Читать книгу Butler Parker 145 – Kriminalroman - Gunter Donges - Страница 3

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»Ich komme wirklich nicht zufällig vorbei, Mylady«, bekannte Chief-Superintendent McWarden und holte tief Luft, »ich bin verzweifelt und am Ende, ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Es macht mir auch nichts aus, daß ich Sie beim Frühstück störe.«

»Mir schon«, erwiderte Agatha Simpson. Während sie den bulligen und untersetzten Mann musterte, der sich ohne Einladung auf einem Stuhl niederließ und dann trübsinnig zu Boden starrte.

»Darf man sich erlauben, Sir, Ihnen eine kleine Erfrischung anzubieten?« erkundigte Butler Parker sich höflich und gemessen.

»Sie sehen doch, Mr. Parker, daß Mr. McWarden nichts wünscht«, sagte die ältere Dame scharf. Lady Agatha, die das sechzigste Lebensjahr mit Sicherheit überschritten hatte, saß in ihrem wallenden Hausmantel am Frühstückstisch im kleinen Salon ihres Hauses in Shepherd’s Market und war wieder mal nicht bereit, unnötige Ausgaben zuzulassen. Sie war zwar eine immens vermögende Frau, doch sie war geradezu berüchtigt für ihre Sparsamkeit, die man allgemein als Geiz bezeichnete.

»Ich könnte einen Kognak brauchen«, sagte McWarden. Er war der Chef eines Sonderdezernats im Yard und befaßte sich mit Bandenverbrechen. Er war dem Innenministerium direkt unterstellt und Mylady und Butler Parker seit Jahren freundschaftlich verbunden. Normalerweise sah er aus wie eine leicht gereizte Bulldogge, doch an diesem Morgen war er die fleischgewordene Resignation.

»Sie sind doch hoffentlich nicht gekommen, um sich bei mir zu betrinken, McWarden, oder?« Lady Agatha war nicht bereit, von ihrem kostbaren Kognak zu opfern.

»Betrinken würde ich mich wirklich am liebsten, Mylady«, gestand McWarden, »doch das bringt einen ja nicht weiter.«

»Eben«, erwiderte die passionierte Detektivin, »etwas Tee tut es auch.«

»Das Innenministerium nervt mich seit Tagen«, redete der Chief-Superintendent weiter, »man will endlich Erfolg sehen, doch ich komme einfach nicht weiter. Der Feuerteufel bringt mich noch zur Verzweiflung.«

»Feuerteufel?« Lady Agatha zeigte plötzlich Interesse. Sie nickte zögernd, als Josuah Parker einen Kognak servierte. Gedankenlos griff McWarden nach dem Schwenker und kippte den Inhalt. Lady Agatha schloß daraufhin erst mal indigniert die Augen.

»Zügeln Sie endlich Ihre Hemmungslosigkeit, sagte sie dann grollend in Richtung McWarden, »und reißen Sie sich zusammen! Kommen Sie endlich zur Sache, solange Sie noch einigermaßen nüchtern sind.«

»Ich bin seit Wochen hinter einer Bande her, die von einem Kerl geführt wird, der ›Fackel‹ genannt wird«, sagte der Chief-Superintendent und setzte den Schwenker ab, »es handelt sich um berufsmäßige Feuerteufel, wenn Sie wissen, was ich meine, Mylady.«

»Ich weiß überhaupt nichts. Aber es klingt gut, was Sie da gerade sagten, nicht wahr, Mr. Parker?«

»Möglicherweise deutet sich hier ein neuer Kriminalfall für Mylady an«, antwortete Parker. Der Butler, ein alterslos scheinender Mann, groß, fast schlank, gemessen in seinen Bewegungen und von einer Höflichkeit, die man nur als vollendet bezeichnen konnte, wußte sehr genau, wie man das Interesse der älteren Dame, seiner Herrin, wecken konnte.

Lady Agatha hielt sich für eine begnadete Kriminalistin und nutzte jede sich bietende Möglichkeit, das Verbrechen zu bekämpfen. In solchen Fällen war sie mehr als großzügig, was Geld betraf. Sie war inzwischen aufgestanden und präsentierte sich in ihrer ganzen majestätischen Erscheinung. Lady Simpson war füllig und verfügte über die weit ausholenden Gesten einer Tragödin. Ihre sehr baritonal gefärbte Stimme war selbst dann noch laut, wenn sie flüsterte. Die Ungeniertheit war gefürchtet. Lady Agatha sagte stets das, was sie gerade dachte.

»Ich werde Ihnen selbstverständlich helfen, wenn Sie Schwierigkeiten haben«, schickte sie voraus, » und die haben Sie ja immer, mein lieber McWarden, nicht wahr? Was wären Sie ohne mich? Nichts als ein normaler Yard-Beamter, der Akten wälzt.«

»Wurden bereits Brände gelegt, was die erwähnten Feuerteufel betrifft, Sir?« warf Josuah Parker ein, bevor »Sechs Brände«, bestätigte McWarden, »und in allen Fällen handelte es sich um Gebäude, die unter Denkmalschutz standen.«

»Das hört sich aber recht gut an, nicht wahr, Mr. Parker? Dies scheint etwas für mich zu sein.«

»Dieser Gedanke, Mylady, drängt sich förmlich auf«, reagierte der Butler in seiner höflichen Art.

»Millionenverluste sind zu verzeichnen«, redete McWarden fast monoton weiter, »die zuständige Behörde macht mir die Hölle heiß, wie Sie sich vorstellen können.«

»Es schadet Ihnen gar nichts, mein lieber McWarden, wenn man Sie etwas auf Trab bringt«, stellte die ältere Dame süffisant fest, »Sie neigen zur Trägheit, wenn eine gute Freundin Ihnen dies mal in aller Offenheit sagen darf.«

»Sagen Sie mir, was Sie wollen«, antwortete der Chief-Superintendent, aber schalten Sie sich ein!«

Während McWarden dies sagte, blicke er ausschließlich Josuah Parker an, auf den es schließlich ankam. Der Butler allein verfügte über die Fähigkeiten, die McWarden erwartete. Agatha Simpson hingegen, war für jedes Chaos gut.

