Читать книгу Der exzellente Butler Parker 11 – Kriminalroman - Gunter Donges - Страница 3

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Agatha Simpson gab sich einer Lieblingsbeschäftigung hin: Sie schlenderte durch die Etagen des großen Kaufhauses, prüfte und verglich, mokierte sich über Preise und dachte nicht im Traum daran, auch nur einen einzigen Penny auszugeben. Die große, füllige Dame, schon jenseits der Sechzig, suchte nach Gelegenheiten, kostenlose Warenproben zu ergattern. Ungeniert trug sie bereits eine Plastiktüte, in der sich Werbepackungen einer französischen Luxusseife befanden. Mylady hatte den Stand mehrfach besucht und immer kaltblütig nach neuen Proben gefragt. Ebenfalls hatte sie sich neue Müsli, Zeitschriften und einige Kleinkonserven mit Nudelsauce besorgt.

Gerade hielt sich Lady Agatha vor einem Wandregal auf, das mit Parfüm aller Duftnoten gefüllt war. Die majestätisch wirkende Dame suchte nach Probier-Flacons, um sich auch hier ohne Kosten bedienen zu können.

Sie schien allerdings ein wenig verärgert zu sein, denn die Sprühfläschchen waren durch dünne, aber reißsichere Kettchen gesichert...

Sie waren also nicht mitzunehmen. Um dennoch auf ihre Kosten zu kommen, benutzte sie ein Probierfläschchen nach dem anderen und schuf auf diese Art eine völlig neue Duftmischung.

»Übertreiben Sie nicht etwas, Madam?« hörte sie hinter sich eine vorwurfsvolle Stimme.

»Stellen Sie sich gefälligst vor, bevor Sie es wagen, mich anzusprechen«, raunzte die ältere Dame und wandte sich halb um. Sie sah sich einem schlanken, etwa vierzigjährigen Mann gegenüber, der einen schlichten grauen Anzug trug.

»Ich gehöre zum Haus«, sagte der Mann. »Mein Name tut nichts zur Sache.«

»Dann nehme ich Sie nicht zur Kenntnis«, erwiderte Agatha Simpson und... sprühte den Mann ausgiebig ein. Dabei konzentrierte sie sich auf sein Gesicht, was gewisse Auswirkungen auf die Sehfähigkeit hatte. Der Mann, der zum Haus gehörte, jaulte auf und rieb sich ausgiebig die Augen. Als er wieder einigermaßen sehen konnte, war Lady Simpson bereits verschwunden und hatte sich in die Buchhandlung des Warenhauses begeben. Es ging um eine Neuerscheinung, wie große Werbeplakate verhießen. Man stellte ein Handbuch für Astrologie vor und lud potentielle Kunden ein, sich ein Tages-Horoskop stellen zu lassen. Zuständig dafür war ein Computer, in den man nur ein paar persönliche Daten einzugeben hatte. Der Ausdruck sollte kostenlos sein, was Mylady ungemein erfreute.

Bedient wurde die Anlage von einer jungen Angestellten, die sich über mangelndes Interesse nicht zu beklagen hatte. Vor ihrer kleinen Kabine hatte sich bereits eine Schlange von Kunden gebildet, die unbedingt erfahren wollten, was der Rest des Tages für sie noch bringen würde.

»Das nenne ich Höflichkeit«, sagte Lady Agatha mit Stentorstimme, als sie sich an die Spitze der Schlange stellte und nickte den Wartenden huldvoll zu. »Sie nehmen wenigstens noch Rücksicht auf eine hilflose Frau.«

Die ältere Dame überhörte das protestierende Gemurmel der Leute und zwängte sich in die kleine Kabine. Sie nannte der Angestellten einige Daten, die sich auf ihren Geburtstag bezogen und vergewisserte sich anschließend noch mal, daß der Ausdruck auch tatsächlich kostenlos wäre. Dann lehnte sie sich auf dem schmalen Drehsessel zurück, auf dem sie Platz genommen hatte.

»Ich habe nichts dagegen, Kindchen, wenn Sie mir einen Wochenausdruck anfertigen«, sagte sie freundlich. »Für Ihre Maschine dürfte das doch eine Kleinigkeit sein.«

»Der Computer ist nur für diesen Tag gefüttert«, lautete die Antwort.

»Ein schlechter Kundendienst«, mäkelte die ältere Dame an dieser Antwort herum. »Stimmen die Angaben wenigstens?«

»Die Sterne sollen nicht lügen, Madam«, gab die Angestellte freundlich zurück. »Alles hängt davon ab, wie Sie den Ausdruck deuten.«

Der Computer arbeitete bereits. Kleine Kontroll-Lampen blinkten und zwinkerten. Ein Summen und Piepen war zu vernehmen, dann ratterte der Nadeldrucker und spie einen Ausdruck aus, der seiner Länge nach an einen mittelgroßen Teppichläufer erinnerte.

Mylady nickte beeindruckt.

»Nun, das sieht ja zumindest recht gut aus«, sagte sie und nahm ihren Ausdruck in Empfang. »Was bedeuten die fetten Zeilen, meine Liebe?«

»Einen Hinweis auf besonders wichtige Stunden, Madam«, antwortete die Angestellte. »Hier steht, daß Sie für den Rest des Tages mit Überraschungen zu rechnen haben.«

»Sehr gut«, freute sich Lady Agatha. Sie war eine Frau, die Langeweile haßte.

»Sie werden einem Menschen begegnen, Madam, mit dem Sie sich nicht leichtsinnig befassen sollten.« Die Angestellte war eine geübte Verkäuferin und hütete sich, bei dieser allgemeinen Aussage auch nur andeutungsweise zu lächeln.

»Ich bin niemals leichtsinnig, meine Liebe«, machte die ältere Dame deutlich. »Deshalb werde ich das Buch auch erst dann kaufen, wenn sich herausstellt, daß es keinen Humbug enthält.«

Lady Agatha nahm den Ausdruck an sich und machte sich auf den Weg, um früher oder später einem Menschen zu begegnen, mit dem sie sich auf keinen Fall leichtsinnig befassen sollte.

