Читать книгу Der exzellente Butler Parker 17 – Kriminalroman - Gunter Donges - Страница 3
ОглавлениеLady Agatha war fassungslos.
Die ältere Dame, die das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten hatte, blickte auf den jungen Mann, der vor einem Glücksspielautomaten stand und kassierte. Während der Wandapparat melodische Klingelzeichen produzierte, rasselten die Münzen in fast ununterbrochener Folge in die breite Mulde, die sich bereits gefüllt hatte.
Die ersten Geldstücke purzelten bereits zu Boden und rollten auf die kleinen Teetische zu. Eine dieser Münzen schien es auf Lady Agatha Simpson abgesehen zu haben, ein wenig eiernd dazu, aber dennoch zielstrebig.
Die betreffende Münze steuerte Myladys linken Fuß an, und die passionierte Detektivin registrierte die Annäherung mit Wohlgefallen. Als das kleine Geldstück jedoch eine leichte Kurve beschrieb und abdrehen wollte, handelte Agatha Simpson blitzschnell. Ihr Fuß zuckte vor und legte sich schwer auf die Münze ...
»Was sage ich zu dem Glück dieses jungen Burschen, Mister Parker?« wollte sie dann von ihrem Butler wissen. Sie beugte sich zu ihrem Schuh hinunter und schien den Strumpf in der Höhe des Fußgelenkes richten zu wollen, tatsächlich aber griff sie blitzschnell nach der Münze und richtete sich dann wieder auf.
»Mit einiger Geschicklichkeit dürfte man Automaten überlisten können, Mylady«, lautete Parkers Antwort. Er war ein etwas über mittelgroßer, fast schlanker Mann, der alterslos zu sein schien. Parker hatte das glatte, ausdruckslose Gesicht eines hochherrschaftlichen Butlers und zeichnete sich durch erstklassige Umgangsformen aus.
»Sobald er den Apparat geräumt hat, werde auch ich mein Glück versuchen«, kündigte die ältere Dame an. Sie war zwar eine immens vermögende Frau, doch sie nutzte jede sich bietende Gelegenheit, ihr Konto noch zusätzlich aufzubessern.
»Der Platz am Spielautomaten dürfte innerhalb der kommenden Minute frei werden, Mylady«, prophezeite Parker. Er beobachtete bereits diskret die beiden handfest aussehenden Männer, die um den Tresen der Cafeteria kamen und zu dem jungen Mann liefen, der damit beschäftigt war, seinen nicht unbeträchtlichen Gewinn einzusammeln.
Daß die beiden Kerle nicht gerade die Absicht hatten, ihm dabei behilflich zu sein, war deutlich auszumachen. Sie schwangen dicke Kabelenden und gedachten damit auf den Gewinner einzudreschen.
»Mit Myladys Erlaubnis.« Parker erhob sich, lüftete kurz die schwarze Melone und schritt dann ohne Hast und durchaus gemessen auf den jungen Mann zu, der noch immer nichts gemerkt zu haben schien.
»Rück das Geld raus«, forderte einer der beiden Handfesten.
Der junge Mann fuhr herum, zuckte zusammen und duckte sich unwillkürlich.
»Wieso?« fragte er dann in einer Mischung aus Angst und Aggression. »Ich hab’ ganz regulär gewonnen.«
»Leg das Zeug auf den Tisch«, fuhr ihn der zweite an. »Du hast am Apparat ’rumgefummelt, haben wir ganz klar gesehen.«
»Sie erlauben eine kleine, aber durchaus wichtige Korrektur?« schaltete Josuah Parker sich höflich ein.
»Halt die Klappe«, brüllte der erste Handfeste umgehend und maß den Butler mit einem warnenden Blick. »Hau ab und misch dich nicht ein!«
»Ihre Manieren bedürfen einer dringenden Überprüfung«, stellte Josuah Parker fest. »Meine bescheidene Wenigkeit möchte noch mal wiederholen, daß der junge Mann völlig regulär spielte.«
»Verschwinde, sonst setzt es was«, wurde der zweite Mann giftig. »Hier is’ falsch gespielt worden. Mein Partner und ich haben das genau gesehen.«
»Hab’ ich auch«, erklärte der junge Mann, der kaum zwanzig Jahre alt sein mochte.
»Leg das Geld auf den Tisch und verschwinde. Und laß dich hier nie wieder blicken«, herrschte der erste Handfeste ihn an und hob das Kabelende zum Schlag. Als er dann durchziehen wollte, erlebte er eine mehr als peinliche Überraschung. Butler Parker setzte die Spitze seines altväterlich gebundenen Regenschirmes nachdrücklich auf den rechten Fuß des Rabauken, durchbohrte das Oberleder und sorgte auf diese Art für eine Sensibilisierung der Nerven. Sie reagierten spontan und meldeten der zuständigen Gehirnpartie einen aufdringlichen Schmerz.
Worauf der Mann gedehnt aufschrie und das Gummikabel erst mal wegwarf. Er hob den getroffenen Fuß und tanzte auf dem noch intakten Bein. Dabei zeigte sich, daß sein Talent an Improvisationsfähigkeit erhebliche Wünsche offen ließ.
Sein Partner zeigte totale Verblüffung. Er konnte sich die plötzliche Tanzeinlage offenbar nicht erklären, blickte den Butler an und vergaß darüber, seinerseits zum Schlag auszuholen. Als er es dann mit einiger Verspätung tun wollte, schaffte er es nicht mehr. Mit dem bleigefüllten Bambusgriff seines Schirmes hakte Parker hinter das Ellbogengelenk des Mannes und hielt den Arm fest.
»Meine bescheidene Wenigkeit geht davon aus, daß Sie die Dinge nicht unnötig eskalieren lassen wollen«, meinte Parker gemessen und durchaus höflich. »Der Umgang mit den Gästen der Cafeteria ist beklagenswert, wenn man sich ein solches Urteil erlauben darf.«
Der eigentliche Betreiber des an sich hübschen Lokals wollte einschreiten, zumal der junge Glücksspieler nach wie vor dabei war, die Münzen einzusammeln. Der Lokalinhaber rechnete sich eine gute Chance aus, Parker in den Rücken fallen zu können.
