanley nicht heraus. Auch er versuchte sich zu erinnern. Wie war er hierhergekommen? Was war denn überhaupt passiert? Wieso bettelte er? War er plötzlich verrückt geworden.
»Also?« Der Bobby wurde ungeduldig.
»Scho ... Schon gut«, murmelte Swanley mit belegter Stimme. Er hatte nur den einen Wunsch, sich so schnell wie möglich zu verdrücken. Er stand auf und begriff nicht, warum der Bobby Augen bekam, die so groß waren wie Untertassen.
»Mann, setzen Sie sich schleunigst wieder«, fuhr der Bobby ihn an. »Los, Sie sollen sich setzen! Wollen Sie einen Aufstand verursachen?«
Als Swanley an sich herunterschaute, ging ihm ein Licht auf. Und er konnte den Bobby plötzlich nur zu gut verstehen. Die Decke war nämlich sein einziges Kleidungsstück, und sie bestand praktisch nur aus mehr oder weniger großen Löchern.
»Ich ... Ich begreife das nicht«, sagte Swanley verschämt. Er ließ sich hastig auf dem Gehweg nieder und schwitzte Blut und Wasser.
»Das werden wir gleich haben«, versprach der Bobby ihm. Er griff nach seinem Funksprechgerät und informierte kurz und knapp seine Station.
»Ich ... Ich begreife das nicht«, versicherte Swanley dem Bobby.
»Ich auch nicht«, antwortete der Londoner Polizist. »Erzählen Sie das später dem Richter, klar?«
»Dem Richter?«
»Selbstverständlich, Mann. Wir in London sind ja schon verflixt großzügig, aber das hier geht wohl doch zu weit!«
Al Swanley wollte mit einem Richter nichts zu tun haben. Für ihn stand fest, daß es nur eine schnelle Flucht gab. Er spannte seine Muskeln und ... warf sich gegen den Bobby. Doch er geriet an den falschen Mann. Der Streifenpolizist schien mit solch einem Fluchtversuch gerechnet zu haben. Er langte kurz mit einem Schlagstock zu, worauf Swanley sofort sehr ruhig sitzen blieb, bis ein Streifenwagen erschien...
»Noch ein Verrückter?« fragte der diensttuende Sergeant verblüfft, als Swanley auf der Station eingeliefert wurde.
»Noch ein Verrückter?« erkundigte der Bobby sich.
»Eben haben wir einen bekommen, der sich splitternackt in ’nem Möbelschaufenster produziert hat«, meinte der Sergeant. »Ich denke, wir packen die beiden Typen zusammen.«
»Nackt in einem Schaufenster?« murmelte Al Swanley, dem ein schrecklicher Verdacht kam.
»Schlafen Sie erst mal Ihren Rausch aus«, empfahl der Sergeant und winkte einen Beamten heran. »Sammelzelle vier, Constable. Wahrscheinlich werden die beiden Burschen sich prächtig verstehen.«
Al Swanley ließ sich willig abführen.
Als man ihn in die Zelle führte, stöhnte er leise auf. Auf einer Pritsche saß sein Partner Herb Findon. Man hatte ihm eine Decke spendiert, doch der Spitzensaum des neckischen Shorty schaute an der Seite deutlich hervor.
»Das überleb’ ich nicht«, sagte Findon, »das überleb’ ich nicht.«
»Den Taxifahrer bringe ich um«, versprach Swanley.
»Ich begreife überhaupt nichts mehr«, murmelte Findon. »Wenigstens halb London war vor dem Schaufenster, Al. Und ich im Shorty! Und Bilder haben sie geschossen! Ich kann mich in den Staaten nie wieder blicken lassen ...«
»Bis auf die Knochen blamiert«, beschwerte sich nun Al Swanley. »Ich als mieser Bettler! Kein Hund nimmt mehr ein Stück Brot von mir. Den Taxifahrer bring’ ich um, Ehrenwort!«
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»Zwei Achtunddreißiger mit Schalldämpfern und eine Maschinenpistole«, berichtete Kathy Porter dem Butler, der zurück in Myladys Haus gekommen war.
»Und die haben Kathy und ich gründlich unbrauchbar gemacht«, sagte Lady Agatha. »Wir haben die Schlagbolzen entfernt und die Waffen zurück ins Schließfach gesteckt. Aber wo waren denn Sie die ganze Zeit über, Mister Parker? Ich mußte meinen Morgentee allein nehmen.«
»Ich war so frei, Mylady, mich in einschlägigen Kreisen nach einer eventuell neu gegründeten Organisation zu erkundigen, die sich auf elektronische Wanzen spezialisiert hat.«
»Hatten Sie Erfolg, Mister Parker?«
»Mit entsprechenden Andeutungen oder gar Hinweisen konnte man meiner bescheidenen Wenigkeit nicht dienen, Mylady.«
»Wieso glauben Sie an eine neue Organisation?« Lady Agatha machte einen sehr interessierten Eindruck.
»Eine eingehende Untersuchung des Morris’ der beiden Herren förderte genau einundzwanzig Mini-Sender zutage, Mylady. Das läßt darauf schließen, daß die beiden Einbrecher diese elektronischen Insekten in einer ausgesprochen großzügigen Art und Weise installieren wollten. Möglicherweise handelte es sich bei diesen einundzwanzig Kleinstgeräten‘ nur um die Spitze des sprichwörtlichen Eisberges.«
»Das habe ich mir gleich gedacht«, behauptete die resolute Dame natürlich prompt. »Diese Subjekte wollen damit die ganze Stadt überschwemmen.«
»Aber wahrscheinlich doch nach einem bestimmten System«, warf Kathy Porter ein.
»Wie? Natürlich, Kindchen, natürlich.« Lady Agatha nickte. »Wieso übrigens?«
»Man sollte, wie Mylady es bereits andeuteten, von einer massierten Lauschaktion ausgehen«, sagte Josuah Parker gemessen, seiner Herrin einen Ball zuspielend.
»Muß man sogar, wie ich’s bereits sagte.« Sie fing den Ball wie selbstverständlich auf.
»Das Abhören aber lohnt sich nur bei Personen, die etwas zu sagen haben, was für die Öffentlichkeit nicht bestimmt ist«, führte der Butler weiter aus. »Verfügt man einmal über dieses Wissen, könnte man Erpressungen großen Stils vornehmen.«
»Und das werden wir verhindern«, versprach Agatha Simpson grimmig. »Aber wie bekommen wir heraus, wem man solch eine Wanze bereits in die Wohnung gesetzt hat?«
»Mylady treffen damit den Kern des Problems.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Wer hat diese Aktion veranlaßt, wer steuert sie und wer erpreßt möglicherweise bereits, das sind Fragen, die einer Antwort bedürfen!«
»Ich hoffe, Sie lassen sich da etwas einfallen, Mister Parker. Ich kann ja nicht alles allein tun«, grollte die ältere Dame. »Könnte man nicht die Öffentlichkeit warnen?«
»Das, Mylady, würde nur eine Unsicherheit größten Stils verursachen«, warnte Butler Parker. »Mißtrauen, Angst und Panik könnten das Ergebnis sein. Wie Mylady es bereits sagten, sollte man diesen Fall in der Tat diskret behandeln und lösen.«
»Das möchte ich noch mal nachdrücklich wiederholen«, entgegnete Agatha Simpson energisch. »Nur nichts an die große Glocke hängen. Darauf muß ich bestehen, Mister Parker.«