»Ich werde diesen Fall lösen«, meinte die resolute Detektivin großzügig, nicht wahr, Mr. Parker?«

»Mylady dürften ihn bereits gelöst haben«, versicherte der Butler in seiner gewohnt höflichen Art, die aber keineswegs untertänig wirkte, »die Herren Gangster wissen dies nur noch nicht.«

*

»Nur keine Umstände, junger Mann«, sagte Lady Agatha bereits eine Stunde später und nickte huldvoll. Sie befand ich zusammen mit ihrem Butler im Amt für die britische Denkmalpflege und war nach kurzer Anmeldung sofort vom Sekretär der Vereinigung empfangen worden. Der Vierzigjährige hieß James Stokers, war mittelgroß, schlank und auffallend bemüht um Agatha Simpson, die dieses Amt jährlich mit einer ansehnlichen Summe unterstützte.

»Darf ich Ihnen wirklich nichts anbieten, Mylady?« erkundigte sich Stokers. Er verfügte über sehr gute, fast zu glatte Manieren. Er war die bemühte Aufmerksamkeit in Person.

»Nun gut, junger Mann«, erwiderte die ältere Dame, »ich hoffe, Sie haben einen recht guten Sherry.«

James Stokers stürzte auf einen Wandschrank zu, öffnete ihn und holte eine Karaffe hervor. Anschließend füllte er ein normales Sherryglas mit der angenehmen Flüssigkeit. Lady Agatha schaute mißtrauisch zu und räusperte sich explosionsartig, als Stokers mit dem Einfüllen aufhörte, nachdem das Glas halb gefüllt war.

»Genieren Sie sich nicht«, meinte sie grollend, »Sie wollen mich doch hoffentlich nicht verdursten lassen, wie?«

James Stokers goß hastig nach, reichte der Lady dann das Glas und trat erwartungsvoll zurück. Die ältere Dame schnupperte, setzte das Glas an ihre Lippen und... ließ den Sherry mit einem Schluck verschwinden.

Der Sekretär des Amtes für britische Denkmalpflege war tief beeindruckt.

»Ich kenne selbstverständlich besseren Sherry«, meinte die ältere Dame inzwischen, »aber zur Not tut es der hier auch, junger Mann. Sie dürfen nachgießen.«

»Mylady hegen ein gewisses Interesse an jenen denkmalgeschützten Bauten, Mr. Stokers, die ein Raub der Flammen wurden«, ließ Josuah Parker sich vernehmen, während Stokers hastig nachfüllte, »Mylady sind nicht geneigt, weitere Brände zuzulassen.«

»Ich verbitte mir sie sogar«, warf Agatha Simpson ein, »hoffentlich haben Sie eine Liste parat, auf der die Brände verzeichnet sind.«‚

»Selbstverständlich, Mylady.« Stokers nickte mehrmals, »nachdem Mr. Parker anrief, habe ich sofort eine zusätzliche und ausführliche Aufstellung vorgenommen. Sie wissen, daß die Polizei sich bereits um die Aufklärung der Verbrechen bemüht?«

»Papperlapapp, junger Mann, was besagt das schon?« Agatha Simpson sah James Stokers fast strafend an.

»Wurden die diversen Brände angekündigt, wenn man höflich fragen darf?« Parker nahm die Liste entgegen, die Stokers vom Schreibtisch genommen hatte.

»Die beiden letzten Brände«, beantwortete Stokers die Frage, »zur Verhütung sollte das Amt je fünfzigtausend Pfund zahlen.

»Welche Frist zur Zahlung räumte man dem Amt ein?« lautete die nächste Frage des Butlers.

»Jeweils eine Woche, Mr. Parker. Darf ich Ihnen übrigens auch einen Sherry anbieten?«

»Keineswegs«, wehrte Parker ab.

»Aber mir sollten Sie nachgießen«, brachte die Lady sich in Erinnerung, worauf Stokers dieser Aufforderung hastig nachkam und das Glas diesmal sofort bis an den Rand füllte.

»Nahm man in Ihrem Amt diese Warnungen nicht ernst?« fragte Josuah Parker gemessen.

»Als es zu spät war, Mr. Parker«, gestand James Stokers, »die Mitglieder des Verwaltungsrates haben diese Hinweise wohl auf die leichte Schulter genommen, obwohl ich dringend riet... Bitte, dies soll natürlich keine Kritik am Verwaltungsrat bedeuten. Die steht mir nicht zu.«

»Hat man nach dem ersten Brief wenigstens die Behörden verständigt?« fragte die Detektivin noch mal.

»Es wurden keine Briefe geschrieben, Mylady«, korrigierte James Stokers höflich, »es wurde angerufen. Die Gespräche waren jeweils nur kurz. Der Anrufer verwies auf die vier Brände, die bisher zu verzeichnen waren.«

»Wie finde ich denn das, Mr. Parker?« erkundigte sich die ältere Dame und schaute Parker abwartend an.

»Mylady sind sicher schockiert«, erwiderte Josuah Parker.

»Das kann man wohl sagen.« Sie nickte nachdrücklich. »Hier hat man doch ungewöhnlich leichtfertig reagiert. Dazu werde ich den Herren vom Verwaltungsrat noch einige passende Worte sagen. Erinnern Sie mich daran, Mr. Parker.«

»Mylady können sich auf meine bescheidene Wenigkeit fest verlassen«, gab Josuah Parker zurück, um sich dann wieder James Stokers zuzuwenden, »Mylady wünschen noch eine Liste jener Personen, die diesem eben erwähnten Verwaltungsrat angehören.«

»Genau danach wollte ich tatsächlich gerade fragen«, warf die Detektivin ein und nickte ihrem Butler wohlwollend zu, »sehr schön, Mr. Parker, ich sehe und höre, daß Sie mitarbeiten. Nur weiter so! Eines Tages werden Sie vielleicht noch ein recht guter Kriminalist werden. Man muß Ihnen nur Zeit geben.«

Parkers glattes Gesicht blieb ausdruckslos wie stets.

*

Josuah Parker hatte sein hochbeiniges Monstrum, wie sein Privatwagen gern bezeichnet wurde, auf einem Parkplatz hinter dem Backsteinhaus abgestellt, in dem die Büros des Amtes für den britischen Denkmalschutz untergebracht waren.