Dabei geriet der Leichtsinnige in Lady Agathas Nähe.
*
Die ältere Dame war groß, durchaus als füllig zu bezeichnen und erinnerte, was ihre Gestik betraf, an eine Bühnen-Heroine vergangener Tage. Der kleine, perlenbestickte Pompadour, der an Lederschnüren an ihrem linken Handgelenk hing, paßte zu ihr. Mylady trug ein zu weites Tweed-Kostüm und einen Hut, dessen Besatz, was die Blumenvielfalt anging, an eine kleine Öko-Nische erinnerte.
Der Betreiber der Cafeteria konnte es sich einfach nicht vorstellen, daß von dieser Frau Gefahr ausging. Er passierte Agatha Simpson und schwang dabei eine mittelgroße Milchkanne aus Aluminium. Er hatte die Absicht, diese Kanne auf Parkers Hinterkopf abzustellen.
Mylady schaltete sich prompt ein.
Aus dem Handgelenk brachte sie ihren Handbeutel in Schwung und klatschte ihn gegen die Brust des heranpirschenden Mannes. Der sogenannte Glücksbringer, der sich im Pompadour befand, tat seine Wirkung.
Es handelte sich dabei um ein Hufeisen, das von einem stämmigen Brauereipferd stammte. Dieser Glücksbringer wirkte geradezu vernichtend.
Der Getroffene wurde zurückgeschleudert und fiel gegen den Tresen, um dann haltlos an ihm hinunter auf den Boden zu rutschen. Als er ihn erreicht hatte, schielte der Mann sowohl zur Decke als auch Richtung Eingang.
»Sie sind einfach zu leichtsinnig, Mister Parker«, tadelte Lady Agatha anschließend ihren Butler. »Um ein Haar hätte er ihnen den Schädel eingeschlagen.«
»Meine Wenigkeit war so frei, Mylady, den Herrn im Spiegel zu beobachten«, erklärte der Butler.
»Nun ja, wie auch immer.« Sie räusperte sich explosionsartig. »Sobald dieses verkommene Subjekt wieder zu sich gekommen ist, werde ich ein paar Fragen zu stellen haben.«
»Man scheint dem Glück der Spieler nicht sonderlich wohlgesonnen zu sein, Mylady.«
Der junge Mann, der seine Ausbeute inzwischen in den Taschen seines Jeansanzuges verstaut hatte, grinste ein wenig, blickte auf die Betroffenen und wollte sich schleunigst empfehlen. Parker setzte jedoch erneut den Bambusgriff seines Schirmes ein. Er legte ihn um den Hals des jungen Spielers und hielt ihn fest.
»Sie schulden Mylady eine Aufklärung«, sagte der Butler. »Nach Lage der Dinge dürften Sie hier nicht gerade völlig unbekannt sein.«
»Wieso?« Der junge Mann zeigte Angst. »Lassen Sie mich gehen, bevor die wieder hochkommen.«
»Sie spielen berufsmäßig?« erkundigte sich Parker.
»Wie... Wie kommen Sie denn darauf?«
»Meine Wenigkeit beobachtete Sie am Apparat. Sie gingen recht professionell vor und betätigten die Rollenbremsen geradezu artistisch«, erklärte der Butler.
»Sie sind fast so gut wie ich«, warf die ältere Dame ein.
»Ich hab’ völlig regulär gespielt«, verteidigte sich der junge Mann, »und ich hab’ eben gewonnen.«
»Sie waren schon einige Male hier in dieser Cafeteria?« hakte Josuah Parker nach.
»Drei- oder viermal«, laute die Antwort. »Dabei hab’ ich nicht immer so gewonnen wie heute. Kann ich jetzt endlich gehen?«
»Mögen Sie Ihr Glück nicht übermäßig strapazieren«, entgegnete der Butler und gab den Hals des jungen Mannes frei, der tief durchatmete und dann eiligst in Richtung Ausgang spurtete. Nach wenigen Augenblicken war er verschwunden.
Die beiden Kabelenden-Schwinger kamen langsam wieder zu sich, was Parker betraf. Sie hatten bisher völlig verdutzt zugehört, wobei der Tanzende sich ein wenig beruhigt hatte. Sie hätten sich liebend gern auf Parker gestürzt, doch sie fühlten sich nicht ganz sicher. Der Betreiber der Cafeteria schielte inzwischen nicht mehr. Er hatte die Augen geschlossen und stöhnte verhalten.
»Sie waren überraschend schnell zur Stelle, meine Herren«, schickte der Butler voraus. »Kann man davon ausgehen, daß Sie auf den Spieler gewartet haben?«
»Der da hatte uns angerufen«, sagte der Mann, dessen Fuß noch leicht schmerzte. Er zeigte auf den Lokal-Betreiber am Fuß des Tresens.
»Sie wußten, weshalb man Sie alarmierte?«
»Das Miststück da eben hat schon viermal den Apparat geplündert«, lautete die Antwort. »Diesmal wollten wir ihn schnappen.«
Er hatte seinen Satz noch nicht ganz beendet, als er alles auf eine Karte setzte und nach Parker treten wollte. Es handelte sich um einen gemeinen Tritt, zu dem er ansetzte, doch Josuah Parker war wesentlich schneller.
Parker verpaßte ihm die Wölbung seiner schwarzen Melone, worauf der Mann seine Orientierung verlor. Seine Nase legte sich ein wenig quer, Tränen schossen in seine Augen. Der Angreifer setzte sich auf einen der kleinen Tische und empfing noch zusätzlich eine Ohrfeige der älteren Dame.
Da Mylady zwar mit Lust, aber ohne Erfolg Golf spielte, war ihre Muskulatur dennoch gut ausgebildet. Der Getroffene segelte von der Tischplatte in Richtung Boden, absolvierte hier einen nicht vollends geglückten Salto und blieb dann regungslos liegen.
