Читать книгу Tausendundeine Nacht - 1001 Nacht - Gustav Weil - Страница 23

Geschichte der drei Äpfel.

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Man behauptet, o König der Zeit und Herr deines Jahrhunderts! der Kalif Harun Arraschid habe in der Nacht einmal seinen Vezier rufen lassen und ihm gesagt: »Wir wollen miteinander in die Stadt gehen und hören, was es in der Welt Neues gibt; wir wollen die Leute über die Urteile der Richter ausfragen, und den absetzen, über welchen man sich beklagt, und den belohnen, den man lobt.« Da es Djafar angenehm war, gingen sie miteinander durch die Straßen und Bazars, der Kalif, Djafar und der Diener Masrur, Da sahen sie am Ende einer Straße einen alten Mann mit einem Netze, einem Korbe und einem Stock auf dem Kopfe. Der Kalif sprach zu Djafar: »Dies ist gewiss ein armer, bedürftiger Mann.« Er fragte dann den Alten, wer er sei, und dieser antwortete: »Mein Herr! ich bin ein Fischer, habe Familie, bin heute mittag vom Hause weggegangen, und bis jetzt habe ich nichts fangen können; ich habe nichts, das ich verpfänden könnte, um meiner Familie ein Nachtessen dafür zu bringen, ich kam daher in Verzweiflung, haßte das Leben und wünschte mir den Tod.« Da entgegnete der Kalif: »Willst du wohl, o Fischer! mit uns zum Tigris zurückkehren und das Netz auf mein Glück auswerfen? Ich gebe dir hundert Dinare für deinen Fang.« Der Alte sagte freudig: »Recht gern, mein Herr!« Sie gingen hierauf zusammen an den Tigris, der Fischer warf sein Netz aus, zog dann die Schnur zusammen und brachte eine geschlossene, schwere Kiste herauf. Der Kalif gab den Fischer zweihundert Dinare, und Masrur trug die Kiste ins Schloss. Als sie dieselbe öffneten, fanden sie einen Korb von Palmblättern, mit roter Wolle zugemacht. Als sie den Korb öffneten, sahen sie ein Stück von einem Teppich darin, und als sie diesen aufhoben, erblickten sie einen Mantel, viermal zusammengelegt, und unter diesem ein junges Mädchen, rein wie Silber, aber in Stücke zerhauen.

Als der Kalif das Mädchen in neunzehn Stücke zerschnitten sah, ward er sehr bestürzt, er vergoss Tränen, wandte sich zornig zu Djafar und sagte: »Du Hund unter den Vezieren! man bringt die Leute in meiner Stadt um, und wirft sie in den Strom, die dann bis zum Auferstehungstag auf meiner Verantwortlichkeit lasten. Bei Gott! ich will dieses Mädchen an ihrem Mörder rächen, und ihn auf die härteste Weise hinrichten lassen. Kannst du den Mörder nicht auffinden, so werde ich dich und vierzig deiner Vettern hängen lassen.« Der Kalif ward immer grimmiger und schrie Djafar fürchterlich an; dieser bat um drei Tage Frist, und als der Kalif sie ihm gewährte, ging er betrübt und zornig in die Stadt und wusste nicht, was er tun sollte; denn er dachte: wie soll ich den Mörder dieser jungen Frau entdecken und dem Kalifen bringen? ich weiß mir keinen Rat; es gibt keinen Schutz und keine Macht, außer bei dem erhabenen Gott. Er ging nach Hause und blieb bis zum dritten Tage gegen Mittag dort; da schickte der Kalif nach ihm und fragte ihn: »Wo ist der Mörder der jungen Frau?« Djafar antwortete: »Bin ich der Untersuchungsrichter über die Ermordeten, o Fürst der Gläubigen?« Aber der Kalif schrie ihn zornig an und befahl, dass man ihn unten am Schlosse aufhänge und in ganz Bagdad ausrufe: »Wer den Vezier Djafar und vierzig seiner Vetter von den Barmakiden hängen sehen will, soll unten ans Schloss kommen!« Es kam dann der Stadtaufseher, einige Offiziere und der Vater Djafars; man stellte sie unter den Galgen und wartete nur noch, bis vom Fenster das Signal gegeben werde; das Volk weinte über ihr Schicksal. Da kam auf einmal ein junger Mann, hübsch gekleidet, mit einem Mondgesichte, weiten Augen, glänzender Stirne, roten Wangen, hellen Locken und einem Fleckchen wie ein Ambrakügelchen; er drängte sich durch das Volk, bis er vor Djafar stand; da küsste er ihm die Hand und sagte: »Heil! ich befreie dich von dieser Strafe; steh auf, o Herr der Veziere! Zuflucht der Armen! Oberster der Fürsten; hänge mich statt der Erschlagenen und räche sie an mir, denn ich bin ihr Mörder.« Als Djafar dies hörte, freute er sich über seine Rettung, war aber betrübt über den Jüngling.