An diesem Wagen, der einst als Taxi in London gedient hatte, war im Grunde alles eckig. Der Aufbau war so hoch, daß man ohne weiteres mit einem aufgesetzten Zylinder auf den Rücksitz Platz nehmen konnte. Auch die Trennscheibe zwischen Fahrgastraum und dem Fahrer war noch vorhanden. Der Wagen sah durchaus museumsreif aus, was jedoch ungemein täuschte. Tatsächlich war dieses ehemalige Taxi nach Parkers recht eigenwilligen Vorstellungen technisch völlig umgestaltet worden. So war das Gefährt zu einer raffinierten Trickkiste auf Rädern geworden, ganz zu schweigen von dem Motor, der einem Rennwagen alle Ehre gemacht hätte. »Ich traue diesem Sekretär nicht über den Weg«, sagte die ältere Dame als man sich Parkers Wagen näherte, »er hat einen verschlagenen Blick. Ich hoffe, Mr. Parker, auch Sie haben das bemerkt.«

»Mr. James Stokers machte, wenn man so sagen darf, einen befangenen Eindruck«, schickte Parker voraus, »und dies dürfte eindeutig mit Myladys prägender Persönlichkeit Zusammenhängen. «

»Finden Sie?« Lady Agatha nickte wohlwollend.

»Mylady pflegen allem ihren eigenen unverwechselbaren Stempel aufzudrücken.«

»Das stimmt allerdings«, erklärte sie ohne jede falsche Bescheidenheit, »nun ja, man ist, was man ist, Mr. Parker. Wen verdächtige ich denn sonst noch?«

»Mylady werden sich mit Sicherheit auch mit den Mitgliedern des Verwaltungsrates befassen.«

»Diese Herren stehen ganz oben auf meiner Liste«, behauptete Agatha Simpson nachdrücklich, »prüfen Sie nach, Mr. Parker, wer diese Burschen sind. Irgendwie muß das Subjekt, das sich Fackel nennt, ja an die denkmalgeschützten Bauten herangekommen sein, nicht wahr? An diesem Punkt werde ich ansetzen. Kümmern Sie sich darum.«

»Sehr wohl, Mylady«, antwortete der Butler, »was nun die gerade erwähnte Liste betrifft, so kann man entsprechende Unterlagen im freien Buchhandel erwerben. Ganz zu schweigen von den Vierteljahresheften des Amtes, in denen zu den Baudenkmälern Stellung genommen wird.«

»So etwas gibt es? Verantwortungslos, finde ich.«

»Man hat die Absicht, die Öffentlichkeit stets umfassend zu informieren, Mylady.«

»Jeder kann solche Listen bekommen?« Sie schüttelte den Kopf.

»Jedermann, Mylady«, wiederholte Josuah Parker und löste den altväterlich gebundenen Regenschirm von seinem angewinkelten linken Unterarm. Er nahm die Spitze ein wenig hoch und drückte mit seinem schwarz behandschuhten Zeigefinger auf einen versteckt angebrachten Knopf am unteren Teil des Bambusgriffes.

Parker widmete seine Aufmerksamkeit einem Mann, der neben einem parkenden Fahrzeug stand und in einer Zeitung las. Dieser Mann mochte etwa fünfunddreißig Jahre zählen, war mittelgroß und machte einen muskulös-bulligen Eindruck.

Als Mylady und Butler Parker das hochbeinige Monstrum erreichten, faltete der Mann die Zeitung zusammen, warf sie auf die Motorhaube des Fahrzeuges, neben dem er stand, und kam dann mit schnellen, federnden Schritten auf Mylady und Josuah Parker zu. Er hielt plötzlich ein langes Stück Bleikabel in der Hand.

»Man scheint die Absicht zu hegen, Mylady überfallen zu wollen«, stellte der Butler gemessen fest.

»Wie schön«, antwortete Agatha Simpson, die keinerlei Erschrecken zeigte. Der perlenbestickte Pompadour an ihrem linken Handgelenk, geriet automatisch in leichte Schwingung. In diesem modischen Relikt einer vergangenen Zeit befand sich der sogenannte Glücksbringer der älteren Dame. Dabei handelte es sich um ein Pferdehufeisen, das nur recht oberflächlich in Schaumstoff gehüllt war.

»Das is’ hier nur ’ne kleine Botschaft von der Fackel«, sagte der untersetzte, der inzwischen das Duo erreicht hatte. Er fühlte sich völlig überlegen, grinste wie ein Filmschurke und hob das Bleikabel zum Schlag.

»Würden Sie sich möglicherweise noch einen Moment gedulden«, bat Josuah Parker und lüftete mit der linken Hand die schwarze Melone. »Gedulden?« Der Mann stutzte. Er hatte mit dieser überaus höflichen Frage nun keineswegs gerechnet.

»Sprechen Sie vielleicht von jener Fackel, die Brände legt?« wollte der Butler dann wissen.

»Keinen blassen Dunst«, gab der Schläger zurück, »ich soll nur ’nen Gruß von der Fackel bestellen. Und diesen Gruß werde ich jetzt servieren, is’ das klar?«

»Sie verfolgen tatsächlich die Absicht, Mylady und meiner Wenigkeit körperliche Schmerzen zuzufügen;«

»Mann, Sie machen es einem aber verdammt schwer«, beklagte sich der Schläger und wirkte plötzlich unentschlossen. »Haben Sie denn noch immer nicht kapiert? Das hier is’n Überfall, klar?«

»Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben«, schaltete die ältere Dame sich munter ein, um dann auf ihre sehr spezielle Art zu reagieren.

*

Agatha Simpson huldigte in ihrer reichlich bemessenen Freizeit dem Bogenschießen und spielte auch Golf. Sie pflegte die beiden Sportarten mit größter Energie, wenn sie auch nicht sonderlich erfolgreich war. Eines aber hatte sich im Lauf dieser Betätigungen entwickelt, nämlich ihre Muskulatur.

Dementsprechend fiel auch die Reaktion aus.

Sie hatte den Pompadour, der an langen Schnüren am Handgelenk hing, in Schwingungen versetzt und beförderte den an sich harmlos aussehenden Handbeutel zielsicher auf die linke Backe des Untersetzten, der daraufhin seelisch wie körperlich völlig aus dem Gleichgewicht geriet. Er knickte in der rechten Hüfte ein und fiel gegen den Kofferraum von Parkers Wagen. Seine Augen nahmen einen leicht glasigen Ausdruck an, sein Mund öffnete sich zu einem unhörbaren Schrei.

»Ich werde Sie lehren, eine hilflose und schwache Frau anzugreifen«, entrüstete sich die ältere Dame und holte zu einer zweiten Massage aus. Der Untersetzte hob abwehrend die Hände und ging dann in die Knie.