»Was für eine Bedienung«, beschwerte sich Lady Agatha und blickte den anderen Mann an, der sofort den Kopf schützte und sich langsam zurückzog. Als er den Tresen erreichte, wandte er sich um und verschwand mehr als hastig durch eine schmale Hintertür.
»Ich gehe, mein Kreislauf ist in sich zusammengebrochen«, vermutete Agatha Simpson und deutete zum Tresen. »Ich denke, ich brauche jetzt einen ordentlichen Brandy, Mister Parker.«
»Umgehend, Mylady«, versprach der Butler. »Sind Mylady darüber hinaus noch an dem Inhaber des Lokals interessiert?«
»Natürlich nicht«, antwortete sie. »Was bringt das schon, Mister Parker? Das hier ist kein Fall für mich, das steht fest.«
»Wie Mylady zu meinen geruhen«, gab Parker zurück.
»Auf der anderen Seite hätten Sie sich den Namen und die Adresse dieses jungen Mannes geben sollen«, tadelte sie. »Ich hätte mich gern mal mit ihm unterhalten. Er scheint da einige Tricks zu kennen, die ich bisher übersehen haben muß.«
»Mister Pickett wird sicher nur zu gern einen entsprechenden Kenner benennen«, sagte der Butler. »Er dürfte mit einer Autorität auf diesem Gebiet aufwarten können, Mylady.«
*
Horace Pickett erwartete seine Gäste in einem Pub im Osten der Stadt. Er war um die sechzig, groß, schlank und erinnerte, was sein Aussehen anging, an einen ehemaligen Offizier. Pickett war vor Jahren mal als Taschendieb tätig gewesen, hatte die Fronten aber längst gewechselt und stand nun auf der Seite des Gesetzes, genauer gesagt, auf Parkers Seite.
Der Butler hatte ihm seinerzeit das Leben gerettet, als Pickett in die Tasche eines Mafioso langte, wobei es zu Komplikationen gekommen war. Pickett arbeitete nun für Mylady und Parker und war ein Meister der diskreten Observation. Seine Kontakte zur Unterwelt waren nach wie vor gut. Er pflegte sie und konnte Parker immer wieder zur Hand gehen.
Pickett stellte einen gewissen Lionel Harding vor, einen kleinen, unauffälligen Mann von etwa vierzig Jahren, der über hellwache Augen verfügte. Man setzte sich in eine Nische des einfachen Pub, und Parker berichtete von dem Zwischenfall in der Cafeteria. Dabei entging ihm keineswegs, daß Lionel Harding etwas lächelte.
»Mylady interessieren sich selbstverständlich nur aus grundsätzlichen Erwägungen für die Technik dieses sogenannten Gewinnspiels«, schloß Parker seine Hinweise. »Mylady wünschen zu erfahren, ob man durch Geschicklichkeit oder Intuition solche Automaten im übertragenen Sinn zu überlisten vermag.«
»Weder, noch, Mister Parker«, meldete Lionel Harding sich umgehend zu Wort und winkte ab. »Das bilden die Spieler sich nur ein. Die können so oft auf die Walzenbremsen drücken, wie sie wollen, erreichen tun sie damit überhaupt nichts.«
»Unsinn, junger Mann«, schnaubte Lady Agatha. »Ich selbst habe allein durch Geschicklichkeit ganz hübsche Sümmchen aus diesen Apparaten herausgeholt.«
»Weil Sie nach dem Gewinnplan gerade dran waren, Mylady«, redete Lionel Harding weiter. »Alle modernen Glücksspielautomaten werden von Computer-Chips gesteuert.«
»Unglaublich«, entrüstete sich die ältere Dame. »Es hat also keinen Sinn, junger Mann, wenn ich eine Stop-Taste drücke?«
»Völlig sinnlos, Mylady«, redete Lionel Harding weiter. »Ob sie drücken oder nicht, die Spiele sind im voraus programmiert und auch die Gewinne. Ich weiß genau, daß diese Chips auf Millionen von Spielen vorausberechnet sind.«
»Eine ausgemachte Frechheit«, grollte die Detektivin. »Man macht mir also etwas vor, wenn ich vor solch einem Apparat stehe, wie?«
»Im Grund schon, Mylady«, bestätigte Lionel Harding. »Selbst der Zufall, an den ja viele Spieler glauben, selbst der ist ausgeschaltet.«
»Demnach hat man also mit einer Art Pseudo-Zufall zu rechnen«, warf Josuah Parker ein. »Der Spieler vor solch einem Glücksspielautomaten weiß ja nicht, wann der Rechner ihm einen Gewinn zukommen läßt, nicht wahr?«
»Das ist genau richtig, Mister Parker«, erklärte Lionel Harding. »Der junge Mann, von dem Sie da erzählt haben, war eben an der Reihe, als er kassierte. Als er spielte, gab der Computer den Gewinn frei.«
»Meine Wenigkeit sollte vielleicht erwähnen, Mister Harding, daß er laut der Aussage der Männer in der Cafeteria bereits mehrfach glücklich gewann. Sollte auch dies nur ein Zufall gewesen sein?«
»Kurz hintereinander?« wollte Lionel Harding wissen.
»Eine genaue Zeitangabe wurde nicht gemacht, Mister Harding. Der junge Mann dürfte jedoch eine Art Berufsspieler sein, wie den Äußerungen entnommen werden konnte.«
»Dann hat der Bursche mit einem Trick gearbeitet«, erwiderte Harding, »aber ich sage Ihnen offen, daß ich den noch nicht kenne. Ich weiß aber von Spezialisten, die sich an das Programm dieser Chips ’rangemacht haben.«
»Könnten Sie sich etwas deutlicher ausdrücken, Mister Harding?« bat der Butler.