Sie ahnte noch nicht, wie ungemein zutreffend ihr Horoskop war.

*

Josuah Parker war der Butler, wie man ihn nur noch in Filmen zu sehen bekam. Er war etwas über mittelgroß, hatte den kaum wahrnehmbaren Ansatz eines Bauches, wirkte völlig alterslos und trug die ausdruckslose Miene eines professionellen Pokerspielers zur Schau. Zu dem schwarzen Zweireiher paßte ein weißes Hemd mit Eckkragen und schwarzer Krawatte. Auf Parkers Kopf saß ein schwarzer Bowler, im Volksmund auch Melone genannt. Am angewinkelten linken Unterarm hing ein altväterlich gebundener Regenschirm.

Dieser hochherrschaftliche englische Butler stand in Diensten einer gewissen Agatha Simpson und hielt seine stets schützende Hand über sie. Lady Agatha betrachtete sich als Amateur-Detektivin und ließ kein Fettnäpfchen aus, in das sie treten konnte.

Zur Zeit sorgte sich Parker ein wenig um seine Herrin.

Agatha Simpson hatte in der Cafeteria des Warenhauses eine Teepause genommen und dazu ausgiebig Gebäck geknabbert. Danach war sie aufgestanden, um sich die Nase zu pudern, wie sie diskret angedeutet hatte. Das war vor etwa zwanzig Minuten der Fall gewesen.

Parker wunderte sich darüber, daß Mylady noch nicht zurückgekehrt war. Und er machte sich zusätzlich Sorgen. Ihm war nur zu bekannt, daß die ältere Dame ausgesprochen spontan reagierte, was ihre inneren Eingebungen betraf. Sollte sie den Toilettentrakt auf einem anderen Weg verlassen haben? Befand sie sich wieder in den Verkaufsräumen des Hauses?

Er stand auf und schritt gemessen aus der Cafeteria. An einem nahen Verkaufsstand für Porzellane aller Art fragte er eine Verkäuferin nach Lady Simpson. Er nannte natürlich keinen Namen, sondern beschrieb nur das eindrucksvolle Äußere der gesuchten Dame.

Die Verkäuferin hatte Mylady erst vor wenigen Minuten drüben in der Buchabteilung ausgespäht. Parker bedankte sich höflich und begegnete einem Mann, der sich die Augen mit einem Taschentuch ausgiebig wischte. Er schien etwas sehgestört zu sein, denn er wurde von einer Angestellten behutsam geführt.

Parker dachte unwillkürlich an seine Herrin.

Er erkundigte sich bei dem Sehbehinderten nach Lady Agatha und beschrieb sie dazu.

»Guter Gott«, stöhnte der Mann und zuckte zusammen. »Ich ... ich hatte Kontakt mit der Dame. Kennen Sie sie vielleicht?«

»Wer maßt sich schon an, einen Menschen wirklich zu kennen?« antwortete Parker ausweichend. »Warum fragen Sie überhaupt, Sir?«

»Sie hat mir eine Lösung Parfüm in die Augen gesprüht«, beklagte der Angestellte sich, »und zwar absichtlich.«

»Vielleicht und möglicherweise handelt es sich um ein beklagenswertes Mißverständnis«, erwiderte Parker. »Darf man sich erlauben, Ihnen gute Besserung zu wünschen?«

Der Butler wußte nun, daß er auf der richtigen Spur war.

Lady Agatha lustwandelte durch die Verkaufsetagen und hinterließ Spuren. Wo sie sich allerdings momentan befand, konnte er nicht sagen, doch er hielt sicherheitshalber Ausschau nach Menschenansammlungen. Zu seiner Erleichterung konnte er davon nichts sehen, schritt weiter und atmete tief durch, als er Mylady dann doch entdeckte.

Sie unterhielt sich gerade intensiv mit einem rundlichen Herrn, der ihr den Weg zur Rolltreppe abgeschnitten hatte. Sie hatte ihn gezielt in eine Verkaufsgondel gedrückt und bot ihm gerade Ohrfeigen an.

»Wagen Sie es nicht noch mal, eine hilflose Frau zu bedrängen«, erklärte sie gerade. »Ich könnte sonst sehr ärgerlich werden.«

»Mylady haben Schwierigkeiten?« fragte Parker, als er Agatha Simpson erreicht hatte.

»Dieser Lümmel wollte mich die Treppe hinabstoßen«, behauptete die passionierte Detektivin grollend.

Der Mann hatte sich aus der Verkaufsgondel wieder hochgearbeitet, warf einen mehr als scheuen Blick auf die stattliche Frau, schluckte und setzte sich dann schleunigst ab. Er verzichtete auf jede Erklärung.

»Was diese jungen Leute sich herausnehmen«, entrüstete sich Lady Agatha und meinte damit eindeutig den Kunden, der mit Sicherheit fünfundvierzig Jahre zählen mochte. »Man muß den Anfängen wehren, Mister Parker. Man darf sich als Frau nichts gefallen lassen.«

»Mylady wollen zurück nach Shepherd’s Market fahren?«

»Wo haben Sie nur gesteckt, Mister Parker?« fragte sie, während sie nickte.« Sie hätten sich ein kostenloses Tages-Horoskop stellen lassen können.«

»Mylady machten von diesem Angebot bereits Gebrauch?«

»Selbstverständlich«, lautete die Antwort. »Und ich weiß, daß ich für den Rest des Tages mit einer faustdicken Überraschung rechnen muß, Mister Parker.«

Der Butler hoffte inständig, daß das Horoskop nicht zutreffen würde.

*

Älter als fünfundzwanzig Jahre konnte der junge Mann kaum sein, der hinter einem mächtigen Pfeiler der Tiefgarage Stellung bezogen hatte. Er trug einen Jeansanzug, Tennisschuhe und eine enganliegende Wollmütze. Der Wartende rauchte nervös und spähte immer dann zu den Fahrstühlen hinüber, wenn die Türen sich öffneten.