»Falls Mylady darauf bestehen, wird meine Wenigkeit den Angreifer in eine günstige Position bringen«, bot der Butler seine Hilfe an. Er trat hinter den Untersetzten und griff unter dessen Arme. Mühelos stellte Josuah Parker den Mann wieder auf die Beine.

»Bringen Sie den Schwächling wieder zu sich«, verlangte die ältere Dame grollend, »guter Gott, die Jugend von heute kann aber auch wirklich nichts mehr vertragen.«

Der Mann hüstelte und kam wieder zu sich. Entgeistert betrachtete er Lady Agatha und verstand eindeutig die Welt nicht mehr. Es war ihm in seiner Vergangenheit noch nicht passiert, daß ihn eine Frau außer Gefecht gesetzt hatte.

»Ich will endlich hören, was Sie von mir wollen«, raunzte Agatha Simpson den Schläger an.

»Nichts, überhaupt nichts«, behauptete der Mann hastig.

»Sie sollten sich möglicherweise eine plausiblere Erklärung einfallen lassen«, schlug der Butler vor, »Mylady liebt es überhaupt nicht, schamlos angelogen zu werden.«

Der Untersetzte, der sich erstaunlich schnell erholte und damit doch eine gewisse Kondition zeigte, wollte das Blatt zu seinen Gunsten wenden. Er löste sich aus Parkers Händen, baute sich auf, spielte recht ungeschickt den Hilflosen und hatte dann die Absicht, sich noch mal auf Agatha Simpson zu werfen. Wahrscheinlich wollte er sie als Geisel benutzen, um so auch Parker in den Griff zu bekommen.

Er hatte die Rechnung ohne die Lady gemacht.

Es war ihr eindeutig eine Wonne, auch diesen Angriff des Mannes zu stoppen. Sie trat auf ihre ungenierte Art mit dem rechten Fuß zu und setzte die Kappe ihres Schuhs auf das Schienbein des Untersetzten. Da Mylady auf recht großem Fuß lebte, was ihre Schuhmaße betraf, fiel der Fußtritt sehr nachdrücklich aus. Der Getroffene heulte auf wie ein vereinsamter Steppenwolf, stellte sich ausschließlich auf das gesunde Bein und absolvierte dann einen Tanz, den man insgesamt allerdings nur als verunglückt bezeichnen konnte.

Agatha Simpson war einen Schritt zurückgetreten und beobachtete die Tanzeinlage mit Interesse. Ihr Pompadour schwang nach wie vor erwartungsvoll wie ein Perpendikel. Er wartete nur darauf, noch mal gezielt eingesetzt zu werden.

»Werde ich dieses Subjekt noch eingehend verhören?« erkundigte sich Agatha Simpson dann bei ihrem Butler.

»Mylady wird sicher darauf verzichten«, antwortete Josuah Parker höflich, »der Erwähnte dürfte kaum in der Lage sein, Informationen weitergeben zu können. Es dürfte sich bei ihm um ein käufliches Individuum handeln, wie man es in gewissen obskuren Pubs engagieren kann.«

»Nun gut, Mr. Parker, dann werde ich mich zurückziehen. »Agatha Simpson bestieg den Fond des hochbeinigen Monstrums, nachdem Parker die Wagentür geöffnet hatte. Der Butler wandte sich dem noch immer munter hüpfenden Untersetzten zu.

»Sie sprachen eben von einer sogenannten Fackel«, schickte er voraus, »würden Sie die Güte haben, sich näher dazu zu äußern?«

»Ich... Ich weiß von nichts«, stöhnte der Mann.

»Woher kennen Sie diesen Spitznamen, wenn man sich so ausdrücken darf?«

»Den ... hat mir der Dreckskerl zugesteckt, der mich losgeschickt hat.«

»Sie befinden sich verständlicherweise in einem Zustand der Unmut und der Enttäuschung«, schickte Parker voraus, »wann wurden Sie engagiert, Mylady mit einem Bleikabel zu drohen?«

»Vor ’ner Stunde oder so. Verdammt, ich kann nicht mehr gehen, ich glaub’, mein Schienbein ist gebrochen.«

»Und in welchem Etablissement unterhielten Sie sich mit dem Mann, den Sie möglicherweise zu Recht als einen Dreckskerl bezeichneten?«

»Das war im ›Sunrise‹ in Soho. Wenn ich den erwische, kann er sich auf was gefaßt machen.«

»Mylady wäre in eine versöhnliche Stimmung zu versetzen, wenn Sie diesen Mann genauer beschreiben könnten.«

»Mann, wie reden Sie eigentlich?« Der Untersetzte hörte mit seinem Herumhüpfen auf und starrte Parker irritiert an.

»Meine Wenigkeit befleißigt sich einer höflichen Ausdrucks weise«, erläuterte der Butler, »sie werden meine Bemühungen hoffentlich anerkennen und sich jetzt zu meiner Frage äußern.«

»Wie der Dreckskerl ausgesehen hat?«

»Das war der Kern meiner Frage, in der Tat.«

»Schmal, mittelgroß, Sonnenbrille und ’ne Glatze, etwa vierzig Jahre alt.«

»Ihre Beobachtungsgabe ist erstaunlich. «

»Man muß ja wissen, mit wem man’s zu tun hat, oder?« Der Untersetzte grinste plötzlich, wenn auch nur andeutungsweise.

»Sie haben vor, ihn bei passender Gelegenheit zu erpressen?«

»Wie kommen Sie denn darauf?«

»Könnte es sein, daß Sie einen Ihrer Freunde auf ihn angesetzt haben?«

»Mann, Sie haben vielleicht ’ne komische Phantasie«, wunderte sich der Untersetzte hastig und verriet damit bereits schon ein schlechtes Gewissen. Er fühlte sich eindeutig durchschaut.

»Lassen Sie sich warnen«, redete der Butler weiter, »Sie haben es möglicherweise mit einem Individuum zu tun, das sein Inkognito um jeden Preis bewahren will und wird.«

»Kann ich jetzt abhauen?«

»Dem steht nichts im Weg. Man erlaubt sich, Ihnen noch einen geruhsamen Tag zu wünschen«, erwiderte der Butler, »und was Ihr Schienbein angeht, sollten Sie auftretende Schwellungen mit Arnikasalbe behandeln, die man in einschlägigen Fachgeschäften wohlfeil erstehen kann.«

Parker lüftete gravitätisch die schwarze Melone, legte den Bambusgriff des altväterlich gebundenen Regenschirms über den linken Unterarm und schritt zu seinem Wagen. Er war die Würde in Person.