»Ich habe da einige Gerüchte aufgeschnappt«, redete Harding weiter. »Man soll diese Chips berechnen können. Wie das klappt, weiß ich noch nicht, aber mich interessiert das natürlich.«
»Programme, die auf Chips gespeichert sind, lassen sich selbstverständlich be- und ausrechnen«, sagte Josuah Parker. »Dazu bedarf es eines Computers und der Geduld, wenn es meiner Wenigkeit gestattet ist, dies so auszudrücken.«
»Sie sollten sich damit befassen, Mister Parker«, meinte die ältere Dame. »So schwer kann das doch nicht sein, oder?«
»Meine Wenigkeit wird sich bemühen, Mylady.«
»Ich hab’ da noch was für Sie«, warf Lionel Harding ein. »Ich habe so am Rand mitbekommen, daß da ein paar Großaufsteller ziemlich sauer sein sollen, weil man ihre Automaten leerräumt.«
»Handelt es sich um reguläre Aufsteller, Mister Harding?« wollte der Butler wissen.
»Bestimmt nicht«, entgegnete Lionel Harding. »Ich hab’ läuten gehört, daß das Kleeblatt seine Automaten abschirmen läßt. Und zwar mit Schlagringen und Messern.«
*
Mylady war natürlich nicht aufzuhalten.
Sie hatte darauf bestanden, eine Spielhalle aufzusuchen, und Butler Parker war diesem Wunsch nachgekommen. Er geleitete seine Herrin in solch einen Salon, der in Soho seine Kunden anlockte.
Das Innere hatte man recht lieblos gestaltet. In langen Reihen hingen die Automaten an den beiden Längswänden. In der Mitte des Salons gab es gegeneinander versetzte Nischen, in denen die Spieler sogar die Möglichkeit hatten, simultan an drei oder vier Automaten ihr Glück zu versuchen. Selbstverständlich waren diese Nischen dennoch einzusehen. Über den Boxen waren Deckenspiegel angebracht, über die man von der Kasse aus in die Nischen sehen konnte.
Man hatte den Eindruck, in die Montagehalle einer Fabrik zu kommen. Ein Rasseln, Klicken, Läuten und Scharren vermischte sich mit einer Hintergrundmusik, die aus riesigen Lautsprechern drang. Es gab eine Art Lounge in der Nähe des Kassenpults. Auf Sitzbänken, die mit Kunstleder bezogen waren, konnten abgeschlaffte Spieler sich erholen und alkoholfreie Getränke zu sich nehmen.
Parker bemerkte sofort, daß dies nichts als Tarnung war. Die Spieler, die hier neue Kräfte sammelten, hatten sich ungeniert Taschenflaschen mitgebracht und versetzten daraus ihre Colagetränke. Die Luft war stickig und rauchgeschwängert, das Publikum gemischt.
Es gab Jugendliche, die eindeutig nicht hierher gehörten, dann Männer zwischen fünfundzwanzig und sechzig Jahren und noch mehr. Alle hofften auf ihre Geschicklichkeit, alle versuchten ihr Glück. Keiner von ihnen ahnte auch nur, daß sie gegen fertig geschriebene Programme ankämpften.
»Ich brauche etwas Kleingeld, Mister Parker«, sagte die ältere Dame unternehmungslustig. »Selbstverständlich glaube ich diesem sogenannten Experten kein Wort.«
Parker griff in die linke Außentasche seines schwarzen Covercoats und überreichte Mylady die verlangten Münzen. Sie schritt energisch auf eine Nische zu, die gerade frei wurde. Dann machte sie sich daran, die drei Automaten zu füttern, die willig die Münzen schluckten, klickende Geräusche von sich gaben und zusätzlich bunte Lampen aufflackern ließen.
Die Walzen begannen zu rotieren, schnurrten und zeigten schemenhaft diverse Glückssymbole oder Zahlen. Mylady drückte ziemlich wahllos einige Stop-Tasten. Die Walzen verzögerten ihre Drehungen, schleiften weiter und kamen endlich zum Stillstand.
»Sehr eigenartig«, fand Lady Agatha, als keine Münze in die Ausgabemulde fiel.
»Mylady waren laut Gewinnplan des Chips offensichtlich noch nicht an der Reihe«, stellte Parker fest.
»Nun ja, Mister Parker, man kann nicht immer gewinnen«, sagte sie und unterdrückte sichtbar ihren aufsteigenden Zorn. »Ich werde einen weiteren Versuch unternehmen.«
»Mylady sollten sich vielleicht an die Auskünfte des Mister Lionel Harding erinnern«, deutete Parker diskret an.
»Dieser Bursche hat ja maßlos übertrieben«, sagte sie abwinkend. »Haben Sie noch etwas Kleingeld, Mister Parker?«
»Mylady brauchen es nur abzurufen. Darf man sich gestatten, eine Anregung zu geben?«
»Nur zu, Mister Parker.« Sie nickte ihm ermunternd zu.
»Falls Mylady erlauben, möchte meine Wenigkeit einmal versuchen, den Automaten zu befragen.«
»Vertanes Geld«, sagte sie und lächelte geringschätzig. »Selbstverständlich werden Sie keinen einzigen Penny gewinnen. Sie haben einfach nicht das Auge für die Walzen, Mister Parker. Damit sollten Sie sich abfinden.«
Josuah Parker verzichtete auf eine Antwort und schob eine Münze in den Schlitz, worauf der Automat sich rührte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ein geradezu ohrenbetäubender Lärm losbrach. Parker trat zurück und nahm sicherheitshalber die Melone ab und hielt sie unter die kleine Mulde, die sich rasselnd mit Münzen füllte und förmlich überlief.
Der Geldregen war offenbar nicht zu stoppen.