Für Kunden in kleineren oder größeren Gruppen, die aus einem der Fahrstühle traten, zeigte der Mann kein Interesse. Doch das änderte sich, wenn Einzelpersonen die Tiefgarage betraten. Männer übersah er, doch Frauen schienen ihn zu elektrisieren.

Er schätzte sie ab, was ihre Einkaufstüten, betraf, blieb aber stets in Deckung und verfolgte den Weg der Frauen. Einige Male traf er Anstalten, solch eine Frau zu verfolgen, und zwar immer dann, wenn sie auf Wagen der gehobenen Mittelklasse zuhielten. Doch im letzten Augenblick zog er sich wieder in Deckung zurück, wenn einfahrende Wagen auf dem Parkdeck erschienen oder die Türen der Fahrstühle sich wieder öffneten. Der Mann schien viel Zeit zu haben.

Dann interessierte er sich für eine große, majestätisch aussehende Dame, die aus einem der Fahrstühle kam. Sie trug eine Plastiktüte, die einen gut gefüllten Eindruck machte.

Diese Dame, die er auf sechzig schätzte, steuerte einen Bentley an, der nicht weit entfernt parkte. Sie schien für ihn ein durchaus lohnendes Opfer zu sein, wie sich bald darauf zeigte.

Der junge Mann schob sich um den Betonpfeiler herum und pirschte auf leisen Sohlen an die Dame heran. Er übersah leichtsinnigerweise einen perlenbestickten Pompadour am linken Handgelenk seines Opfers. Er konzentrierte sich auf die Plastiktüte, von deren Inhalt er sich offenbar einiges versprach.

»’n Augenblick mal«, sagte er, als er knapp hinter seinem Opfer stand. Er drückte seinen linken Zeigefinger gegen die linke Hüfte der Frau. »Beim ersten Schrei stech’ ich zu, klar?«

Die Dame blieb wie erstarrt stehen.

»Und jetzt raus mit der Tüte«, forderte der Mann sein Opfer mit leiser, eindringlicher Stimme auf. »Un’ keinen Schrei, Mädchen, sonst fließt Blut.«

»Schon gut«, antwortete die Überfallene mit baritonaler Stimme. »Das ist ein Angriff, nicht wahr?«

»Schnell geschaltet, Mädchen«, lobte der Dieb. »Rüber mit der Tüte!«

»Natürlich, natürlich«, erwiderte die Frau und ... trat energisch nach hinten aus. Der Absatz des wirklich nicht kleinen Schuhs traf das Schienbein des jungen Mannes, worauf er gequält stöhnte und nach vorn knickte.

Die ältere Dame drehte sich erstaunlich schnell um und setzte ihren perlenbestickten Handbeutel gezielt auf die Nase des Wegelagerers. Der Getroffene stieß einen dumpfen Laut aus, wurde nach hinten geworfen und krachte gegen die Breitseite eines parkenden Wagens. Anschließend rutschte er zu Boden und blieb benommen liegen. Er hatte das Gefühl, von einem auskeilenden Pferd getroffen worden zu sein. Er wollte sich hochdrücken, rutschte jedoch wieder haltlos in sich zusammen.

»Wenn man Sie braucht, sind Sie natürlich nicht da, Mister Parker«, sagte Lady Agatha und wandte sich ihrem Butler zu, der sich näherte. »Um ein Haar wäre ich beraubt worden. Schauen Sie sich dieses Subjekt an!«

»Meine Wenigkeit sah sich leider gezwungen, einen anderen Fahrstuhl zu nehmen«, antwortete Parker. »Leider paßten nur noch Mylady in die bereits überfüllte Kabine.«

Josuah Parker beugte sich über den stöhnenden Mann, dessen Nase ein wenig windschief aussah. Mit der Fingerfertigkeit eines erfahrenen Taschendiebes durchsuchte er die Taschen des jungen Mannes und brachte einige Gegenstände an sich, die er in seinen Taschen verschwinden ließ.

»Sollte ich nicht besser noch mal zulangen, Mister Parker?« fragte sie besorgt. »Er könnte mich schließlich noch mal anfallen.«

»Mylady leisteten bereits das, was man ganze Arbeit zu nennen pflegt«, gab Josuah Parker zurück. »Der Dieb wird sich auf eine mittelschwere Gehirnerschütterung gefaßt machen müssen.«

»Sehr erstaunlich«, murmelte Agatha Simpson, die plötzlich einen versonnenen Eindruck machte. »Ist Ihnen nicht etwas aufgefallen, Mister Parker?«

»Mylady?« Parker blickte seine Herrin abwartend an.

»Mein Tages-Horoskop«, redete sie weiter. »Es ist genau eingetroffen. Die Sterne lügen also doch nicht.«

»Eine Frage der Anschauung, Mylady, würde meine bescheidene Wenigkeit sagen.«

»Verstauen Sie dieses Subjekt im Wagen, Mister Parker«, verlangte sie. »Ich werde inzwischen noch mal hinauffahren und mir das Handbuch für Astrologie kaufen. Haben Sie ein paar Pfundnoten bei sich? Ich fürchte, mein Kleingeld reicht nicht.«

*

Der junge Mann blickte Mylady scheu an. Dann aber konzentrierte sein Blick sich auf den Pompadour der älteren Dame, von dem er so nachhaltig getroffen worden war.

»Ich erwarte ein rückhaltloses Geständnis, junger Mann«, raunzte Lady Simpson ihn an. »Wie viele Frauen haben Sie bisher angefallen und ausgeraubt?«

Mylady, Parker und der Wegelagerer aus der Tiefgarage standen in einem längst stillgelegten Lagerschuppen der East India Docks. Man war unter sich. Außer einigen neugierigen Ratten war sonst kein Zuschauer zu sehen.

»Ich... hab’s erst heute mal versucht«, beteuerte der Mann, der Lem Stiller hieß, wie Parker bereits wußte.