*

»Woher, zum Teufel, hat man von Ihrem Besuch in diesem Denkmalamt gewußt?« fragte Mike Rander. Der etwa vierzigjährige Anwalt war groß, schlank und glich einem bekannten James-Bond-Darsteller. Seine Bewegungen waren lässig und geschmeidig zugleich. Mike Rander, mit dem Parker vor Jahren zusammen war, wirkte auf den ersten Blick vielleicht ein wenig phlegmatisch, doch das täuschte. Wenn es sein mußte, konnte er in Sekundenschnelle zum harten Einzelkämpfer werden.

Nach seiner Rückkehr aus den Staaten war er von Lady Simpson quasi vereinnahmt worden und verwaltete nun das riesige Vermögen der älteren Dame. Der Anwalt besaß zwar eine Praxis in der Curzon Street, doch die vielen Abenteuer der Lady hinderten ihn daran, sie auch voll auszuüben.

Mike Rander hatte sich im altehrwürdigen Fachwerkhaus in Shepherd’s Market in der Nähe von Hyde Park eingefunden und Myladys Gesellschafterin und Sekretärin mitgebracht.

Kathy Porter, achtundzwanzig Jahre alt, etwas über mittelgroß, schlank und sportlich aussehend, unterstützte Mike Rander bei der anfallenden Arbeit. Sie war eine ungewöhnlich attraktive Erscheinung, hatte braunes Haar mit einem leichten Rotstich und ein exotisch geschnittenes Gesicht, wozu die hohen Wangenknochen und die etwas mandelförmig geschnittenen Augen beitrugen.

Kathy Porter war in fast allen Künsten fernöstlicher Verteidigungskunst beschlagen und konnte sich fast ohne Übergang in eine wilde Pantherkatze verwandeln, wenn man sie angriff. Das allerdings sah man ihr keineswegs an. Sie glich eher einer zurückhaltenden, fast schüchternen Frau.

Lady Agatha, Kathy Porter, Mike Rander und Butler Parker hielten sich im großen Wohnraum auf. Der Butler hatte Tee serviert und wartete nun auf Myladys Antwort. Mike Rander hatte sich an die ältere Dame gewandt, als er seine Frage gestellt hatte.

»Das war eine gute Frage, mein lieber Junge«, schickte Lady Agatha voraus, »und Mr. Parker wird sie beantworten. Sie wissen ja, daß ich mich mit Spekulationen nie abgebe.«

»Dann reiche ich meine Frage an Sie weiter, Parker«, meinte der Anwalt lächelnd, »woher wußte man von Ihrem Besuch in diesem Amt für die Denkmalpflege? Sie werden ihn ja nicht gerade per Radio angekündigt haben.

»Meine telefonische Ankündigung von Myladys Besuch erfolgte etwa eine Stunde zuvor, Sir«, antwortete der Butler, »meine Wenigkeit sprach mit dem Sekretär nicht über den Weg, Mike.«

»Sie glauben, daß er diesen Schläger engagiert hat?«

»Zeit genug hatte er bestimmt.«

»Und Mr. Stokers ist schlank und mittelgroß«, fügte der Butler hinzu, »ihm fehlt allerdings das, was man wohl eine Glatze zu nennen pflegt.«

»Unwichtige Details«, entschied die ältere Dame wegwerfend, »er wird sich eben eine Perücke übergestülpt haben. Erst vor einigen Tagen sah ich im Fernsehen einen Kriminalfilm, in dem man auch mit solch einem Trick arbeitete. Doch damit kann man eine Lady Simpson nicht täuschen!«

»Wie beruhigend, daß Sie sich an Spekulationen nicht beteiligen«, sagte Rander spöttisch, doch Agatha Simpson nahm dies gar nicht wahr. »Eben«, erwiderte sie nur«, man muß sich stets an Tatsachen halten, nur auf sie allein kommt es an, wenn man als Kriminalist erfolgreich sein will.«

»Sie haben dem Burschen doch auf die Beine zurück verholfen, Parker«, erinnerte da der Anwalt, »haben Sie bei dieser Gelegenheit etwas in seinen Brusttaschen gefunden?«

»Nichts, Sir, wenn man von einem Wettschein mal absieht, der allerdings längst verfallen ist.«

»Dann haben wir doch den Namen dieses Kerls, oder?«

»Möglicherweise, Sir«, redete der Butler weiter, »auf dem Wettschein steht der Name eines gewissen Dick Locton.«

Parkers Fingerfertigkeit konnte sich mit der eines professionellen Taschendiebes durchaus messen. Ja, er arbeitete wohl eleganter und schneller. Als er den Schläger gehoben hatte, war Parker natürlich nicht untätig geblieben und hatte die Innen- und Außentaschen des Jacketts des Untersetzten geschickt durchforscht.

»Mein Plan steht fest«, verkündete Agatha Simpson, »nach Einbruch der Dunkelheit, Mr. Parker, werde ich mir dieses Subjekt kaufen und doch noch verhören. Und dann werde ich erfahren, daß der Schläger von diesem Denkmalssekretär gekauft wurde. Es ist doch völlig klar, wer die Fackel ist und wer die Brände legt. Ich werde dem Lümmel umgehend das Handwerk legen!«

*

Lady Agatha befand sich in einer Stimmung, die man nur als äußerst aufgekratzt bezeichnen konnte. Sie freute sich bereits im vorhinein auf den Besuch des Pubs, der sich »Sunrise« nannte.

»Habe ich alle erforderlichen Vorbereitungen getroffen?« erkundigte sie sich bei Butler Parker. Die ältere Dame erschien unten in der großen Wohnhalle ihres Hauses und trug eines ihrer zu weiten Tweed-Kostüme. Auf dem Kopf saß eine eigenwillige Hutschöpfung, eine Mischung aus Sturzhelm und Napfkuchen. Dieses dennoch fast zarte Gebilde wurde von zwei langen Hutnadeln gehalten, die an kleine Bratspieße erinnerten. An ihrem linken Handgelenk hing der perlenbestickte Pompadour, ohne den sie nie das Haus verließ.