*
»Ein blindes Huhn findet manchmal auch ein Korn«, mokierte sich Lady Simpson neidvoll und blickte konsterniert auf Parkers Kopfbedeckung, die sich mit Münzen gefüllt hatte. »Eigentlich ist das mein Gewinn, Mister Parker, darüber sind Sie sich hoffentlich im klaren, nicht wahr?«
»Es lag keineswegs in der Absicht meiner Wenigkeit, Mylady um einen sicheren Gewinn zu bringen.«
»Hätten Sie sich nicht vorgedrängt, hätte ich den Automaten bedient.«
»In der Tat, Mylady.«
»Nun gut, Sie können zehn Prozent vom Gewinn behalten«, fuhr sie großzügig fort, »oder acht Prozent, legen Sie mich da nicht unnötigerweise fest. Ich werde ...«
»Moment mal, was läuft hier?« fragte in diesem Moment eine harte Stimme hinter Mylady und Parker.
»Mylady dürften gerade den Hauptgewinn gezogen haben«, antwortete der Butler und wandte sich langsam um. Er sah sich einem breitschultrigen Mann gegenüber, der eine karierte Jacke trug. Sie paßte überhaupt nicht zu der Jeanshose, die einen schmuddeligen Eindruck machte. Der Mann hielt die rechte Hand hoch, die in einem bösartig aussehenden Schlagring steckte.
»Mylady is’ gut«, amüsierte sich der Breitschultrige. »Kommt mal kurz mit rüber ins Büro, klar?«
»Sie haben die Absicht, die Münzen gegen Papiergeld einzuwechseln?«
»So ungefähr, Alterchen«, lautete die Antwort. »Und keine Zicken oder so, sonst polier’ ich eure Gesichter!«
»Soll das vielleicht eine Drohung sein?« erkundigte sich Lady Agatha gefährlich freundlich.
»Du bist ja direkt eine helle Tante«, meinte der Schlagringträger und grinste.
»Vorsicht, mein Hut«, mahnte die ältere Dame und langte nach oben zum skurrilen Gebilde. Der Breitschultrige kam gar nicht auf die Idee, die Tante, wie er Mylady genannt hatte, könnte aggressiv werden.
Da er von Parker im richtigen Moment abgelenkt wurde, übersah er auch, daß Agatha Simpson eine der Hutnadeln aus der eigenwilligen Putzmacher-Schöpfung zog. Diese Hutnadel erinnerte, was die Größe betraf, fast an einen kleinen Bratspieß.
»Wieviel Automaten hast du heute bereits abgeräumt?« fragte der Breitschultrige und maß Parker mit abschätzendem Blick. »Prima Tarnung, so als Butler und Lady ’rumzuturnen.«
Danach sagte er eigentlich nichts mehr.
Er heulte nur betroffen, als Lady Agatha ihm die Hutnadel in die rechte Gesäßhälfte rammte. Die spitze Nadel drang ohne erkennbaren Widerstand durch die Jeans und nistete im Muskelfleisch.
Der Mann jaulte, wandte sich um und wollte sich auf Mylady stürzen, doch dazu hatte er keine Gelegenheit mehr. Parker legte den bleigefüllten Bambusgriff seines Schirmes auf den Hinterkopf des Mannes, der daraufhin in sich zusammenrutschte und abrupt keine Lautäußerung mehr von sich gab.
Parker beugte sich über ihn und durchsuchte ihn blitzschnell. Er fand ein Klappmesser und eine kleinkalibrige Pistole. Dann richtete er sich auf und deutete mit der Spitze seines Schirmes in Richtung Kassenbox.
»Mylady planen sicher, dem Betreiber dieses Etablissements einen Besuch abzustatten«, sagte er.
»Worauf Sie sich verlassen können«, antwortete die ältere Dame. »Ich werde Schadensersatz fordern, man hat mich daran gehindert, einen zusätzlichen Gewinn zu machen. Kommen Sie, Mister Parker! Ich werde meinen Anspruch sehr nachdrücklich verfechten.«
Sie setzte ihre majestätische Fülle in Bewegung und schritt zur Kassenbox. Parker, der ihr folgte, stellte zu seiner Überraschung fest, daß der kleine Zwischenfall in der Nische überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden war. Bei dem herrschenden Lärm war dies aber wohl verständlich.
In der Kassenbox saß ein schmaler und sehr aufmerksam wirkender, etwa fünfundvierzigjähriger Mann, der damit beschäftigt war, Geldstücke zu zählen.
Er hörte auf, als Mylady ihren perlenbestickten Pompadour auf das Zählbrett knallte. Die Münzen stoben hoch und kullerten zu Boden. Parker half noch ein wenig nach, fegte mit der rechten, schwarz behandschuhten Hand einige Münzstapel weit in die Spielhalle und nahm zur Kenntnis, daß die Besucher sich durchaus munter und gezielt auf diesen unverhofften Gewinn stürzten.
Für Ablenkung war also gesorgt.
*
Der schmale Mann reagierte mit Spätzündung.
Als er in ein Seitenfach seiner Kassenbox greifen wollte, hatte er bereits keine Chance mehr. Parker benutzte die Spitze seines Schirmes dazu, die Oberarmmuskulatur zu paralysieren.
Der Mann stöhnte verhalten und war nicht mehr in der Lage, die Hand aus dem Seitenfach zu ziehen. Der Butler ging um die verglaste Box herum, betrat sie von der rückwärtigen Seite aus und fand im Fach eine Pistole, die er natürlich an sich nahm.
»Sie sollten dies alles nicht unnötig ernst nehmen«, schlug er dem hechelnden Mann vor. »Dies ist natürlich kein Überfall, wie man Ihnen versichern darf.«
»Dafür ... dafür ziehen wir euch das Fell ab«, nuschelte der Schmale und hielt sich den paralysierten Arm. »Dafür landet ihr im Hospital.«
»Würden Sie Mylady freundlicherweise ins Büro geleiten?« fragte der Butler.
»Einen Dreck werde ich tun«, schnaufte der Schmale. Dann entdeckte er die Hutnadel in Myladys Hand und wurde anderen Sinnes. Er schob sich von seinem Drehsitz herunter und schielte nach der langen Nadel. Angst stand in seinen Augen.