»Was halte ich von dieser Aussage, Mister Parker?« Die ältere Dame wandte sich an ihren Butler.

»Mylady gehen davon aus, belogen worden zu sein«, gab Parker zurück.

»Das will ich meinen.« Sie nickte nachdrücklich. »Und darauf reagiere ich stets allergisch.«

»Ich hab ja noch nich’ mal ’ne Waffe dabei gehabt«, verteidigte sich Lem Stiller.

»Von einem Messer und einem Stück Kabel abgesehen, Mister Stiller«, stellte der Butler fest. »Aber Mylady hat keineswegs die Absicht, sich noch länger mit Ihnen abzugeben.«

»Sie lassen mich laufen?« Die Stimme des Wegelagerers klang ungläubig.

»Nicht im wahrsten Sinn des Wortes«, entgegnete Parker gemessen. »Mylady wird Ihnen die Möglichkeit nehmen, sich wieder ungesetzlich zu betätigen.«

»Wie war das?« Lem Stiller zwinkerte.

»Mylady denkt in diesem Zusammenhang an Brunnenschächte, die seinerzeit zur eigenen Wasserversorgung angelegt wurden.«

»Und was ist damit?« Die Stimme des jungen Mannes wurde schlagartig heiser.

»Mylady wird Sie einladen, in solch einen Tiefbrunnen zu steigen.«

»Wollen Sie mich... umbringen?« Der Mann atmete hastig durch.

»Sie sehen doch noch recht gesund und kräftig aus«, stellte die ältere Dame fest. »Einige Tage werden Sie bestimmt durchhalten. Oder sehen Sie das anders, Mister Parker?«

»Mylady können davon ausgehen, daß Mister Stiller mit Sicherheit das Wochenende noch erleben wird.«

»Heute is’ doch erst Dienstag«, stöhnte Stiller.

»Sie werden sich allerdings ein wenig langweilen«, vermutete der Butler.

»Und ... und wer holt mich da wieder raus?« wollte Lem Stiller wissen. Seine Stimme war noch heiserer geworden.

»Mylady wird sich rechtzeitig an Sie erinnern«, beruhigte der Butler ihn. »Sie sollten sich also keine unnötigen Sorgen machen.«

Während der Butler sprach, baute er sich vor einem gußeisernen und kreisrunden Kanaldeckel auf, der im Beton des Bodens eingelassen war. Er machte Stiller damit optisch klar, was ihn erwartete.

»Un’ wenn ich die Wahrheit sag’?« fragte Stiller bei Mylady an.

»Sie sollten es auf einen Versuch ankommen lassen«, schlug der Butler vor.

»Ich hab’ schon ein paarmal Handtaschen geklaut«, räumte Stiller jetzt ein. »Das is’ aber noch gar nichts gegen den Frauenjäger. Der räumt ganz anders ab.«

»Sie wollen damit zu verstehen geben, daß Sie den erwähnten Frauenjäger nur kopiert haben?«

»Aber ganz friedlich«, behauptete Stiller.

»Habe ich von diesem Frauenjäger bereits gehört, Mister Parker?« erkundigte sich die ältere Dame interessiert.

»Mehr als nur andeutungsweise, Mylady«, redete Parker ihr ein, um sich dann wieder an Stiller zu wenden. »Sie sollten sich über den Frauenjäger eingehender auslassen, Mister Stiller. Vielleicht ist das eine Möglichkeit, Ihnen den Brunnenschacht zu ersparen.«

Worauf Stiller ausgiebig redete.

*

Das Apartment des Lem Stiller befand sich in einem schäbigen Wohnblock im Londoner Stadtteil Stepney.

Parker parkte sein hochbeiniges Monstrum vor einem kleinen Gemüseladen und musterte unauffällig die nähere Umgebung, als er ausstieg und den hinteren Wagenschlag für Lady Simpson öffnete.

Es war eine ärmliche Gegend, Mylady und Parker erregten einiges Aufsehen, als sie auf das Wohnhaus zuschritten. Die ältere Dame bemerkte jedoch nichts davon. Zudem wurde sie von dem Angebot an Südfrüchten abgelenkt, die links und rechts von der Ladentür des Gemüsegeschäftes zum Kaufanreiz ausgestellt wurden. Wie selbstverständlich versorgte sie sich mit einem rotbackigen Apfel, um eine Kostprobe zu nehmen.

»Zu Mister Lem Stiller«, sagte Parker zu dem Gemüsehändler und drückte ihm eine Münze für die Kostprobe in die Hand. »Man erwartet uns bereits.«

»Lem scheint ’ne Versammlung aufziehen zu wollen«, sagte der Gemüsehändler ironisch.

»Wie darf man Ihren Hinweis verstehen?« erkundigte sich der Butler und verabreichte dem Mann eine weitere Münze.

»Zwei Besucher sind bereits raufgegangen«, lautete die Antwort. »Aber ich will nichts gesagt haben.«

»Meine Wenigkeit kann sich nicht erinnern, von Ihnen einen Hinweis bekommen zu haben«, stellte der Butler in seiner höflichen Art klar, um sich dann nach dem Stockwerk zu erkundigen, in dem Stillers Apartment lag. Er erhielt prompt eine Auskunft, lüftete dankend die schwarze Melone und geleitete die ältere Dame dann in das benachbarte Treppenhaus.

»Habe ich richtig gehört, Mister Parker, daß bereits zwei Besucher oben sind?« fragte Lady Agatha.

»Erstaunlicherweise, Mylady.« Parker deutete eine zustimmende Verbeugung an.

»Zwei Mittäter, Mister Parker«, wußte sie wieder mal im vorhinein. »Ich werde gleich ein ganzes Diebesnest ausheben.«

»Wie Mylady zu wünschen geruhen.« Josuah Parker ließ sich auf keine Diskussion ein und führte Agatha Simpson in den zweiten Stock. Sie schnaufte ein wenig, als sie den Korridor erreichte.