»Mylady pflegen stets alle erforderlichen Vorbereitungen zu treffen«, beantwortete der Butler die Frage seiner Herrin. Er war wie üblich gekleidet und machte einen ungemein würdevollen Eindruck. Parker trug über dem schwarzen Zweireiher seinen in gleicher Farbe gehaltenen Covercoat. Auf dem Kopf saß die schwarze Melone, am linken, angewinkelten Unterarm hing der altväterlich gebundene Regenschirm.

»Die Kinder müßten jetzt bereits in Soho sein, nicht wahr?«

»Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady«, versicherte Josuah Parker. Mit dem Ausdruck »Kinder« meinte Agatha Simpson selbstverständlich Kathy Porter und Mike Rander. Die ältere Dame nickte und setzte sich in Bewegung. Sie hatte den verglasten Vorflur noch nicht erreicht, als das Telefon läutete. Butler Parker begab sich an den Apparat, hob ab und meldete sich.

»Hier spricht die Fackel«, sagte eine verzerrte Männerstimme, »genau Sie wollte ich sprechen, Parker.«

»Mr. Parker, wenn ich bitten darf«, gab der Butler zurück, »soviel Zeit muß sein.«

»Sperren Sie die Ohren auf, Mr. Parker«, redete die verzerrte Stimme weiter, »Sie und Ihre Lady mischen sich da in Dinge, die Sie einen Dreck angehen. Ist das klar?«

»Keineswegs und mitnichten«, sagte Parker, »durch Ihre diversen Brandlegungen zerstören Sie Kulturgüter, die unersetzbar sind. Dem muß Einhalt geboten werden, wenn man es so höflich umschreiben darf.«

»Sie werden sich die Finger verbrennen und noch mehr: Ich werde Ihnen einen guten Rat geben.«

»Sie fühlen sich in Ihren Aktivitäten gestört, falls Mylady versucht, Ihnen das Handwerk zu legen?«

»Überschätzen Sie sich bloß nicht, Mr. Parker«, entgegnete die verzerrte Stimme, »hören Sie, es gibt da doch einige Landsitze von Ihrer Lady, die ebenfalls unter Denkmalschutz stehen, oder?«

»Dem kann und soll nicht widersprochen werden.«

»Passen Sie auf, dort wird’s bald brennen.«

»Sie kündigen damit Akte an, die man nur als unfreundlich bezeichnen kann.«

»Wenn schon, Mr. Parker, aber nur so kann man Ihre alte Dame wohl zur Vernunft bringen.«

»Sie sollten davon ausgehen, daß Mylady nicht zu erpressen ist.«

»Warten Sie’s doch ab, Mr. Parker Wenn die ersten Landsitze mal in Flammen aufgehen, wird sie schon den Kopf einziehen und vernünftig werden.«

»Darf man erfahren, was sie eigentlich wollen?« fragte Josuah Parker. »Sollte da wirklich nur der sogenannte schnöde Mammon im Spiel sein?«

»Der auch, Mr. Parker, der auch.«

»Sie verfolgen noch zusätzliche Absichten?«

»Ich werde alle Geldsäcke hier auf der Insel heiß enteignen, falls sie nicht freiwillig zahlen.«

»Sie haben sich viel vorgenommen und werden demnach wohl ununterbrochen unterwegs sein müssen.«

»Wollen Sie mir die Würmer aus der Nase ziehen, Mr. Parker?«

»Wenn Sie gütigst erlauben, möchte ich mir die Freiheit nehmen, Ihnen einen Rat zu erteilen.«

»Lassen Sie mal hören, Mr. Parker. Jetzt bin ich aber mächtig gespannt.«

»Sie sollten einen renommierten Psychiater aufsuchen, Mr. Fackel«, redete der Butler weiter, »falls es Ihnen an Geld fehlt, wird Mylady gern die diversen Behandlungskosten übernehmen.«

Auf der Gegenseite wurde es für einige Sekunden still, und Josuah Parker wußte, wie sehr er seinen Gesprächspartner getroffen hatte.

»Das hätten Sie nicht sagen dürfen, Parker«, äußerte die verzerrte Stimme endlich, »damit haben Sie sich Ihr eigenes Grab geschaufelt. Sie werden nicht mehr lange leben.«

Auf der Gegenseite wurde aufgelegt.

*

Man mußte über eine steile Treppe hinunter in den Pub steigen. Das Licht war nur andeutungsweise vorhanden. Aus dem Kellerlokal drang eine Wolke herauf zur Straße, eine pikante Mischung aus Tabakqualm, schalem Bier und Schweiß.

Butler Parker, der vorausgegangen war, betrat die Kneipe und löste sofort allgemeines Schweigen aus. Die Männer am Tresen wandten sich zu ihm um und starrten ihn an, als käme er aus einer anderen Welt. Als dann auch noch Agatha Simpson erschien, erreichte die allgemeine Irritation einen Höhepunkt.

Parker steuerte eine kleine Sitznische an und lüftete höflich die schwarze Melone, als Mylady Platz nahm. Anschließend schritt der Butler gemessen zum Ausschank und verlangte dort zwei Gläser Bier.

Zwei dubios aussehende Männer, groß und breitschultrig, zwinkerten sich zu und erhofften sich eine hübsche Abwechslung. Sie wollten sich auf Kosten des Butlers amüsieren.

Einer von ihnen rempelte Parker an und verschüttete dabei absichtlich Bier aus seinem Glas. Da Parker aber geschickt zur Seite auswich, landete das verschüttete Bier auf der Hose des zweiten Mannes, der mit dieser Entwicklung nicht gerechnet hatte.

»Moment mal«, brauste der sofort auf und attackierte Parker, »das hier kostet Sie ’ne Menge Schotter, Mann. Sie haben meine Hose verdorben.«

»Sind Sie sicher?« fragte der Butler in seiner höflichen Art.

»Wer hat hier wen angerempelt?« fragte der erste Mann gespielt gereizt, »wer benimmt sich hier wie ein Elefant im Porzellanladen, he? Sie kaufen mir ein frisches Bier, ist das klar?«

»Aber keineswegs«, erwiderte Josuah Parker gemessen, »wenn Sie erlauben, möchte meine Wenigkeit zur Aufklärung eines offensichtlich bestehenden Mißverständnisses beitragen.«

»Wie war das? Die beiden Männer schauten sich verdutzt an und brauchten einige Sekunden, bis sie den Sinn des Satzes begriffen hatten. Die übrigen Männer bildeten bereits einen Halbkreis und sahen der weiteren Entwicklung des Geschehens erwartungsvoll entgegen. Die beiden Kerle nämlich, die sich mit Parker unbedingt anlegen wollten, waren als harte Schläger in einschlägigen Kreisen bestens bekannt.

