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Erster Band Erzählung vom Schlafenden und Wachenden

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»Ich habe vernommen, König der Zeit! daß unter dem Kalifen Harun Arraschid ein Handelsmann lebte, der einen Sohn, mit Namen Abul Hasan Alchali hatte. Derselbe erhielt bei seines Vaters Tode ein ungeheures Vermögen, das er in zwei Teile teilte; die eine Hälfte sollte unangegriffen bleiben, von der anderen lebte er. Seine gewöhnliche Gesellschaft waren Krieger und Handelsleute, die ihm den einen Teil seines Vermögens bald durchbringen halfen. Dann ging er zu seinen Freunden und Gesellschaftern, stellte ihnen seine Lage vor und sagte ihnen, wie wenig ihm geblieben sei; aber niemand kehrte sich an ihn. Mit zerknirschtem Herzen über diese Unbill ging er zu seiner Mutter und erzählte ihr, was ihm widerfahren sei. Sie aber sprach: »O Abul Hasan! dies sind die Kinder des Jahrhunderts; hast du Vermögen, so nähern sie sich dir; hast du nichts mehr, so entfernen sie sich von dir.« Sie betrübte sich um seinetwillen und er seufzte und sprach unter Tränen folgende Verse:

»Ist mein Vermögen gering, so kümmert sich niemand um mich; ist es aber groß, so befreunden sich alle Leute mit mir. Mancher ist nur wegen meines Besitzes mein Freund geworden, und hat sich in einen Feind verwandelt als ich mein Gut verlor.«

Abul Hasan ging dann nach dem Orte, wo er die andere Hälfte seines Vermögens aufbewahrt hatte, und lebte davon. Er schwor, mit keinem seiner früheren Freunde mehr zusammen zu kommen, sondern sich jede Nacht eine andere Gesellschaft zu wählen und sie des Morgens wieder zu verlassen. Er setzte sich deshalb jeden Abend auf die Brücke, sprach jeden Fremden an, den er vorübergehen sah, führte ihn in sein Haus und brachte die Nacht in dessen Gesellschaft zu; des Morgens ließ er ihn gehen, ohne sich weiter nach ihm umzusehen oder ihn nur zu grüßen. So trieb er es ein ganzes Jahr hindurch. Als er eines Abends nach seiner Gewohnheit wieder auf der Brücke saß, kamen der Kalif und Masrur, das Schwert seiner Rache, vorüber, verkleidet, wie sie häufig zu tun pflegten. Als Abul Hasan sie sah, ging er auf sie zu, ohne sie zu kennen, und sprach, wie folgt, zu ihnen:

»Wollt ihr wohl mit mir in meine Wohnung gehen und essen und trinken, was dieselbe bietet, nämlich doppeltes Brot (so übereinander gebacken), gekochtes Fleisch und klaren Wein?« Der Kalif wollte nicht einwilligen, aber Abul Hasan beschwor ihn bei Gott, er möge doch sein Gast sein und seine Hoffnung nicht täuschen, und drang so lange in ihn, bis er einwilligte und ihm diese Gnade erwies. Abul Hasan freute sich sehr, ging dem Kalifen voran und unterhielt ihn, bis sie in seine Wohnung kamen. Der Kalif ließ seinen Diener vor der Türe und trat ein, und Abul Hasan ließ, sobald er sich niedergelassen hatte, eine Mahlzeit vorsetzen, wovon er selbst aß, damit es seinem Gaste besser schmecke. Abul Hasan brachte auch, nachdem sie ihre Hände gewaschen hatten, Weingefäße, setzte sich wieder neben den Kalifen, trank selbst und schenkte ihm ein und unterhielt ihn. Der Kalif bewunderte diese Gastfreundschaft und Wohltätigkeit und sagte: »Laß mich wissen, wer du bist, damit ich dich für deine Wohltaten belohne.« Abul Hasan antwortete lächelnd: »Herr! fern sei von mir die Rückkehr zur Vergangenheit, ich will kein zweites Mal mit dir zusammentreffen.« Der Kalif fragte verwundert: »Warum?« Abul Hasan antwortete: »Meine Geschichte ist sonderbar und mein Benehmen hat seinen Grund.« »Welchen Grund?« fragte der Kalif. Abul Hasan antwortete: »Die Ursache hat einen Schweif.« Als der Kalif darüber lachte, sagte jener: »Ich will dir meine Worte durch die Geschichte von dem Feinschmecker und dem Koch klar machen. Wisse, mein Herr!