»Nicht doch«, stammelte er beschwörend, »nicht doch ...«
»Was denn nun?« herrschte Mylady ihn an. »Nicht oder doch? Entscheiden Sie sich endlich!«
»Nein, nein, nicht stechen... Machen Sie keinen Unsinn, Lady! – Passen Sie auf!«
»Zum Büro«, grollte sie, »aber ein bißchen plötzlich. Eine Lady Simpson läßt man nicht warten.«
»Okay, okay«, kam die Antwort. »Nehmen Sie aber das verdammte Ding da weg.«
Er trippelte mit kurzen, schnellen Schritten zur Tür im Hintergrund, die von einem schweren Vorhang nur halb verdeckt war. Dann blieb er stehen und schüttelte den Kopf.
»Die is’ zu«, sagte er gespielt erstaunt.
»Dann sorgen Sie freundlicherweise dafür, daß sie geöffnet wird«, gab Josuah Parker zurück.
»Meine Geduld hat sich erschöpft«, kündigte die ältere Dame leicht gereizt an. Daraufhin pochte der Schmale in bestimmtem Rhythmus gegen das Türblatt und sog scharf die Luft ein.
»Haut ab«, meinte er beschwörend, »noch könnt ihr ...«
Die Tür wurde spaltbreit geöffnet.
Josuah Parker trat höflich zur Seite, als Agatha Simpson ihre Fülle einsetzte. Daraufhin schwang die Tür fast explosionsartig nach innen und gab den Weg frei. Parker hörte im gleichen Moment einen dumpfen Schrei hinter dem wegklappenden Türblatt.
Er dirigierte den Schmalen in den Raum hinter der Tür und hielt Ausschau nach der Person, die offensichtlich vom Türblatt gegen die Wand geschmettert worden war. Er entdeckte einen mittelgroßen, rundlichen Mann, der sich die bereits leicht blutende Nase hielt und einen auch sonst leicht zerknautschten Eindruck machte.
»Sie sollten sich Mylady vorstellen«, erinnerte der Butler ihn.
»Verdammt, wer sind Sie?« näselte der Mann.
»Sie haben die Ehre und den Vorzug, Lady Simpson einige Fragen beantworten zu dürfen«, erwiderte Josuah Parker. »Und wer sind Sie?«
»Les Ranners«, kam die fast automatische Antwort. »Und wenn ihr hier kassieren wollt, Leute, dann werdet ihr eures Lebens nicht mehr froh!«
»Reden Sie gefälligst keinen Unsinn, junger Mann«, herrschte Lady Agatha ihn an. »Sie werden mir jetzt meinen Gewinn umwechseln und anschließend einige Fragen beantworten, die Mister Parker Ihnen stellen wird. Worauf warten Sie noch? Brauchen Sie eine schriftliche Einladung?«
Er verzichtete darauf.
*
»Sie sind der Eigentümer dieser Spielhalle?« wollte Parker wissen, während Lady Agatha sich daran machte, die Geldmünzen gegen reichlich vorhandene Banknoten zu tauschen.
»Klar«, näselte Ranners und behandelte seine lädierte Nase mit einem Taschentuch.
»Mylady geht davon aus, daß Sie einem Ring angehören, der von einem gewissen Kleeblatt geleitet wird.«
»Kleeblatt? Nie von gehört«, behauptete Les Ranners umgehend und etwas zu schnell.
»Sie haben etwas gegen Gewinner, Mister Ranners?«
»Wieso denn das?« Ranners erholte sich deutlich. Er beobachtete die ältere Dame, die liebevoll und mit Hingabe Banknoten zählte.
»Warum hätten Sie sonst Lady Simpson und meine Wenigkeit belästigen lassen, nachdem man einen Hauptgewinn machte?«
»Mann, haben Sie überhaupt eine Ahnung, was hier los ist?« rechtfertigte Ranners sich wütend und warf einen prüfenden Blick auf sein Taschentuch. Es wies aus, daß seine Nase sich beruhigt hatte.
»Mylady erwartet diesbezüglich einen näheren Hinweis, Mister Ranners.«
»Hier wird abgeräumt, daß wir mit dem Nachfüllen kaum noch nachkommen«, beschwerte sich Ranners wütend und blickte wieder zu Mylady hinüber, die noch immer intensiv wechselte und tauschte.
»Ihre Gäste gewinnen demnach also überproportional oft, Mister Ranners?«
»Weil die an den Automaten herumbasteln und mit miesen Tricks arbeiten«, regte Ranners sich auf. »Da sind Spezialisten unterwegs.«
»Ging Ihre Saal wache davon aus, daß Mylady und meine Wenigkeit den Gewinn manipuliert haben?«
»Ich hab’ Anweisung gegeben, jeden Gewinner erst mal zu mir ’reinzubringen. Und dann mach’ ich mir ’n Bild von den Leuten. Und wenn die dann in Ordnung sind, können sie mit ihrem Gewinn abhauen.«
»Zur Unterstützung Ihrer jeweiligen Einladungen zeigen Ihre Angestellten Schneidwaren und Schußwaffen, nicht wahr?«
»Dazu sind die nicht berechtigt. Und wenn die’s getan haben, dann werd’ ich sie zusammenstauchen.«
»So, das dürfte in etwa stimmen«, ließ die passionierte Detektivin sich vom Wandtisch her vernehmen, auf dem sie ihr Wechselgeschäft getätigt hatte. Sie nickte Les Ranners wohlwollend zu. »Ich habe Sie mit einem Schmerzensgeld belegt. Eine hilflose Frau wie ich ist schließlich fast zu Tode erschreckt worden.«
»Moment mal, Lady, das geht aber nicht«, protestierte Ranners.
»Sie haben doch gerade gesehen, wie leicht das ging, junger Mann«, antwortete Agatha Simpson. »Das Ganze ist nur eine Frage des Willens. Und nun will ich etwas über Ihre Hintermänner erfahren. Wie heißen Sie noch, Mister Parker? Schlüsselblume, nicht wahr?«
»Kleeblatt, Mylady«, korrigierte der Butler in seiner unnachahmlich höflichen Weise, um sich dann wieder Ranners zuzuwenden. »Sie sollten die Frage möglichst schnell und umfassend beantworten.«
Der Schmale, der sich bisher sehr schweigsam gegeben hatte, hüstelte warnend. Er warf Ranners einen schnellen Blick zu.