»Man sollte den an sich völlig unwichtigen Vorgang in aller Ruhe rekonstruieren«, schlug Josuah Parker vor, ruhig und höflich, »Sie hatten die Absicht, meine bescheidene Wenigkeit zu provozieren und rempelten bewußt. Sie hingegen waren nicht schnell genug, dem verspritzenden Bier auszuweichen.«

»Gibt’s denn sowas?« staunte der erste Schläger.

»Der muß doch wahnsinnig oder lebensmüde sein«, empfand der zweite Schläger. Er wirkte wie ein wenig ratlos.

»Weder noch, wenn man dies versichern darf«, redete der Butler weiter, »Sie werden einsehen, daß die Darstellung des Geschehens den Tatsachen entspricht.«

»Will der uns auf den Arm nehmen?« fragte der erste Schläger seinen Partner.

»Der is’ nich’ ganz richtig im Kopf«, urteilte der zweite Schläger, um sich dann erneut vor Parker aufzubauen, »’raus mit dem Kleingeld! Ich brauch’ ’ne neue Hose.«

»Un’ ich’n frisches Bier«, sagte der andere Bursche, »nun mach’ schon, du Pinguin, bevor ich richtig sauer werde.«

»Oder brauchst du erst ’ne Abreibung?« erkundigte sich der Partner des Schlägers. »Die kannst du haben.«

»Die Herren scheinen sich in einem Zustand leichter Aggression zu befinden«, meinte der Butler, der sich nicht aus der Ruhe bringen ließ. Sein Gesicht blieb glatt und ausdruckslos wie das eines professionellen Pokerspielers.

Der erste Kerl schlug fast ansatzlos zu und hatte die feste Absicht, Parkers Kinn zu treffen. Der Butler jedoch nahm seinen Oberkörper genau im richtigen Moment zur Seite und ließ so den harten Schlag passieren. Die Faust des Mannes landete unter dem linken Ohr des zweiten Schlägers, der sofort Wirkung zeigte und in die Knie ging. Er klammerte sich an der Haltestange des Tresens fest und schnappte nach Luft wie ein gestrandeter Karpfen.

»Wenn Sie erlauben, wird man Sie ein wenig erfrischen«, bot der Butler umgehend seine Hilfe an. In der rechten, schwarz behandschuhten Hand befand sich eine kleine Spraydose, wie sie zu medizinischen Zwecken angeboten wird. Parker drückte auf den Auslöseknopf und richtete den Strahl des Sprays auf das Riechorgan des Angeschlagenen.

Dieser grinste plötzlich überaus freundlich, verdrehte verzückt die Augen und löste seine kohlenschaufelgroßen Hände von der Haltestange. Danach rutschte er nach unten auf den schmutzigen Boden und stimmte zur Überraschung aller Anwesenden ein an sich hübsches Volkslied an, das in seiner Wiedergabe allerdings penetrant falsch klang.

»Die gute Absicht ist deutlich zu erkennen.«

Er wandte sich jetzt an den Mann hinter dem Tresen und bestellte zwei Bier.

*

Der Schläger kaute deutlich sichtbar auf Parkers Bemerkung herum und brauchte viel Zeit, bis er endlich wieder reagieren konnte. Dann aber wollte er es wissen und den Butler attackieren, zumal die Umstehenden ungeniert grinsten und sich freuten. Sie schienen gerade diesen beiden Schlägern die Niederlage zu gönnen.

Der Hauptakteur zog ein Messer, ließ die lange Klinge durch Knopfdruck vorschnellen, holte aus und wollte Parker in die Schulter stechen.

Er wäre besser erst gar nicht auf diese Idee gekommen!

Lady Agatha, die längst die kleine Nische verlassen hatte und näher gekommen war, reagierte auf ihre unverwechselbare Art, obwohl Parker sich bereits umwandte, um diesen Stich zu parieren. Er hatte an den Gesichtern der Thekengäste abgelesen, daß sich hinter seinem Rücken etwas tat.

Lady Agatha schlug ausgesprochen lustvoll zu, setzte ihren Pompadour gezielt auf den Unterarm des Schlägers und brachte dessen Hand dazu, das Messer hoch in die Luft zu werfen. Dann setzte sie mit einer ihrer überlangen Hutnadeln nach und rammte sie in die linke Gesäßhälfte des Messerhelden.

Der Aufschrei des Mannes war beachtenswert schrill und klang gequält. Mit einem Ruck zog Agatha Simpson die Hutnadel wieder aus den Gesäßmuskel und ließ sie oben im Hut verschwinden. Der Mann riß beide Hände nach hinten, umfaßte die gesamte Fläche des Hinterteiles und hüpfte dann wie eine aufgescheuchte Heuschrecke durch den Pub. Dabei stieß er Kiekser am laufenden Band aus, die überhaupt nicht zu seiner muskulösen Erscheinung paßten.

»Wenn Mylady erlauben, möchte meine Wenigkeit sich in aller gebotenen Form bedanken«, sagte der Butler und lüftete die schwarze Melone.

»Was wären Sie ohne mich, Mr. Parker«, gab sie zurück und beobachtete dabei interessiert die grotesken Sprünge des Mannes, der sich inzwischen gesetzt hatte und nun mit dem Hinterteil über den Steinboden rutschte. Ihm ging es darum, das bösartige Brennen wenigstens andeutungsweise zu bekämpfen. Er hatte das Gefühl, mit einem glühenden Stück Eisen angebohrt worden zu sein.

Nun, beide Hutnadeln der älteren Dame waren von Josuah Parker chemisch präpariert worden. In Myladys Hand waren die Nadeln so zu Waffen geworden, mit denen sie außerordentlich gut umzugehen verstand. Der Schläger rutschte noch immer umher, doch seine Bewegungen waren eindeutig langsamer geworden. Ihn hatte eine gewisse Schlaffheit und Müdigkeit erfaßt. Er sehnte sich nach Ruhe und Schlaf. Als er die Tür zu den Toilettenräumen erreicht hatte, streckte er sich aus und blieb danach regungslos liegen. Daß er gesundheitlich nicht geschädigt worden war, ließ sich den tiefen Schnarchtönen entnehmen.