»Häuser ohne Aufzüge müßten verboten werden«, sagte sie. »Ich sollte unbedingt mal mit dem Wohnungsbauminister reden, Mister Parker. Erinnern Sie mich daran.«

Der Butler schien nichts gehört zu haben.

Er hatte erneut die Führung übernommen und steuerte eine Tür an, die am Ende des Korridors lag. Laut Erklärung sollte sich hinter ihr das Apartment des Diebes befinden.

Die beiden Besucher, von denen der Gemüsehändler gesprochen hatte, mußten sich bereits in der Wohnung von Lem Stiller befinden. Parker ging sicherheitshalber davon aus, daß man es wohl kaum mit friedlichen Bürgern zu tun hatte. Eine gewisse Vorsicht war also wohl angebracht.

Parkers Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf den schmalen Briefschlitz im unteren Drittel der Tür. Er griff in eine seiner vielen Westentaschen, holte eine Art Pillendose hervor und entnahm ihr eine perforierte Plastik-Kapsel, in der sich eine kleine Glasampulle befand, die mit einer wasserklaren Flüssigkeit gefüllt war. Er zerdrückte diese Glasampulle und warf die Kapsel dann durch den Briefschlitz in das Innere des Apartments.

»Sie übertreiben Ihre Vorsicht wieder mal«, mokierte sich die ältere Dame prompt. »Sie sehen bereits überall Gespenster, Mister Parker.«

»Man sollte sich vielleicht ein wenig zurückziehen und abwarten, Mylady«, schlug der Butler vor, der genau wußte, was sich im Apartment tat. Die wasserklare Flüssigkeit reagierte ausgesprochen heftig mit dem Sauerstoff in der Luft und sorgte auf diese Weise für einen Nebelschwaden, der mit Sicherheit die Bronchien reizte.

Was geschah, wie bald darauf zu hören war.

*

Die beiden Burschen hingen in zwei geöffneten Fenstern und husteten wie erkältete Robben.

Sie hatten nicht mitbekommen, daß Parker bereits die Tür geöffnet hatte. Der Butler trug eine Nasenklemme und atmete durch eine völlig normal aussehende Zigarre, die in Wirklichkeit jedoch eine Atem-Patrone war. Ohne Schaden zu nehmen, ging Parker auf die beiden Besucher zu und blieb in Schirmstocklänge hinter ihnen stehen. Noch machte er sich nicht bemerkbar.

Er blickte zurück zur Tür und war erleichtert, daß Mylady sich an seinen Rat gehalten hatte. Er hatte ihr höflich vorgeschlagen, mit dem Nähertreten ein wenig zu warten.

Der Reizstoff verflüchtigte sich bald, zumal durch das Öffnen der Tür ein kräftiger Durchzug entstanden war. Die beiden Männer husteten bereits weniger und drückten sich endlich von den Fensterbänken ab. Als sie sich umwandten, blickten sie den Butler völlig entgeistert an.

Dann reagierten sie auf unverwechselbare Art. Sie ließen klar erkennen, daß sie nach Waffen greifen wollten, die sich in Schulterhalftern befanden. Bevor sie sie jedoch erreichen konnten, sorgte Parker für klare Verhältnisse.

Er funktionierte seinen altväterlich gebundenen Regenschirm in einen Kendo-Stock um und setzte die beiden Männer mit blitzartigen Stößen außer Gefecht. Sie verbeugten sich ungemein tief vor ihm und lagerten sich auf dem Fußboden. Für den Butler gab es keine Schwierigkeiten, ihnen daraufhin die Waffen abzunehmen.

Die beiden Männer schnappten nach Luft, massierten sich die getroffenen Stellen und blickten den Butler in einer Mischung aus Irritation und Wut an. Wahrscheinlich hatten sie solch eine Behandlung noch nie erlebt.

»Falls meine Wenigkeit ein wenig voreilig reagiert haben sollte, bittet man um Entschuldigung«, sagte Josuah Parker. »Sie warten auf Mister Lem Stiller, wenn man fragen darf?«

»Verdammt, wer sind Sie?« wollte einer der beiden Männer wissen und hüstelte.

»Parker mein Name, Josuah Parker. Ich habe die Ehre und den Vorzug, Lady Agatha Simpson dienen zu dürfen«, stellte der Butler sich vor. »Und mit wem hat meine Wenigkeit das Vergnügen?«

»Das geht dich einen Dreck an«, antwortete der Mann und erhob sich langsam.

»Sollten Sie die Absicht haben, Ihre diversen Muskeln spielen zu lassen, so muß davor nachdrücklich gewarnt werden«, antwortete der Butler.

»Was sollen die unnützen Höflichkeiten?« war in diesem Augenblick die tiefe, tragende Stimme der Lady Agatha zu vernehmen. Sie stand in der Tür und preßte sich ein wirklich nicht kleines Taschentuch gegen Mund und Nase.

Die beiden Männer änderten ihre Blickrichtung und verstanden die Welt nicht mehr. Sie sahen sich einer majestätisch aussehenden Dame gegenüber, die keineswegs zimperlich wirkte. Sie trug ein viel zu weites Tweed-Kostüm, derbe und große Schuhe und schließlich einen Hut, der an einen verunglückten Napfkuchen mit Blumenbesatz erinnerte.

»Das kann doch nicht wahr sein«, behauptete der Wortführer und schüttelte den Kopf.

»Mylady ist eine Realität«, warnte Parker die beiden Männer, die inzwischen wieder auf den Beinen standen. Sie schienen seinen Hinweis nicht gehört zu haben.

Sie starrten Lady Simpson an und begriffen es wohl noch immer nicht, daß sie sich bereits längst auf der Verliererstraße befanden. Sie hatten es mit einem konventionell aussehenden Mann zu tun, der eindeutig ein Butler war. Und dann eben mit dieser Frau, die auf keinen Fall taufrisch aussah. Und von diesem Duo hatten sie sich überrumpeln lassen! Sie konnten es einfach nicht verstehen.

