"...vergessen Sie nicht die chinesischen Nachtigallen."
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Gusti Adler. "...vergessen Sie nicht die chinesischen Nachtigallen."
Impressum
Zum Geleit
Das atemlose Leben
Kindheit
Jugend
Salzburg
Berlin
Deutsches Theater
Kammerspiele
Der magische Kreis
1914
Shakespeare-Zyklus – Deutscher Zyklus – Probenarbeit
Expressionismus
Großes Schauspielhaus
»Orpheus in der Unterwelt«
Ankauf von Leopoldskron
»Jedermann«
Januskopf Salzburg
Schlösser – Häuser – Wohnungen
Inszenierung Leopoldskron
»Das Salzburger Große Welttheater«
Hofburg – »Die Namenlosen«
Josefstadt
New York – Leopoldskron – »Der eingebildete Kranke«
»Das Mirakel« in Amerika
Rückkehr nach Wien
Brand in Leopoldskron
Wieder Berlin
Reinhardt, der Lehrer
»König Lear« – »Gesellschaft«
Festspiele 1925/26
Der internationale Kreis
Zwanzig Jahre Deutsches Theater
Deutsches Gastspiel in Amerika – »Artisten«
Filmprojekt mit Lillian Gish
Requiem
»Phaea«
Max Reinhardts Ehe – Die Episode Riga
»Die Fledermaus«
25 Jahre Deutsches Theater
Salzburger »Fledermaus«
Commedia dell’ arte
»Die schöne Helena«
»Hoffmanns Erzählungen« – Direktionsübergabe
Zeitgenössische Stücke
Gartentheater
1933
Italienischer »Sommernachtstraum«
Oxford
Der Salzburger »Faust«
»Der Kaufmann von Venedig« am Originalschauplatz
»Sommernachtstraum« in Amerika
1934/35: Der Film
»Der Weg der Verheißung«
Neue Filmprojekte
Allerseelen
Der letzte Akt
Gusti Adler in Leopoldskron
Verzeichnis der zitierten Briefe, Schriften, Reden
Отрывок из книги
Als die Salzburger Festspiele 1920 ihren Anfang nahmen, saß ich noch auf der Bank der Realschule, aber wir paar literaturbeflissenen und theaterbegeisterten Schüler bewogen unseren Professor, in der Deutschstunde mit uns den Jedermann zu lesen. Und selbstverständlich sahen wir die Aufführung auf dem Domplatz. Als 1922 das Salzburger Große Welttheater in der Kollegienkirche aufgeführt wurde, gelang es mir mit einem meiner Schulfreunde als Statist angenommen zu werden. Ich wollte vor allem Max Reinhardt aus der Nähe erleben. So begann meine »Karriere« bei den Festspielen. Damals sah ich in dem weiten Raum der Kollegienkirche den »Professor« zum ersten mal bei der Probenarbeit. Während die Schauspieler auf der mit scharlachrotem Stoff ausgeschlagenen Bühne agierten, standen wir herum und beobachteten, wie die Hilfsregisseure als eilfertige Boten zwischen der Bühne und dem Sitz des allgewaltigen Meisters hin und her liefen. Dass auch Haltung und Bewegung von uns bedeutungslosen Statisten gründlich geübt und mehrmals unser Auftritt wiederholt wurde, machte auf uns großen Eindruck. Und obwohl wir längst hätten heimgehen können, blieben wir staunend und hingerissen sitzen, als Max Reinhardt jene berühmt gewordene Szene endlos probte, in der der Tod, von dem hochgewachsenen schlanken Luis Rainer dargestellt, die einzelnen Figuren, den König zuerst, abholt, eine unheimliche tänzerische Szene, begleitet von dumpfem Trommelschlag. Der von Statur eigentlich kleine Professor, als Mittelpunkt dieser Proben, von dem aus jedes Wort und jede Geste geordnet wurde, faszinierte uns junge Leute, wenngleich wir das Welttheater mit einer Skepsis verfolgten, wir, die wir die ekstatischen Verse und die aufwühlenden Dramen der Expressionisten begeistert lasen, so dass uns die allegorischen Gestalten der Hofmannsthalschen Richtung gekünstelt und blutleer erscheinen mußten.