»Hätten Sie nun die Güte, die gewünschten Getränke zu zapfen?« fragte Parker den Mann hinter dem Tresen, der sich gerade die Augen rieb. So etwas hatte er in seinem Pub noch nie erlebt. Zwei der härtesten Schläger, die zu seiner Kundschaft gehörten, waren auf eine mehr als ungewöhnliche und auch unblutige Art außer Gefecht gesetzt worden.

Während Agatha Simpson sich in die Nische zurückbegab, bekam Parker die Getränke und trug sie zurück zu seiner Herrin, die dem Mann hinter dem Tresen energisch zuwinkte. Der so Aufgeforderte beeilte sich, zu ihr zu kommen und dienerte verlegen, als er vor der älteren Dame stand.

»Ich suche ein Subjekt namens... Wie heißt dieser Lümmel noch, Mr. Parker?«

»Es handelt sich um einen gewissen Dick Locton«, warf Josuah Parker ein, »er ist untersetzt, breitschultrig und dürfte möglicherweise mit jenen beiden Männern befreundet sein, die Mylady eben erst zu beleidigen trachteten.«

»Dick Locton? Klar, den kenn’ ich. Un’ der is’ mit den beiden Typen da wirklich befreundet. Die stecken oft zusammen. «

»Wo, bitte, kann man diesen Mr. Locton erreichen?«

»Tja, das weiß ich nicht und...«

»Hören Sie zu, junger Mann«, schnitt Lady Agatha ihm brüsk das Wort ab, »noch bin ich recht friedlich, wie Sie ja wohl deutlich sehen, doch das kann sich schnell ändern.«

»Mylady fühlt sich in Ihrem Etablissement noch immer in einer Art behandelt, die man nur als unverschämt bezeichnen kann«, schaltete Josuah Parker sich ein, »die Polizei könnte unter gewissen Umständen zu dem Schluß kommen, daß man Ihnen die Konzession entziehen müßte. Sie fassen meinen bescheidenen Hinweis sicher nicht als Drohung auf.«

»Wer...Wer sind Sie eigentlich? Ich hab’ Sie hier in der Gegend noch nie gesehen. Is’ das ’ne besondere Masche von euch?«

»So ungefähr«, meinte die Detektivin und stieß ein dröhnendes Lachen aus, das die Männer an der Theke zusammenfahren ließ.

»Sie wollen Locton also nichts anhängen?« fragte der Pub-Konzessionär.

»Keineswegs und mitnichten«, lautete Parkers Antwort, »es geht vorerst nur um eine Kontaktaufnahme.«

»Du lieber Mann, habt ihr ’ne tolle Masche drauf«, staunte der Pub-Betreiber, »woher kommt ihr eigentlich?«

»Wo findet man Mr. Locton?« wiederholte der Butler seine Frage.

»Der hat in der nächsten Querstraße ’ne möblierte Bude. Dort wohnt er über dem Blumenladen, gleich an der Ecke.«

»Er traf sich heute vor etwa zwei oder drei Stunden mit einem Mann, der über eine Glatze verfügt? «

»Stimmt«, sagte der Mann fast eifrig, »die saßen da drüben in der Nische und quasselten miteinander.«

»Sie kennen den Glatzenträger natürlich?«

»Nee, eben nicht, der war zum ersten Mal hier.«

»Mr. Locton aber ließ ihn beschatten, wie Myladys Informationen lauten.«

»Mylady? Ich lach’ mich kaputt... Mann, diese Lady-Masche ist Gold wert. Die nimmt man euch glatt ab. »Der Pub-Betreiber gluckste in sich hinein.

»Er ließ den Glatzeneigentümer heimlich beschatten«, erinnerte der Butler kühl und höflich.

»Klar doch, das hab’ ich genau mitbekommen. Ernie Dibbon hat das übernommen, ein verdammt cleveres Kerlchen. Hört mal, wollt ihr euch hier in London niederlassen? Was ist eigentlich eure Masche?«

»Allgemeine Ermittlungen, wenn man es so ausdrücken darf«, antwortete Josuah Parker.

»Also Erpressung und so?«

»Sie sollten sich einer besseren Ausdrucksweise befleißigen«, mahnte der Butler in seiner würdevollen Art, »Sie wollten meiner Wenigkeit noch mitteilen, wo man diesen Mr. Ernie Dibbon finden kann.«

»Der macht auf Laufbursche bei Jane Pritchard«, erwiderte der Mann, »die hat hier in Soho ’ne Hähnchenbraterei.«

»Ich kann nur hoffen, daß Sie Mylady richtig informiert haben«, meinte Josuah Parker.

»Klar doch... Und das mit Mylady... Also, ich kann nicht mehr. Das ist doch der größte Witz, den ich je gehört habe. Mylady! Und die haut zu wie’n Fuhrmann. Sowas muß man einfach gesehen haben.«

*

»Ich bin äußerst zufrieden mit mir, Mr. Parker«, sagte die passionierte Detektivin, als sie mit Parker durch eine schmale Straße schritt, um Dick Loctons Domizil aufzusuchen.

»Mylady waren bewunderungswürdig«, behauptete der Butler, »Myladys Auftreten war imponierend.«

»Ich weiß, ich weiß«, meinte sie wohlwollend, »und ohne mich würden Sie wieder mal nicht mehr leben.«

»Meine bescheidene Wenigkeit steht tief in Myladys Schuld«, sagte Josuah Parker höflich, »und Mylady dürften bereits entdeckt haben, daß man uns folgt.«

»Ach ja?« Sie wunderte sich überhaupt nicht. »Das heißt, selbstverständlich weiß ich das bereits. Einer Lady Simpson entgeht nie etwas.«

»Es handelt sich um einen jungen Mann mit einer Lederweste«

»Man interessiert sich eben für mich«, sagte sie, »und wer hat mir den Lümmel an die Fersen geheftet?«

»Wahrscheinlich der Betreiber des Pub, Mylady, der wohl gern herausfinden möchte, wer Mylady sind.«

»Ich sollte diesen Lümmel zur Ordnung rufen, Mr. Parker, oder?«

»Vielleicht später, Mylady«, schlug der Butler vor, »es könnte sich um den bereits erwähnten Ernie Dibbon handeln, von dem bereits im Zusammenhang mit Mr. Locton gesprochen wurde.

»Keine Einzelheiten, Mr. Parker«, sagte sie streng und fast schon unwirsch, »Sie wissen doch, daß ich mich immer nur für die großen Zusammenhänge interessiere.«

Butler Parker 145 – Kriminalroman

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