Und dann versuchten sie es. Sie nickten sich zu und stürzten sich auf Lady Agatha, um sie als Geisel in ihre Gewalt zu bringen. Dabei übersahen sie den Pompadour, in dem sich Myladys Glücksbringer befand, ein mächtiges Hufeisen, das von einem Brauereipferd stammte.

Mylady hatte mit einem Angriff gerechnet und den perlenbestickten Handbeutel bereits in leichte Schwingung versetzt. Sie holte zu einem Rundschlag aus und bewies bei der Gelegenheit, daß sie mit Leidenschaft, aber ohne greifbaren Erfolg Golf spielte. Ihre Oberarmmuskeln waren auf jeden Fall recht gut entwickelt und verliehen dem Pompadour einen Schwung, der sich als geradezu vernichtend herausstellte.

*

»Sie trafen natürlich, Mylady«, unterstellte Mike Rander, der sich zusammen mit Kathy Porter im altehrwürdigen Haus der Agatha Simpson in Shepherd’s Market eingefunden hatte. Mike Rander erinnerte, was sein Äußeres betraf, an einen bekannten James-Bond-Darsteller. Er war Anwalt und hatte seine Praxis in der nahen Curzon Street, doch er kam kaum dazu, einen Fall zu übernehmen. Lady Agatha hatte ihm die Verwaltung ihres immensen Vermögens anvertraut und schaffte es immer wieder, ihn in einen ihrer Kriminalfälle zu verwickeln.

Kathy Porter war die Sekretärin und Gesellschafterin der Lady Agatha, die alles tat, um Kathy und Mike miteinander verheiraten zu können. Kathy Porter wurde von der älteren Dame wie eine Tochter behandelt und auch manchmal gegängelt. Sie arbeitete eng mit Mike Rander zusammen und war inzwischen längst zu seiner unentbehrlichen Mitarbeiterin geworden, was Lady Agatha heimlich noch unterstützte.

Kathy Porter war eine bemerkenswerte Erscheinung, groß, schlank, knapp dreißig Jahre alt und verfügte über den Charme einer Exotin, wozu ihre mandelförmig geschnittenen Augen und die betonten Wangenknochen noch beitrugen. Sie war in allen Spielarten fernöstlicher Verteidigungskunst beschlagen, was man ihr jedoch nicht ansah.

»Mylady trafen ungemein genau«, beantwortete Josuah Parker die Frage des Anwalts. »Die beiden Männer dürften noch jetzt unter Nachwirkungen der erzieherischen Maßnahmen leiden.«

»Und haben Sie gesagt, für wen sie auf Stiller warteten?« erkundigte sich Kathy Porter. Sie goß Tee nach und schob die Schale mit den kleinen Teekuchen für Mylady zurecht.

»Mister Parker wird Ihnen antworten, meine Liebe«, gab die ältere Dame zurück. »Die beiden Lümmel sprächen ein wenig undeutlich.«

»Wegen ihrer leicht verschobenen Kiefer«, erklärte der Butler. »Dennoch waren sie im Endeffekt recht gut zu Verstehen. Ein gewisser Mister James Falconer hätte sie geschickt. Sie sollten Mister Lem Stiller zu ihm bringen.«

»Wer ist James Falconer?« warf Mike Rander ein.

»Eindeutig ein Gangster, Sir, dessen Geschäftspraktiken so gut wie unbekannt sind.«

»Was sich sehr schnell ändern wird«, schaltete die passionierte Detektivin sich freudig ein. »Selbstverständlich werde ich mich mit ihm befassen.«

»Und wo steckt dieser Lem Stiller zur Zeit?« wollte Kathy Porter wissen und blickte den Butler an.

»In einem der Brunnenschächte, Miß Porter«, gab Parker zurück.« Natürlich wird man ihm in den kommenden Stunden die Möglichkeit geben, diesen Schacht wieder zu verlassen. Bis dahin dürfte er bereit sein, das Versteck seiner bisher gemachten Beute preiszugeben.«

»Er sprach von einem Frauenjäger?« erinnerte der Anwalt.

»Und von einer Frauenfalle«, fügte Parker hinzu. »Dabei scheint es sich um eine Person zu handeln, die sich auf Frauen spezialisiert hat. Mit der Frauenfalle meinte Mister Stiller Hoch- und Tiefgaragen aller Art im Weichbild Londons.«

»Ein Täter, der Frauen ausraubt?« fragte Myladys Gesellschafterin.

»Ich kann mich nicht erinnern, in jüngster Zeit davon gelesen zu haben«, meinte Rander.

»Möglicherweise hält die Polizei aus taktischen Gründen Nachrichten dieser Art zurück«, entgegnete der Butler. »Laut Mister Stiller soll dieser Frauenjäger sehr aktiv sein. Mister Stiller behauptete, er sei durch diesen Mann zu einem Überfall angeregt worden.«

»In Kreisen der Unterwelt scheint man demnach von diesem Frauenjäger zu wissen«, sagte Mike Rander.

»Meine bescheidene Wenigkeit war bereits so frei, Mister Horace Pickett einzuschalten«, ließ der Butler sich vernehmen. »Mit ersten Hinweisen auf den Frauenjäger und seine Falle dürfte sicher bald zu rechnen sein.«

»Der gute Pickett«, meinte Lady Agatha und lächelte durchaus freundlich-versonnen. »Irgendwann sollte ich ihn mal...«

»... zum Tee einladen«, sagten Kathy Porter und Mike Rander wie aus einem Mund. Sie kannten diese Einleitung nur zu gut.

»Richtig«, pflichtete die Hausherrin ihnen bei. »Er hat es wirklich verdient, finden Sie nicht auch, Mister Parker?«

»In der Tat, Mylady«, entgegnete der Butler. »Mister Pickett würde solch eine Einladung als große Auszeichnung betrachten.«

»Aber zuerst die Arbeit«, meinte Agatha Simpson energisch. »Feiern kann man dann immer noch. Mister Parker, treffen Sie alle Vorbereitungen. Ich werde mir diesen Lümmel mal ansehen, der seine Kreaturen auf mich gehetzt hat.«

»Mister James Falconer, Mylady.«

»Ich weiß«, wehrte sie ab. »Ich habe alle Namen genau im Kopf. Dieser Mister Fattover wird sich wundern.«

»Mieter Falconer«, korrigierte der Butler höflich.