Während er so mit ihm sprach, kam ein alter, sehr bejahrter Mann, drängte sich durch die Leute bis er vor Djafar war, und rief: »O großer Herr und Vezier! glaube nicht, was dieser junge Mann sagt; nicht er hat die junge Frau getötet, sondern ich; räche sie also an mir, oder ich werde einst vor dem erhabenen Gott von dir Rechenschaft fordern.« Der junge Mann sagte darauf: »Kein anderer als ich hat die junge Frau getötet.« Da sprach der Alte: »O mein Sohn! ich bin alt und lebenssatt, du bist jung, ich will mein Leben für das deinige hingeben; ich habe die junge Frau getötet, drum hänge mich schnell, denn ich mag doch nicht leben, seitdem sie von mir weg ist.« Als Djafar diesen Streit hörte, erstaunte er sehr darüber, und führte den Alten und den Jüngling zum Kalifen; er küsste die Erde siebenmal und fragte: »Wir bringen hier zwei Männer, von denen jeder behauptet, die junge Frau getötet zu haben.« Nachdem der Kalif beide betrachtet, fragte er: »Wer von euch hat die junge Frau erschlagen und in den Strom geworfen?« Da antwortete der Alte: »Kein anderer, als ich;« und der Junge sagte dasselbe. Da sagte der Kalif zu Djafar: »Geh und lasse sie beide hängen!« Djafar aber erwiderte: »O Fürst der Gläubigen! wenn sie doch nur einer getötet, so würde der andere ungerechterweise gehängt.« Da sagte der junge Mann: »Bei dem, der den Himmel gewölbt, ich habe sie getötet, in einen Korb von Palmblättern gelegt, mit einem Mantel zugedeckt, dann ein Stück Teppich drum gelegt und mit roter Wolle zugenäht; räche also ihren Tod an mir!« Der Kalif fragte erstaunt: »Warum hast du sie unschuldigerweise getötet und dich selbst in eine solche Lage gebracht?« Da antwortete der Jüngling: »O Fürst der Gläubigen! es ist mir mit ihr etwas widerfahren, wenn man es mit der Nadel auf das Tiefe des Auges stechen wollte, könnte jeder sich daran belehren.« Der Kalif sagte: »Erzähle mir deine Geschichte!« und der junge Mann antwortete: »Gott und dem Fürsten der Gläubigen ziemt Gehorsam,« und begann hierauf:

Wisse, o Fürst der Gläubigen! die erschlagene Frau war mein Weib, Mutter meiner Kinder und meine Muhme. Dieser Alte ist mein Oheim und ihr Vater, er verheiratete sie mit mir, als sie noch Jungfrau war; ich lebte elf Jahre mit ihr als mit einer gesegneten Gattin, sie gebar mir drei Söhne, führte einen reinen Lebenswandel und bediente mich so gut, als nur möglich; aber auch ich liebte sie sehr heftig und als sie einmal in diesen Monaten sehr krank wurde, bediente ich sie aufs sorgfältigste. Nach Verlauf eines Monats ward sie nach und nach wieder besser. Da sagte sie mir eines Tages, ehe sie ins Bad ging: »O mein Vetter! ich möchte, dass du mir einen Wunsch gewährtest.« - »Ich werde ganz gehorsam sein«, antwortete ich, »und hättest du auch tausend Wünsche«. Da sagte sie: »Ich gelüste nach einem Apfel, um daran zu riechen und einen Bissen davon zu essen; nachher möchte ich allenfalls sterben.« Ich sagte zu ihr: »Gott gebe deine Genesung!« Ich suchte dann in ganz Bagdad und konnte keinen Apfel finden, denn hätte ich einen auch mit meinen Augen bezahlen müssen, so hätte ich ihn gekauft. Es tat mir sehr weh, den Gegenstand ihres Wunsches nicht finden zu können. Ich ging nach Hause und sagte ihr: »Liebe Muhme, ich habe bei Gott! keinen Apfel finden können.« Ihre Krankheit nahm in jener Nacht wieder sehr zu; ich stand daher am anderen Morgen auf und suchte in allen Gärten herum und konnte noch immer nichts finden. Da sprach zu mir ein alter Gärtner: »Mein Sohn, du wirst nirgends Äpfel finden, außer im Garten des Fürsten der Gläubigen zu Basra, von denen sich bei seinem Verwalter ein Vorrat findet.