»Ich kenn’ kein Kleeblatt«, wiederholte der Eigentümer der Spielhalle erneut. »Da muß Ihnen irgendwer was aufgebunden haben.«
»Das alles ist doch nur ein Mißverständnis«, schaltete der Schmale sich ein. »Haben Sie etwa angenommen, wir hätten Ihnen den Hauptgewinn abgenommen? Das Gespräch war nur eine Vorsichtsmaßnahme.«
»Mylady wünscht zu erfahren, auf welche Art und Weise die bereits erwähnten Spezialisten die Automaten manipulieren«, sagte Josuah Parker. »Sie werden ja bereits entsprechende Kenntnisse erworben haben.«
»Das wissen wir auch nicht«, kam die glaubhafte Antwort. »Irgendwie haben die Mistkerle da einen neuen Trick, den wir noch nicht kennen. Aber die räumen ab, das kann ich Ihnen sagen.«
»Arbeiten diese Spezialisten mit Geräten, um auch diese Frage noch zu klären?«
»Nein, eben nicht«, klagte Ranners überzeugend. »Die stehen vor den Apparaten und holen ’raus, was drin ist. Dabei geht man Pleite, das hält man nicht durch.«
»Sie fordern doch die Geschicklichkeit Ihrer Gäste heraus«, meinte Butler Parker. »Vielleicht ist es wirklich nur reine Geschicklichkeit, die gewisse Besucher an den Tag oder an die Nacht legen.«
»Nee, bestimmt nicht«, erwiderte Ranners treuherzig. »Mit Geschicklichkeit kann man da keinen Penny ’rausholen ... Äh, ich meine ... Also, da muß man auch so ein gewisses Gefühl haben, verstehen Sie?«
»Ihre Geräte sind ausnahmslos mit den neuen Computer-Chips versehen?«
»Computer-Chips? Was is’ denn das?« wunderte sich Ranners umgehend und übertrieb dabei. »Nie von gehört.«
»Machen Sie mich nicht ärgerlich, junger Mann«, schaltete die Detektivin sich grollend ein. »Ich weiß, daß Ihre Kunden keine Chance haben, durch Geschicklichkeit zu gewinnen. Sie betrügen, wenn Sie das behaupten.«
Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch in diesem Augenblick war das Rasseln eines schweren Rollgitters zu vernehmen. Parker ging sofort davon aus, daß man die Spielhalle vorn an der Straßenseite geschlossen hatte.
Er rechnete mit einigen Überraschungen ...
*
Parker brauchte nicht lange auf sie zu warten.
Er hatte sich seitlich neben der Tür aufgebaut und blickte in die Spielhalle. Besucher waren nicht mehr zu sehen. Wahrscheinlich hatten sie sich mehr oder weniger freiwillig und schnell auf die Straße begeben. Aufgefordert dazu hatten sie wohl drei Männer, die sich langsam Richtung Tür bewegten.
Daß sie aus der kriminellen Szene stammten, sah Josuah Parker auf den ersten Blick. Es waren Schlägertypen wie aus einem überzeichneten Kriminalfilm. Sie waren groß und breitschultrig und hatten grob geschnittene Gesichter. Dazu schwangen sie Baseballschläger und Fahrradketten. Sie überhasteten nichts, sahen sich aber bereits als Sieger auf der ganzen Linie.
Das Licht in der an sich schummrigen Spielhalle wurde sektorenweise ausgeschaltet. Nur die vielfarbigen kleinen Lampen der Spielautomaten sorgten noch dafür, daß man die anrückenden Männer ausmachen konnte. Und dieses Licht reichte Parker völlig aus, etwas zu unternehmen.
Er benutzte seinen Universal-Regenschirm, um die drei Männer ein wenig zu verunsichern. Der Butler wollte um jeden Preis unnötiges Blutvergießen vermeiden, denn er verfügte ja immerhin über zwei Schußwaffen, die er dem Personal der Spielhalle eben erst weggenommen hatte. Er hätte also sehr leicht schießen können, doch dies entsprach nicht seiner Sicht der Verhältnismäßigkeit der Mittel.
Parker schoß zwar, doch er verschickte einen ersten Blasrohr-Pfeil, der aus dem hohlen Schirmstock stammte und von komprimierter Kohlensäure angetrieben wurde. Der kleine, bunt gefiederte Pfeil, der kaum größer war als eine Stricknadel, jagte unhörbar durch das Zwielicht und landete zielsicher im linken Oberschenkel des Mannes, der links außen ging, dann zusammenzuckte und verblüfft stehenblieb. Danach ließ er seinen Baseballschläger fallen, langte fast vorsichtig nach der schmerzenden Einschußstelle, entdeckte den Pfeilschaft und stieß einen hellen Kiekser aus.
Sein Nebenmann wurde irritiert, nahm den Kopf herum und ... zuckte seinerseits zusammen. Parkers zweiter Pfeil, der aus den Falten seines altväterlich gebundenen Schirmes stammte, hatte den rechten Oberschenkel dieses Mannes erreicht und sorgte für Irritation.
Der zweite Getroffene produzierte übrigens einen Ton, der an den eines ein wenig mondsüchtigen Coyoten erinnerte.
Blieb noch der dritte Mann, der nun überhaupt nicht mehr wußte, was eigentlich gespielt wurde. Er hatte die seltsamen Lautäußerungen seiner Partner natürlich mitbekommen und wollte nun nachdrücklich wissen, was da eigentlich los wäre.
Parker sorgte für schnelle Aufklärung.
Sein dritter Pfeil bohrte sich in den rechten Oberarm dieses Mannes, der umgehend seine Fahrradkette wegwarf und dann gellend aufschrie. Er hatte den Blasrohrpfeil entdeckt und hielt sich bereits für vergiftet.