»Wie auch immer.« Sie winkte ungeduldig ab. »Noch etwas, Mister Parker: Ich bitte mir aus, daß die beiden Lümmel nicht zu sehr verwöhnt werden.«

»Sie befinden sich hier im Haus?« fragte Kathy Porter.

»In einem der speziellen Gästezimmer, Miß Porter«, gab der Butler Auskunft. »Nach dem Besuch bei Mister Falconer wird man sie natürlich umgehend wieder freisetzen.«

»Was mich das alles wieder an Verpflegung kostet«, seufzte die ältere Dame. »Mein Steckenpferd bringt mich noch an den Rand des Bettelstabes.«

*

Horace Pickett war ein ehemaliger Taschendieb, der vor vielen Jahren mal Meister seines Fachs gewesen war. Nach eigener Bekundung hatte er jedoch stets nur von jenen genommen, die etwas entbehren konnten. Dabei war er auch an einen weltweit bekannten Mafioso geraten, der nach dieser Begegnung seine Brieftasche mit wichtigen Unterlagen vermißte.

Butler Parker hatte Pickett in diesem Zusammenhang das Leben gerettet und ihn auf den Pfad der Tugend zurückgebracht. Horace Pickett, ein straffer, großer Mann von etwa sechzig Jahren, stand seit jener Zeit dem Butler stets zur Verfügung, wenn es galt, Informationen zu beschaffen oder Personen zu observieren.

Der ehemalige Eigentumsverteiler, wie er sich damals genannt hatte, erwartete Mylady und Parker in einer Teestube am Rand von Soho. Pickett trug einen Trenchcoat und einen Travellerhut. Er sah aus wie ein ehrenwerter Offizier im Ruhestand.

»Falconer ist ein ganz übler Bursche«, berichtete Pickett, nachdem er die Lady und den Butler begrüßt hatte. »Er hat sich auf Hoch- und Tiefgaragen spezialisiert.«

»Könnten Sie seine Arbeitsweise möglicherweise ein wenig deutlicher umreißen?« fragte der Butler.

»Er hat sich den Schutz dieser Garagen gesichert«, berichtete Horace Pickett weiter. »Seine Leute sorgen dafür, daß die Garagen sicher sind.«

»Sicherheit durch Gangster«, meinte die Detektivin und schüttelte den Kopf.

»Kann man davon ausgehen, daß es sich um sogenannte Schutzgelder handelt, die Mister Falconer einstreicht?« fragte Parker.

»Genau das ist die Ecke, aus der diese Masche kommt, Mister Parker«, antwortete Pickett. »Falconer und seine Leute sorgen dafür, daß in diesen Hoch- und Tiefgaragen nichts passiert. Er hat da so eine Art Wachdienst organisiert. Zuerst wollten die Eigentümer zwar nicht mitspielen, wie Sie sich vorstellen können, dann gab’s aber Zwischenfälle am laufenden Band, bis man einlenkte und Falconer bezahlte.«

»Mister Falconer dürfte damit ein Geschäft erschlossen haben, das man nur als lukrativ bezeichnen kann und muß.«

»Darauf können Sie sich verlassen, Mister Parker. Falconer ist ohne Konkurrenz.«

»Und wie erklärt er der Steuerbehörde seine Einnahmen?«

»Falconer hat eine Firma aufgezogen, die Garagenwerbung betreibt. Sein Büro ist da drüben im ersten Stock über dem Kino.« Während Pickett noch redete, deutete er durch die Schaufensterscheibe auf ein schmales Haus, in dessen Erdgeschoß ein noch kleineres Kino untergebracht war, das in Soho natürlich Sexfilme zeigte.

»Welchen Ruf hat Mister Falconer?« erkundigte sich Parker.

»Ein brutaler Schläger soll er sein, cholerisch und hinterlistig, Mister Parker.«

»Ich denke, ich werde ihm Manieren beibringen«, ließ die ältere Dame sich vernehmen.

»Wird Mister Falconers Büro abgeschirmt?« wollte der Butler wissen.

»Nach allen Regeln der Kunst, Mister Parker«, wußte Pickett. »Unten an der Treppe ist so eine Art Anmeldung, wo man genau gemustert wird.«

»Mister Falconer befindet sich zur Zeit in seinem Büro?«

»Eindeutig, ich habe ihn für ein paar Minuten am Fenster gesehen.«

»Sie sollten vielleicht in der Nähe bleiben, Mister Pickett. Es könnte durchaus sein, daß Mylady und meine Wenigkeit Sie noch brauchen.«

»Noch etwas, Mister Parker«, sagte der ehemalige Eigentumsverteiler.« In der Anmeldung gibt es natürlich eine Alarmklingel nach oben.«

»Davon ging meine Wenigkeit bereits aus, Mister Pickett, aber vielen Dank für diesen freundlichen Hinweis.« Josuah Parker lüftete die schwarze Melone und geleitete Lady Agatha aus der Teestube. Sie vibrierte förmlich vor Tatendrang. Sie freute sich wieder mal auf eine kleine, hübsche Abwechslung wie sie es nannte.

*

Erst nach mehrmaligem Läuten summte der elektrische Türöffner.

Butler Parker und Lady Agatha betraten den quadratischen Korridor und sahen sich zwei jungen Männern gegenüber, die zusammen vielleicht gerade fünfzig waren.

Sie trugen graue Anzüge, hatten schnelle, wachsame Augen und saßen in einer Art verglasten Loge. Die Tür zu diesem Raum war geschlossen. Es gab nur ein schmales, rechteckiges Sprechgitter.