« Ich ging nach Hause, und von meiner Liebe und Treue zu ihr bewogen, machte ich Anstalten zur Reise und reiste einen halben Monat lang Tag und Nacht nach Basra und zurück, und brachte drei Äpfel, die ich vom Verwalter für drei Goldstücke gekauft, mit mir und überreichte sie meiner Frau. Sie dachte aber gar nicht mehr daran und warf sie neben sich hin, und ward noch zehn Tage lang immer schwächer und kränker. Einst saß ich in meinen Laden und handelte mit Waren, da kam auf einmal ein großer, starker, häßlicher Sklave auf den Markt, mit einem der drei Äpfel in der Hand, wegen welcher ich einen halben Monat lang auf der Reise gewesen war. Ich rief dem Sklaven zu und sagte ihm: »O guter Sklave, woher hast du diesen Apfel?« Da antwortete er: »Ich habe ihn von meiner Geliebten; als ich sie heute besuchte, denn sie ist krank, fand ich drei Äpfel bei ihr, und sie sagte mir, dass ihr Mann eine Reise von einem halben Monat gemacht, um sie ihr zu bringen; ich aß und trank mit ihr und nahm einen der drei Äpfel, mit dem du mich hierherkommen gesehen.« Nun, o Fürst der Gläubigen! ward mir die Welt ganz schwarz, als ich dies hörte; ich schloss sogleich den Laden, ging nach Hause und war außer mir vor Zorn und Wut: ich sah nach den Äpfeln und fand wirklich nur zwei; ich fragte meine Muhme, wo denn der dritte Apfel sei? Sie hob den Kopf auf und sagte: »Bei Gott, mein Vetter, ich weiß es nicht.« Nun war ich von der Wahrheit der Erzählung des Sklaven überzeugt; ich nahm ein scharfes Messer, trat von hinten zu ihr, sagte ihr kein Wort, bis ich auf ihr saß, und schnitt ihr den Kopf ab, legte sie dann schnell in einen Korb, nähte einen Mantel um sie und drüber noch ein Stück Teppich, legte sie in eine Kiste, nahm sie auf den Kopf und warf sie in den Tigris. Nun, bei Gott, o Fürst der Gläubigen, räche sie an mir; lasse mich schnell hängen, sonst werde ich einst vor Gott Rache für sie von dir fordern; denn als ich nach Hause kam, sah ich, wie mein ältester Sohn schrie, und als ich ihn fragte, was er wolle, sagte er mir: »Mein Vater, ich habe diesen Morgen meiner Mutter einen der drei Äpfel gestohlen, die du ihr gebracht, und bin damit auf die Straße gegangen, da kam ein langer, schwarzer Sklave und nahm ihn mir weg; ich rief ihm zu: »O guter Sklave, dieser Apfel gehört meiner Mutter; mein Vater hat eine Reise von einem halben Monat nach Basra gemacht, um meiner kranken Mutter drei Äpfel von dort zu holen, bringe mich daher nicht in Verlegenheit;« er gab mir aber kein Gehör. Als ich ihm dann dasselbe zwei bis dreimal wiederholte, schlug er mich und lief fort; aus Furcht vor der Mutter blieb ich mit meinen Brüdern den ganzen Tag vor den Toren der Stadt; nun wird es aber Nacht und, bei Gott! ich fürchte mich sehr vor ihr; o mein Vater, sage ihr nichts, sie möchte sonst noch kränker werden.« Als ich die Worte meines Sohnes hörte und seine Furcht und sein Weinen sah, wusste ich, dass ich die junge Frau unschuldig ermordet, und dass der verruchte Sklave gelogen, da er die Geschichte der Äpfel nur von meinem Sohne vernommen; als ich dies einsah, weinte und schluchzte ich mit meinen Kindern; da kam dieser alte Mann, ihr Vater, mein Oheim, dazu; ich erzählte ihm alles, was vorgefallen; wir weinten miteinander bis Mitternacht und trauerten drei volle Tage über den Tod der Unschuldigen. An allem diesem war aber der Sklave Schuld. Dies ist meine Geschichte mit der Ermordeten. Nun, bei deinen Ahnen! lasse mich hinrichten, denn ich mag nicht mehr leben; räche das Unrecht, das ich getan!