Ein Feinschmecker stand eines Morgens auf und hatte kein Geld mehr. Die Welt ward ihm eng, er verlor allen Mut und legte sich wieder schlafen bis die Sonne am höchsten stand und ihn die Hitze nicht mehr ruhen ließ und ihm Schaum vor den Mund stieg. Ohne einen Dirham zu besitzen, ging er am Laden eines Kochs vorüber, der eben einen Topf über dem Feuer stehen hatte, worin reines Fett war und woraus die köstlichsten Gewürze dufteten. Der Koch stand hinter den Töpfen, putzte die Waage ab, wusch die Schüsseln rein, kehrte den Laden aus und bespritzte ihn mit Wasser; da kam der Feinschmecker, grüßte ihn, ging in den Laden und sagte zu dem Koch: »Wiege mir für einen halben Dirham Fleisch, für einen viertel Dirham Gemüse und für einen viertel Dirham Brot.« Der Koch wog ihm alles vor, was er begehrte; er aß alles auf und leckte noch die Schüssel aus, wußte aber nicht, wie er seine Zeche bezahlen sollte. Er sah sich im ganzen Laden um, endlich fiel sein Blick auf ein umgestürztes Becken; er hob es auf und fand einen frischen Pferdschweif darunter, von dem noch das Blut tropfte, und er merkte wohl, daß der Koch Pferdefleisch verkaufe. Als er diese Schandtat entdeckte, freute er sich, wusch seine Hände, schüttelte den Kopf und ging fort. Als dies der Koch bemerkte, schrie er ihm nach: »Haltet den Dieb, den Betrüger!« Der Feinschmecker blieb stehen und sagte: »Dummkopf! was schreist du mir so nach.« Der Koch geriet in Zorn, stieg vom Laden herunter und sagte: »Was redest du noch, du Fleisch-, Gemüse— und Brotesser! Du, der, nachdem alles aufgegessen ist, weggeht, ohne die Zeche dafür zu zahlen.« Der Feinschmecker sagte: »Du lügst, du Viehsohn!« Da packte ihn der Koch am Hals und schrie: »Herbei, ihr Muselmänner! das ist das Erste, was ich heute verkaufte; dieser Mann kommt, verzehrt meine Speisen und bezahlt mir nichts dafür!« Die Leute versammelten sich um sie, schalten den Feinschmecker und sagten: »Bezahle ihm, was du gegessen hast!« Er sagte: »Ich habe ihm einen Dirham gegeben, ehe ich in seinen Laden trat.« Der Koch aber beteuerte bei allem, was heilig ist, daß er hiervon nichts wisse. Der Feinschmecker hingegen beschwor die Wahrheit seiner Behauptung, schimpfte und schlug ihm endlich ins Gesicht. Zuletzt packten sie einander an und würgten sich. Als die Leute dies sahen, fragten sie: »Was bedeutet dieser Streit und warum schlagt ihr euch?« Da sagte der Feinschmecker: »Ein Verbrechen (dsanb) ist die Ursache unseres Streits.« Der Koch, der dies hörte, sagte: »Bei Gott, du hast recht, es war ein Dirham, den du mir gegeben, und du hast nicht für einen ganzen Dirham verzehrt, laß dir daher, was dir noch gehört, zurückgeben.« Der Koch hatte wohl gemerkt, was der Feinschmecker mit dem Worte dsanb sagen wolle.

»Nun, mein Freund! auch meine Geschichte hat ihren Grund.« Der Kalif lachte und sprach: »Laß ihn hören!«

Abul Hasan sprach: »Mit Vergnügen; wisse, ich heiße Abul Hasan Alchali; als mein Vater starb, hinterließ er mir ein großes Vermögen, das ich in zwei Teile teilte, den einen zum Aufbewahren, den andern, um damit in Gesellschaft meiner Freunde und Genossen zu leben. Niemand war mir bekannt, der nicht auch zu meinen Tafelfreuden geladen ward. Durch diese Ausschweifungen schwand bald mein noch so großes Vermögen zur Hälfte. Ich ging daher zu meinen bisherigen Freunden, die mir so wacker geholfen hatten, dasselbe durchzubringen, und verlangte Beistand und Hilfe von ihnen, die sie mir jedoch alle verweigerten. Kein einziger wollte einen Laib Brot mit mir teilen. Dies schmerzte mich; ich ging daher zu meiner Mutter, klagte ihr mein Leid, sie aber sagte zu mir: »So sind die Freunde, besitzt du Güter, so essen sie dich arm, und hast du nichts, so verlassen sie dich!« Hierauf nahm ich die zweite Hälfte meines Vermögens wieder heraus und schwor, niemand mehr länger als eine Nacht zu meinem Tischgenossen zu machen, und ihn dann nicht mehr zu grüßen, noch sonst mit ihm zu verkehren. Daher waren auch vorhin meine Worte zu dir: »Ferne sei von mir, daß Vergangenes wiederkehre; denn ich werde nur diese Nacht mit dir zusammen sein.« Als der Kalif dies hörte, lachte er heftig und sagte: »Bei Gott, mein Freund! du bist hinlänglich entschuldigt, da ich nun die Ursache kenne und weiß, daß sie ein Verbrechen deiner Freunde ist; doch aber werde ich, so Gott will, nicht ganz von dir scheiden.« Da sagte Abul Hasan: »Habe ich dir nicht gesagt, ferne sei von mir, daß Vergangenes wiederkehre?«

Tausend Und Eine Nacht

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