Außer einigen von uns Jungen interessierten sich die meisten Salzburger eigentlich wenig für diese Aufführungen, und ich erinnere mich, stets eher ablehnende Meinungen zu den Festspielen gehört zu haben. Freilich, die Sorgen und Entbehrungen jener Jahre drückten die Menschen nieder. Was ist seither aus diesen Festspielen geworden! Wie wir wissen, hat Reinhardt die ersten Schritte unternommen, um Festspiele in Salzburg zu schaffen, ehe noch die Salzburger Festspielhausgemeinde gegründet worden war. Noch bedeutsamer aber war es, daß er – ohne daß zureichende Voraussetzungen bestanden hätten – zu spielen begann, den Jedermann auf dem Domplatz inszenierte, mochten auch Lebensmittelmangel, Geldschwierigkeiten und all die Not der Nachkriegszeit ein so kühnes Unternehmen erschweren. In Salzburg entstanden einige seiner bedeutendsten Inszenierungen, und Max Reinhardt war es, der die Felsenreitschule, vor allem durch die Aufführung von Goethes Faust, den Festspielen als Spielplatz gewann. Mag manche Inszenierung, zeitbedingt wie alles Theater, in der Erinnerung schöner und größer erscheinen, Salzburg dankt Max Reinhardt, daß diese Festspiele Wirklichkeit wurden, dass die Idee nicht wie vorher mancher Elan im damaligen provinziellen Klima Salzburgs versandete, sondern mit großzügigem Wagemut das erste Ereignis gesetzt wurde, das heilige Feuer für dieses Fest der Musik und des Theaters in der Mozartstadt entzündet wurde. So werden die Erinnerungen von Gusti Adler, die durch zwei Jahrzehnte den Meister als seine getreue Mitarbeiterin begleitete, gerne aufgenommen werden als ein wertvolles Dokument, das ein faktenreiches Porträt Max Reinhardts aus nächster Nähe wiedergibt.
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Anfangs ging das Theater schwach. August Strindbergs Rausch mit der Eysoldt brachte den ersten größeren Erfolg. Sie spielte dann auch die Titelrolle in Oscar Wildes Salome. Das Stück war von der Zensur verboten worden. Reinhardt war entschlossen, diesen Widerstand zu überwinden. Er führte Regie, wenn auch der Theaterzettel Hans Oberländer als Regisseur nennt. Die Aufführung fand an einem Nachmittag vor geladenem Publikum statt: Dichter, Musiker, Maler, die geistige Elite Berlins. Da waren Stefan George mit seinem Kreis, Richard Strauss, Eugen d‘Albert, prominente Literaten, Schauspieler und die Vertreter der Presse. Das Verbot der Behörden wurde ad absurdum geführt – sie sahen sich gezwungen, es zu widerrufen.
Aber noch fehlte Reinhardt ein dauernder, durchschlagender Erfolg. Um diese Zeit las er zufällig in einer Zeitung den Bericht über die Uraufführung von Maxim Gorkis Nachtasyl im Moskauer Künstlertheater. Das interessierte ihn in solchem Maß, dass er seinen Freund August Scholz nach Moskau schickte, um es sich anzusehen. Scholz brachte das Stück mit, und es wurde zu Reinhardts allergrößtem Erfolg im Kleinen Theater. Die Wirkung auf das Publikum war überwältigend. Rosa Bertens spielte darin, Reicher, Eduard von Winterstein, der junge Victor Arnold, Hans Waßmann und vor allem Reinhardt selbst, der am 1. Januar 1903 aus dem Verband des Deutschen Theaters ausgeschieden war. Nachtasyl hätte jahrelang auf dem Spielplan bleiben können. Der Kassenerfolg war ungeheuer. Reinhardt sah sich gezwungen, ein zweites Theater zu suchen. Nicht nur, weil er seine Bühne als Repertoiretheater weiterführen wollte, sondern auch, weil der Raummangel im Kleinen Theater die Wahl der Stücke erschwerte und die geringe Sitzzahl die Einnahmen beschränkte. So eröffnete Reinhardt das Neue Theater am Schiffbauerdamm mit Ludwig Thomas Lokalbahn. Für sein Regiedebüt an diesem Theater wählte er Maurice Maeterlincks Pelleas und Melisande. In Lucie Höflich hatte er eine geniale Darstellerin für die zarte Rolle der Melisande gefunden. Er selbst spielte den König Arkel, Louise Dumont die Königin. Diese Aufführung, in ihrem Zusammenklang von Darstellung, Musik und Dekoration, bedeutet einen Markstein in der Geschichte des Theaters, denn hier betrat Reinhardt vollkommen neue, bisher unbegangene Wege. Er zog von diesem Zeitpunkt an die ersten bildenden Künstler Berlins zur Mitarbeit heran: Lovis Corinth, Emil Orlik, Karl Walser, Alfred Roller, Max Slevogt. Für Minna von Barnhelm gelang es ihm sogar, den neunzigjährigen Adolph von Menzel dazu zu bewegen, ins Theater zu kommen und sein Gutachten über Kostüme und Dekorationen abzugeben.
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