« Als der Kalif dies hörte, war er sehr erstaunt darüber und sagte: »Ich werde niemanden als den verruchten Sklaven hängen lassen; ich will tun, was den nach Genugtuung Verlangenden befriedigen und dem erhabenen König gefallen muss.« Djafar ging weinend weg und sagte: »Nun ist mein Tod nahe, der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht; doch hat mich der Geist des Allmächtigen zum ersten Male gerettet, so wird er es vielleicht auch dieses Mal wieder tun; und, bei Gott, ich werde wieder drei Tage nicht aus dem Hause gehen; möge Gott, was geschehen soll, vollziehen!« Er blieb so bis zum dritten Tage gegen Mittag und verzweifelte halb an seinem Leben; schon ließ er Richter und Zeugen kommen, schrieb sein Testament und nahm weinend von seinen Töchtern Abschied. Da kam ein Bote vom Kalifen und meldete ihm: »Der Kalif ist in höchster Wut und hat geschworen, der Tag werde nicht vorübergehen, ehe du gekreuzigt worden.« Djafar, seine Sklaven und alle, die im Hause waren, weinten; als Djafar von seinen Töchtern und allen Hausleuten Abschied genommen hatte, kam die jüngste Tochter zu ihm; sie hatte ein leuchtendes Gesicht, und er liebte sie am meisten von allen; er drückte sie an seine Brust, küsste sie und weinte wegen der Trennung von seinen Kindern und seiner Frau. Als er sie aus Liebe recht fest an sich drückte, fühlte er etwas Hartes. Er fragte: »Was hast du in der Tasche, meine Tochter, das ich spüre?« Da sagte die Kleine: »Einen Apfel, auf dem der Name unseres Herrn, des Kalifen, geschrieben steht; unser Sklave Rihan hat ihn gebracht, wollte mir ihn aber nur für zwei goldene Dinare geben.« Als Djafar vom Apfel und dem Sklaven hörte, schrie er auf und griff in die Tasche seiner Tochter, zog den Apfel heraus, erkannte ihn und sagte: »O die Rettung ist nahe!« Er ließ sogleich den Sklaven rufen, und als er erschien, sagte er: »Wehe dir Rihan, wo hast du diesen Apfel her?« Da sagte der Sklave: »Bei Gott, mein Herr! wenn Lüge etwas hilft, so hilft doch die Wahrheit noch einmal so viel. Ich habe diesen Apfel nicht in deinem Schlosse, nicht im Schlosse und nicht im Garten des Kalifen gestohlen, sondern als ich vor vier Tagen in den Straßen der Stadt umherging, sah ich Kinder spielen, und ein kleiner Knabe ließ diesen Apfel fallen; ich schlug den Kleinen und nahm ihm den Apfel weg; er sagte weinend: »O Mann! dieser Apfel gehört meiner kranken Mutter, die so sehr danach gelüstet, dass mein Vater ihr drei von einer Reise bringen musste; ich habe einen davon genommen, gib mir ihn also wieder zurück.« Ich wollte ihn aber nicht zurückgeben, sondern brachte ihn hierher und verkaufte ihn meiner kleinen Gebieterin für zwei Dinare. Dies ist meine Erzählung.« Als Djafar dies hörte, wunderte er sich sehr, wie alles Unglück von seinem Sklaven entsprungen; er stand freudig auf, ergriff die Hand des Sklaven, führte ihn zum Kalifen und erzählte ihm die Geschichte von Anfang bis zum Ende. Der Kalif war höchst erstaunt und lachte heftig; dann sagte er: »Dein Sklave ist also der Urheber alles Unglücks?« - »Freilich!« antwortete Djafar; »doch wundere dich nicht so sehr über die Geschichte, sie ist nicht befremdender, als die des Vezier Ali aus Kahirah und Bedruddin Hasan aus Basra; doch erzähle ich sie nur unter einer Bedingung.« Der Kalif, der sehr wünschte, sie zu hören, sagte dann: »Nun, wenn sie schöner und wunderbarer ist, als diese, so schenke ich dir das Leben deines Sklaven, wenn nicht, so lasse ich ihn umbringen. Erzähle also, o Vezier! deine Geschichte.«

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