Die drei Männer hatten vergessen, warum man sie alarmiert hatte. Sie begannen mit einer Art Kriegstanz, stampften nachdrücklich auf dem Boden herum und warfen ihre Arme in die Luft. Dazu jaulten sie und stöhnten geradezu wohlig. Anschließend kratzten sie sich ausgiebig diverse Körperpartien.
Die Pfeile waren chemisch präpariert und lösten in Sekundenschnelle Allergien aus. Die Getroffenen hatten es dann mit einem unbezwingbaren Juckreiz zu tun, der zum wütenden Kratzen förmlich herausforderte. Butler Parker kümmerte sich nicht weiter um die Männer, sondern widmete sich Les Ranners und dem Schmalen aus der Kassenbox.
Sie hätten sich mit Sicherheit liebend gern eingeschaltet, doch sie wurden von Lady Agatha souverän in Schach gehalten. Sie ließ nämlich ihren perlenbestickten Pompadour kreisen und wartete nur darauf, ihn ablegen zu können. Dieses Risiko wollten Ranners und der Schmäle wohl nicht eingehen. Sie wirkten ein wenig eingeschüchtert und atmeten fast auf, als Parker sich ihrer wieder annahm.
*
»Sie sind also voll auf Ihre Kosten gekommen, Mylady?« erkundigte sich Mike Rander einige Stunden später.
»Wie meinen Sie das, mein Junge?« fragte Lady Agatha zurück.
»Sie konnten das Geld gegen Banknoten tauschen und noch zusätzliche Informationen einholen?« Mike Rander, um die vierzig Jahre alt, erinnerte rein äußerlich an einen bekannten James-Bond-Darsteller. Er war Anwalt, hatte vor Jahren zusammen mit Parker in den USA viele Abenteuer überstanden und verwaltete das immense Vermögen der älteren Dame.
In seiner Begleitung befand sich Kathy Porter, eine bemerkenswert gut aussehende Dame von etwa dreißig Jahren. Sie war vor Jahren von Mylady als Sekretärin und Gesellschafterin angestellt worden, inzwischen aber zu einer Art Tochter des Hauses aufgerückt. Sie war mit Mike Rander liiert und arbeitete bei ihm in seiner Kanzlei.
»Ich war eigentlich ein wenig zu zurückhaltend, mein lieber Mike«, beantwortete Lady Agatha Randers Frage. »Was meinen Schadensersatz betrifft, so hätte ich da wesentlich mehr in Rechnung stellen sollen. Ich mache mir in dieser Hinsicht wirklich einige Vorwürfe.«
Nach dieser Feststellung tauschten Kathy Porter und Mike Rander einen schnellen und amüsierten Blick. Sie wußten aus Erfahrung, wie geldbewußt die ältere Dame dachte. Man konnte davon ausgehen, daß sie im Büro der Spielhalle mit Sicherheit auf ihre Kosten gekommen war.
»Was die Informationen betrifft, Sir«, warf Parker ein, »muß man leider feststellen, daß sie mehr als spärlich ausfielen.«
»Weil sie wieder mal nicht nachdrücklich genug gefragt haben, Mister Parker«, mokierte sich Lady Simpson. »Sie waren ja dagegen, daß ich mit meiner Hutnadel ein wenig nachhalf, um das Gedächtnis dieser Lümmel auf Trab zu bringen.«
»Ein Fehler, den man nur als unverzeihlich bezeichnen kann«, sagte Parker und deutete eine Verbeugung an. »Immerhin war erneut zu erfahren, daß es dieses Kleeblatt gibt, von dem Mister Lionel Harding bereits sprach.«
»Wer ist Lionel Harding?« fragte Lady Agatha leicht gereizt.
»Mister Horace Pickett stellte ihn Mylady als Autorität auf dem Gebiet der Glücksspielautomaten vor. Er erwähnte das bewußte Kleeblatt.«
»Handelt es sich um eine Einzelperson, Mister Parker?« fragte Kathy Porter.
»Dies war leider nicht in Erfahrung zu bringen, Miß Porter. Aber letztendlich muß es solch eine Person geben, die die Fäden zieht und nun die diversen Spielhallen überwachen läßt.«
»Eine verrückte Geschichte«, meldete der Anwalt sich zu Wort. »Auf der einen Seite werden die Spieler aufgefordert, durch Geschicklichkeit und Gespür Gewinne zu machen, auf der anderen Seite spielen die Automaten-Aufsteller verrückt, wenn ihre Kunden das wörtlich nehmen und die Hauptgewinne abziehen.«
»Wie kann man diese Computer-Chips denn überlisten?« meinte Kathy Porter.
»Dazu müßte man einen Computer-Spezialisten hören, Miß Porter«, entgegnete der Butler. »Nach meinen bescheidenen Kenntnissen dürften sich Computer-Programme errechnen lassen.«
»Kann man mit solch einem nachgerechneten Programm denn die Automaten leeren, Mister Parker?«
»Davon sollte man unbedingt ausgehen, Miß Porter.«
»Handelt es sich dann um Betrug, Mike?« Kathy wandte sich an den Anwalt.
»Um Geschicklichkeit, meine Liebe«, erklärte Lady Agatha mit Nachdruck. »Betrug ist die Behauptung der Subjekte, die diese Automaten aufstellen, man könnte die Spiele durch Geschicklichkeit beeinflussen. Ist es nicht so, mein lieber Mike?«
»Ich werde mich mal mit der juristischen Literatur befassen«, antwortete der Anwalt lächelnd. »Legen Sie mich jetzt noch nicht fest. Die Frage ist doch vorerst, Mylady, ob Sie sich mit dieser Sache weiter befassen wollen.«
»Selbstverständlich, mein Junge«, lautete ihre energische Antwort. »Man hat eine Lady Simpson provoziert und bedroht. Man wollte mir meinen Gewinn streitig machen. So etwas werde ich nicht dulden. Mister Parker, leiten Sie alles in die Wege, damit ich diesen Kriminellen das Handwerk legen kann.«