»Man erlaubt sich, einen wunderschönen Tag zu wünschen«, grüßte Parker und lüftete die schwarze Melone.

»Oder auch nicht«, fügte Lady Agatha hinzu.

»Ja, bitte, was können wir für Sie tun?« fragte einer der beiden jungen Männer und unterdrückte ein aufsteigendes Lächeln.

»Zu Mister Snyder«, antwortete der Butler gemessen.

»Mister Snyder? Den gibt’s hier nicht«, lautete die verständliche Antwort.

»Sie haben sich wahrscheinlich in der Adresse geirrt«, fügte der zweite Mann hinzu und grinste.

»Reden Sie keinen Unsinn, junger Mann«, raunzte Lady Agatha umgehend.

»Natürlich gibt es ihn hier.«

»Einen Mister Snyder haben wir nicht«, meinte der erste Treppenwächter.

»Mister Paul Snyder«, wiederholte Parker eindringlich. »Er erwartet Mylady und meine Wenigkeit.«

»Was ich ihm auch geraten haben möchte«, ließ die Detektivin sich vernehmen.

»Wer soll dieser Paul Snyder denn sein?« erkundigte sich der zweite Mann amüsiert.

»Das geht Sie überhaupt nichts an«, stellte Mylady grollend fest. »Ich verbitte mir jede Einmischung in meine Privatangelegenheiten.«

»Man sollte die beiden inkompetenten Herren vielleicht ignorieren«, schlug der Butler vor und deutete mit der Schirmspitze hinüber zur Treppe.

»Inkompetent ist das richtige Wort«, pflichtete Agatha Simpson ihrem Butler bei. Sie setzte ihre majestätische Fülle umgehend in Bewegung und schritt in Richtung Treppe. Damit löste sie genau das aus, was beabsichtigt war.

Keiner der beiden jungen Männer kam auch nur andeutungsweise auf den Gedanken, daß man sie aus der verglasten Loge locken wollte. Einer von ihnen öffnete die Tür und wollte Mylady den Weg abschneiden. Parker hielt inzwischen eine Visitenkarte in der rechten Hand und drückte sie gegen das Sprechgitter.

»Wenn Sie bitte die Adresse lesen würden«, schlug er dem anderen Wächter vor. Der Mann fiel auf diesen an sich einfachen Trick herein, beugte sich vor und konzentrierte sich auf die Visitenkarte. Auf diese Weise brachte er sein Gesicht nahe an das Sprechgitter heran.

Butler Parker hatte keine Mühe, den Mann anzusprühen. In der linken, schwarz behandschuhten Hand hielt er ein Spray-Fläschchen, dessen Inhalt unter hohem Druck stand.

Der Mann zuckte zusammen, als der Spray sich auf seinem Gesicht ausbreitete. Dann schnappte er nach Luft und griff sich an den Hals. Er vergaß darüber, den Alarmknopf zu drücken, konnte schon nichts mehr sehen und taumelte zurück.

Mylady war nicht untätig geblieben.

Der junge Mann, der sie gestoppt hatte, zog sie am linken Ärmel der Kostümjacke energisch von der Treppe zurück und begab sich damit in akute Gefahr. Agatha Simpson setzte ihren Pompadour ein und legte den Glücksbringer darin auf seinen linken Unterkiefer.

Daraufhin brach der Mann in sich zusammen, vergaß, daß er Beine hatte, fiel gegen die Wand des Korridors und schielte Mylady an, bevor er fast erleichtert die Augen schloß.

»Diese Gimpel«, meinte Agatha Simpson und lächelte boshaft. »Sie halten ältere Menschen stets für hilflos und fallen auf jeden Trick herein.«

»Mylady waren allerdings mehr als überzeugend in der Rolle der vergeßlichen alten Dame«, gab Parker zurück.

»Ich weiß«, lobte sie sich wie selbstverständlich und lächelte wohlwollend Parker an. »Das macht mir so leicht keiner nach. Aber weiter jetzt! Das war nur das Vorspiel...«

*

Der Mann schien sein Tagespensum an Arbeit bereits hinter sich gebracht zu haben.

Er lag wie hingegossen in einem bequemen Sessel, hatte die Beine hochgelagert und schaute sich eine Fernsehsendung an. Bezeichnenderweise handelte es sich um einen älteren Kriminalfilm aus den USA, in dem ein gewisser Al Capone sein Unwesen trieb. Der Betrachter der Szene hatte der Tür den Rücken zugewandt und kam gar nicht auf den Gedanken, unerwünschten Besuch zu bekommen.

»Das waren noch Zeiten«, schwärmte er verhalten und nahm einen Schluck aus seinem Whiskyglas. »Mein Gott, sind die Jungens damals rangegangen.«

»Und mußten schließlich dennoch einsehen, daß Verbrechen sich auf keinen Fall lohnen«, machte Josuah Parker sich bemerkbar. Sein letztes Wort schwang noch in der Luft, als der große, schwere Mann blitzschnell die Beine von der Kante einer Aktenablage nahm und sich umwandte. Anschließend starrte er Lady Agatha und Parker wie Weltwunder an.

»Nun fragen Sie nur nicht, wie ich hereingekommen bin, junger Mann«, raunzte Mylady ihn an. »Fragen dieser Art kann ich schon nicht mehr ausstehen.«

»Ihre beiden Mitarbeiter waren so entgegenkommend, Mylady und meiner Wenigkeit den Weg zu weisen«, sagte Parker, um die erwartete Frage endgültig zu unterbinden. »Wie zu sehen ist, geben Sie sich bereits Ihrer Freizeit hin.«

»Verdammt, wer sind Sie?« brüllte der Mann und stand auf;

»Sie haben die Ehre, Mylady einige Fragen beantworten zu dürfen«, antwortete der Butler. »Fragen, die sich auf einen gewissen Lem Stiller beziehen.«

»Lem Stiller?« Der korpulente Mann runzelte die Stirn. »Was haben Sie denn mit dem zu tun?«

Der exzellente Butler Parker 11 – Kriminalroman

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